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»Oh! ich bin der Mann der Gesetzmäßigkeit: es ist beschlossen, daß man nur unter gewissen Bedingungen zugelassen werden soll, und ich will wissen, ob diese Bedingungen erfüllt sind.«

»Ah! ich erinnere mich! er ist vollkommen in Ordnung . . . Und sehen Sie, er zeigt eben sein Creditiv Herrn Fournier. Es ist ein Advocat oder ein Richter, – ein Richter vom Tribunal von Vermont, glaube ich; er ist mit einer Lähmung in den Beinen bedroht und kommt nach Paris, um sich Raths zu erholen. Er heißt Georges Couthon und ist von Patrioten von Auvergne empfohlen.«

»Gut, sprechen wir nicht mehr davon . . . Und jener Andere, der so schöne Kleider hat und so häßlich ist?«

»Welcher?«

»Der, welcher auf der letzten Stufe der Treppe steht, als wäre er ein zu vornehmer Herr, um auf demselben Boden zu gehen, wie wir.«

»Der dort? ich kenne ihn nicht; doch er ist mit einem unserer Bekannten gekommen.«

»Mit wem?«

»Oh! mit Einem, der nicht verdächtig ist.«

»Mit wem ist er denn gekommen?«

»Mit Herrn Marat.«

»He! he! . . . und der Wein?« rief Hébert, indem er sich an Jourdan mit einer halb freundschaftlichen, halb drohenden Geberde wandte, welche dieser durch eine analoge Bewegung des Kopfes und der Schultern erwiederte; »unser Wein?«

Dann die Hand einer neuen Person reichend, welche in diesem Augenblicke eingetreten war und mitten durch die ehrenwerthe Versammlung mit dem anmuthigen, geschmeidigen Wesen einer Katze schlüpfte:

»Ah! komm doch, Bordier, daß ich Dich Herrn Collot d'Herbois, einem Collegen, vorstelle.«

Der Ankömmling verbeugte sich, indem er seine Hände kreuzte und eine reizende Kopfbewegung machte.

»Herr Collot d'Herbois, mein Freund Bordier, der berühmte Arlequin, der gerade im Zuge ist, das Glück der Varietes zu machen, wo er im Augenblicke: Arlequin, Kaiser im Monde spielt, ein Werk, welches sicherlich nicht den Werth der Ihrigen hat, das aber ganz Paris anzieht.«

»Ich habe den Herrn gestern gesehen,« ermiederte Collot, »und ich habe ihm mit dem größten Vergnügen Beifall zugeklascht.«

»Mein Herr. . .« sprach der Arlequin sich aufs Neue verbeugend.

»Sie sagen besonders auf eine bewunderungswürdige Weise: »»Ihr werdet sehen, daß ich bei Alle dem am Ende eines Tages gehenkt werde!««

»Sie finden, mein Herr?« versetzte Bordier.

»Oh! bei meinem Worte, es ist unmöglich, eine mehr durch die Angst komische Betonung zu finden, als es die Ihrige ist.«

»Stellen Sie sich vor, daß ich in das Stück diese Phrase habe setzen lassen, welche nicht darin war.«

»Und aus welchem Grunde?«

»Ah! hören Sie. Als Kind sah ich einen Menschen henken; das war sehr häßlich. In der folgenden Nacht träumte ich, ich werde gehenkt; das war sehr traurig. Der Traum und die Wirklichkeit sind mir so lebendig im Geiste geblieben, daß ich schaudere, so oft ich an einen Galgen denke! Sie wissen aber, man ist Künstler, oder man ist es nicht: Dugazon hat zweiundvierzig Manieren, die Nase zu bewegen, erfunden, und mit jeder macht er lachen; ich habe nur eine Manier erfunden, zu sagen: »»Ihr werdet sehen, daß ich bei Alle dem am Ende eines Tages gehenkt werde!«« und ich mache beinahe weinen . . . Doch verzeihen Sie, ich glaube, die Sitzung beginnt.«

Es war wirklich das zweite Licht, welches das Bureau zu beleuchten bestimmt, angezündet worden, und der Vicepräsident Fournier schien den Präsidenten Marat einzuladen, er möge den Stuhl einnehmen. Marat weigerte sich aber.

»Was hat denn Marat heute?« fragte Bordier; »man sollte glauben, er lehne die Ehre des Präsidiums ab.«

»Er will ohne Zweifel sprechen,« erwiederte Hébert.

»Spricht er gut?« fragte Collot d'Herbois.

»Ich glaube wohl!« antwortete Hébert.

