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Robespierre sah den Eindruck, den dieser Anblick auf Marceau hervorbrachte.

– »Dies ist der Palast Cäsars, « sagte er zu ihm lächelnd, was haben Sie von dem Diktator zu verlangen?«

– »Gnade für meine Frau, die durch Carrier verdammt ist.«

– »Deine Frau von Carrier verdammt! Die Frau Marceaus! des Republikaners der alten Zeit! des Soldaten von Sparta! Was macht er denn in Nantes?«

– »Abscheulichkeiten. Marceau zeichnete ihm hierauf das Gemälde, welches wir dem Leser vor die Augen gestellt haben. Robespierre warf sich während dieser Erzählung auf seinem Sessel hin und her, ohne ihn zu unterbrechen; indes hörte Marceau auf zu sprechen.«

– »So werde ich also immer verstanden, sprach Robespierre mit heiserer Stimme, denn die innere Gemütsbewegung, die er so eben empfunden hatte, war hinreichend, diese Veränderung in seiner Stimme hervorzubringen, überall, wo meine Augen nicht sind, um zu sehen, und meine Hand, um unnützem Blut Einhalt zu tun!. . . Es gibt indessen Blut genug, was die unumgängliche Notwendigkeit uns gebietet, und wir sind noch nicht zu Ende.«

– »Ei nun denn! Robespierre, Gnade für meine Frau!«

Robespierre nahm ein Blatt weißes Papier:

– »Ihr Name als Mädchen?«

– »Warum?«

– »Ich muß ihn haben, um die Identität festzustellen.«

– »Blanca von Beaulieu

Robespierre ließ die Feder seiner Hand entsinken.

– »Die Tochter des Marquis von Beaulieu, des Häuptlings der Räuber.«

– »Blanca von Beaulieu, die Tochter des Marquis von Beaulieu.«

– »Und wie kommt es, dass sie deine Frau ist?

Marceau erzählte ihm Alles.«

– »Junger Narr! junger Unsinniger! sagte er zu ihm; musstest du . . . Marceau unterbrach ihn.«

– »Ich verlange weder Scheltworte, noch Ratschläge von dir; ich verlange ihre Begnadigung, willst du mir sie geben?«

– »Marceau, werden dich die Bande der Familie, der Einfluss der Liebe niemals hinreißen, die Republik zu verraten?«

– »Niemals.«

– »Wenn du dich mit den Waffen in der Hand dem Marquis von Beaulieu gegenüber befändest?« – »Ich würde ihn bekämpfen, wie ich es schon getan habe.«

– »Und wenn er in deine Hände fiele?«

Marceau besann sich einen Augenblick.

– »Ich würde ihn dir zuschicken, und du selbst wärst sein Richter.«

– »Du, schworst mir das?!«

– »Auf Ehre!?’

Robespierre ergriff die Feder wieder. – Marceau, sagte er zu ihm, du hast das Glück gehabt, dich vor Aller Augen rein zu erhalten: seit langer Zeit kenne ich dich, seit langer Zeit wünschte ich, dich zu sehen. Die Ungeduld Marceaus wahrnehmend, schrieb er die drei ersten Buchstaben seines Namens, dann hielt er an. – Höre, sprach er, ihn starr anblickend, ich meinerseits verlange von dir fünf Minuten; ich gebe dir ein ganzes Dasein für diese fünf Minuten: das ist gut bezahlt. Marceau machte ein Zeichen, dass er ihn höre. Robespierre fuhr fort: – Man hat mich bei dir verleumdet, Marceau, und doch bist du einer von den wenigen Männern, von denen: ich gekannt zu sein wünschte; denn was liegt mir an dem Urteil Derer, die ich nicht achte? Hore also: drei Versammlungen haben der Reihe nach das Geschick Frankreichs bewegt, jede von ihnen fasst sich in Einem Manne zusammen; sie haben die Sendung vollbracht, womit das Jahrhundert sie beauftragt hatte: die Konstituierende, durch Mirabeau repräsentiert, hat den Thron erschüttert; die Gesetzgebende, in Danton personifiziert, hat ihn niedergerissen. Das Werk des Konvents ist ungeheuer, denn er muss vollenden, niederzureißen, und beginnen, wieder aufzubauen. Ich habe dabei einen hohen Gedanken: er ist, das Urbild dieser Epoche zu werden, wie Mirabeau und Danton die Urbilder der ihrigen gewesen sind; es wird in der Geschichte des französischen Volkes drei Männer geben, die durch die drei Ziffern dargestellt werden: 91, 92, 93. Wenn das höchste Wesen mir die Zeit gibt, mein Werk zu vollenden, so wird mein Name über allen Namen stehen; ich werde Mehr getan haben als Lykurg bei den Griechen, als Numa in Rom, als Washington in Amerika; denn Jeder von ihnen hatte nur ein erst in der Geburt begriffenes Volk zu beruhigen, und ich habe eine veraltete Gesellschaft, die ich wieder gebären muss . . . Wenn ich unterliege, mein Gott! erspare mir eine Lästerung gegen dich in meiner legten Stunde. . . Wenn ich falle vor der gewünschten Zeit, so wird mein Name, der nur die Hälfte von dem, was er zu tun hatte, vollbracht haben wird, den blutigen Flecken behalten, den der andere Teil ausgewischt haben würde: die Revolution wird mit ihm fallen, und beide werden verleumdet werden. . . Das ist es, was ich dir, zu sagen hatte Marceau, denn ich will, dass es auf alle Fälle einige Menschen gäbe, die meinen Namen lebendig und rein in ihrem Herzen behalten, wie du Flamme im Tabernakel, und du bist einer dieser Menschen.

