Za darmo

Isaak Laquedem

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

»Wißt Ihr, was er Euch anbietet? . . . Er er»bietet sich, Euch eine Geschicklichkeitslection zu geben.«

Die Bogenschützen lachten ebenfalls laut auf.

»Was soll ich antworten?« fragte Gaëtano.

»Oh! nehmt es an, Kapitän, und wir werden uns belustigen,« sagten die Engländer.

»Wohl! es sei,« sprach Gaittano, indem er sich gegen den Fremden umwandte. »Die Engländer werden zuerst alle nach einander nach dem Schilde schießen, den Du dort siehst. Die drei, welche dem Zielpunkte am nächsten kommen, werden sodann mit Dir bei einem neuen Versuche um den Preis streiten, und wenn Du den Sieg über sie davon trägst, so sollst Du nicht nur freien Durchzug haben, sondern ich gebe Dir sogar, bei meinem Worte, fünf römische Thaler aus meiner Tasche, damit Du Dein Wegegeld an den andern Schranken bezahlen kannst.«

Ich nehme es an,« sagte der Fremde; »doch sputet Euch; ich muß um drei Uhr aus dem Sanct Peters-Platze sein.«

»Oh! gut!« versetzte Gaëtano, »dann haben wir Zeit; es ist kaum Mittag!«

»Es ist eine halbe Stunde mehr,« entgegnete der Fremde, nach der Sonne schauend.

»Gebt wohl Acht, meine Braven,« sagte Gaëtano zu den Bogenschützen, »denn Ihr habt mit einem Manne zu kämpfen, der mir aussieht, als besäße er einen richtigen Blick.«

»Oh!« bemerkte einer von den Schützen Namens Herbert, welcher unter den Besten der ganzen Schaar zählte, »meiner Ansicht nach ist es leichter, die Stunde an der Sonne zu sehen, als aus fünfzig Schritte mit dem Eisen eines Pfeiles in einen halben Paol zu treffen.«

Ihr täuscht Euch, mein Freund,« erwiederte der Fremde in vortrefflichem Englisch, »das Eine ist nicht schwieriger, als das Andere.«

»Ah! rief Herbert, »wenn Ihr jenseits der Meerenge geboren seid, wie dies Eure Art, unsere Sprache zu sprechen, andeutet, so darf man sich nicht wundern, daß Ihr ein so guter Bogenschütze.«

»Ich bin nicht jenseits der Meerenge geboren sondern nur in England gereist,« erwiederte der Pilger. »Doch sputen wir uns, wenn es Euch beliebt; ich sagte Eurem Chef, ich habe Eile, und er erlaubt daß wir unsern Versuch unverzüglich machen.«

Auf, Edwards! aus, Georges!« rief Herbert;«haltet einen Schild bereit, der die Stelle von diesem einnehmen soll; zieht einen Kreis von sechs Zoll im Durchmesser und in der Mitte dieses Kreises klebt eine Mücke an.«

Die zwei von ihrem Kameraden ausgerufenen Engländer gehorchten schleunigst, Sie richteten einen völlig unversehrten Schild zu, während die andern Schützen die Pfeile aus dem Schilde rissen, der als Ziel gedient.

Dann, um dem Fremden einen höheren Begriff von ihrer Geschicklichkeit zu geben und ihm eine größere Schwierigkeit zu bieten stellten sie den Schild in einer Entfernung von hundert Schritten aus.

Als endlich der alte Schild in geeigneter Entfernung aufgepflanzt und der neue zugerichtet war, gruppirten sich die Bogenschützen wie ein Bienenschwarm um Herbert, den sie als den Mann anerkannten, welcher über sie das Königthum der Geschicklichkeit und des Blickes übte.

Man sah nun, was bei den Menschen ein großer Wetteifer thun kann: Jeder schoß seinen Pfeil ab, und trotz der um das Doppelte vermehrten Entfernung drangen alle fünfzig Pfeile, – die Bogenschützen waren ihrer fünfzig, – in den Schild ein, Elf Pfeile hatten in den innern Kreis getroffen, doch, wie man vorhergesehen, waren die drei der Mücke nächsten Pfeile die von Edwards, von Georges und von Herbert.