»Wie wer spricht er?«

»Wie wer? Er spricht wie Marat.«

In diesem Augenblicke ließ sich die Glocke des Vizepräsidenten hören; ein Schauer durchlief die Versammlung. Auf ein Zeichen von Jourdan verrammelte ein Aufwärter der Schenke die Kelleröffnung. Marat nahm Danton beim Arme und führte ihn in die erste Reihe des Kreises, der sich um die Tribune bildete; auf die Töne der Glocke folgten die vom Vicepräsidenten ausgesprochenen Worte:

»Bürger, die Sitzung ist eröffnet.«

Alsbald erlosch das Gemurmel, das über dieser Menge schwebte, und es trat eine Art von Stille ein, in der man indessen alle die Volkstumulte leben fühlte, welche die Sitzung unterbrechen sollten, von der wir Rechenschaft zu geben versuchen wollen.

VIII
Der Weißenhandel

Für Danton besonders war der Anblick dieser Versammlung charakteristisch. Im Bürgerstande geboren, hatte Danton, wie jeder in einer Mitte geborene Mensch, einen Instinct, der ihn aus dieser Mitte herauszog: – die Instincte des Einen ziehen ihn nach oben, die Instincte des Andern ziehen ihn nach unten; die Instincte von Danton zogen diesen zur Aristokratie hin. Ein sinnlicher Mensch, ein politischer Epicuräer, ein zukünftiger Staatsmann, sanguinisch, aber nicht sanguinär, liebte Danton die schöne Wäsche, die berauschenden Wohlgerüche; Danton liebte die Seide und den Sammet; Danton, er mit der noch harten, rauhen Haut, liebte die feine, weiße Haut, welche am 2. und am 3. September, an diesen Tagen entsetzlichen Andenkens, im Munde seiner Agenten ein Todesurtheil wurde.

Danton kam nun aus einer Reunion, wo er Alles dies gefunden hatte: Glanz der Kerzen, Rauschen der Seide, Zartheit des Sammets, Schaukeln der Federn, Licht der Diamanten; er hatte die balsamische Atmosphäre eingeathmet, welche nicht nur aus einer Mischung von destillirten Wohlgerüchen, sondern auch aus jener noch viel sinnlicheren, noch viel berauschenderen Ausströmung besteht, die aus jungen, gepflegten, aristokratischen, mit einander in Berührung gesetzten Organisationen hervorgeht; und plötzlich, ohne Uebergang, fiel er in die Untiefen der Gesellschaft, mitten unter rauchige Lichter, schmutzige Hände, übel riechende Lumpen; er begriff die unbekannte Existenz dieser andern lebenden Katakomben unter diesem andern Rom, dessen Anblick sie an einem gegebenen Tage verändern sollten; er begriff! – und ganz schauernd nach dem Contraste des Gesichtes, des Gehöres, des Geruches, wartete er auf den Contrast der Rede.

Der Contrast ließ nicht auf sich warten.

Bordier, der Schriftführer des Clubbs, stand auf und gab der Versammlung Kenntniß von den Correspondenzen aus der Provinz.

Das erste Factum, das dem Clubbe der Menschenrechte angezeigt wurde, war folgendes:

»Gilles Leborgne, Ackermann in Machecoul bei Nantes, der ein Kaninchen, welches seinen Kohl fraß, getödtet hatte, war auf Befehl des Herrn von Machecoul an einen Pfosten gebunden und gepeitscht worden.«

Die Thatsachen folgten sich, und alle zeugten von dieser Grausamkeit, welche mit wenigen Ausnahmen die Privilegirten der Zeit an den niedrigen Klassen übten.

Pierr, genannt der Glöckner, Tagelöhner in Pont-Saint-Mesmin, der sich geweigert hatte, in der Frohne das Wasser in den Gräben des Schlosses zu schlagen,15 während die gnädige Frau in den Wochen lag, war in einen noch heißen Ofen eingesperrt worden. Er war durch Erstickung gestorben.

Barnabé Lampon von Pithiviers, der eine Frau und sechs Kinder hatte, lebte seit drei Monaten nur von Gras und Baumblattern; er war so schwach, daß er kaum seinen Namen unten an diese Angabe seines Elends hatte schreiben können.