Er schrieb seinen Namen vollends aus.

»Jetzt, hast du hier die Begnadigung deiner Frau. . . Du kannst abreisen, ohne mir selbst die Hand zu reichen.«

Marceau ergriff sie und drückte sie kräftig; er wollte sprechen, aber es war zu viel Wehmut in seiner Stimme, als dass er ein einziges Wort hätte hervorbringen können, und Robespierre war es, der zuerst zu ihm sagte: »Vorwärts, du musst abreisen, es ist kein Augenblick zu verlieren: auf Wiedersehen.«

Marceau stürzte nach der Treppe; der General Dumas stieg herauf, als er hinabging.

– »Ich habe ihre Begnadigung, « rief er, sich in seine Arme werfend, aus, »ich habe ihre Begnadigung, Blanca ist gerettet. . . «

– »Wünsche auch mir Glück, « erwiderte ihm sein Freund: »ich bin so eben zum Obergeneral der Alpenarmee ernannt worden, und ich komme, Robespierre dafür zu danken.«

Sie umarmten sich. Marceau stürzte sich auf die Straße, eilte nach dem Platz des Palasts Egalité, wo ihn sein Wagen erwartete, der bereit stand, mit derselben Schnelligkeit wieder abzureisen, mit der er ihn hergebracht hatte.

Von welchem Gewicht war sein Herz erleichtert! welches Glück erwartete ihn! welche Seligkeiten nach so viel Schmerzen! Seine Einbildungskraft tauchte unter in der Zukunft; er sah den Augenblick, wo er seiner Frau von der Schwelle des Kerkers zurief: Blanca, du bist frei durch mich; komm, Blanca, deine Liebe und deine Küsse mögen die Schuld deines Lebens bezahlen.

Von Zeit zu Zeit indes durchzog eine verworrene Unruhe seinen Geist, ein plötzliches Schaudern traf sein Herz, dann trieb er die Postillione, zu eilen, versprach Gold, verschwendete es und versprach wieder: die Räder brennen auf dem Pflaster, die Pferde verschlingen den Weg und doch findet er kaum, dass sie vorwärts kommen! überall ist der Vorspann bereit, kein Verzug; Alles scheint die Aufregung zu teilen, die ihn quält. In einigen Stunden hat er Versailles, Chartres, le Mans, la Fléche hinter sich gelassen; er erblickt Angers; plötzlich empfindet er einen furchtbaren Stoß: der umgestürzte Wagen ist gebrochen; er steht gequetscht, blutend auf, trennt mit einem Säbelhieb die Stränge los, die eines der Pferde festhalten, schwingt sich eilends auf dasselbe, erreicht die erste Post, nimmt hier ein Reitpferd und setzt mit noch größerer Eilfertigkeit seinen Weg fort.

Endlich ist er durch Angers hindurch, er erblickt Ingrande, erreicht Barades, kommt über Ancenis hinaus; sein Pferd trieft von Schaum und Blut. Er gewahrt Saint-Donatien, dann Nantes! Nantes, das seine Seele, sein Leben, seine Zukunft einschließt. Einige Augenblicke noch, so wird er in der Stadt sein, er erreicht das Thor: sein Pferd sinkt vor dem Gefängnisse Bouffays nieder: er ist ja angekommen, was liegt daran?

