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IV

Es war kein Augenblick zu verlieren; die beiden Freunde lenkten daher gegen das Haus, welches Carrier auf dem Platz du Cours bewohnte, ein. Als sie dort angelangt waren, stieg Marceau von seinem Pferde ab, nahm maschinenmäßig seine Pistolen, die sich in den Halftern befanden, verbarg sie unter seinen Rock, und stieg auf das Zimmer des Mannes zu, der das Schicksal Blanca’s in seinen Händen hielt. Sein Freund folgte ihm kaltblütiger, obgleich er ebenfalls bereit war, ihn zu verteidigen, wenn ex seine Hilfe nötig haben sollte, und sein Leben mit derselben Sorglosigkeit, als auf dem Schlachtfelds zu wagen. Aber der Abgeordnete der Montagne wußte zu gut, wie sehr er verabscheut war, um nicht misstrauisch zu sein, und weder Bitten noch Drohungen konnten den Generalen eine Zusammenkunft mit demselben verschaffen.

Marceau kam ruhiger herab, als sein Freund gedacht hatte. Seit einem Augenblick schien er einen neuen Plan, der in der Eile gereift war, gefasst zu haben, und es war kein Zweifel mehr, dass er dabei stehen geblieben war, als er den General Dumas bat, sich augenblicklich auf die Post zu begeben, und ihn mit Wagen und Pferden an dem Thor des Gefängnisses Bouffays zu erwarten.

Der Grad und der Name Marceaus öffneten ihm den Eingang in dieses Gefängnis; er befahl dem Gefangenwärter, ihn in den Kerker zu führen, worin Blanca eingeschlossen war. Dieser zögerte einen Augenblick: Marceau wiederholte seinen Befehl mit noch herrischerem Tone, und der Türwärter gehorchte, indem er ihm ein Zeichen gab, zu folgen.

– »Sie ist nicht allein, sagte sein Führer, das niedere, ungewölbte Thor eines Kerkers öffnend, das Marceau zum Zittern brachte; allein es wird nicht lange währen, bis sie von ihrem Gefährten befreit wird, man guillotiniert ihn heute. Bei diesen Worten schloss er die Tür hinter Marceau zu, und forderte ihn auf, eine Zusammenkunft, die ihn in Verlegenheit bringen konnte, so sehr als möglich abzukürzen.«

Noch betäubt von seinem plötzlichen Übergang vom Tag zur Nacht, streckte Marceau seine Arme aus, wie ein Mensch, der träumt, indem er das Wort Blanca auszusprechen suchte, das er nicht hervorbringen konnte; und während er mit seinen Blicken die ihn umgebende Finsternis nicht durchdringen konnte, hörte er einen Schrei: das Mädchen warf sich in seine Arme; sie hatte ihn sogleich erkannt: ihr Blick war schon an die Nacht gewöhnt.

Sie warf sich in seine Arme, denn es war ein Augenblick, worin der Schrecken sie Alter und Geschlecht vergessen ließ: es handelte sich nur noch um Leben oder Tod. Sie klammerte sich an ihn, wie ein Schiffbrüchiger an einen Felsen, mit unartikulierten Seufzern, krampfhaften Zuckungen.

– »Sie haben mich also nicht verlassen? rief sie endlich aus. Sie haben mich verhaftet, hierher geschleppt; unter der Menge, die mir folgte, habe ich Tinguy er, blickt; ich habe gerufen: Marceau! Marceau! und er ist verschwunden. Ich war weit entfernt von der Hoffnung, Sie wieder zu sehen. . . sogar hier. . . Aber sind Sie da. . . sind Sie da. . . werden Sie mich nicht mehr verlassen?. . . Sie werden mich mitnehmen, nicht wahr?. . . Sie lassen mich Nicht hier.«

– »Ich wünschte Sie auf Kosten meines Bluts in diesem Augenblick diesem Orte zu entreißen; aber. . .«

– »O! sehen Sie doch; befühlen Sie diese triefenden Mauern, dieses faule Stroh; Sie, der Sie General sind; können Sie nicht . . .«

– »Blanca, das kann ich: An diese Thür klopfen, dem Schließer, der öffnen wird, eine Kugel durch den Kopf jagen; Sie bis in den Hof schleppen, Sie die freie Luft einatmen, den Himmel sehen, und mich in Ihrer Verteidigung töten lassen; aber bin ich tot, Blanca, so wird man sie in diesen Kerker zurückbringen, und es wird kein einziger Mensch mehr auf dieser Erde sein, der Sie retten könnte.«