Und bei jedem Factum, das der Schriftführer mittheilte, drückte Marat heftig das Handgelenke von Danton und fragte ihn leise:

»Was sagst Du hierzu, Danton? was sagst Du?«

Und Danton der Sinnliche, Danton der Wollüstige, Danton der Epicuräer fühlte etwas wie einen Gewissensbiß in seine Secle hinabsteigen, indem er an alle die Perlen, an alle die Diamanten, an alle die Vergoldungen dachte, die er gesehen, an diese Männer, welche Seufzer ausstießen, an diese Frauen, welche Thränen vergossen über das Elend der Africaner, die zweitausend fünfhundert Meilen von Frankreich litten, während in Frankreich selbst, unter den Füßen von Paris, Menschen nicht minder gräßliche Schmerzen litten, mit nicht minder entsetzlichem Elend rangen.

Die Liste entrollte sich, und jede neue Thatsache entzündete einen neuen Blitz in allen diesen flammenden Blicken; man fühlte, daß es nicht eine fremde, entfernte Sache, die Sache einer andern Race war, die diese Menschen verteidigten, sondern eine Sache, für die sie gelitten hatten, eine Sache, für die sie zu kämpfen im Begriffe standen. Die Brust Aller war keuchend, angeschwollen, nahe daran, durch die Lippen zu überströmen! Jeder wartete auf den Augenblick, wo der Schriftführer seine lange, schmerzliche Aufzählung werde gelesen haben, um nach der Tribune zu eilen, um sein Wort auf diesen Brand zu gießen, nicht als ein Wasser, das auslöscht, sondern als ein Oel, das in Flammen setzt.

Alle stürzten nach der unförmlichen Tribune.

Marat streckte, ohne sich von seinem Platze zu rühren, die Hand aus.

»Der Bürger Marat verlangt das Wort,« sagte der Präsident: »der Bürger Marat hat das Wort.«

»Ja! ja!« riefen zweihundert Stimmen; »Marat auf die Tribune! . . . Marat! Marat! Marat!««

Und Marat schritt mitten auf dem Wege hin, den ihm diese menschlichen Wogen machten, wie Moses mitten durch die Wellen des rothen Meeres schritt, das vor ihm zurückwich.

Er stieg langsam die Leiter mit ihren vier Sprossen hinauf, welche zu der Schaubühne führte, griff mit seiner schwarzen, fettigen Hand in seine langen Haare, warf sie zurück, als hätte er befürchtet, ein einziger von seinen häßlichen Zügen könnte in seinem Ausdrucke verschleiert werden, und sprach:

 

»Ihr Alle, die Ihr hier seid, Ihr habt das Röcheln eines ganzen Volkes gehört, das mit dem Tode ringt und wehklagt! eines Volkes, das sich an Euch wendet, denn es setzt seine Hoffnung nur auf Euch! . . . Nun wohl! sagt, auf wen setzt Ihr Eure Hoffnung, an wen werdet Ihr Euch wenden? Wir kennen diejenigen, welche wir fürchten müssen: sagt uns diejenigen, auf welche wir hoffen dürfen?«

»Lafayette! Necker!« riefen mehrere Stimmen.

»Lafayette! Necker!« wiederholte Marat, »auf diese zwei Männer setzt Ihr Eure Hoffnung?«

»Ja! ja! ja!«

»Auf den Einen als General, auf den Andern als Minister?«

»Ja! ja! ja!«

»Also ein Aristokrat und ein Zöllner, ein Schönredner und ein Geldmäkler, das sind Eure Männer, Eure Helden, Eure Götter! Wißt Ihr, was Lafayette ist? Ich will es Euch zuerst sagen. Wißt Ihr, was Necker ist? Ich will es Euch nachher sagen.«

»Sprich, Marat, sprich!« riefen hundert Stimmen.

Ein Lächeln tiefen Hasses zog über die Lippen des Redners, ein Lächeln des Tigers, der seine Beute zu zerfleischen im Begriffe ist.

»Fangen wir mit Lafayette an,« fuhr Marat fort: »das wird nicht lange dauern, denn er ist, zum Glücke für uns, am Anfange seiner Laufbahn, und ich habe nicht viel über ihn zu sagen: doch das, was ich sagen werde, wird hoffentlich genügen, um das Mißtrauen in Eure Herzen zu bringen, denn was ich sage, wird ihn Euch unter seinem wahren Lichte sehen lassen.

»Unser Held ist geboren in Chavagnac in der Auvergne. Wenn die cabbalistischen Zeichen, welche die Geburt des schändlichen Octavius begleiteten, den seine Schmeichler Augustus nannten, wenn diese charakteristischen Zeichen nicht bei der Geburt des Marquis von Lafayette vorwalteten, so bin ich doch wenigstens befugt, zu behaupten, der Ehrgeiz, die alberne Eitelkeit und die Lächerlichkeit haben über seine Wiege ihre bösartigen Einflüsse verbreitet.