– »Blanca, Blanca«

– »Zwei Karren sind so eben vom Gefängnis weggefahren, erwidert der Kerkermeister, sie ist auf dem ersten.«

– »Verflucht! und Marceau stürzt sich zu Fuße mitten durch das Volk, das sich drängt, das zu dem großen Platze eilt. Er gelangt zu dem letzten der beiden Karren; einer der Verurteilten erkennt ihn.«

– »General, retten Sie sie, retten Sie sie. . . Ich habe es nicht gekonnt und bin gefangen worden. . . Es lebe der König und die gute Sache. Es war Tinguy

»Ja, ja!. . . Und Marceau bahnt sich einen Weg; die Menge stößt ihn, drängt ihn, aber reißt ihn fort; er langt mit ihr auf dem großen Platze an: er ist vor dem Blutgerüste, er bewegt sein Papier, indem er ausruft: Gnade! Gnade!« In diesem Augenblick zeigte der Henker, den Kopf eines jungen Mädchens bei ihren langen blonden Haaren fassend, dem Volk ein scheußliches Schauspiel; die entsetzte Menge wendete sich mit Abscheu weg; denn sie glaubte ihn Ströme Bluts speien zu sehen! . . . Plötzlich lässt sich mitten in dieser stummen Menge ein Schrei der Wut hören, worin sich alle menschliche Kräfte erschöpft zu haben schienen; Marceau hatte zwischen den Zähnen dieses Kopfes die rote Rose, die er der jungen Vendeerin gegeben hatte, erkannt.

Cherubino und Celestini

aus dem Französischen
Antonys Erinnerungen
Stuttgart
Druck und Verlag Imle u. Krauß
1835

I

Was ich dir jetzt erzählen werde, mein Leser, ist eine Räuberszene; Nichts weiter; folge mir in das vordere Calabrien; ersteige mit mir einen steilen Vorsprung der Apenninen, und auf dessen Gipfel angekommen wirst du, gegen Mittag blickend, zu deiner Linken Cosenza, rechts Santo-Lucido, und gerade vor dir, in einer Entfernung von ungefähr tausend Schritten, einen Weg haben, der, an den Seiten des Bergs selbst sich steil in die Höhe ziehend, in diesem Augenblick durch eine große Zahl von Feuern erhellt ist, um welche bewaffnete Männer sich lagern. Diese Männer sind in der Verfolgung des Räubers Giacomo begriffen, mit dessen Bande sie so eben nicht wenig Flintenschüsse gewechselt haben; allein von der Nacht überfallen wagen sie es nicht, sich durch weiteres Vordringen bloßzustellen, und sie warten den Tag ab, um das Gebirge zu durchstreifen.

 

Nunmehr senke das Haupt und werfe deine Blicke in gerader Richtung in eine Tiefe von ungefähr fünfzehn Fuß hinab, auf jene Gebirgsplatte, die so von rötlichen Felsen, grünen buschigen Eichen und gelben verkrüppelten Korkbäumen umgeben ist, dass man gerade so über ihr stehen muss, wie wir, um zu erraten, dass sie nur irgend in der Welt existiert; nicht wahr? du wirst hier zuerst vier Männer gewahren, die mit den Vorbereitungen zum Abendessen beschäftigt sind, indem sie Feuer anzünden und ein Lamm abziehen; dann vier andere, die ihre Mora18 mit einer solchen Schnelligkeit spielen, dass du den Bewegungen ihrer Finger nicht zu folgen vermagst, zwei weitere stehen auf der Wache so unbeweglich, dass du dieselben für Felsstücke halten möchtest, denen der Zufall eine menschliche Form gegeben; daneben sitzt eine Frau, und wagt nicht, sich zu bewegen, aus Furcht, ein in ihren Armen schlafendes Kind zu erwecken; endlich seitwärts wirst ein Räuber die letzte Schaufel voll Erde auf ein frisch gemachtes Grab.

Dieser Räuber ist Giacomo; jene Frau ist seine Geliebte, und die Männer, die auf der Wache stehen, spielen, und das Essen bereiten, sind, was er seine Bande nennt; der im Grabe Ruhende? es ist Hieronimo, der Stellvertreter des Hauptmanns: eine Kugel hat ihm so eben den Galgen erspart, der für Antonio, den zweiten Lieutenant, welcher die Dummheit beging, sich fangen zu lassen, schon aufgerichtet ist.

Nachdem du jetzt mit Menschen und Örtlichkeiten bekannt bist, lass mich erzählen:

Als Giacomo das Begräbnis vollbracht hatte, ließ er seinen Händen die Hacke entsinken, der er sich bedient hatte, und kniete nieder auf die frisch aufgeworfene Erde, in der seine Knie wie in Sand einsanken; hier blieb er beinahe eine Viertelstunde unbeweglich betend; dann zog er aus seiner Brust ein silbernes, durch ein rotes Band am Halse befestigtes Herz hervor, worauf das Bild der heiligen Jungfrau mit dem Jesuskind war, und küsste es fromm und ehrfurchtsvoll, wie es einem ehrlichen Banditen geziemt: jetzt stand er langsam auf, und ging gesenkten Hauptes, um mit gekreuzten Armen sich an den Grundpfeiler des Felsens zu lehnen, dessen Böschung die vorbeschriebene Gebirgsplatte beherrscht.