»Gut geschossen, Kinder!« sprach Gaëtano, in die Hände klatschend; »man wird heute Abend vom besten Wein des Kellers auf die Gesundheit derjenigen trinken, welche diese fünfzig Pfeile abgeschossen haben . . . Und nun ist es an den drei Siegern und unserem Pilger. Seid Ihr bereit, meine Meister?«

Der Fremde nickte bejahend mit dem Kopfe.

Gut,« rief der Bastard, »Ihr wißt, daß fünf römische Thaler dem zufallen, welcher seinen Pfeil am nächsten zu der Mücke bringt! . . . . Auf, nach dem Schilde!«

Ein Bogenschütz riß aus der Erde den alten, wie ein Stachelschwein ganz mit Spießen beladenen, Schild und setzte den unversehrten an dessen Stelle.

»Platz! Platz!« rief man von allen Seiten, Es waren nicht mehr allein die Bogenschützen, die sich für den Wettstreit interesssirten, es waren alle diese Menschen, welche, wie gesagt, eine Art von Nationalität unter einander verband.

Die Deutschen hatten zu ringen aufgehört; die Gebirgsleute hatten ihre Stöcke weggeworfen; Alle waren herbeigelaufen und bildeten einen ungeheuren Kreis um die Gruppe, die aus Gaëtano dem Bastard, dem Pilger und den drei Schützen bestand, welche die Ehre von Alt-England, dem Fremden gegenüber, behaupten sollten.

»Beeilen wir uns!« murmelte der Pilger, indem er abermals nach der Sonne schaute; »es ist drei Viertel auf ein Uhr.«

»Wir sind bereit,« erwiederte Herbert, »und wir werden nach der Reihe schießen, welche die Anfangsbuchstaben unserer Namen im Alphabet einnehmen. Du, Edwards hast den ersten Buchstaben, Du, Georges, den zweiten, der meinige ist der dritte . . . Der Pilger wird zuletzt schießen: Ehre dem Ehre gebührt!«

Beim Bogenspiele ist wirklich derjenige der Geehrte, welcher zuletzt schießt.

»Aufgeschaut!' sprach Edwards vortretend, Edwards hatte zum Voraus denjenigen von seinen Pfeilen, welchen er für den besten hielt, ausgewählt und auf seinen Bogen gelegt. Als er zu der Stelle kam, von wo aus er schießen sollte, blieb er stehen, zog zweimal die Sehne seines Bogens an und spannte sie zweimal wieder ab. Endlich, beim dritten Male, entschwirrte der Pfeil und drang in den ans dem Schilde gezogenen Kreis, kaum zwei Zoll über der Mücke, ein.

»Ah!« murmelte er, »wäre der Schild nur zehn Schritte weiter entfernt gewesen, so traf ich mit meinem Pfeile mitten ins Ziel; doch gleichviel! ich glaube, der Schuß war nicht schlecht . . .«

Seine Kameraden klatschten ihm Beifall und bewiesen dadurch, daß sie seine Ansicht theilten.

»Nun ist es an Dir, Georges,« sagte Gaëtano, »miß genau Deine Entfernung.«

»Ich werde mein Möglichstes thun, gnädiger Herr,« erwiederte der Bogenschütze.

Und er zog hinter einander drei Pfeile aus seinem Köcher, warf aber die zwei ersten als mangelhaft auf den Boden und behielt den dritten.

Er legte diesen dritten Pfeil aus seinen Bogen, spannte ihn mit einer zugleich langsamen und festen Bewegung und schoß.

Der Pfeil drang in den Schild ein, und trotz der Entfernung konnte man leicht sehen, daß er den von Edwards um einige Linien übertraf.

»Bei meiner Treue!« sagte Georges, »das ist Alles, was ich thun kann . . . Ein Anderer mache es besser.«

»Bravo, Georges! Bravo, Georges!« riefen die Zuschauer Beifall klatschend.