– »Aber können Sie es?«

– »Vielleicht.«

– »Bald?«

– »Zwei Tage, Blanca; ich fordere von Ihnen zwei Tage. Aber antworten Sie mir nun auf eine Frage, von welcher Ihr Leben und das Meinige abhängt Antworten Sie mir, wie Sie Gott antworten würden. . . Blanca, lieben Sie mich?«

– »Ist dies der Augenblick und der Ort, wo eine solche Frage gemacht werden darf, und wo man darauf antworten könnte? Glauben Sie, diese Mauern seien gewöhnt, Liebesgeständnisse zu hören?«

– »Ja, dies ist der Augenblick, denn wir sind zwischen dem Leben und dem Grab, zwischen dem diesseits und der Ewigkeit. Blanca beeile dich, mir zu antworten: jeder Augenblick raubt uns einen Tag, jede Stunde ein Jahr. Blanca, liebst du mich?«

– »Ja, ja. . . Diese Worte entschlüpften dem Herzen des jungen Mädchens, welche, vergessend, dass man ihr Erröten nicht sehen konnte, ihren Kopf in den Armen Marceaus barg.«

– »Nun gut! Blanca, in diesem Augenblick musst du mich noch als Gatte annehmen.«

Der ganze Körper des Mädchens bebte.

– »Was kann Ihre Absicht sein?«

– »Meine Absicht ist, dich dem Tode zu entreißen; wir wollen sehen, ob sie es wagen, die Frau eines republikanischen Generals aufs Schafott zu schicken.«

Jetzt begriff Blanca seinen ganzen Gedanken, sie schauderte vor der Gefahr, welcher er sich aussetzte, um sie zu retten. Ihre Liebe erhielt dadurch eine neue Stärke; aber ihren Mut zusammennehmend, sagte sie mit Festigkeit: es ist unmöglich.

– »Unmöglich! unterbrach sie Marceau, unmöglich! Es ist Tollheit; und welches Hindernis könnte sich zwischen uns und dem Glück erheben, da du mir so eben gestehst, dass du mich liebst? Glaubst du denn. Alles dieses sei ein Spiel? So höre denn, höre: es ist dein Tod! sieh! der Tod auf dem Blutgerüste, der Henker, das Beil, der Karren!«

– »O! Mitleid. Mitleid! Es ist grässlich. Aber du! bin ich einmal deine Frau, und rettet mich dieser Titel nicht, so verdirbt er dich mit mir!. . .«

Das also ist der Beweggrund, welcher dich den einzigen dir übrigen Rettungsweg verwerfen lässt! Nun denn, höre mich an, Blanca; denn auch ich habe dir meinerseits Geständnisse zu machen: wie ich dich sah, habe ich dich geliebt; die Liebe ist Leidenschaft geworden, ich lebe davon wie von meinem Leben, mein Dasein ist das deinige; mein Schicksal wird das deinige sein; Glück oder Schafott, Alles werde ich mit dir teilen; ich verlasse dich nicht mehr, keine menschliche Gewalt kann uns mehr trennen; oder wenn ich dich verlasse, so habe ich nur zu schreien: es lebe der König, dieses Wort macht mir das Gefängnis wieder auf, und wir gehen nur noch zusammen aus demselben hervor. Nun denn! es sei: es ist schon etwas, eine Nacht in demselben Kerker, der Weg auf dem nämlichen Karren; der Tod auf demselben Schafott.

– »O! nein, nein, geh fort, lasse mich im Namen des Himmels! lasse mich!«

– »Ich soll fortgehen! Merke auf das, was du sagst und was du willst, denn wenn ich von hier weggehe, ohne dass du mir angehörst, ohne dass du mir das Recht gegeben hast, dich zu verteidigen, so suche ich deinen Vater auf, deinen Vater, an welchen du nicht denkst, und der weint, und ich werde zu ihm sagen: »Alter Mann; deine Tochter konnte sich retten, und sie hat es nicht gewollt; sie wollte, dass deine letzten Tage in Trauer vorübergingen, und dass ihr Blut bis auf deine grauen Haare spritze. Weine, weine, Greis, nicht darüber, dass deine Tochter tot ist, sondern darüber, dass sie dich nicht genug liebte, um zu leben.«

Marceau hatte Blanca zurückgestoßen, sie war einige Schritte vor ihm auf die Knie gefallen; und er ging mit aufeinander gebissenen Zähnen, mit auf der Brust gekreuzten Armen, mit dem Lachen eines Narren, oder eines Verdammten, hin und her. Er hörte das Schluchzen Blanca’s; Tränen drangen ihm aus den Augen, seine Arme fielen kraftlos herab, und er wälzte sich zu ihren Füßen.