Giacomo hatte diese Bewegung mit solcher Stille und Traurigkeit ausgeführt, dass Niemand ihn den Platz einnehmen hörte, den er nun inne hatte. Doch mochte diese Unachtsamkeit der Wache ihm mit den Gesetzen der Mannszucht im Widerspruch geschienen haben; denn nachdem er den Blick auf seiner Umgebung hatte umherschweifen lassen, zog er seine Augenbrauen zusammen, und sein weiter Mund öffnete sich, um den grauenvollsten Fluch auszustoßen, der je seit Räuber gedenken den Himmel in Entsetzen gebracht hatte:

– »Sangue di Christo. . . «

Die das Lamm zerschnitten, fielen in die Knie, wie wenn sie einen Stockstreich in die Seite bekommen hätten; den Spielern starrten unbeweglich die Hände in der Luft; die Wachen drehten sich so plötzlich um, dass Einer dem Andern vor dem Gesicht stand; die Frau zitterte, und das Kind fing an zu weinen.

Giacomo stampfte mit dem Fuß auf die Erde.

– »Maria bring das Kind zum Schweigen, ruft er aus.«

Maria öffnet schnell ihr scharlachrotes mit Gold gesticktes Mieder, bringt die Lippen ihres Söhnchens dem runden braunen Busen näher, der die Schönheit der Römerinnen ist, beugt sich auf ihn herab, und schlingt wie zu seinem Schutze die beiden Arme wirklich um ihn. Das Kind nahm die Brust an und schwieg.

Giacomo schien zufrieden mit diesem Zeichen des Gehorsams; sein Gesicht verlor den strengen Ausdruck’ der es einen Augenblick umwölkt hatte, um einen tieftraurigen Charakter anzunehmen; dann gab er seinen Leuten mit der Hand ein Zeichen, dass sie fortfahren sollten.

– »Wir haben aufgehört, zu spielen, sprechen die Einen.«

– »Der Hammel ist zerlegt, sagen die Andern.«

– »Es ist gut, esst! antwortet Giacomo

– »Und Ihr? Hauptmann!« – »Ich werde nicht essen.«

– »Ich auch nicht, sagt die sanfte Stimme der Frau.«

– »Und warum nicht, Maria?. . . «

– »Ich habe keinen Hunger.«

Diese letzten Worte wurden so leise und schüchtern ausgesprochen, dass der Bandit von ihrem Ausdruck so tief gerührt wurde, als seine Natur ihm erlaubte; er ließ seine sonnverbrannte Hand auf den Kopf seiner Geliebten sinken: sie ergriff dieselbe, und drückte ihre Lippen darauf.

– »Du bist ein gutes Weib, Maria.«

»Ich liebe dich, Giacomo.«

– »Wohl an, sei klug und komm, wir wollen essen.«

Maria gehorchte, und Beide nahmen an der Strohmatte Platz, auf der Stücke Hammelfleisch, welches die Räuber an den Ladestock eines Karabiners gesteckt und so gebraten hatten, Ziegenkäse, Haselnüsse, Brot und Wein aufgetragen waren.

Giacomo zog aus der Scheide seines Dolchs ein Messer und eine Gabel hervor, die er Maria übergab; er selbst genoss Nichts als eine Schale reinen Wassers, die er an der nächsten Quelle selbst schöpfte; die Furcht von den Bauern vergiftet zu werden, die allein ihm Wein liefern konnten, hatte ihn schon seit langer Zeit bewogen, diesem Getränke zu entsagen.

Jetzt machte Jeder sich ans Werk mit Ausnahme der zwei Wachen, die von Zeit zu Zeit den Kopf drehten, und einen ausdrucksvollen Blick auf die Nahrungsmittel warfen, welche mit erschreckender Schnelligkeit verschwanden.

Diese Bewegungen der Unruhe wurden immer häufiger und schneller, je mehr die Mahlzeit vorrückte, so dass es am Ende scheinen mochte, sie seien eher beauftragt, das Essen ihrer Kameraden zu belauern, als den Bivouak des Feindes.