Nun kam die Reihe an Herbert, das heißt an denjenigen, auf welchen man am meisten zählte.

Er trat ernst und langsam vor, wie ein Mensch, der das ganze Gewicht der Verantwortlichkeit, die auf ihm lastet, fühlt.

Er ging auch mit einer noch größeren Aufmerksamkeit als Georges bei der Wahl des Geschosses, dessen er sich bedienen wollte, zu Werke, leerte seinen Köcher ganz zu seinen Füßen aus, setzte ein Knie auf die Erde und wählte lange und mit Sorgfalt einen Pfeil, dessen Gleichgewicht vollkommen war; dann stand er wieder auf, spannte die Sehne seines Bogens so, daß er sie bis hinter seinen Kopf zurückzog, blieb einen Augenblick unbeweglicher, als der durch die Rache von Diana in Marmor verwandelte Jäger des Alterthums, – und schoß.

Der Pfeil flog unsichtbar, so schnell flog er, und drang so nahe bei der Mücke ein, daß er deren Umriß angriff.

Alle Condottieri, die Bogenschützen besonders, hatten mit starren Augen und keuchender Brust zugeschaut, als sie aber das Resultat des Schusses sahen, entströmte ein ungeheures Freudengeschrei in drei bis vier Sprachen dem Munde dieser Leute, die sich insgesammt in ihrem Stolze als dabei interessirt betrachteten, daß einer von ihnen, was auch seine specielle Waffe oder seine Nation sein mochten, den Sieg über einen Fremden errang. Dann stürzten Alle mit einer und derselben Bewegung auf das Ziel zu, denn Jeder wollte mit seinen eigenen Augen die Stelle beurtheilen, welche der Pfeil von Herbert getroffen hatte.

Die Mücke war, wie gesagt, gestreift.

Da erhoben die Bogenschützen einstimmig ihre gewöhnliche Acclamation:

»Hurrah! für Alt-England! . . .«

Und das Geschrei verdoppelte sich und Jeder drängte sich zu der Scheibe und zeigte Gaëtano unter unzähligen Bravos und Ausrufungen den Pfeil, der, wie Niemand bezweifelte, den Sieg davon tragen mußte.

Während dieser Zeit hatte der Pilger, ohne daß er sich die Mühe gab, sich seines Mantels zu entledigen, einfach seinen Stock aus den Boden gelegt, einen von den von den Schützen verlassenen Bogen aufgehoben, unter den Pfeilen, welche aus dem Köcher von Herbert gefallen, den ersten, den besten gewählt und aus seinen Bogen gelegt.

»Ausgeschaut!« rief er plötzlich mit starker Stimme.

Die Condottieri umgaben das Ziel; sie wandten sich um, und als sie hundert Schritte von sich den Reisenden sahen, der seinen Bogen aufhob, traten sie rasch aus die Seite.

Kaum war der Schild entblößt, da hörten sie den Pfeil schwirren, und dieser blieb zitternd mitten in der Mücke stecken.

Es war so wenig, Zeit zwischen dem Ausrufe des Fremden und der Ankunft seines Pfeiles verlaufen, daß man hätte glauben können, er habe den Schuß gethan, ohne daß er sich die Mühe genommen, zu zielen.

Er war aus seinen Bogen gestützt stehen geblieben.

Als man sich dem Ziele näherte, bemerkte man, daß der Schild, welcher aus einem Weidengeflechte bedeckt mit drei Ochsenhäuten, zwischen denen eine eiserne Platte, bestand, durchschossen war.

Der Pfeil ragte aus der anderen Seite sechs Zoll lang hervor.

Die Bogenschützen schauten sich erstaunt an; nicht ein Schrei, nicht ein Hauch, nicht ein Athen, kam aus ihrem Munde.

