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Auger lächelte.

Réveillon hielt inne; er wollte wohl Auger zu Rathe ziehen, Auger sollte aber keine Meinung haben.

»Haben Sie eine Einwendung?« fragte er.

»Gott behüte mich!« antwortete Auger.

»Ah!« sprach der Tapetenhändler, »sehen Sie, ich hätte Ihre Einwendung bekämpft als ein Mann, der die Frage studiert hat . . . denn ich habe sie studiert.«

»Ich sehe es wohl.«

»Ich sage, man müsse das Volk unverständig, unwissend erhalten, und mein Grund ist . . .«

»Ich höre,« sprach Auger demüthig.

»Man emanzipiert das Volk nur durch den Unterricht; dieser Unterricht fällt ungleich auf das Volk: er macht hier Klarheiten, dort tiefere Dunkelheiten; er veranlaßt endlich die Unordnung, welche die geistigen Getränke bei den Wilden hervorbringen: haben sie getrunken, so sind sie berauscht; sind sie berauscht, so zerstören und tödten sie. Ich glaube also nicht, daß es für redliche Administratoren möglich ist, die Verantwortlichkeit für die ersten Unordnungen auf sich zu nehmen, die aus der Emanzipation der Völker entspringen würden, Unordnungen, welche so sein können, daß Gott allein das mögliche Resultat kennt!«

Réveillon schwieg erschöpft; er punktirte seinen Redeschluß mit einer Geberde, die den Himmel anflehte.

Auger nahm eine kalte Miene an.

»Sie stimmen nicht bei?« fragte Réveillon sodann.

»Nicht ganz, mein Herr.«

»Ihre Gründe?«

Auger ließ auf seine Lippen ein Lächeln hervortreten, dessen wahre Bedeutung ein stärkerer Sprechender, als es. Réveillon war, hätte begreifen können.

»Herr,« sagte er, »weit entfernt, einer der Ihrigen entgegengesetzten Meinung zu sein, bin ich eines Sinnes mit Ihnen. Das Volk hat nach meiner Ansicht . . . Sie werden mir sagen, es sei nicht an mir, einem Manne wie Ihnen eine Ansicht zu geben.«

»Warum nicht, Herr Auger? Ich halte Sie für einen Mann von vortrefflichem Rathe.«

»Nun wohl, das Volk hat nach meiner Ansicht nöthig, nicht nur, daß man es hemmt, sondern daß man es sogar niederdrückt.«

»Ah! und warum dies?«

»Weil das Volk undankbar, vergeßlich, gierig ist.«

»Das ist wahr,« sprach Réveillon ergriffen von dieser Wahrheit, als ob sie neu wäre.

»Weil,« fuhr Auger fort, »weil das Volk heute die Götzen zertrümmert, die es gestern emporgehoben hat, und die Popularität nach meiner Meinung einer der raschesten Wege ist, die man wählen kann, um zum Ruine oder zum Tode zu gehen.«

»Ah! ah!« rief Réveillon, »erklären Sie sich. . . das bezieht sich auf Jemand oder auf Etwas, und ist keine allgemeine Theorie.«

»Ganz richtig!« erwiederte Auger. »Ein Beispiel: sehen Sie Herrn Santerre!«

»Nun?«

»Was that er diesen Winter, als er die Kälte und die Hungersnoth wüthen sah?. . . Er vermehrte seine Arbeiter.«

»Ei! Santerre hat höchstens fünfundzwanzig bis dreißig, und ich, ich habe achthundert!«

»Selbst wenn er achthundert gehabt hätte, würde er sie vermehrt haben. Herr Santerre, es thut mir leid für ihn, es sagen zu müssen, opfert der Popularität; – was, wie ich glaube, nicht in Ihren Intentionen liegt, Herr Réveillon.«

»Nein, gewiß nicht! Santerre hat sich gegen den Hof und die Minister gestellt.«

»Während Sie für dieselben sind . . .«

»Während ich für dieselben bin und immer sein werde . . .« sprach Réveillon mit Nachdruck.

