Za darmo

Kleine Romane und Novellen

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

III

Marceau fand an der Tür eine Abteilung von dreißig Mann, welche der Obergeneral hatte aufsitzen lassen, um ihn bis Nantes zu begleiten. Dumas begleitete sie einige Zeit; aber eine Meile von Chollet drang sein Freund sehr in ihn, wieder umzukehren; weiterhin wäre es gefährlich gewesen, allein zurückzureisen. Er verabschiedete sich daher von ihnen, setzte sein Pferd in Galopp und verschwand bald um eine Ecke des Wegs.

Marceau wünschte ja auch, sich mit der jungen Vendeerin allein zu befinden. Sie hatte ihm die Geschichte ihres Lebens zu erzählen, und es war ihm, wie wenn dieses Leben voll Interesse sein müsste. Er ritt an Blanca’s Seite. Nun denn! sagte er, jetzt da wir ungestört sind und einen langen Weg zurückzulegen haben, wollen wir sprechen, von Ihnen sprechen. Wie kamen Sie zu jener Versammlung? woher Ihr Entschluss, Männerkleidung zu tragen? Sprechen Sie: wir Soldaten sind gewohnt, kurze raue Worte zu hören. Sprechen Sie lange von Ihnen, von Ihrer Kindheit; ich bitte Sie darum.

Marceau konnte, er wusste nicht warum, wenn er mit Blanca redete, es nicht über sich gewinnen, der republikanischen Sprache jener Zeit sich zu bedienen.

Blanca erzählte ihm jetzt ihren Lebenslauf, wie ihre Mutter jung gestorben sei, und sie noch als Kind in den Händen des Marquis von Beaulieu zurückgelassen habe; wie ihre Erziehung, von einem Manne geleitet, sie mit den Leibesübungen der Männer vertraut gemacht habe, welche ihr, als der Aufstand in der Vendee ausbrach, so nützlich geworden seien und ihr erlaubt hätten, ihrem Vater zu folgen. Sie rollte vor ihm alle Begebenheiten dieses Krieges auf, seit dem Auflauf von Saint-Florent bis zu dem Kampf, wo Marceau ihr das Leben rettete. Sie sprach lange, wie er sie gebeten hatte, denn sie sah, dass man sich glücklich fühlte, sie anzuhören. Im Augenblick, wo sie ihre Erzählung endigte, erblickte man Nantes, dessen Lichter im Nebel am Horizonte flackerten. Die kleine Truppe ging über die Loire und einige Minuten nachher lag Marceau in den Armen seiner Mutter.

Nach den ersten Umarmungen stellte er seine junge Reisegefährtin seiner Familie vor: einige Worte waren hinreichend, seiner Mutter und seinen Schwestern lebhafte Teilnahme einzuflößen. Kaum hatte Blanca den Wunsch geäußert, die Kleidung ihres Geschlechts wieder anzulegen, als die beiden jungen Mädchen sie um die Wette mit sich fortzogen und sich um das Vergnügen stritten, ihr als Kammerfrau zu dienen.

Dieses Betragen, so einfach es auf den ersten Anblick scheint, erhielt indessen durch die Umstände des Augenblicks einen großen Wert. Nantes schmachtete unter dem Prokonsulat Carrier’s.

Es ist ein sonderbares Schauspiel für den Geist und die Augen um eine ganze Stadt, die unter den Geißelhieben eines einzigen Mannes verblutet. Man fragt sich, woher die Gewalt kommt, die ein einziger Wille über achtzig-tausend Individuen behauptet, und wie, wenn ein Einziger sagt: »Ich will, « sich nicht Alle erheben, um zu sagen: »Gut!– aber wir wollen nicht!« Es kommt daher, weil die Massen an Sklaverei gewöhnt sind, und weil nur zuweilen Individuen allein ein heißes Verlangen nach Freiheit haben. Denn das Volk kennt, wie Shakespeare sagt, kein anderes Mittel, den Mörder des Cäsar zu belohnen, als ihn selbst zum Cäsar zu machen. Deshalb gibt es Tyrannen der Freiheit, wie es Tyrannen der Monarchie gibt.

Das Blut floss also in Nantes durch die Straßen, und Carrier, der gegen Robespierre war, was die die Hyäne gegen den Tiger, oder der Schakal gegen den Löwen ist, füllte sich an mit dem reinsten dieses Blutes, bis er mit dem seinigen vermischt es wiedergab.