 

»Nun!« fragte Gaëtano, nachdem er einen Augenblick geschwiegen, »was sagst Du hierzu, Herbert?«

»Ich sage, das ist Zauberei oder Betrug,« erwiederte der Bogenschütze, »und ich verlange eine zweite Probe.«

»Du hörst es, Pilger?« sprach Gaëtano zu dem Fremden; »Du kannst eine Genugthuung dem wackern Schützen nicht verweigern, der bezweifelt, daß Du ein einfacher Sterblicher bist wie er, und Dich für den als Hirten verkleideten und die Herden von König Atmedes hütenden Gott Apollo hält.«

»Es ist gut,« versetzte der Fremde; »doch werdet Ihr mich, wenn ich diese Genugthuung gegeben habe, gehen lassen?«

»Ja! ja!« riefen einstimmig alle Condottieri.

»Ich verpfände Dir mein Ritterwort,« sprach Gaëtano.

»Es sei,« sagte der Pilger immer von seinem Platze aus, indeß die Abenteurer ihrerseits fortwährend die Scheibe umgaben, die sie mit eben so viel Erstaunen als Bewunderung betrachteten; »doch die Entfernung, aus welche wir diesen ersten Versuch gemacht haben, scheint Mir nur gut für Kinder . . . Tragt den Schild zweihundert Schritte weiter hinaus, und dann will ich gern Herbert und sogar seinen zwei Kameraden Genugthuung geben.«

»Zweihundert Schritte weiter? . . . Auf dreihundert Schritte schießen? . . . Ihr seid ein Narr, Meister!« rief Herbert.

»Tragt den Schild zweihundert Schritte weiter hinaus,« wiederholte der Unbekannte. »Ich habe Eure Bedingungen ohne Widerrede angenommen, es ist nun an Euch, die meinigen anzunehmen, ohne zu streiten.«

»Thut, was er verlangt,« befahl Gaëtano gebieterisch, »es ist in der That an ihm, zu sagen, was er will.«

Zwei Männer nahmen den Schild, maßen die Entfernung und trugen ihn beinahe bis an das Ende des Circus.

Die andern Abenteurer, Gaëtano an der Spitze, kehrten stillschweigend zu der Stelle zurück, wo sie der Pilger erwartete.

Herbert warf einen Blick aus den Schild, schaute entmuthigt seinen Bogen und seine Pfeile an und sagte:

»Es ist unmöglich, aus eine solche Entfernung zu schießen.«

»Ja,« erwiederte der Unbekannte, »mit diesem Kinderspielzeug ist es unmöglich; doch ich will Euch Waffen zeigen, mit denen ich Euch herausfordere.«

Und er zeigte den Condottieri eine Art von Felsenbruchstück, zehn Fuß lang, fünf Fuß breit, das mit Moos bedeckt unter der Form eines riesigen Grabdeckels aus dem Boden hervorragte.

»Hebt diesen Stein auf,« sagte er.

Die Condottieri schauten sich an; sie begriffen diesen Mann nicht, der ihnen ein übermenschliches Wesen zu sein schien, und zögerten, ihm zu gehorchen.

»Habt Ihr nicht gehört?« fragte Gaëtano.

»Doch,« erwiederte Herbert brummend; »dieser Mensch befiehlt also jetzt hier?«

»Ja, wenn ich es so will,« sagte Gaëtano.

»Hebt diesen Stein aus!« Acht bis zehn Abenteurer schritten zum Werke; doch so gut sie auch ihre Anstrengungen vereinigten, es gelang ihnen nicht, den ungeheuren Block zu erschüttern.

Sie richteten sich aus, schauten Gaëtano an und sagten:

»Dieser Mensch ist ein Narr! Man könnte uns ebenso wohl den Befehl geben, das Colisseum auszureißen.«

»Ah! es ist wahr,« murmelte der Reisende, »ich erinnere mich, das Grab wurde innen befestigt.«

Und er näherte sich ebenfalls dem Granitblock und sagte:

»Tretet auf die Seite, ich will es versuchen.«

Dann warf er seinen Mantel auf den Boden, bückte sich über eine von den Ecken des Grabmals, legte seine nervigen Hände an die Erhöhungen des Felsen, drückte seine Arme wie ein Basrelief an den Stein und erschütterte ihn dreimal hinter einander.