»Herr Santerre bekäme auch Stimmen . . . ja, wenn der Pöbel votiren würde, während Sie, der Sie gerade das Gegentheil von Herrn Santerre gethan, der Sie Ihre Arbeiter vermindert haben, der Sie dieselben noch mehr zu vermindern beabsichtigen . . .«

»Ja, gewiß! ein Arbeiter kann und muß mit fünfzehn Sous täglich leben.«

»Während Sie zum Lohne für das, was Sie gethan, die Stimmen aller Bürger haben werden.«

»Bei Gott!« rief Réveillon, »ich hoffe es wohl. Ich habe indessen die Vermehrung nicht verweigert, um den Bürgern zu schmeicheln: ich habe sie verweigert, weil, meinen so eben ausgesprochenen Theorien gemäß, das Volk nicht über sich selbst erhoben zu werden nöthig hat, und das Geld ein mächtiger Hebel für die Trägheit und die Entsittlichung ist.«

»Sehr gut! sehr gut!« rief Auger, »das ist ein muthiges Glaubensbekenntniß, welches Ihnen Stimmen geben wird.«

Entzückt, drückte Herr Réveillon seinem Kassier die Hand und nahm sich vor, den Gehalt eines Mannes zu erhöhen, der so gut begriff, daß man nicht nöthig hatte, den Lohn der Andern zu vermehren.

Auger entfernte sich, diesen reich gewordenen Armen, diesen Herr gewordenen Arbeiter bewundernd, der die Armen und die Arbeiter für unfähig und gefährlich hielt.

Die Wahl ging vor sich; sie gab in ganz Frankreich ein unbekanntes Leben dem bis dahin trägen Elemente, das man das Volk nannte; die Wahl ging vor sich und täuschte, wie alle Dinge, welche in den Absichten Gottes liegen, die Berechnungen der Menschen.

Und man hatte doch in Paris große Vorsichtsmaßregeln getroffen.

Eine specielle Verordnung berief zu den Primärwahlen nicht einmal alle Besteuerte, sondern nur diejenigen, welche sechs Limes Abgaben bezahlten.

Es zogen zahlreiche Patrouillen durch die Straßen, und die Wahlmittelpunkte waren von Soldaten umgeben.

Man lud die Gewehre vor den die Stimme schreibenden Wählern, was den Wählern eine Festigkeit gab, die der Halsstarrigkeit glich.

Von sechzig Districten ernannten nur drei wieder die vom König bezeichneten Präsidenten; alle andern wurden durch neue ersetzt; selbst die drei beibehaltenen Präsidenten wurden zur Erklärung aufgefordert, sie werden als vom Volke Gewählte und nicht als Repräsentanten des Königthums präsidieren.

Das Landvolk that auch sein Bestes; man hatte auf dasselbe als aristokratisches Element gerechnet; es ernannte zweihundert und etliche arme Pfarrer, natürliche Feinde der hohen Geistlichkeit.

Auger heizte, wie man heute sagt, die Wahl von Réveillon durch alle mögliche Mittel, welche den Wärmestoff der Meinung entwickeln können.

Nur war Auger, um die Wahl von Réveillon durch die Bürgerschaft zu bewirken, genöthigt gewesen, die vom Tapetenfabricanten ausgesprochenen Worte, nämlich: das Volk müsse in seinem Unverstande erhalten werden, und fünfzehn Sous täglich seien hinreichend für einen Arbeiter, um zu leben, – unter den Leuten zu verbreiten.

Die Bürger waren entzückt, diese Energie bei einem Manne zu finden, der die gewöhnlichen Mittel, um Popularität zu erlangen, ausschlug, Mittel, die ihm sein Vermögen leichter als jedem Andern gemacht hätte.

Réveillon wurde zum Wähler ernannt.

LIV
Réveillon ist undankbar

Réveillon hatte also den Culminationspunkt des Glückes und der Freude erreicht.

Es begegnete aber Réveillon, was allen den Menschen begegnet, welche zu hoch steigen.

Von diesem Ehrengiebel aus, zu dem er gelangt war, sah er Auger nicht mehr.

Auger hatte seine Dienste geleistet, Réveillon bezahlte sie ihm nicht. Auger schwor sich, man werde sie ihm bezahlen, oder er werde sich dieselben selbst bezahlen.

Jedermann weiß, welches heftige Fieber Frankreich im Augenblicke dieser Wahlen bewegte; die Erschütterung davon wurde bis an den äußersten Enden Europas gefühlt, und dennoch gab es im Mittelpunkte Frankreichs Leute, welche diese Erschütterung nicht aufweckte.

Bei seinen nächtlichen Excursionen hatte sich Auger in genaue Verbindung mit Marat gesetzt und ihn um Rath gefragt. Zu Rathe gezogen, gab Marat seine Consultation gewissenhaft.