»Seine Mutter nannte ihn ihren Rousseau; warum dies? etwa weil er im Ruhme mit dem unsterblichen Verfasser von Emile und vom Contrat social rivalisiren sollte, oder einfach, weil ihn die Natur, verschwenderisch für diesen jungen Kopf, mit einem feuerfarbigen Haare begabt hatte?

»Das wird uns die Zukunft enthüllen; ich, was mich betrifft, ich neige mich sehr zu der zweiten Erklärung, weil mein Held noch nichts gethan hat, daß sich die erste auf ihn anwenden ließe.

»Mittlerweile war es der viel geliebte Sohn, der theure Erbe; er kam auch aus den Händen der Frauen so verzogen, so halsstarrig, so unwissend, so eigenwillig, als der gegenwärtige Dauphin vom Hofe von Frankreich. Wen betraute man nun mit der Sorge, diesen reizenden Charakter zu entwickeln? wer war der verständige, der weise, der tugendhafte Lehrer, den man an seine Seite stellte, um die Natur durch die Erziehung zu verbessern? Ihr kennt ihn Alle: es ist ein Schulfuchs, ein ehemaliger Schiffskaplan, ein Jesuit, den die Barmherzigkeit in das Hotel aufgenommen, um das Spielzeug und der Possenreißer der Herrschaft und der Verfolger der Dienstboten zu sein, – trinkend wie ein Tempelherr oder wie der Vicomte von Mirabeau, fluchend wie ein Matrose, ausschweifend wie ein Prinz von königlichem Geblüte; dies war der Mentor vom jungen Marquis, vom zukünftigen Rousseau, von Blondinet, kurz von Lafayette . . .

»In den Händen dieses Menschen, der selbst eine ehrlichere Natur verdorben hätte, blieb der zukünftige Befreier Americas bis zu dem Augenblicke, wo er in das Collége du Plessis eintrat.

»Wer war hier sein Lehrer? wer war der Nachfolger des von uns genannten Menschen? Ein anderer Schulfuchs, ein anderer Jesuit: der Sprößling der Urmarmungen eines Pastetenbäckers der Rue Feydau und der Beschließerin des Herzogs von Fitz-James, der es durch Intriguen und Gemeinheiten dahin gebracht hatte, daß er den König mein Vetter16 nennen und sein Haupt mit der Rectorsmütze aufputzen durfte. Mit Hilfe dieses würdigen Lehrers durchlief er alle Classen; mit Hilfe dieses würdigen Lehrers concurrirte er um den von der Universität ausgesetzten Beredtsamkeitspreis; mit Hilfe dieses würdigen Lehrers, der ihm seine Ausarbeitung unter dem Titel Rede eines Generals an seine Soldaten machte, wurde Blondinet von Lafayette gekrönt. Dieser erste Lorbeer erregte bei ihm den Geschmack hierfür.

»Ueberdies rühmte Jeder diesen jungen Laureaten, der mit achtzehn Jahren eine Hannibals und Scipios würdige Rede geschrieben hatte, welche hinreichend von dem zeugte, was eines Tages auf der Laufbahn der Waffen ein Krieger thun müßte, der mit der Theorie die Praxis verbinden würde.

»Die Frauen, diese frivolen, leichtsinnigen Geschöpfe, fingen auch an die übertriebensten, widerlichsten Lobeserhebungen an ihn zu verschwenden; sie vergifteten so seine Eigenliebe, sie leiteten durch diese schmählichen Zuvorkommenheiten, welche ihre gewöhnliche Schwäche nur zu sehr der Eitelkeit zu bieten weiß, seine Vernunft irre, gefielen sich darin, diese junge Pflanze zu verderben und auszutrocknen, und Jede von ihnen wünschte, – nach dem Beispiele der Königin von Saba, welche einen so weiten Weg machte, um eine Nacht mit Salomo zuzubringen, – Jede wünschte, der schöne Blondinet von Lafavette möchte ihr das Schnupftuch zuwerfen.