Man hätte glauben sollen, es sei Ajax oder Diomedes, aus den Ebenen von Troja einen von den riesiegen Werksteinen reißend, mit denen sie ein halbes Heer niederschmetterten.

Bei der ersten Anstrengung barst der Stein, bei der zweiten zerbrachen die eisernen Klammern, bei der dritten hob sich der Granitdeckel und entblößte ein Grab, in welchem das Gerippe eines Riesen lag.

Der Kopf allein fehlte.

Die Abenteurer gaben einen Schrei des Erstaunens, gemischt mit Schrecken, von sich und wichen rasch zurück.

Gaëtano fuhr mit der Hand über seine von Schweiß befeuchtete Stirne.

Es lagen hier in der That die großen Gebeine, von denen Virgil spricht, die Gebeine, welche, in ihren Gräbern durch die Pflugschaar bloßgelegt, zukünftige Geschlechter vor Erstaunen in Eis verwandeln mußten.

Der Riese hatte einen neun Fuß langen Bogen und sechs drei Ellen lange Pfeile bei sich.

»Nun! Herbert,« fragte der Unbekannte, »glaubt Ihr, man könne mit diesem Bogen und diesen Pfeilen auf dreihundert Schritte schießen?«

Herbert antwortete nicht; er und seine Gefährten schienen gebeugt unter dem Gewichte eines abergläubischen Schreckens.

Der Erste, dem das Wort wieder kam, war Gaëtano.

»Was für Gebeine sind dies?« fragte er mit einer Stimme, deren Erschütterung er vergebens zu verbergen strebte, »und warum hat dieses Gerippe keinen Kopf mehr?«

»Diese Gebeine,« erwiederte der Unbekannte mit einem tief traurigen Lächeln, wie es über die Lippen von Greisen schwebt, wenn sie von Dingen erzählen, die sie in ihrer Jugendzeit gesehen haben, »diese Gebeine sind die eines Mannes, welcher, wenn er aufrecht stand, acht Fuß hoch war, so daß er heute noch ohne seinen Kopf der Größte von uns Allen wäre . . . Er trug an seinem Daumen in Form eines Ringes die Armspange seiner Frau, er zog mit einer Hand einen beladenen Wagen; er hob den ersten, den besten Stein auf und zermalmte ihn zwischen seinen Fingern zu Staub; er warf hintereinander und ohne zu athmen, dreißig Ringer nieder; er lief zu Fuße so rasch als ein Pferd im Galopp; er machte dreimal den Umlauf im großen Circus in fünfzehn Minuten und füllte bei jedem Umlaufe eine Schaale mit Schweiß; er aß endlich vierzig Pfund Fleisch täglich und leerte mit einem Zuge eine Amphora. Er hieß Maximinus und wurde getödtet vor Aquileja von seinen eigenen Soldaten. Diese schickten seinen Kopf dem Senate, der ihn im Angesicht des Volkes auf dem Marsfelde verbrennen ließ. Sechzig Jahre später ließ ein anderer Kaiser, welcher von ihm abzustammen behauptete, seinen Leib in Aquileja holen; dann, als er den Circus hier erbaute, brachte er ihn in dieses Grab, und da der Bogen und die Pfeile die Lieblingswaffen des Verstorbenen waren, so legte er zu ihm diese Pfeile, welche aus Rohren vom Euphrat verfertigt sind, diesen Bogen von germanischem Eschenholz, diese Sehne von Asbestfäden, aus die weder das Wasser, noch das Feuer, noch die Zeit einen Einfluß üben können, und machte aus dem kaiserlichen Grabe den Weichstein, um den sich seine Pferde und sein Wagen drehten. Dieser andere Kaiser hieß Maxentius. – Auf, Edwards! auf, Georges! auf, Herbert! ich habe Eile . . . Nehmt Eure Bogen und Eure Pfeile; ich, was mich betrifft, habe die meinigen hier.«

Und er zog den Bogen und die Pfeile aus dem Grabe, stieg aus das Piedestal, aus welchem Gaëtano bei seiner Ankunft gesessen hatte, legte die sechs Pfeile zu seinen Füßen nieder, und wie Ulysses seinen Bogen ohne Anstrengung spannte, so spannte auch er, wie er es mit einem gewöhnlichen Bogen gethan hätte, den von Maximinus.