– »O! aus Mitleid bei dem Heiligsten, was es in der Welt gibt, bei dem Grabe deiner Mutter, Blanca, Blanca willige ein, meine Frau zu werden, es muss sein, du musst es.«

– »Ja, du musst es, junges Mädchen, fiel eine fremde Stimme ein, die sie Beide erbeben und aufstehen machte; du musst es, denn es ist das einzige Mittel, ein Leben zu erhalten, das kaum beginnt; die Religion gebietet es dir, und ich bin bereit, Eure Vereinigung zu segnen.«

Marceau wendete sich erstaunt um und erkannte den Prediger von Sainte-Marie de Rhé, der an der Zusammenrottung Teil genommen hatte, die er in der Nacht angegriffen, wo Blanca seine Gefangene wurde.

– »O mein Vater, rief er aus, ihn an der Hand ergreifend und mit fortziehend; vermögen Sie das Mädchen, dass sie einwilligt zu leben.«

– »Blanca von Beaulieu, fuhr der Priester mit feierlichem Tone fort, im Namen deines Vaters, welchen zu vertreten mein Alter und die Freundschaft, die uns vereinte, das Recht geben, beschwöre ich dich, den Bitten dieses jungen Mannes nachzugeben; denn dein Vater selbst würde, wenn er hier wäre, tun, was ich tue.«

Blanca schien von tausend sich widerstrebenden Gefühlen bewegt; endlich warf sie sich in die Arme Marceaus mit den Worten:

– »O mein Freund! ich habe nicht die Kraft, dir länger zu widerstehen. Marceau, ich liebe dich! ich liebe dich und werde deine Frau.«

Ihre Lippen vereinigten sich; Marceau war auf dem Gipfel der Freude, er schien Alles vergessen zuhaben. Die Stimme des Priesters riss ihn jedoch bald aus seiner Verzückung.

– »Beeilt Euch, Kinder, sprach er, denn meine Augenblicke hier unten sind gezählt; und wenn Ihr noch zögert, so könnte ich Euch nur noch von dem Himmel aus segnen.«

Die beiden Liebenden zitterten: diese Stimme rief sie auf die Erde zurück!

Blanca ließ angstvolle Blicke um sich her laufen.

– »O mein Freund, sagte sie, welcher Augenblick, unser Geschick an einander zu knüpfen! Denkst du, dass eine unter düsteren und unheilvollen Gewölben geweihte Ehe ein dauerhaftes und glückliches Band werden könne?. . . «

 

Marceau erbebte, denn er selbst war von einem abergläubischen Schrecken erfasst. Er zog Blanca gegen einen Ort des Kerkers, wo der Tag durch die eisernen Kreuzgitter eines engen Luftlochs eindrang und die Finsternis weniger dicht machte, und hier erwarteten Beide, auf die Knie sinkend, den Segen des Priesters.

Dieser streckte seine Arme aus und sprach die heiligen Worte. Im nämlichen Augenblick ließ sich ein Geräusch von Waffen und Soldaten im Gange hören, Blanca warf sich erschreckt in die Arme Marceaus.

– »Käme man schon, mich zu holen! rief sie aus. O mein Freund, mein Freund, wie grässlich wäre der Tod in diesem Augenblick!«

Der junge General, eine Pistole in jeder Hand, warf sich ihnen entgegen. Die Soldaten wichen erstaunt zurück.

– »Beruhigt Euch, sagte der Priester, sich vordrängend, ich bin’s, den man sucht, ich werde sterben.«

Die Soldaten umgaben ihn.

– »Kinder, rief er mit starker Stimme aus, sich an die jungen Eheleute wendend, Kinder auf die Knie! denn mit einem Fuß im Grabe, erteile ich Euch meinen letzten Segen, und der Segen eines Sterbenden ist heilig.«

Die erstaunten Soldaten schwiegen stille; der Priester hatte aus seiner Brust ein Kruzifix hervorgezogen, welches er glücklicher Weise allen Nachsuchungen entzogen hatte; er streckte es gegen sie aus; bereit zu sterben, betete er noch für sie. Es war ein Augenblick der Stille und der Feierlichkeit, wo Jeder an Gott glaubte. – Wir wollen gehen, sprach der Priester.

Die Soldaten umgaben ihn, die Tür schloss sich wieder und Alles verschwand wie ein nächtliches Gesicht.

Blanca warf sich Marceau in die Arme.