Er hatte ganz neue Mordmittel: die Guillotine wird so bald schartig! Er ersann die Ertränkungen, deren Namen von dem Seinigen unzertrennlich geworden ist; besondere Fahrzeuge wurden im Hafen gebaut, man wusste zu welchem Zweck, man bekam sie auf der Schiffswerft zu sehen: es war eine merkwürdige neue Sache, um jene Klappen von zwanzig Fuß, welche sich öffneten, um die Unglücklichen, die zu dieser Strafe verdammt waren, in den Grund des Wassers zu stürzen, und an dem Tage, wo man den ersten Versuch mit ihnen machte, war fast eben so viel Volk am Ufer, als wenn man ein Schiff mit einem Kranz am großen Mastbaum und Flaggen an jeder Rhaa vom Stapel lässt.

Marceaus Name schützte ihn und seine Familie gegen Carrier. Der republikanische Ruf des jungen Generals war so rein, dass weder gegen seine Mutter noch gegen seine Schwestern ein Verdacht sich erheben durfte. Eine von ihnen, ein Mädchen von sechzehn Jahren, fremd gegen Alles, was um sie her vorging, liebte und wurde wieder geliebt; und die Mutter Marceaus, von Furcht erfüllt, wie eine Mutter, die in einem Gatten einen zweiten Beschützer sah, drängte, so viel sie konnte, auf eine Heirat, die auf dem Punkt war, vollzogen zu werden, als Marceau und die junge Vendeerin in Nantes anlangten. Diese Heimkehr war in solch einem Augenblick eine doppelte Freude.

Blanca wurde den zwei Mädchen übergeben, welche unter Küssen ihre Freundinnen wurden, denn es gibt ein Alter, in dem jedes junge Mädchen glaubt, eine ewige Freundin in der zu finden, welche sie kaum seit einer Stunde kennt. Sie gingen zusammen weg; eine beinahe ebenso wichtige Sachs als eine Heirat beschäftigte sie: ein Frauenanzug; Blanca durfte nicht länger ihre Mannskleider beibehalten.

Bild brachten sie dieselbe aus ihrem beiderseitigen Kleiderschatz aufgeputzt zurück; sie hatte das Kleid der Einen und den Shawl der Andern anziehen müssen. Tolle Mädchen! freilich hatten alle drei zusammen nur das Alter der Mutter Marceaus, welche noch schön war.

Als Blanca zurückkam, ging ihr der junge General einige Schritte entgegen und blieb dann erstaunt stehen. Unter ihrer ersten Tracht hatte er ihre himmlische Schönheit und ihre Anmut, welche sie mit ihren Frauenkleidern wieder angenommen hatte, kaum bemerkt. Sie hatte, es ist wahr, Alles getan, um schön zu erscheinen; eine Weile hatte sie vor einem Spiegel Alles vergessen, Krieg, Vendee und Blutbad; denn selbst das natürlichste Gemüt hat seine Koketterie, wenn es anfängt zu lieben, und will Dem, den es liebt, gefallen.

Marceau wollte reden, vermochte aber kein Wort hervorzubringen; Blanca lächelte und reichte ihm ganz freudig die Hand, denn sie sah, dass sie ihm ebenso schön erschienen sei, als sie zu erscheinen wünschte.

Am Abend kam der junge Verlobte der Schwester Marceaus, und da jede Liebe egoistisch ist, von der Eigenliebe bis zur mütterlichen Liebe, so war in der Stadt Nantes ein Haus, ein einziges vielleicht, wo Alles Glück und Freude war, wahrend um dasselbe her Alles in Tränen und Schmerzen lag.

Blanca und Marceau überließen sich dem Zauber ihres neuen Lebens; wie weit schien ihr früheres hinter ihnen zu liegen! beinahe war es für sie nur noch ein Traum. Nur beengte sich hie und da das Herz Blanca’s, und Tränen glänzten in ihren Augen: denn plötzlich dachte sie an ihren Vater. Marceau beruhigte sie wieder; erzählte ihr hierauf, um sie zu zerstreuen, seine ersten Feldzüge, wie der Zögling der Kriegsschule mit fünfzehn Jahren Soldat, mit siebzehn Offizier, mit neunzehn Obrist und mit einundzwanzig General geworden sei. Blanca ließ ihn oft wiederholen, denn in Allem, was er sagte, war kein Wort von einer andern Liebe.