Während dieser Zeit war Giacomo traurig, und man bemerkte wohl, dass sein Herz von peinlichen Erinnerungen erfüllt war. Plötzlich schien er denselben nicht mehr widerstehen zu können, er fuhr mit der Hand über die Stirne, stieß einen Seufzer aus und sprach:

– »Kinder! ich muss euch eine Geschichte erzählen. Auch ihr Übrigen, setzte er hinzu, sich an die ausgestellten Wachen wendend, könnt herankommen; sie werden es um diese Stunde nicht wagen, uns hier aufzureiben; zudem glauben sie, es seien unserer nur noch zwei.«

Die Schildwachen ließen sich diese Einladung nicht zweimal wiederholen, und ihre Mitwirkung brachte in das Mahl, welches schon lauer betrieben wurde, wieder etwas Tätigkeit.

– »Willst du, dass ich ihre Stelle einnehme? fragt Maria.«

– »Danke; es ist nicht der Mühe wert.«

Maria schob schüchtern ihre Hand in die Giacomos. Die mit ihrem Abendbrot fertig waren, schickten sich an, die Stellungen einzunehmen, die ihnen am bequemsten schienen, um die Erzählung anzuhören. Die, welche aßen, häuften so viel Proviant vor sich, als sie davon bekommen konnten, um nicht nötig zu haben, Etwas zu verlangen, und jeder hörte der hier folgenden Erzählung mit jener Teilnahme zu, welche überhaupt Menschen eines herumziehenden Lebens dem Laufe einer Geschichte schenken.

– »Es war im Jahr 1799. Die Franzosen hatten Neapel in Besitz genommen, und eine Republik daraus gemacht; die Republik ihrerseits wollte Calabrien wegnehmen: per Baccho! das Gebirge den Bergleuten nehmen! es war keine leichte Sache, besonders für Heiden. Mehrere Banden verteidigten Calabrien, wie wir es noch verteidigen; denn das Gebirge gehört uns, und auf die Köpfe der Anführer dieser Banden waren Preise gesetzt, wie jetzt auf den meinigen; der Kopf des Cesaris unter Anderen galt 3000 neapolitanische Dukaten.

In einer Nacht, wo man während des ganzen Abends einige Flintenschüsse gehört hatte, wie man diesen Abend welche hören konnte, verzehrten zwei junge Hirten, die ihre Heerden in dem Gebirge von Tarsia hüteten, ihr Abendbrot bei dem Feuer, das sie angezündet hatten, weniger um sich zu wärmen, als die Wölfe abzuhalten: es waren zwei schöne Jungen, zwei wahre Calabrier, halb nackt, und statt jeder Kleidung nur ein Schaffell um die Lenden gegürtet, Sandalen an den Füßen, ein Band, um an ihren Hals das Bild des Jesuskindes zu hängen, und damit war Alles abgetan. Sie waren beinahe von demselben Alter; weder der Eine noch der Andere kannte seinen Vater, indem man sie beide in einer Entfernung von drei Tagesreisen auseinander, den Einen zu Tarent, den Andern zu Reggio ausgesetzt gefunden hatte, was wenigstens bewies, dass sie nicht aus einer Familie waren. Bauern von Tarsia hatten sie aufgenommen; und man nannte sie gewöhnlich nur die Kinder der Madonna19 wie man Findelkinder zu nennen pflegt. Ihre Taufnamen waren Cherubino und Celestini.

Diese Kinder liebten einander, denn sie standen Beide gleich verlassen da. Die, welche sie zu sich genommen hatten, verbargen ihnen nicht, dass sie nur aus Mitleid und in der Hoffnung, das Paradies zu gewinnen, diese gute Handlung vollbracht hätten; beide wussten, dass sie Nichts auf der Erde besaßen, und liebten sich darum nur um so mehr.

Sie waren also, wie ich euch so eben gesagt habe, zur Bewachung ihrer Herde im Gebirge, aßen von demselben Stück Brot, tranken aus Einer Schale, zählten die Sterne des Himmels, und waren sorglos und glücklich, als wenn das Schlaraffenland ihr Besitztum gewesen wäre.

Plötzlich hörten sie ein Geräusch hinter sich, und sie wandten sich um: ein Mann, auf einen Karabiner gestützt, sah ihnen zu, wie sie aßen.