– »O! wenn du mich verlässt, und wenn man kommt, mich auf diese Art zu holen; wenn ich dich nicht da habe, um mir beizustehen, durch diese Tür zu gehen, o! Marceau stelle dir vor, aufs Blutgerüste! ich! ich aufs Blutgerüste, fern von dir weinend und dich rufend, ohne dass du mir antwortest. O! geh nicht fort, geh nicht fort? Ich werde mich ihnen zu Füßen werfen, ich werde ihnen sagen, dass ich nicht strafbar sei, sie sollen mich mit dir mein ganzes Leben im Gefängnis lassen und ich will sie segnen. Aber wenn du mich verlässt O! verlasse mich doch nicht.«

– »Blanca, ich bin sicher, dich zu retten, ich stehe für dein Leben; in weniger als zwei Tagen werde ich mit deiner Begnadigung hier sein, und dann wird es nicht ein ganzes Leben von Gefängnis und Kerker, sondern von Lust und Glück, ein Leben von Freiheit und Liebe sein.«

Die Tür geht auf, der Kerkermeister erscheint. Blanca drückte Marceau starker in ihre Arme, sie wollte ihn nicht loslassen, und doch war jede Minute kostbar; er machte sanft die Hände aus einander, deren Bande ihn zurückhielten, und versprach ihr, vor dem Ende des zweiten Tages zurück zu sein.

– »Liebe mich immer, sprach er zu ihr, sich aus dem Kerker stürzend.«

– »Immer, sagte Blanca zurücksinkend und ihm in ihren Haaren die rote Rose zeigend, welche er ihr gegeben hatte; und die Tür schloss sich wieder zu, wie die der Hölle.«

V

Marceau traf den General Dumas bei dem Pförtner, er verlangte Tinte und Papier.

– »Was willst Du tun? fragte ihn dieser, über seine Aufregung erschreckt.«

– »An Carrier schreiben, zwei Tage von ihm verlangen, ihm sagen, dass mir sein Leben für das Leben Blanca’s bürgt.«

– »Unglücklicher! fiel sein Freund ein, ihm den angefangenen Brief entreißend: Du drohst, und Du bist in seiner Gewalt; bist Du nicht dem erhaltenen Befehle, zur Armee zu stoßen, ungehorsam gewesen? Glaubst Du, dass wenn er einmal vor dir Angst hat, er in seiner Scheu vor dir nur noch so viel Umstände machen werde, um einen triftigen Vorwand vorzusuchen? Ehe eine Stunde vergeht, bist du verhaftet; und was kannst du also für sie und für dich tun? Glaube mir, nur wenn du schweigst, wird er sie vergessen, und das allein kann sie retten.«

Marceau hatte seinen Kopf zwischen seine Hände nieder gesenkt; er schien in tiefes Nachsinnen versunken.

– »Du hast Recht, rief er, plötzlich sich aufrichtend, aus; und riss seinen Freund mit fort in die Straße.«

Einige Personen waren um eine Postkutsche versammelt. Wenn diesen Abend ein Nebel fiele, sagte eine Stimme, so weiß ich nicht, was etliche und zwanzig gute Bursche hindern könnte, in die Stadt einzuziehen und die Gefangene wegzuführen: Es ist zum Erbarmen, wie Nantes bewacht wird. Marceau bebte auf, drehte sich um, erkannte Tinguy, wechselte mit ihm einen Blick des Einverständnisses und stürzte sich in den Wagen: Paris! sagte er zum Postillion, gab ihm Gold, und die Pferde flogen mit Blitzesschnelle davon. Überall dieselbe Eilfertigkeit, überall erhielt Marceau durch die Macht des Goldes das Versprechen, dass Pferde für den andern Tag bereit gehalten würden und dass kein Hindernis seiner Rückkehr in den Weg treten sollte.

Während dieser Reise war es, dass er vernahm, General Dumas habe seine Entlassung eingegeben und als einzige Gunst verlangt, bei einer andern Armee als Soldat eingereiht zu werden; er war demzufolge zur Verfügung des Wohlfahrts-Ausschusses gestellt worden und begab sich in dem Augenblick nach Nantes, wo ihn, Marceau auf der Straße nach Clisson traf.

Um acht Uhr Abends langte der Wagen, worin die beiden Generale waren, in Paris an.

Marceau und sein Freund verließen einander auf dem Platze des Palasts Egalité. Marceau ging zu Fuß durch die Straße Saint-Honoré; nachdem er die Straße bei Saint-Roch abwärts eingeschlagen hatte, hielt in der Nummer 366. an und fragte nach dem Bürger Robespierre.