Und doch hatte Marceau geliebt, geliebt mit aller Macht seines Gemüts; er glaubte es wenigstens. Bald darauf ward er betrogen, verraten: nur gewaltsam machte die Verachtung in einem so jungen Herzen, worin es bloß erst Leidenschaften gab, sich Platz. Das Blut, das in seinen Adern brannte, hatte sich nach und nach abgekühlt, eine melancholische Kälte war an die Stelle der Überspannung getreten; kurz, Marceau war, ehe er Blanca kannte, Nichts mehr, als ein Kranker, der durch das plötzliche Ausbleiben des Fiebers der Energie und Kraft beraubt war, welche er nur dem Dasein desselben verdankte.

Und dennoch! olle jene Träume von Glück, alle jene Elemente eines neuen Lebens, alle jene Täuschungen der Jugend, welche Marceau auf immer für sich verloren glaubte, erstanden wieder, noch in unbestimmter Ferne, die er aber doch eines Tags erreichen konnte: er selbst wunderte sich darüber, dass ein Lächeln zuweilen und ohne eigentlichen Grund auf seinen Lippen schwebte; er atmete mit voller Brust und fühlte Nichts mehr von jener Unlust zum Leben, die den vorigen Abend noch seine Kräfte lähmte, und ihm einen baldigen Tod, als die einzige Schutzmauer, welche der Schmerz nicht überschreiten konnte, wünschenswert machte.

Blanca, ihrerseits zuerst durch das natürliche Gefühl der Dankbarkeit zu Marceau hingezogen, maß diesem Gefühl die verschiedenen Empfindungen bei, die sie bewegten. War es nicht ganz einfach, dass sie die beständige Gegenwart des Mannes wünschte, der ihr das Leben gerettet hatte? Konnten die Worts, welche aus seinem Munde gingen, ihr gleichgültig sein? mussten nicht seine Gesichtszüge, auf denen eine so tiefe Schwermut eingegraben war, Mitgefühl erregen? und war sie nicht immer bereit, wenn sie sah, wie er sie seufzend anblickte, zu sagen: was kann ich für Sie tun, Freund, für Sie, der so Viel für mich getan hat?

Bewegt von diesen verschiedenen Empfindungen, die jeden Tag eine neue Stärke erlangten, brachten Blanca und Marceau die erste Zeit ihres Aufenthalts in Nantes zu; endlich kam der zur Verehelichung der Schwester des jungen Generals bestimmte Tag heran.

Unter den Juwelen, die er für sie hatte kommen lassen, wählte Marceau einen kostbaren, prachtvollen Schmuck aus, den er Blanca überreichte Blanca sah ihn zuerst mit der Koketterie eines jungen Mädchens an, dann verschloss sie das Schmuckkästchen wieder. – Geziemen Juwelen meiner Lage? sagte sie traurig; Juwelen mir! während mein Vater vielleicht von Meierhof zu Meierhof flieht, ein Stückchen Brot zur Fristung seines Lebens, eine Scheune als Zufluchtsort bettelnd, während ich selbst verbannt bin . . . Nein, meine Einfachheit möge mich vor aller Augen bergen; bedenken Sie, dass ich erkannt werden könnte. Marceau drang vergebens in sie, sie verstand sich nur dazu, eine rote künstliche Rose, die sie unter dem Schmuck fand, anzunehmen.

 

Die Kirchen waren geschlossen, die Ehe wurde daher auf dem Rathaus bestätigt; die Zeremonie war kurz und traurig, die jungen Mädchen vermissten das mit Wachskerzen und Blumen gezierte Chor, den über dem Kopfe des jungen Ehepaars ausgespannten Thronhimmel, unter welchem sich das Lächeln Derer begegnet, die ihn halten und der Segen des Priesters, der die Worte spricht: geht Kinder und seid glücklich.

Am Thor des Rathauses’ erwartete die Neuvermählten eine Deputation von Seeleuten. Der Rang Marceaus zog seiner Schwester diese Ehrenbezeugung zu; einer dieser Männer hatte zwei Blumensträuße: er gab den einen der Braut; dann, auf Blanca zugehend, bot er dieser den andern dar.

– »Tinguy, wo ist mein Vater? sagte Blanca erblassend.«

– »In Saint-Florent, erwiederte der Seemann. Nehmen Sie diesen Strauß, es ist ein Brief darin. Es lebe der König und die gute Sache, Fräulein BlancaBlanca wollte ihn aufhalten, mit ihm sprechen, ihn befragen; er war verschwunden. Marceau erkannte den Führer, und wider seinen Willen bewunderte er die Ergebenheit, Geschicklichkeit und Kühnheit dieses Bauern.