»Dieser Réveillon,« sagte er, »ist ein Aristokrat schlimmer als die vom Adel; er hat nicht die Laster des Adels, welche dem Volke zu leben geben, und er hat die Tugenden der Bürger, nämlich die Knauserei, die Beaufsichtigung, das Mißtrauen, Schranken, die der dritte Stand zwischen sich und die Demokratie zu werfen weiß. Der grausamste Feind des Volkes ist heute der Bürger. Der Bürger wird dem Volke die Throne untergraben, die Schränke erbrechen, die Pergamente verbrennen helfen; größer als das Volk, wird er sich auf die Schemel stellen, um die Lilien auszukratzen und die Perlen der Kronen zu zermalmen; hat er aber zerstört, so wird er wieder aufbauen; die dem Adeligen genommenen Adelsschilde wird er sich zueignen; er wird in Wappen die Schilder seiner Läden verwandeln. An der Stelle der Aristokratie, des Adels und des Königthums wird der Bürgerstand emporwachsen; der Bürger wird sich zum Aristokraten machen, der Bürger wird sich zum Adeligen machen, der Bürger wird sich zum König machen.«

»Wie soll man dies verhindern?« fragte Auger.

»Das ist ganz einfach: den Samen vernichten, der der Bürger sein wird.«

»Das ist aber nicht leicht!« entgegnete Auger; »es gibt in Frankreich fünf Millionen bürgerliche Wähler, lauter gemachte Männer oder junge Leute; W sie haben in ihrer Familie eben so viel Wölflein, welche ganz bereit sind, Wölfe zu werden . . . Wem muß man die Sorge, sie zu vernichten, anvertrauen?«

»Dem Volke!« antwortete Marat; »dem Volke, das . stark genug ist, Alles zu zermalmen, mag es nun Zeit dazu nehmen, oder sich mit einem Sprunge erheben; dem Volke, das geduldig sein kann, weil es einig ist, und das unbesiegbar ist, sobald es nicht mehr geduldig sein will!«

»Teufel! Teufel!« rief Auger, »wissen Sie, wie man das nennt, was Sie da vorschlagen?«

»Das nennt man den Bürgerkrieg.«

»Und der Polizeilieutenant? und der Ritter von der Wache?«

»Gut!« erwiederte Marat, »glauben Sie denn, es sei nothwendig, auf den Straßen zu schreien: »»Nieder mit den Bürgern!«« Das wäre dumm und unnütz; der erste beste Bürger, dem Sie begegneten, würde Sie verhaften. Stärker, viel stärker ist derjenige, welcher in einem Kellergeschoße lebt und von hier aus Parabeln schleudert, wie die alten Propheten.«

»In einem Kellergeschoße?« fragte Auger erstaunt. »Gibt es noch Kellergeschoße?«

»Bei Gott!« antwortete Marat.

 

»Wo dies?«

»Ueberall! Ich, zum Beispiel, wohne in einem Kellergeschoße; doch Ihr Leute würdet das nicht wagen! Ich, ich bin ein Mann der Arbeit und der Einbildungskraft; ich kann die Sonne entbehren, weil eine Flamme in meinem Kopfe ist: die meiner Lampe genügt sodann meinen Augen. Ich liebe die Einsamkeit, weil sie nicht lügt, und weil man darin arbeitet; ich hasse die Gesellschaft, weil alle Menschen darin häßlich und dumm sind!«

Auger schaute seinen Freund an und wunderte sich, ihn mit dieser Entschiedenheit sprechen zu hören, da er so häßlich und so boshaft war.

Marat fuhr fort:

»Die Clubbs, wo man sich einschließt, wo man bei verschlossenen Thören konspiriert, – Kellergeschoße! die anonymen Journale, die man über das erstaunte Frankreich verbreitet, – Kellergeschoße! die unbestimmten Worte, die man geschickt unter die Mengen schleudert, und die Jedermann wiederholt, ohne zu wissen, wer sie ausgesprochen hat, – Kellergeschoße! Sie sehen also, mein lieber College, daß Jedermann sein Kellergeschoß haben kann wie ich, um mit Bequemlichkeit das revolutionäre Werk auszuarbeiten. Doch ein Narr, das sage ich Ihnen, der sich nicht an dieses Werk mit allen seinen Kräften anspannt! ein Narr, der nicht vor dem Wagen herläuft. Dieser wird unter den Rädern zermalmt werden, indem er die Maschine will zurückweichen' machen.«

»So daß, um zu schließen? . . .« sagte Auger.