– »Er ist im Theater der Nation, erwiderte ein junges Mädchen von sechzehn bis achtzehn Jahren; wenn du aber in zwei Stunden zurückkommen willst, Bürger General, so wird er wieder zu Hause sein.«

– »Robespierre im Theater der Nation! Irrst du dich nicht?. .«

– »Nein, Bürger.«

– »Nun gut! ich werde ihn dort treffen und wenn ich ihn dort nicht finde, so werde ich zurückkommen und ihn hier erwarten. Hier ist mein Name: Bürger General Marceau

Das Theatre Francais hatte sich eben erst in zwei Truppen geteilt: Talma mit den patriotischen Schauspielern war ins Odeon ausgewandert, In dieses Theater nun begab sich Marceau ganz erstaunt, das strenge Mitglied des Wohlfahrts-Ausschusses in einem Schauspielsaale suchen zu müssen. Man gab den Tod Cäsars. Er trat auf den Balkon, ein junger Mann bot ihm auf dem ersten Sitz einen Platz neben ihm an. Marceau nahm es an, in der Hoffnung, von hier aus Den zu sehen, welchen er suchte.

Das Schauspiel hatte noch nicht begonnen: eine sonderbare Gärung herrschte unter dem Publikum; wechselndes Gelächter und Zeichen gingen, wie aus einem Hauptquartier, von einer im Orchester befindlichen Gruppe aus; diese Gruppe beherrschte den Saal, ein Mann beherrschte diese Gruppe: es war Danton.

Um ihn her sprachen, wann er schwieg und schwiegen, wann er sprach, Camille Desmoulins, und Philippaux, Herault de Séchelles und Lacroix, seine Apostel.

Es war das erste mal, dass Marceau sich diesem Mirabeau des Volks gegenüber befand, er hatte ihn an seiner starken Stimme, seinen gebieterischen Gebärden, seiner befehlenden Stirne erkannt, wenn auch sein Name nicht mehrmals von seinen Freunden ausgesprochen worden wäre.

Man erlaube uns einige Worte über den Zustand der verschiedenen Parteien, in welche sich der Konvent teilte: sie sind zur Verständnis der jetzt folgenden Szene notwendig.

Die Gemeinde und der Berg hatten sich vereinigt, um die Revolution des 31. Mai zu bewerkstelligen. Die Girondisten waren, nachdem sie umsonst versucht hatten, die Provinzen in einen Bund zu vereinigen, fast ohne Gegenwehr sogar in Mitte derer gefallen, welche sie erwählt hatten und welche nicht einmal wagten, ihnen in den Tagen ihrer Verbannung ein Asyl zu geben. Vor dem 31. Mai war die Macht nirgends; nach dem 31. Mai fühlte man das Bedürfnis der Einheit der Kräfte, um schnell zur Tat zu schreiten; die Versammlung hatte die ausgedehnteste Macht, eine Partei hatte sich der Versammlung bemeistert, einige Männer leiteten diese Partei; natürlicherweise befand sich also die Macht in den Händen dieser Männer. Der Wohlfahrts-Ausschuß war bis zum 31. Mai aus neutralen Konventsmitgliedern zusammengesetzt gewesen; die Zeit seiner Erneuerung rückte heran und die vom äußersten Berge nahmen darin die Plätze ein. Barrére blieb darin als ein Repräsentant des alten Comité, aber Robespierre wurde zum Mitglied erwählt; Saint-Just, Collot-d’ Herbois, Billaud-Varennes, durch ihn gehoben, unterdrückten ihre Kollegen Hérault de Séchelles und Robert Lindet: Saint-Just übernahm die Oberaufsicht, Courhon das Geschäft, die ihrem Wesen nach zu heftigen Vorschläge in ihren Formen zu mäßigen; Billaud-Varennes und Collot-d’Herbois leiteten das Prokonsulat der Departemente, Carnot beschäftigte sich mit dem Kriegswesen, Cambon mit den Finanzen, Prieur (von den Goldhügeln) und Prieur (com Marnedepartement) mit den Arbeiten des Innern und der Verwaltung; und Barrére, bald mit ihnen vereinigt, war der tägliche Redner der Partie. Robespierre selbst wachte, ohne eine bestimmte Verrichtung zu haben, über Alles, indem er diesen politischen Körper regierte, wie der Kopf den materiellen Körper regiert und jedes Glied nach seinem Willen in Bewegung setzt.

In dieser Partei hatte sich die Revolution verkörpert; sie wollte dieselbe mit allen ihren Folgen durchführen, damit das Volk eines Tags ihre Früchte genießen könnte.

Diese Partei hatte gegen zwei andere zu kämpfen: die eine wollte über sie hinausgehen, die andere sie zurückhalten. Diese beiden Parteien waren:

Die der Gemeinde, vertreten durch Hébert.

Die des Bergs, vertreten durch Danton.