»Unter diesen Conjuncturen erschien Blondinet von Lafavette am Hofe von Frankreich, in diesem Klima, dessen Atmosphäre vergiftet ist, von dem die Schaam, die Zucht, die Ehrbarkeit, die Offenherzigkeit und die Aufrichtigkeit ohne Rückkehr verbannt sind; hier geschah es, daß er, da er jeden Tag eine Gelegenheit fand, in sich den Geist der Frivolität zu befestigen, der den Grund seines Charakters bildet, nach und nach geckenhaft, schamlos und falsch wurde; hier nahm er die Gewohnheit an, die er immer behalten, die Gewohnheit, das Lächeln auf den Lippen, die Freundlichkeit im Blicke und die Falschheit im Herzen zu haben. Zum Glücke läßt sich heute außer den Dummköpfen und den Blödsinnigen Niemand mehr durch dieses Lächeln und durch diese Freundlichkeit bethören: die Gleißnerei ist entdeckt, die Maske zerreißt in Fetzen! Oh! warum kann ich sie nicht ganz vor Euren Augen enthüllen, die verschmitzte, arglistige Physiognomie des angeblichen Helden, den die französische Nation, eine blinde Nation, an die Spitze der Patrioten stellt, und dem sie die wichtigsten und ihrem Glücke schädlichsten Gewalten anzuvertrauen bereit ist.

»»Aber,«« werdet Ihr mir sagen, »»Du zeigst uns da den Helden der Bettgänge, der Etiquette, des Hofes, und nicht den Waffengefährten von Washington, den Freund von Franklin, den Befreier von America.««

»Warum habt Ihr ihn nicht vorhin gesehen, wie ich, diesen Helden einer neuen Welt, der in die alte zurückgekommen ist, mit dem Geleite von jenen Erinnerungen, welche, gegen die Gesetze der Perspective, wachsen, indem sie sich entfernen? warum habt Ihr Ihr ihn nicht gesehen, wie er das Taschentuch der Frau Gräfin von Montesson aufhob, wie er sein Riechfläschchen der Frau Marquise von Beauharnais bot, wie er seine Degenschleife an den Hals des Hundes der Frau Gräfin von Genlis band, wie er bei der Rede von Herrn von Malouet in die Hände klatschte, und bei der Erzählung von den Mißgeschicken der armen Neger eine Thräne abwischte? Ihr hättet ihn zu seinem Werthe geschätzt, diesen Vorzimmergeneral! Ihr hättet erfahren, was Ihr von diesem aristokratischen Messias erwarten dürft!

»Ist Lafayette wirklich das, was man sagt, daß er sei, warum ist er dort, und nicht hier? warum ist. er unter ihnen, und nicht unter uns? Hat er Thränen zu vergießen, Franzosen, so vergieße er seine Thränen über die Schmerzen Frankreichs; liebt er wirklich das Volk, so komme er zu uns, die wir das wahre Volk, das einzige Volk sind; und dann werde ich, der ich ihn in diesem Augenblicke angreife, ich, der ich ihn Euch zeige, nicht wie Ihr ihn seht, sondern so, wie er ist, ich werde ihm entgegengehen, ich werde ihm die Thüre öffnen, ich werde mich auf der Schwelle verbeugen und zu ihm sprechen: »»Sei willkommen, Du, der Du von Seiten der Freiheit kommst!««

Einiges Beifallklatschen unterbrach Marat, doch es war erkünstelt und wie verschämt. Man sah, daß er eine von den am tiefsten befestigten Volksüberzeugungen vor den Kopf gestoßen, und daß die Waffe der Lächerlichkeit, der er sich bedient, denjenigen, welchem er damit eine tödtliche Wunde beizubringen gehofft, nur gestreift hatte.

Er beharrte auch für diesen Tag nicht weiter bei Lafayette, den er zwei Jahre hinter einander mit allen seinen Zähnen beißen und zerreißen sollte.

»Was Necker betrifft,« fuhr er fort, »o armes Volk, wie man Dich verblendet! – was Necker betrifft, willst Du ebenfalls wissen, wer er ist? ich will es Dir sagen.

»Vor Allem, – ich habe Necker in meinem Leben nicht gesehen: ich kenne ihn nur dem Rufe nach, durch einige von seinen Schriften, durch einige von seinen Operationen; obgleich mein Zeitgenosse, ist er mir so fremd, als es mir ein Bewohner der andern Welt, Sejanus oder Crassus, wäre.

»Vor zwölf Jahren kannte man Herrn Necker nur als Banquier; aber sein Reichthum, der ihm die Achtung in der Welt erwarb, war in meinen Augen ein Titel der Verachtung; denn von diesem Reichthume kannte ich die Quelle. – Soll ich sie Euch nennen? Höret.

»Necker ist geboren in Genf, der Heimath des großen Rousseau. Ach! wie Rousseau verließ er Genf, nicht um sich dem Glücke seiner Zeitgenossen, den Fortschritten der Menschheit zu opfern, sondern um sein Glück zu machen. In dieser Hoffnung trat er als Commis beim Banquier Thélusson ein.