»Sie sind auf Réveillon aufgebracht?«

»Ja.«

»Und Sie wollen sich an ihm rächen?«

»Beim Henker!«

»Nun wohl, um zu schließen, bereiten Sie Réveillon sein Verderben im Volke, und Sie werden sehen.«

Auger hatte nicht die Macht des Wortes berechnet, das ihm wie durch Zufall dieser höllische Geist des Bösen, den man Marat nannte, zugeworfen.

Doch nachdenkend, erschrak Auger über das Licht, das dieses Wort auf seinem krummen Wege zurückließ.

Réveillon im Volke verderben, wozu führte das Auger, und besonders Réveillon?

Da neigte er sich über den Abgrund und erschaute in der Tiefe die dunkle Mine, welche unter der Gesellschaft die Sappirung der Verschwörer führte; er sagte sich, sobald die Mine spielen werde, müsse durch ein Naturgesetz Alles, was oben sei, untersinken, und was unten sei, sich erheben.

Was that Auger von diesem Tage an?

Gott allem weiß es.

Nur hörte man bald im Faubourg, einer stets für die Schönredner offenen Officin, einem stets zum Heizen der demagogischen Tiegel brennenden Ofen, im Faubourg hörte man bald wiederholen, Réveillon sei ein schlimmer Reicher: seit seiner Erwählung habe er den Kopf verloren, und er trachte nach Ehrenauszeichnungen.

Man wiederholte besonders mit einem tiefen Hasse die zwei Axiome, welche nicht mehr die seinigen waren, als die des übrigen Bürgerstandes, der sie heute vielleicht nicht sagt, aber immer denkt:

»Man muß das Volk unverständig erhalten.«

Und:

»Ein Mensch kann mit fünfzehn Sous täglich leben.«

Diese Réveillon, der Auger nicht mißtrauen zu müssen glaubte, entschlüpften und von Auger wiederholten Worte empfing die Volksentrüstung mit Wuth und trug sie in den Rachekatalog mit dem Worte eines andern Aristokraten ein, der berühmter gewesen war und unglücklicher wurde, als Réveillon.

Dieses Wort war das von Foulon:

»Ich werde die Pariser das Heu von der Ebene bei St. Denis fressen lassen.«

Solche Worte bringen an dem Tage, wo sie zum Ausbruche kommen, den Unvorsichtigen, welche sie gesprochen, oder den Unglücklichen, denen man sie zuschreibt, den Tod.

Ruhig unter diesen Stürmen berauschte sich indessen Réveillon nur in seinem Ruhme und betäubte sich, wie es die Schmetterlinge bei ihrem Flügelschlage thun.

Er bemerkte nicht, was alle Welt um ihn her bemerkt hatte: daß seine Arbeiter, während sie ihren gewöhnlichen Lohn einstrichen, dem Kassier einen grimmigen Blick zuschleuderten; daß unter diesen Leuten, welche durchschnittlich zwei Livres täglich erhielten, Einige, Fanatiker der Meinung und unfähig, die Trunkenheit des Zornes in sich zu behalten, zwei Theile aus diesen vierzig Sous machten und sprachen:

»Woran denkt denn Herr Réveillon? will er uns mästen? Wir brauchen nur fünfzehn Sous, sagt er: das sind fünfundzwanzig Sous zu viel.«

Und dabei flammten die Augen, und die weißen Zähne zeigten sich unter den bleichen Lippen.

Um diese Wuth fallen zumachen, brauchte Auger nur ein Wort des Lügenstrafens darauf zu blasen; er brauchte nur zu leugnen, daß Réveillon je dergleichen geäußert, und als guter Diener hätte er alle Geister zum Fabricanten zurückgeführt: das Volk von Paris ist aufbrausend, im Grunde hat es aber ein gutes Naturell; es denkt schnell und vergißt schnell.

Auger hütete sich aber wohl, etwas zu sagen.

Er nahm ein paar Tage lang alle diese Gerüchte mit der Gutmüthigkeit eines Arbeitsgenossen auf, der seine Genossen beklagt, mit der Milde des Henkers, der immer zum armen Sünder zu sagen scheint, selbst während er ihm die Schaffottoillette macht: »Grausame Richter!«

So daß, Dank sei es dem Stillschweigen von Auger, die Gerüchte Bestand erlangten; so daß der Zorn so tiefe Wurzeln faßte, daß Gott selbst, der die Herzen verwandelt und die Leiber verändert, sich nicht mehr die Mühe gab, aus dem mit Lolch und Disteln mit giftigen Spitzen besäeten Felde Frankreich das Unkraut auszuraufen.