Hébert machte in dem Vater Duchesne den Schmutz der Sprache volkstümlich; Verhöhnung folgte hier den Schlachtopfern, Gelächter den Hinrichtungen. In kurzer Zeit waren ihre Fortschritte furchtbar; der Bischof von Paris und seine Vikare schworen das Christentum ab. Der katholische Kultus wurde durch den der Vernunft ersetzt, die Kirchen wurden geschlossen; Anacharsis Cloots wurde der Apostel der neuen Göttin. Der Wohlfahrts-Ausschuß erschrak vor der Macht dieser Ultra-revolutionären Partei, die man mit Marat gefallen wähnte, und die sich auf die Unsterblichkeit und den Atheismus stützte; Robespierre übernahm es, allein sie anzugreifen. Den 5. Dezember 93. stellte er sich ihr auf der Rednerbühne entgegen, und der Konvent, welcher den Abschwörungen auf Verlangen der Gemeinde starken Beifall geklatscht hatte, dekretierte nun auf das Verlangen Robespierres, der auch seine Religion aufzustellen hatte, dass alle Gewalttätigkeiten und Maßregeln die der Freiheit der Kulte entgegen wirkten, verpönt seien.

Danton verlangte, im Namen der gemäßigten Partei des Berges, das Aufhören der revolutionären Negierung; das Journal, Le Vieux Cordelier, von Camille Desmoulins redigiert, war das Organ der Partei. Der Wohlfahrts-Ausschuß, das heißt, die Diktatur, war, ihm zufolge, nur gegründet worden, um im Innern die Verschwörer zu unterdrücken und nach Außen zu siegen; und da er glaubte, dass die Verschwörer im Innern unterdrückt und nach Außen der Sieg errungen sei, s» verlangte er, dass man eine seiner Meinung nach überflüssig gewordene Gewalt breche, damit sie später nicht gefährlich werde; die Revolution hatte niedergerissen, und er wollte auf einem Boden, der noch nicht gesäubert war, wieder aufbauen.

Diese drei Parteien waren es, welche im Monat März 94., in welche Epoche unsere Geschichte fällt, das Innere des Konvents unter sich spalteten. Robespierre klagte Hébert des Atheismus und Danton der Bestechlichkeit an; er seinerseits ward des Ehrgeizes beschuldigt, und schon hörte man da und dort das Wort Diktator.

Dies war also der Stand der Dinge, als Marceau, wie wir gesagt haben, Danton, der sich aus dem Orchester eine Tribüne machte, und Denen, die ihn umgaben, gewaltige Worte zuwarf, zum ersten mal sah. Man gab den Tod Cäsars; eine Art von Losungswort war den Dantonisten gegeben worden: sie waren alle bei dieser Vorstellung anwesend, und auf ein durch das Ausstehen ihres Oberhaupts gegebenes Zeichen sollten sie auf Robespierre eine Anwendung der folgenden Strophen machen:

 
Ja, groß sei Cäsar, doch sei Roma frei.
Was soll ihr Name denn die Welt beherrschen,
Was soll sie Königin heißen, die in Ketten liegt,
Sie, die in Indien herrscht, und an der Tiber Sklavin ist?
Was fragt mein Vaterland darnach, und was die Römer,
Denen du trotzt, ob Cäsar neue Sklaven hat,
Nicht unsere stolzesten Feinde sind die Perser,
Wir haben größere, ich weiß es anders nicht.
 

Und deshalb war Robespierre, der durch Saint-Just benachrichtigt worden war, diesen Abend im Theater der Nation, denn er begriff, welche Waffe es in den Händen seiner Feinde wäre, wenn es ihnen gelänge, der Beschwerde, die sie gegen ihn hatten, bei dem Volks Eingang zu verschaffen.

 

Indes suchte ihn Marceau vergebens in diesem sorgfältig erleuchteten Saale, wo die Linie der untersten Logen allein in einem Halbdunkel blieb, wegen des Vorsprungs, den die Galerien über sie machten, und seine Augen, ermüdet von dieser erfolglosen Durchsuchung, fielen jeden Augenblick wieder auf die Gruppe im Orchester zurück, deren lärmendes Treiben die Aufmerksamkeit des ganzen Saals auf sich zog.