»Gut! es sei,« sprach Herbert; »man soll nicht sagen, englische Bogenschützen haben sich geweigert, das zu thun, was ein Anderer gethan hat . . . Auf, Edwards! auf, Georges! thut Euer Möglichstes. . . Ich werde versuchen, zu thun, was ich noch nie gethan habe.«

Die zwei Schützen machten sich bereit, jedoch indem sie mit einer entmuthigten Miene und den Menschen ähnlich, welche eine Sache unternehmen, von der sie zum Voraus wissen, daß sie unmöglich ist, den Kopf schüttelten.

Edwards kam zuerst; er spannte seinen Bogen und schoß seinen Pfeil ab; doch der Pfeil beschrieb seine Parabel und drang in den Boden zwanzig Schritte, bevor er den Schild erreicht, ein.

»Ich sagte es wohl!« murmelte Edwards.

Und er trat Georges seinen Platz ab.

Die Anstrengung des Letzteren hatte nur zur Folge, daß sein Pfeil ein wenig weiter ging, als der seines Kameraden, und ein paar Schritte vom Schilde entfernt niederfiel.

»Es heißt Gott versuchen, von einem Menschen etwas verlangen, was seine Kräfte übersteigt,« murmelte er.

Herbert endlich, der abermals seinen Bogen gespannt, der seinen besten Pfeil gewählt und leise sein Gebet an den heiligen Georg gerichtet hatte, erreichte das Ziel, doch so schwach, daß der Pfeil nicht einmal das erste Leder anzugreifen vermochte und beim Schilde niederfiel.

»Bei meiner Treu»,« sagte er, »das ist Alles, was ich für die Ehre von Alt-England thun kann!«

»Laßt sehen, was ich für den Ruhm Gottes thun kann!« sprach der Fremde.

Und ohne das Piedestal zu verlassen, von welchem herab er, einer Gottheit des Alterthums ähnlich, um anderthalb Ellen alle Zuschauer überragte, sandte er, einen nach dem andern, gegen den Schild die sechs Pfeile ab, welche sodann ein Kreuz zeichneten, wobei die vier ersten den Baum und die zwei andern den Ast bildeten.

Ein Schrei der Bewunderung erhob sich unter den Zuschauern, als besonders die zwei letzten Pfeile, das religiöse Symbol vervollständigend, die Absicht des geheimnißvollen Bogenschützen erklärt hatten; die Meisten glaubten an ein Wunder und machten aus der Stirne das heilige Kreuz, das der Unbekannte aus dem Schilde gezeichnet hatte.

»Das ist kein Mensch,« sagte Herbert, »das ist der Gott Teutates oder Thor, der Sohn von Odin, der zum christlichen Glauben überzutreten entschlossen ist und vom Papste die Erlassung seine r alten Sünden erflehen will.

Der Unbekannte hörte diese Worte und bebte.

»Freund,« sagte er, »Du bist nicht so weit von der Wahrheit entfernt, als Du glaubst . . . Bete also für mich, wie Du, nicht für einen Gott, der sich bekehrt, sondern für einen Menschen, der bereut, beten würdest.«

Dann wandte er sich gegen Gaëtano, den Bastard, um und sagte: »Edler Herr, die fünf Thaler, die Ihr mir versprochen habt, gehören Edwards, Georges und Herbert, welche ich, wie Euch, wegen meines Hochmuths um Verzeihung bitte . . . Ah! ich habe vorhin ganz leise gestanden und gestehe nun ganz laut, daß ich ein großer Sünder bin.«

Dann verbeugte er sich demüthig und fügte bei:

»Habt Ihr noch etwas Anderes von mir zu fordern, oder wollt Ihr mir erlauben, daß ich weiter ziehe?«

»Ich, was mich betrifft, habe nichts dagegen einzuwenden, daß Du gehst,« erwiederte Gaëtano, »um so mehr, als Du Wort gehalten hast; und wenn nicht etwa die Ringer und die Streiter mit dem Stocke Dich um eine Lection der ähnlich, welche Du so eben den Bogenschützen gegeben, bitten wollen, so bist Du frei.«

Doch die Deutschen und die Gebirgsleute machten mit dem Kopfe ein Zeichen, welches bedeutete, sie seien damit zufrieden, daß sie der Lection beigewohnt, welche die Bogenschützen erhalten haben.