Blanca las den Brief angstvoll. Die Vendeer erlitten Niederlagen über Niederlagen eine ganze Bevölkerung wanderte aus, vor Verheerung und Hungersnot zurückweichend. Der übrige Teil des Briefs enthielt Danksagungen gegen Marceau. Der Marquis hatte durch die Wachsamkeit Tinguy’s Alles erfahren. Blanca war traurig, dieser Brief hatte sie mitten in die Gräuel des Kriegs zurückgeworfen; sie stützte sich mehr als gewöhnlich auf den Arm Marceaus, sie sprach mit ihm, näher an ihn sich schmiegend und mit süßerer Stimme. Marceau hätte sie noch trauriger gewünscht; denn je tiefer die Traurigkeit ist, desto größer ist die Hingebung; und wie schon gesagt, es ist ziemlich viel Egoismus in der Liebe.

Während der Zeremonie war ein Fremder, der, wie er sagte, Marceau Dinge von der größten Wichtigkeit mitzuteilen hatte, in den Salon eingeführt worden. Als Marceau daselbst eintrat, den Kopf gegen Blanca gebeugt, die ihm den Arm gab, erblickte er ihn zuerst nicht; aber plötzlich fühlte er diesen Arm zittern, er erhob den Kopf: Blanca und er stunden vor Delmar.

Der Volksrepräsentant trat langsam, die Augen auf Blanca gerichtet und ein Lachen auf den Lippen, näher; Marceau, sah mit Schweiß auf der Stirne ihn an, wie er näher kam, so wie Don Juan die Statue des Commendatore anstarrt.

– »Bürgerin, du hast einen Bruder?«

Blanca stotterte und war nahe daran, Marceau in die Arme zu sinken. Delmar fuhr fort:

– »Wenn mich mein Gedächtnis! und Deine Ähnlichkeit nicht trügen, so haben wir zusammen in Chollet zu Mittag gespeist. Wie kommt es, dass ich ihn seit dieser Zeit nicht mehr in den Reihen der republikanischen Armee gesehen habe?«

Blanca’s Kräfte drohten sie zu verlassen; das stechende Auge Delmars folgte ihrer fortschreitenden Verwirrung und sie war im Begriff unter diesem Blicke umzusinken, als er sich von ihr abwandte und sich auf Marceau heftete.

Jetzt zittere Delmar seinerseits. Der junge General hatte die Hand auf dem Griff seines Säbels und drückte ihn konvulsivisch. Das Gesicht des Volksrepräsentanten nahm alsbald seinen gewöhnlichen Ausdruck wieder an; er schien gänzlich vergessen zu haben, was er sagte, und Marceau am Arme nehmend, zog er ihn in eine Fensterbrüstung, unterhielt ihn einige Augenblicke von der gegenwärtigen Lage der Vendee und teilte ihm mit, dass er nach Nantes gekommen sei, um mit Carrier über die neuen Schritte der Strenge übereinzukommen, welche es dringend nötig sei in Betreff der Aufrührer zu ergreifen. Er teilte ihm mit, dass der General Dumas nach Paris zurückberufen worden sei; und entfernte sich alsbald; als er an dem Lehnstuhl vorüberkam, in welchem Blanca, als sie Marceaus Arm gelassen hatte, gefallen war, um schaudernd und bleich darin zu bleiben, grüßte er nur noch lächelnd.

Zwei Stunden später erhielt Marceau den Befehl, ohne Verzug abzureisen, um zu der Westarmee zu treffen und dort das Kommando seiner Brigade wieder zu übernehmen.

Dieser schnelle und unvorhergesehene Befehl verwunderte ihn; er glaubte darin irgend einen Zusammenhang mit dem Auftritt zu sehen, der kurz vorher statt gefunden hatte; denn sein Urlaub ging erst in vierzehn Tagen zu Ende. Er eilte zu Delmar, um einige Erklärung darüber zu erhalten; er war sogleich nach seiner Zusammenkunft mit Carrier wieder abgereist.

Man musste gehorchen, zögern hieß sich zu Grunde richten. Zu jener Zeit waren die Generale der Macht der von dem Konvent abgesandten Volksrepräsentanten unterworfen, und wenn auch einige Unfälle durch ihre Unerfahrenheit herbeigeführt wurden, so hatte man doch auch mehr als Einen Sieg dem fortwährenden Wechselfalle, worin sich die Anführer befanden, entweder zu siegen oder ihren Kopf auf das Schaffst zu tragen, zu verdanken.