– »Ich habe heute unsern Diktator gesehen, sagte Danton. Man hat uns aussöhnen wollen.«

– »Wo seid ihr zusammengetroffen?«

– »In diesem Hause; ich musste die drei Treppen des Unbestechlichen hinaufsteigen.«

– »Und was habt ihr einander gesagt?«

– »dass ich den ganzen Hass kenne, den der Wohlfahrtsausschuss gegen mich habe. Ex antwortete mir, ich hatte Unrecht, man hege keine bösen Absichten gegen mich, man müsse sich aber erklären.«

– »Sich erklären, sich erklären! Die beste Auskunft bei Leuten von Treue und Glauben.«

– »Gerade das habe ich ihm erwidert: er biss sich darauf in die Lippen, seine Stirne faltete sich, ich fuhr fort: gewiss, man muss die Royalisten unterdrücken, aber man muß nur Streiche führen, und nicht den Unschuldigen mit dem Schuldigen zusammenwerfen. – Ei! wer hat denn Euch gesagt, fiel Robespierre mit Bitterkeit ein, dass man einen Unschuldigen zu Grunde gehen ließe?«

– »Was sagst du dazu? kein Unschuldiger ging zu Grunde! rief ich aus, mich an Hérault de Séchelles wendend, der bei mir war, und ich entfernte mich.«

– »Und war Saint-Just da?«

– »Ja.«

– »Was sagte er?«

– »Er fuhr mit seiner Hand durch seine schönen, schwarzen Haare, und von Zeit zu Zeit band er die Schleife seines Halstuchs nach Robespierres Art.«

Der Nachbar Marceaus, dessen Kopf auf beide Hände gestürzt war, bebte, und ließ jenes Zischen hören, wie es zwischen den aufeinander gebissenen Zähnen eines Menschen durchdringt, der sich zusammennimmt, Marceau nahm keine besondere Notiz davon, und wendete seine Aufmerksamkeit auf Danton und seine Freunde.«

– »Der Zierbengel! sagte Camille Desmoulins, von Saint-Just sprechend, er achtet sich so hoch, dass er seinen Kopf ehrfurchtsvoll zwischen seinen Schulter« tragt, wie ein heiliges Sakrament.«

Der Nachbar Marceaus schob ’seine Hände auseinander; er erkannte das sanfte und schöne Gesicht Saint-Justs voll Zorn.

– »Und ich, sprach dieser, sich in seiner ganzen Höhe aufrichtend, Desmoulins, ich werde machen, dass du den deinigen wie ein Saint-Denis trägst.«

Er drehte sich um, man wich auseinander, um ihn durchzulassen, und er ging aus dem Balkon hinaus.

– »Ei! wer dachte ihn sich so nahe? sagte Danton lachend. Meiner Treu, das Paket ist an seine Adresse gelangt.«

– »Hast du, sagte Philippaux zu Danton, das Pamphlet Layas gegen dich gesehen?«

– »Wie! Laya macht Pamphlets! er soll den Ami des Lois wieder durchsehen; es versteht sich, dass ich begierig bin, das Pamphlet zu lesen.«

– » Hier ist es; Philippaux überreichte ihm eine Broschüre.«

– »Ei! er hat sich unterzeichnet, potztausend. Ja, er weiß also nicht, dass wenn er sich nicht in meinen Keller rettet, man ihm den Hals abschneiden wird. Pst, Pst, der Vorhang geht auf.«

Der Laut Pst ging durch den ganzen Saal; ein junger Mann, der nicht mit in der Verschwörung war, setzte indes noch ein besonderes Gespräch fort, obgleich die Schauspieler auf der Bühne waren. Danton streckte den Arm aus, berührte die Schulter desselben mit der Fingerspitze, und sagte zu ihm mit Höflichkeit, worin jedoch ein leichter Anstrich von Ironie lag:

– »Bürger Arnault, störe mich ebenso wenig, als wenn man Marius in Minturnä spielte.«

Der junge Schriftsteller harte zu viel Geist, um eine in diesen Ausdrücken gestellte Bitte nicht zu hören; er schwieg, und die vollkommenste Stille erlaubte eine der schlechtesten Darstellungen, die es auf dem Theater gegeben haben mag, die des Todes Cäsars zu hören.

Indessen war es dieser Stille ungeachtet augenscheinlich, dass kein Mitglied der kleinen Verschwörung, die wir bezeichnet haben, den Beweggrund vergessen hatte, wegen dessen er gekommen war; Augenwinke wurden gewechselt, Zeichen gingen herüber und hinüber, und wurden immer häufiger, je mehr der Schauspieler der Stelle näher kam, welche den Ausbruch veranlassen sollte. Danton sagte ganz leise zu Camille: Es ist im dritten Auftritt, und wiederholte die Verse zu gleicher Zeit mit dem Schauspieler, wie, um seine Darstellung zu beschleunigen, als man an diesen ihnen vorangehenden kam:

 
Cäsar, wir hofften einst von deiner hehren Huld
Ein köstlicher Geschenk und eine billigere Gnade,
Weit mehr, als was dein guter Wille gab.
 
 
C ä s a r.
Und was wagst, Cimber, du zu fordern?
 
 
C i m b e r.
Was? Die Freiheit!
 