Dann wandte sich der Reisende an die Ersteren in vortrefflichem Deutsch und an die Anderen nach und nach in schottischem, baskischem und piemontesischem Dialect und sprach:

»Ich danke meinen Brüdern den Germanen und meinen Brüdern den Gebirgsleuten, daß sie sich nicht widersetzen, wenn ich weiter gehe, und ich beschwöre sie, sich, wenn nicht mit dem Worte, doch mit der Absicht den Gebeten anzuschließen, welche Edwards, Georges und Herbert mildherzig für mich verrichten werden.«

Und er legte den Riesenbogen in die Hände des Anführers der Condottieri, warf seinen Mantel über die Schulter, nahm seinen Stab wieder in die Hand, grüßte demüthig nach rechts und nach links und kehrte durch eine der Breschen des Circus von Maxentius mit demselben Schritte, mit dem er gekommen, auf die Via Appia zurück.

Von allen diesen Abenteurern, die er voll von Bewunderung, Erstaunen und Zweifel besonders zurückließ, begleitete ihn ein Theil bis auf die römische Straße, während der andere auf die Ruinen stieg, um ihm länger mit den Augen zu folgen.

Dann wohnten die Einen und die Andern einem Schauspiele bei, welches in ihrem Geiste einen noch viel gewichtigeren Eindruck hinterließ, als das, was sie kurz zuvor gesehen hatten.

Der dritte Thurm, der die Via Appia beherrschte, ehe man zu den Mauern von Aurelian kam, gehörte den Frangipani, einer Familie, welche eben so edel, eben so mächtig, als die der Orsini und der Gaëtani, und deren letzter Nachkomme in unsern Tagen in einem Kloster des Monte Cassino gestorben ist.

Wir haben gesagt, ihr Name komme von der Menge von Broden her, welche sie jeden Morgen Almosen spendend brachen: – Frangere panes.

Wie ihre Standesgenossen, deren Bekanntschaft wir so eben gemacht, lebten sie von Erpressungen, Räubereien und Plünderungen, und ihr Schloß stand da wie eine letzte Zollstätte vor dem Thore der Stadt.

Der Reisende hatte aber ohne Zweifel Eile, an Ort und Stelle zu kommen, denn diesmal, statt daß er es, wie er in Casa Rotondo oder beim Schlosse der Gaëtani gethan, versuchte, die Besitzungen dieser Herren des Weges zu durchschreiten, ging er um die Wälle der Festung, ohne auf das Wer da? der Schild»wachen zu antworten, welche oben aus dem Thurme standen.

 

Die Schildwachen riefen ihren Kameraden.

Ungefähr zwanzig Mann liefen herbei.

Als sie den Pilger seines Weges ziehen sahen, ohne daß er nur antwortete, spannten die Bogenschützen und die Armbrustschützen jene ihre Bogen, diese ihre Armbrust und sandten einen Hagel von Pfeilen nach ihm ab.

Doch er verfolgte mitten durch das tödtliche Geschoß, das die Luft verdunkelte, seinen Weg, ohne seinen Gang zu beschleunigen oder zu hemmen, kaum sich mehr um die Pfeile bekümmernd, als wenn es ein gewöhnlicher Hagel gewesen wäre; nur, als sie ihn nicht mehr erreichen konnten, schüttelte er seinen Mantel und seinen Rock; die Pfeile, welche darin stecken geblieben waren, fielen ab, und von dieser unnöthigen Last befreit, verschwand er hinter dem Triumphbogen des Trajan, unter dem Gewölbe, das man heute die Porta San Sebastiano nennt.