Marceau war bei Blanca, als er tiefen Befehl erhielt. Ganz betäubt von einem so unerwarteten Schlag, hatte er nicht den Mut, ihr seine Abreise anzukündigen, die sie allein und ohne Verteidigung mitten in einer Stadt zurückließ, welche jeden Tag mit dem Blute der Mitbürger getränkt wurde. Sie bemerkte seine Verwirrung, und ihre Unruhe überwand ihre Schüchternheit, sie trat auf ihn zu mit dem unruhigen Blick einer Frau, welche sich geliebt weiß, und das Recht hat, zu fragen, und eben darum fragt. Marceau übergab ihr den so eben erhaltenen Befehl. Blanca hatte kaum die Augen darauf geworfen, als sie begriff, welcher Gefahr ihr Beschützer durch Versäumnis der Folgeleistung sich aussetze; ihr Herz brach, und doch fand sie die Kraft, ihn aufzufordern, dass er ohne Verzug abreise. Die Frauen besitzen diese Art von Mut besser als die Männer, weil er bei ihnen von einer gewissen Seite mit der Scham in Verbindung steht. Marceau sah sie trübselig an; und auch Sie, Blanca, sagte er, auch Sie befehlen, ich solle mich entfernen? Im Grunde, setzte er aufstehend und wie mit sich selbst sprechend hinzu, wer konnte mich das Gegenteil glauben machen? Unsinniger, der ich war! Als ich an diese Abreise dachte, hatte ich einige mal den Gedanken, es, werde ihr Gram und Tränen verursachen. Er ging mir großen Schritten auf und ab. Unsinniger! Gram und Tränen! wie wenn ich ihr nicht gleichgültig wäre! Sich umdrehend, befand er sich Blanca gegenüber: zwei Tränen rollten über die Wangen des stumm gebliebenen Mädchens, deren schnell auf einander folgende Seufzer ihre Brust hoben. Marceau fühlte nun ebenfalls Tränen in den Augen. – Verzeihen Sie mir, sprach er, verzeihen Sie mir, Blanca; aber ich bin unglücklich und das Unglück macht misstrauisch. In Ihrer Nähe schien sich mein ganzes Leben mit dem Ihrigen vermischt zu haben: wie soll ich meine Stunden von Ihren Stunden, meine Tage von Ihren Tagen trennen? Ich hatte Alles vergessen; ich glaubte so an die Ewigkeit. Wehe, wehe! ich träumte und wache auf. Blanca, fuhr er mit mehr Ruhe, aber traurigerer Stimme fort, der Krieg, den wir führen, ist grausam und mörderisch, es ist möglich, dass wir uns nie wieder sehen. Er ergriff die Hand der schluchzenden Blanca. Versprechen Sie mir, wenn ich fern von Ihnen falle. . . Blanca, ich habe immer die Vorahnung eines frühen Todes gehabt; versprechen Sie mir’, dass die Erinnerung an mich manchmal vor Ihr Gedächtnis trete, mein Name in Ihren Mund komme, und wäre es auch nur im Traum: und ich, Blanca, ich verspreche Ihnen, wenn zwischen meinem Leben und meinem Tode noch die Zeit liegt, einen Namen, einen einzigen Namen auszusprechen, so wird es der Ihrige sein. Blanca’s Stimme war von Tränen erstickt; aber in ihren Augen waren tausend zärtlichere Versprechungen, als die, welche Marceau forderte. Mit der einen Hand drückte sie die Marceau’ s, der zu ihren Füßen lag, und mit der andern zeigte sie ihm die rote Rose, womit ihr Kopf geschmückt war.

– »Immer, immer, stammelte sie und fiel ohnmächtig nieder.«

Marceaus Schrei zog seine Mutter und seine Schwestern herbei. Er hielt Blanca für tot; er wälzte sich zu ihren Füßen. Alles übertreibt die Liebe, Alles, Furcht und Hoffnung. Der Soldat war nur ein Kind.

Blanca schlug die Augen auf und errötete, als sie Marceau zu ihren Füßen, und seine Familie um sie her sah.