»Durch Beharrlichkeit und heuchlerisches Wesen wurde er Kassier; sobald er diese Stelle hatte, fing er an für seine eigene Rechnung mit dem Gelde der Kasse zu agiotiren.

»Es befand sich im Hause ein Buchhalter Namens Dadret, der durch seine langen Dienste auf dem Punkte war, mit der Banque associrt zu werden; Necker erhielt den Vorzug vor ihm, mittelst der Einzahlung einer Summe von achtmal hunderttausend Livres, die er in die Kasse machte. Wie verschaffte er sich diese Summe, er, der nichts auf der Welt besaß? Ich will es Euch sagen.

»Ein Engländer hatte diese Summe bei Thélusson angelegt, und Herr Necker hatte es auf den andern Tag verschoben, sie einzutragen; der Engländer starb in der Nacht; keine Urkunde bewies dieses Depositum, die Summe wurde nicht reclamirt, der Genfer eignete sich dieselbe an. Dies war der Anfang seines Vermögens.

»Das Verlangen, neue Reichthümer zu erwerben, ließ ihn ein Mittel finden, das Geheimniß des Cabinets von Saint-James zu entdecken; er machte Herrn Thélusson den Vorschlag, Canada-Actien zu kaufen. Wer nichts von den Taschenspielerstücken gehört hat, die er anwandte, um diese Papiere zu discreditiren und sie mit siebzig bis fünfundsiebzig Procent Verlust zusammenzukaufen, der mag die Lobrede auf Colbert von Herrn Pelinery befragen. Wer nichts von den Taschenspielerstückchen gehört hat, die er anwandte, um sich, den Ruin der Indischen Compagnie herbeiführend, zu bereichern, mag zwei in einem Werke betitelt: Theorie und Praxis von Herr Necker bei der Verwaltung der Finanzen, enthaltene Aufsätze befragen.

»Seine Bewunderer machen als einen Zug von Gewandtheit geltend, er sei fünf Jahre, und zwar in Kriegszeiten, an seinem Posten gewesen, ohne einen Sou Steuer aufzulegen; das heißt mit den Worten spielen, denn die Interessen seiner zahlreichen Anlehen sind wahre vom Volke erhobene Steuern. Er hat aber die Nation um mehr als sechzig Millionen jährlich benachtheiligt!

»Mitten unter den Lustbarkeiten von Trianon wurde die Königin guter Hoffnung.

»Ihr wißt Alle, was für Lustbarkeiten dies waren, nicht wahr? Man erleuchtete einen Theil der Bosquets von Trianon, und in einem derselben errichtete man einen Thron von Farnkraut; hier spielte man König, wie die kleinen Mädchen Gouvernante spielen. Dieser erwählte König hielt seinen Hof, gab seine Audienzen, sprach Recht in den Klagsachen, die bei ihm von seinem durch die Leute des Hofes repräsentirten Volke angebracht wurden. Und was für Kläger waren dies? Die Parodie der Deinen, wahres Volk, das Du leidest, das Du wehklagst, das Du mit dem Tode ringest, während die Großen Deinen Todeskampf, Dein Wehklagen, Deine Leiden spielen! Herr von Vaudreuil war aber beinahe immer der König, der gewählte König. Er wählte die Königin; die Königin war gefunden, es war die Tochter von Maria Theresia, es war Marie Antoinette, es war die Oesterreicherin; dann verheirathete er die andern Herren an andere Damen des Hofes; dann sprach er das sacramentale Wort, das berufene Decampativos; sogleich entfloh jedes Paar, mit dem vom Farnkrautkönig erlassenen Verbote, vor Ablauf von zwei Stunden wieder im Thronsaale zu erscheinen, und besonders mit dem Verbote, mehr als ein Paar zusammen in dasselbe Bosquet zu gehen! Das war ein reizendes Spiel, wie Ihr seht! Wie wäre es möglich, die Seufzer des Volkes bei Hofe zu hören, wenn man dort so reizende Spiele spielt!

 

»Unter diesen Spielen wurde die Königin schwanger; unglücklicher Weise gebar sie aber eine Tochter: es handelte sich darum, eine neue Schwangerschaft hervorzurufen; die Aerzte schlugen die Bäder vor; doch Herr Necker behauptete, die Bäder seien um nöthig, die Fortsetzung der sinnreichen Belustigung genannt Decampativos könne mit dem Einflusse der befruchtendsten Bäder den Wettkampf eingehen, und obgleich es erwiesen war, daß der jeden Abend erwählte König beinahe eben so viel kostete, als der mit göttlichem Rechte regierende König, beharrte er doch bei diesem Recepte.