Ja, beim Erlöser, es war ein Mann; auch ließ sein Äußeres über sein Gewerbe keinen Zweifel. Er hatte einen langen calabrischen Hut, bunt überladen mit weißen und roten Bändern, und umschlungen von schwarzen Sammtstreifen mit goldener Schnalle; geflochtene Haare, die zu beiden Seiten seines Gesichts herabhingen; mächtige Ohrringe; bloßen Hals; eine Weste mit Knöpfen von gewobenen Silberfäden, wie man sie nur in Neapel fertigt; ein Wams mit Knopflöchern, aus denen, durch eine Schleife befestigt, zwei rohseidene Sacktücher herabhingen, die sich in der Tasche verloren; seine getreue padronica20 voll Patronen und mit einem Silberplättchen geschlossenen; kurze Hosen von blauem Samt, und Strümpfe, die durch kleine Lederriemen, welche mit den Sandalen zusammenhingen, festgemacht waren. Denkt euch noch zu dem Allem Ringe an jedem Finger, Uhren in jeder Tasche und zwei Pistolen und einen Hirschfänger im Gürtel.

Die beiden Knaben wechselten unter ihren großen Brauen eilends einen Blick, schnell wie der Blitz; dem Räuber entging es nicht.

– »Ihr kennt mich? fragte er.«

– »Nein, antworteten die Kinder.«

– »Uebrigens, was liegt mir daran, ob ihr mich kennt oder nicht. Die Männer des Gebirges sind Brüder, und Einer soll auf die Andern zählen; also zähle ich auf euch. Seit gestern verfolgt man mich, wie ein wildes Tier, ich habe Hunger und Durst.«

– »Hier ist Brot und Wasser, sagten die Knaben.«

Der Räuber setzte sich, seine Pirschbüchse an den Schenkel gelehnt, lud beide Pistolen in seinem Gürtel, und machte sich ans Werk.

Als er geendet hatte, stand er auf.

– »Wie heißt das Dorf, von dem man ein Licht sieht? fragte er die Knaben, seine Hand gegen den dunkelsten Ort des Horizonts ausstreckend.«

Die Kinder hefteten einige Sekunden ihre durchdringenden Blicke auf den bezeichneten Punkt, hielten ihn, die Hand über die Augen haltend, fest, und fingen dann an zu lachen, denn sie dachten, der Bandit mache sich über sie lustig: sie sahen Nichts.

 

Sie kehrten sich um, es ihm zu sagen: der Räuber war verschwunden.

Jetzt begriffen sie, dass er diese List angewendet hatte, damit sie nicht sehen konnten, nach welcher Seite er seinen Rückzug antrat. Die beiden Knaben setzten sich wieder; dann, nachdem sie einige Augenblicke geschwiegen, blickten sie einander zu gleicher Zeit an.

– »Hast du ihn erkannt? fragte der Eine.«

– »Ja, erwiderte der Andere.«

Diese paar Worte wurden mit leiser Stimme gewechselt, und wie wann sie fürchteten, gehört zu werden.

– »Er besorgte, wir möchten ihn verraten.«

– »Er ist weggegangen, ohne uns ein Wort zu sagen.«

– »Er kann nicht weit entfernt sein.«

– »Nein, er war zu ermüdet.«

– »Ich würde ihn doch trotz aller seiner Vorsichtsmaßregeln wieder finden, wenn ich wollte.«

– »Ich auch.«

Die zwei Kinder sprachen nicht weiter davon: aber sie standen auf, und gingen jeder nach einer Seite des Berges, wie zwei junge Windhunde, die im Aufspüren begriffen sind.

Nach Verlauf einer Viertelstunde war Cherubino beim Feuer zurück; fünf Minuten später setzte sich Celestini an seine Seite.

– »Nun denn?. . . «

– »Nun denn?. . . «

– »Ich habe ihn gefunden.«

– »Ich auch.«

– »Hinter einem Oleanderstrauch.«

– »In der Vertiefung eines Felsens.«

– »Was war zu seiner Rechten?«

– »Eine blühende Aloe; und was hatte er in seinen Händen?«

– »Zwei scharf geladene Pistolen.«

– »Richtig.«

– »Und er schlief?«

– »Als wenn alle Engel über ihm wachten.«

– »Dreitausend Dukaten, das ist so viel, als es Sterne am Himmel gibt.«

– »Jeder Dukaten hat zehn Karolin; und wir verdienen monatlich ein Karolin; wir könnten also so lange leben, als der alte Guiseppe, und wir würden doch unser ganzes Leben lang keine dreitausend Dukaten verdienen.«

Die beiden Knaben schwiegen einige Minuten lang. Cherubino brach zuerst das Schweigen.

– »Es ist schwer, einen Menschen zu «töten! sagte er.«

»Nein, antwortete Celestini; der Mensch ist wie das Schaf: er hat eine Ader am Halse, man muss sie abschneiden, das ist Alles.«

– »Hast du Cesaris betrachtet?«

– »Sein Hals war bloß, nicht wahr?«

– »Es wäre bei ihm nicht schwer. . . «

– »Nein, vorausgesetzt, dass das Messer gut schnitte.«

Jeder der Knaben fuhr mit der Hand über die Schneide des seinigen; dann sich erhebend, blickten sie einander einen Augenblick an, ohne zu sprechen.