– »Er reist ab, sprach sie, um sich vielleicht gegen meinen Vater zu schlagen. O! schonen Sie meinen Vater; wenn mein Vater in Ihre Hände fällt, so bedenken Sie, dass sein Tod mir das Leben rauben würde. Was wollen Sie weiter? setzte sie mit leiserer Stimme hinzu; ich habe erst an meinen Vater gedacht, nachdem ich an Sie gedacht hatte. Dann, ebenso schnell ihren Mut zurückrufend, bat sie Marceau, abzureisen, er selbst sah die Notwendigkeit ein, auch widerstand er ihren Bitten und denen seiner Mutter nicht länger. Die zu seiner Abreise nötigen Befehle wurden erteilt, und eine Stunde darauf hatte er von Blanca und seiner Familie Abschied genommen.«

Marceau folgte, Blanca verlassend, dem Wege, den er mit ihr durcheilt hatte; er ritt vorwärts, ohne den Schritt seines Pferdes zu beschleunigen, noch ihn zu zügeln, und jede Stelle erinnerte ihn an einige Worte der Erzählung der jungen Vendeerin:

er ging gewissermaßen die Geschichte, welche sie ihm erzählt hatte, wieder durch; und die Gefahr, welche sie lief, an die er nicht so gedacht hatte, so lange er bei ihr war, erschien ihm jetzt, seit er sie verlassen, viel größer. Jedes Wort Delmars brauste an seine Ohren: jeden Augenblick wollte er sein Pferd anhalten und nach Nantes zurückkehren, und er hatte seine ganze Vernunft von Nöten, um dem Drange, sie zu sehen, widerstehen zu können.

Wenn Marceau sich mit etwas Anderem hätte beschäftigen können, als nur mit dem, was in seinem eigenen Kopfe herumging, so hätte er am äußersten Ende des Wegs einen Reiter auf sich zukommen sehen, der, nachdem er einen Augenblick angehalten, um sich zu überzeugen, dass er sich nicht irre, sein Pferd in Galopp gesetzt hatte, um zu ihm zu gelangen, und er hätte den General Dumas ebenso schnell erkannt, als er von diesem erkannt worden war.

Die beiden Freunde sprangen von ihren Pferden herab, und warfen sich einander in die Arme.

Im nämlichen Augenblick springt ein Mann, mit von Schweiß triefenden Haaren, blutigem Gesicht, zerrissenen Kleidern, über eine Hecke, rollt eher, als dass er geht, längs der Böschung herab, und fällt ohne Kraft und fast ohne Stimme zu den Füßen der beiden Freunde nieder, nur das einzige Wort ausstoßend: verhaftet!. . . Es war Tinguy.

– »Verhaftet! wer? Blanca? rief Marceau aus.«

Der Bauer nickte bejahend; der Unglückliche konnte nicht mehr sprechen. Er hatte fünf Meilen gemacht, immer über Ackerfeld und Hecken, Pfriemkraut und Stechginster laufend, vielleicht hätte er noch eine oder zwei Meilen weit laufen können, um Marceau zu erreichen: aber bei ihm angelangt, war er niedergefallen.

Marceau blickte ihn mit offenem Mund und starrem Auge an. – Verhaftet! Blanca verhaftet! wiederholte er immer fort, Währens sein Freund seine mit Wein gefüllte Feldflasche an die geschlossenen Zähne des Bauern brachte.

– Blanca verhaftet! das also war der Zweck, zu dem man mich entfernte. Alexander, rief er aus, die Hand seines Freundes ergreifend und ihn zwingend, aufzustehen; Alexander, ich kehre um nach Nantes, du musst mir dorthin folgen, denn mein Leben, meine Zukunft, mein Glück, Alles ist dort. Seine Zähne knirschten mit Heftigkeit an einander; sein ganzer Körper war von einer krampfhaften Bewegung aufgeregt. Der möge zittern, der es gewagt hat, eine Hand an Blanca zu legen. Weißt du, daß ich sie liebte mit allen Kräften meiner Seele; dass ohne sie kein Dasein mehr für mich möglich ist, dass ich sterben oder sie retten will? O! Narr! o! Unsinniger, der ich war, abzureisen!. . . Blanca verhaftet! und wo hat man sie hingeführt?«

Tinguy, an den diese Frage gerichtet war, kam nach und nach wieder zu sich selbst. Die Adern seiner Stirn waren angeschwollen, wie wenn das Blut sie durchbrechen wollte; seine Augen waren voll Blut, und seine Brust so gedrückt und schnaubend, dass er nur mit Mühe auf die zum zweiten mal an ihn gemachte Frage: »Wo ist sie hingeführt worden?« antworten konnte:

 

– »In das Gefängnis Bouffays.«

– Kaum waren diese Worte ausgesprochen, als beide Freunde im Galopp den Weg nach Nantes wieder einschlugen.