»Gott segnete Herrn Necker, und zum zweiten Male schwanger geworden, gebar die Königin Monseigneur den Dauphin.

»Die Königin war nicht die Einzige, bei der das Recept seine Wirkung hervorgebracht habe; Madame Jules von Polignac war auch schwanger geworden; die Königin gab ihr im Augenblicke ihrer Niederkunft ein Wickelzeug im Werthe von achtzigtausend Livres, und der König ein Geschenk von hunderttausend Livres. Man wollte das Herzogthum Mayenne beifügen, das einen Werth von vierzehnmal hunderttausend Livres hatte, denn es war ein sehr armseliges Geschenk ein Geschenk von hundert und achtzig tausend Livres für ein königliches Geschenk; doch der rechtschaffene, doch der strenge Herr Necker widersetzte sich. Nach einiger Zeit überlegte er freilich . . . er überlegte, daß Herr Turgot durch eine ähnliche Weigerung gefallen war, und da ihm sehr viel an seinem Platze lag, von welchem ihn die Günstlingin zu vertreiben drohte, so bestimmte er die Königin, Madame Jules ein Geschenk von drei Millionen in Geld zu machen, statt des Herzogthums, das nur vierzehnmal hunderttausend Livres werth war. Herr Necker war ein guter Höfling, wie Ihr seht und Frau von Polignac hat nichts beim Warten verloren.

»Du begreifst nun wohl, armes Volk, daß Herr Necker das, was er für die Fremden thut, um so viel mehr für die Seinigen thut. Herr Necker besitzt eine Tochter, die er an einen Deutschen verheirathet hat; denn, obgleich er ihre Mitgift in Frankreich gewonnen, hat er sie doch nicht für einen Franzosen vorbehalten: diese Tochter heißt Frau von Stael; sie ist jung, sie ist geistreich; sie ist die würdige Tochter des Genfer Banquiers . . . sie spart nichts, gar nichts, um ihrem Vater Parteigänger zu machen, und ihr Vater verweigert nichts den Parteigängern, die sie ihm gemacht hat.

»Ich sagte Euch, wer Lafayette ist, ich sage Euch nun, wer Necker ist, und ich füge bei: Zählt weder auf den Einen, noch auf den Andern, denn das hieße die Zukunft der Nation wie eine Feder in den Wind, wie ein Brett ins Meer werfen; das hieße das Glück des Landes auf die Frivolität, den Verrath und die Habgier bauen.«

Marat hielt inne, um zu athmen. Dieses zweite Mal war er besser inspirirt gewesen, als das erste Mal, nicht als wäre der protestantische Banquier in der Popularität dem aristokratischen General nicht gleichgekommen; doch wir sind so in unseren ganz instinctartigen Sympathien: ein Geldmann ist leichter bei uns anzugreifen, als ein Schwertmann; man zählt nicht den ganzen Tag Geld, ohne daß einem am Abend ein wenig Schmutz an den Händen bleibt.

Das, am Ende der Periode von Marat über Lafayette noch verhaltene, Beifallklatschen brach auch am Ende der Periode von Marat über Necker los.

Jeder hatte diese doppelte Rede mit seinem Temperamente, seinem Instincte, seinem Hasse angehört. Jourdan, ein fanatischer Verehrer des Redners, machte das Zeichen eines Menschen, der einen Kopf abschneidet; Legendre streckte seinen nackten Arm gegen die Tribune aus; Collot d'Herbois wiegte, um seine Beistimmung anzudeuten, den Kopf in einer theatralischen Haltung; Bordier stampfte mit den Füßen; Fournier der Americaner zeigte, die Lippen aufgebogen durch das Lächeln der Verachtung, seine Zähne so weiß wie die eines Tigers; Maillard war ruhig und kalt; mit voller Brust athmend, warf Couthon mit einer edlen Bewegung seines schönen Kopfes seine langen Haare zurück.

Was, Danton betrifft, – er schaute mit einer Art von Schrecken diesen Mann an, der, dunkel und unbekannt, so in die Gesellschaft bei ihren geheimen Theilen biß, der die zwei Idole des Tages, die man Lafayette und Necker nannte, und das Idol aller Zeiten, das man die Monarchie nennt, angriff.

Und wie griff er Alles dies an? Mit der Wahrheit und mit der Lüge, mit der Lästerung und mit der Verleumdung, von vorne und von hinten, ihm gleichviel!