– »Wer wird den Streich für Beide führen? sagte Cherubino

Celestini raffte einige Kiesel zusammen, und hielt ihm die geschlossene Hand vor.

– »Grad oder ungrad?«

– »Grad.«

– »Es ist ungrad: also du.«

Cherubino ging fort, ohne ein Wort zu sagen.

Celestini sah ihn in der Richtung sich entfernen, in der er wusste, dass Cesaris schlief, dann, als er ihn L aus dem Gesicht verloren hatte, vertrieb er sich die Zeit damit, die zusammengerafften Kiesel einen nach dem andern in das erlöschende Feuer zu werfen. Nach zehn Minuten sah er Cherubino zurückkommen.

– »Nun?« sagte er zu ihm.

– »Ich habe es nicht gewagt.«

– »Warum?«

– »Er schlief mit offenen Augen, und es war, wie wenn er mich anblickte.«

– »Wir wollen zusammen hingehen.«

Sie gingen eilends hinweg, doch bald wurde ihr Schritt langsamer. Gleich nachher gingen sie auf den Fußspitzen; endlich legten sie sich platt auf den Bauch nieder, und krochen wie Schlangen; beim Aloestrauch angelangt, erhoben sie hierauf immer noch wie Schlangen den Kopf, drängten sich zwischen den Zweigen durch, und erblicken den schlafenden Räuber an der nämlichen Stelle, wo sie ihn vorher gesehen hatten.

Nun schlüpfte einer zu seiner Rechten, der andere zu seiner Linken unter das überragende Laubdach, , jetzt bei ihm angekommen, erhob sich jedes der Kinder, ihr Messer zwischen den Zähnen haltend, auf ein Knie. Der Räuber schien erwacht, seine Augen waren ganz offen; nur war der Augenstern starr.

Celestini gab Cherubino mit der Hand ein Zeichen, allen seinen Bewegungen zu folgen.

Räuber hatte, ehe er sich schlafen legte, seine Stutzflinte an die Wand des Felsens gelehnt, und das Schloss mit einem seiner seidenen Taschentücher umwickelt. Celestini knüpfte das Tuch sachte los, breitete es über dem Kopf Cesaris aus, und als er sah, dass Cherubino in Bereitschaft stand, schlug er es ganz nieder, und rief aus: – zu! Cherubino stürzte sich wie ein junger Tiger an den Hals des Räubers; dieser stieß einen grässlichen Schrei aus, richtete sich auf, machte blutend einige Kreiswendungen, den Kopf zurückhängend, löste er aufs Geratewohl seine beiden Pistolen, und sank tot zurück.

Die beiden Knaben waren ausgestreckt und atemlos auf der Erde liegen geblieben.

Als sie sahen, dass der Bandit aufgehört habe, sich zubewegen, erhoben sie sich wieder, und traten ihm näher. Sein Kopf hing nur noch am Rückgrat; sie trennten ihn vollends vom Körper, wickelten ihn in das seidene Tuch, und, nachdem sie übereingekommen waren, dass ihn jeder eine Strecke Wegs trüge, gingen sie nach Neapel.

Sie tiefen die ganze Nacht in dem Gebirge, ihre Richtung nach dem Meere nehmend, das sie zu ihre Linken glänzen sahen. Beim Anbruch des Tages gewahrten sie Castro-Billari; doch wagten sie nicht durch die Stadt zu gehen aus Furcht, das Blut möchte die’ Last erraten, die sie trugen, und irgend ein Räuber von der Bande des Cesaris sich an ihnen für den Tod ihres Anführers rächen.

Indes überraschte sie der Hunger; der Eine von ihnen entschloss sich, Brot in einem Wirtshaus zu holen, während ihn der Andere im Gebirge erwartete; aber als er einige Schritte gemacht hatte, kam er wieder zurück.

– »Und Geld? sagte er.«

Sie trugen einen Kopf, der dreitausend Dukaten wert war, und weder der Eine noch der Andere hatte einen Bajocco, um Brot zu kaufen.

Der den Kopf trug, knüpfte das Tuch auf/ nahm einen Ohrring des Cesaris, und gab ihn seinem Kameraden. Eine halbe Stunde später war der Bote mit Lebensmitteln auf drei Tage zurück.

Sie aßen, und begaben sich wieder auf den Weg.