Drei Salven von Beifall klatschen empfingen sie.

– »Es geht gut, sagte Danton und richtete sich halb auf.«

Talma fuhr fort:

 
Ja, groß sei C ä s a r, doch sei Roma frei.
 

Danton stand vollends ganz auf, warf einen Blick wie ein Armeegeneral, der sich versichern will, ob Jeder an seinem Posten ist, um sich her, als seine Augen plötzlich auf einem Punkte des Saals haften blieben: das Gitter einer Loge war aufgegangen: Robespierre streckte im Schatten seinen länglichen, bleifarbenen Kopf heraus. Die Augen der beiden Feinde waren sich begegnet, und konnten sich nicht von einander abwenden; in denen Robespierres lag die ganze Ironie des Triumphs, der ganze Übermut der Sicherheit. Zum ersten mal fühlte Danton einen kalten Schweiß durch seinen ganzen Körper rieseln; er vergaß das Signal, welches er geben sollte: die Strophen gingen ohne Beifall klatschen oder Murmeln vorüber, er fiel besiegt zurück: das Gitter, der Loge schloss sich wieder, und Alles war zu Ende. Die Guillotinemänner waren über die Septembermänner Meister geworden. Dreiundneunzig stellte zweiundneunzig in den Hintergrund.

Marceau, dessen Geist eingenommen war, beschäftigte sich mit ganz was Anderem, als der Tragödie, und war vielleicht der Einzige, der, ohne es zu verstehen, diese Szene mitansah, die nur einige Sekunden gewährt hatte; doch hatte er die Zeit, Robespierre zu erkennen er stürzte sich aus dem Balkon, und kam noch zeitlich genug an, um ihn im Gang zu treffen.

Er war ruhig und kalt, als wenn Nichts vorgefallen wäre; Marceau stellte sich ihm vor, und nannte sich. Robespierre reichte ihm die Hand hin, Marceau, einer ersten Bewegung folgend, zog die seinige zurück. Ein bitteres Lächeln zog über die Lippen Robespierres.

– »Was wollen Sie denn von mir? fragte er.«

– »Eine Unterredung von einigen Minuten.«

– »Hier oder in meinem Hause?«

– »In deinem Hause.«

– »Alsdann komm.«

Und diese beiden, von so verschiedenen Empfindungen bewegten, Menschen gingen neben einander her; Robespierre gleichgültig und ruhig; Marceau neugierig und aufgeregt.«

Dies war also der Mann, der das Schicksal Blanca’s in seinen Händen hielt, der Mann, von dem er so viel hatte sprechen hören, dessen Unbestechlichkeit allein offenkundig war, dessen Volkstümlichkeit aber als ein Rätsel erscheinen musste! In der Tat hatte er, um sie zu erlangen, keines der Mittel in Anwendung gebracht, welche seine Vorgänger in Bewegung gesetzt hatten; er besaß weder die hinreißende Beredsamkeit Mirabeaus, noch die väterliche Festigkeit Baillys, noch das erhabene Feuer Dantons, noch den furchtbaren Cynismus Héberts; wenn er für das Volk wirkte, so geschah dies in aller Stille, und ohne dem Volk davon Rechenschaft zu geben. Mitten unter der allgemeinen Gleichstellung der Sprache und der Kleidung hatte er seine höfliche Sprache und seine elegante Kleidung beibehalten;17 kurz, ebenso viele Mühe sich Andere gaben, sich mit der Menge zu verschmelzen, ebenso viele schien er sich zu geben, um sich über derselben zu erhalten; und man begriff bei m ersten Anblick, dass dieser sonderbare Mann für die Menge nur ein Halbgott oder ein Schlachtopfer sein konnte: er wurde das eine und das andere.

Sie langten an: eine enge Treppe führte sie in ein im dritten Stocke gelegenes Zimmer: eine Büste Rousseaus, ein Tisch, auf dem der Contrat sozial und Emil aufgeschlagen waren, ein Schrank und einige Sessel bildeten die ganze Möblierung dieses Gemachs. Nur herrschte überall die größte Sauberkeit.

17Die gewöhnliche Tracht Robespierres ist so bekamt, dass sie fast sprichwörtlich geworden ist. Den 20. Prairial, am Festtage des höchsten Wesens, dessen Hoherpriester er war, trug er einen kornblumenblauen Frack, eine Weste von gesticktem Musselin auf durchschimmernden, rosenfarbenen Grund aufgelegt; kurze schwarzsammtene Hosen, weiße seidene Strümpfe und Schuhe mit Schnallen vollendeten dieses Kostüm. Mit demselben Kleide bestieg er das Schaffot.