Es war zugleich in diesem Menschen vom Zahne der Dogge und vom Gifte der Schlange!

Aber wie gut wußte dieser Mensch, zu wem er sprach! wie ließ er seine Worte eines um das andere auf diese gierige, mit Schmerzen behaftete leidende Menge fallen! wie war seine Rede ein warmer Thau für diesen Haß, der, in die Tiefe des Herzens von Jedem gesäet, nichts Anderes verlangte, als seine giftigen Blüthen sich erschließen zu machen, als seine vergifteten Früchte zu tragen; wir entdeckten endlich bei den Scheinen, welche die Fackel des Pamphletärs auf diese Welt der Großen schüttelte, welche bis dahin den Kleinen unbekannt, wir entdeckten, sagen wir, diese Kleinen düstere Horizonte in der Vergangenheit und noch düsterere in der Zukunft!

Marat begriff, daß die Geister geneigt waren, ihn zu hören, daß er nach diesen zwei Angriffen eine Hauptcharge, und nach diesen zwei bestrittenen Siegen einen unbestreitbaren Triumph brauchte.

Er winkte, daß er noch etwas zu sagen habe! die Stille trat wie durch einen Zauber wieder ein.

Beide Hände über das schauernde Auditorium ausstreckend, fuhr Marat fort:

»Und nun höret wohl, was ich Euch noch zu sagen habe. Alle, so viel ihr Eurer seid. Hätten zwei Menschen Eure Mutter am längsten, am schmerzlichsten, am grausamsten der Tode, am Hunger sterben lassen, würdet Ihr ihnen vergeben? Nicht wahr, nein? Um so viel weniger würdet Ihr Eure Vertheidiger, Eure Wächter, Eure Netter, Eure Idole aus ihnen machen. Nun wohl, diese Menschen, der Eine Geldmäkler, der Andere Aristokrat, sind die Repräsentanten der zwei Racen, welche Eure Mutter, unsere Mutter, die gemeinschaftliche Mutter getödtet haben, – die Erde! die Erde, auf der wir geboren sind, die uns zur Welt bringt, die uns nährt mit ihrer Substanz, die uns empfängt nach unserem Tode, und die wir, entartete Kinder, vergessen, wenn sie uns zuruft: »»Zu Hilfe! ich ringe mit dem Tode! zu Hilfe! ich sterbe!« «.

»Oh! ich öffne schon lange das Ohr für dieses Klagelied, das die Erschöpfung Frankreichs erzählt. »»Man kann nicht mehr gehen!«« sagt Colbert im Jahre 1631; und er stirbt selbst, nachdem er diese Worte gesagt hat, die sein letzter Seufzer zu sein scheinen. Fünfzehn Jahre später enthüllen die Intendanten, die das Böse thun, dieses Böse und beklagen es; man verlangt von ihnen Denkschriften für den jungen Herzog von Burgund, und sie erzählen naiv, diese Landschaft habe den vierten Theil ihrer Einwohner verloren, jene den dritten, eine andere die Hälfte! Das ist die Statistik des Todes durch die Henker gemacht: sie muß genau sein!

»Im Jahre 1698 macht man diese traurige Zählung. Nun wohl, neun Jahre später, 1707, sehnt man sich nach diesem Jahre 1693 zurück. »»Damals,«« sagt ein ehrwürdiger Beamter Namens Bois-Guilbert, »»damals war noch Oel in der Lampe . . . Heute,«« fügt er bei, »»heute hat Alles in Ermangelung von Stoff ein Ende genommen! Nun wird sich der Proceß zwischen denjenigen bewegen, welche bezahlen, und denjenigen, welche keine andere Function haben, als bezahlen zu machen!««

»In der That, armes Volk, da ist der Proceß! ein Proceß auf Leben und Tod für Dich!«

»Höret Fénelon nach Bois-Guilbert; der Erzbischof von Cambray ist nicht beruhigender als der normannische Beamte.

»»Die Völker leben nicht mehr als Menschen,«« sagt er; »»es ist nicht mehr erlaubt, auf ihre Geduld zu rechnen: die alte Maschine wird vollends beim ersten Anstoße brechen.««

»Achtzig Jahre sind verlaufen, armes Volk, seitdem der Verfasser von Télémaque das sagte, und die alte Maschine währt immer noch, denn Du schmierst ihre Federn mit Deinem Schweiße ein.

15Um dadurch die Frösche zum Schweigen zu bringen. D. Uebers.
16Die Rectoren der Universität hatten den Titel Vetter des Königs.