Zwei Tage lang liefen sie; während zweier Nächte schliefen sie wie wilde Tiere unter dem Schutze eines Gesträuchs oder unter dem Vorsprung eines Felsens.

Den Abend des dritten Tags langten sie in einem Dorfe, das Altavilla hieß, an.

Die Herberge war von Kutschern, welche Reisende nach Pästum geführt hatten, von Schiffern, die die Sela heraufgefahren waren, und von Lazzaronis, denen es gleichgültig war, ob sie hier oder anderswo lebten, angefüllt.

Die beiden Kinder ließen sich in einem Winkel nieder, den sie noch frei fanden, nahmen den Kopf Cesaris in ihre Mitte, aßen zu Nacht, wie es ihnen noch nie vorgekommen war, schliefen abwechslungsweise Jeder seine Zeit, zahlten mit dem zweiten Ohrringe, und setzten ihren Weg einige Minuten vor Tagesanbruch fort.

Gegen neun Uhr des Morgens erblickten sie eine große Stadt am Ausgang eines Golfs; sie fragten nach dem Namen derselben: man erwiderte ihnen, sie heiße Neapel.

Nun hatten sie die Gefährten des Cesaris nicht mehr zu fürchten, und gingen daher geradenwegs auf die Stadt zu. An der Brücke der Maddalena angekommen, gingen sie auf den, französischen Posten zu, und fragten ihn auf calabrisch, an wen man sich wenden müsse, um sich die Summe bezahlen zu lassen, welche denen versprochen worden sei, die den Kopf des Cesaris brächten.

Die Wache hörte sie mit wichtiger Miene an bis ans Ende, sann dann einen Augenblick nach, strich ihren Schnurrbart, und sprach zu sich selbst:

– »Das ist außerordentlich, diese kleinen Schelme sind nicht höher als meine Patrontasche, und sprechen schon italienisch. Es ist gut, meine kleinen Freunde, geht nur vorüber!«

Die Kinder, die ihrerseits die Wache nicht verstanden, wiederholten ihre Frage.

Es scheint, dass sie darauf bleiben, sagte die Schildwache, und rief den Sergent.

Der Sergent radebrecht? einige Worte italienisch, er verstand Etwas von der Frage, erriet, das dass blutige Tuch, welches Celestini trug, einen Kopf enthalte, und rief seinem Offizier.

Der Offizier gab den Knaben zwei Mann zur Begleitung mit, welche sie zu dem Palast führten, wo das Polizeiministerium war.

Die Soldaten sagten, sie brächten den Kopf des Cesaris, und alle Türen öffneten sich vor ihnen.

Der Minister wollte die Braven sehen, welche Calabrien von seiner Geisel befreit hatten, und ließ Cherubino und Celestini zu sich in sein Kabinett treten.

Lange Zeit blickte er die beiden schönen Knaben mit ihrer naiven Miene, ihrer malerischen Kleidung und ernsthaften Haltung an; er fragte sie italienisch, wie sie es gemacht hätten; und sie erzählten ihm ihre Tat, als wenn es die gewöhnlichste Sache von der Welt wäre; er forderte Beweis dessen, was sie sagten; Celestini ließ sich auf ein Knie nieder, machte das Tuch auseinander, ergriff den Kopf bei den Haaren, und legte ihn ruhig auf den Schreibtisch des Ministers.

Hierauf war Nichts zu erwidern, als die Summe auszubezahlen.

Indes schlug ihnen die Exzellenz, ihre große Jugend in Betracht ziehend, vor, sie in eine Anstalt oder in ein Regiment eintreten zu lassen, und sagte ihnen, dass die französische Regierung brave und entschlossene junge Leute nötig hätte.

Sie erwiderten, dass sie die Bedürfnisse der französischen Regierung Nichts angingen, dass sie biedere Calabrier seien, die weder, zu lesen noch zu schreiben verstünden, und dass sie auch gar kein Verlangen trügen, es jemals zu lernen; dass das wilde Leben, an das sie gewöhnt seien, sie schlecht zur Disziplin vorbereitet hätte, um in ein Regiment einzutreten, und dass sie befürchten, wenig Geschick zur Schwenkung und Handhabung der Waffen zu besitzen; mit den dreitausend Dukaten sei es eine ganz andere Sache, und sie seien bereit, solche in Empfang zu nehmen.

18Ein Spiel, das darin besteht, seinem Gegner die Hand mit einer immer wechselnden Anzahl geöffneter oder geschlossener Finger vorzuhalten. Um zu gewinnen, muss man die Zahl der offenen Finger erraten.
19Figli della Madonna.
20Ledergürtel