»Ist es wahr,« fragte man eines Tages Auger, »ist es wahr, daß der Hof, um Réveillon zu belohnen, ihm das Band vom heiligen Michael zugesandt hat?«

Diese alberne Neuigkeit, die der einfältigste redliche Mensch mit einem guten Gelächter aufgenommen und mit einem einzigen Worte, wie sie es verdiente, vernichtet hätte, empfing Auger mit einem so bewunderungswürdig betonten: »Wahrhaftig!« daß man unmöglich errathen konnte, ob die Neuigkeit wahr oder falsch war, ob Auger sie wußte oder nicht wußte.

Da zweifelten diejenigen, welche bis dahin gezweifelt hatten, nicht mehr.

Und man wiederholte sich von der Kasse von Auger weggehend, der Kassier selbst habe die Übersendung des Bandes vom heiligen Michael an Réveillon bestätigt.

Es wäre nur vielleicht nothwendig, unseren Lesern mit ein paar Worten zu erklären, warum sich Auger zu einem so vertrauensvollen Politiker, zu einem so leichten Beifallsspender des Volkes gemacht hatte.

Waren es nur der Haß und die Rache, die Auger zu handeln bewogen, wie wir ihn haben handeln sehen?

Es war ein wenig dies; es gibt Leute, die das Gute, was man ihnen thut, nicht verzeihen können, und Réveillon hatte, zu seinem Unglücke, Auger Gutes gethan.

Doch der Haß und die Rache waren nicht die einzigen Triebfedern von Auger: es war noch das Interesse im Spiele.

Auger arbeitete für sich selbst bei diesem Handel, der den Credit von Réveillon zu verschlingen drohte.

Gewisse Menschen lieben die Unordnung, wie die Raubvögel das Blutbad und den Tod lieben.

Da sie nicht von lebendigen Leibern leben können, mit denen sie um ihre Nahrung zu streiten hätten, so wünschen sie die Zerstörung, die ihnen einen leicht erlangten Fetzen Fleisch sichert.

Auger hatte den Plan ersonnen, seinen Herrn ganz einfach zu Grunde zu richten, um ihm im Unglücke ein gutes Stück von seinem Vermögen zu entreißen.

Dieses abscheuliche Werk, das die unablässige Beschäftigung seines Innern geworden, verfolgte Auger zugleich offen und unsichtbar: offen, indem er Réveillon vollends durch seine Erzählungen und seine vertraulichen Mittheilungen irre führte; unsichtbar, indem er den ganzen Haß, den ein reicher Handelsmann um sich her erweckt, unterhielt und anschürte.

In dem Augenblicke, wo die Ereignisse, die wir zu erzählen im Begriffe sind, sich vorbereiteten, fing Réveillon an, ohne sich den Druck, den er empfand, erklären zu können, das Gewicht aller der giftigen Blicke zu fühlen, die auf ihm lasteten; er hörte, ohne es zu begreifen, das Gemurmel dieser Worte, dieser Sätze, die um ihn her brummten.

Doch alle diese Vorzeichen, diese mißtrauischen Mienen, diese gehässigen Blicke, diese Unheil verkündenden Gerüchte übersetzten sich für den Handelsmann durch die Worte: der Credit des Hauses.

Réveillon rief alle seine Fonds zu sich, wie ein General, der einen Angriff ahnt, seine Soldaten und seine Räthe zu sich ruft.

Die Fonds von Réveillon waren beträchtlich; es gab damals keine andere solide Anlagen, als den Ankauf von Gütern oder der Umschlag von Kapitalien im Handel.

Renten und Actien hatten keinen Werth mehr, seitdem der Staat wankte.

Réveillon befahl seinem Kassier, den genauen Auszug seines Activvermögens zu machen, und beauftragte ihn, alle seine freien Fonds, – ohne sie indessen in baares Geld zu realisieren, – verfügbar zu halten.

Réveillon nahm sich vor, an einem schönen Morgen Alles zu baarem Gelde zu machen und ohne: Aufgepaßt! zu rufen, aus seinem Geschäfte als Triumphator durch eine ehrenhaft, aber plötzlich geöffnete Thüre wegzugehen.

Er stellte sich die Freude seiner Kinder vor, wenn sie dann außer dieser schon verdorbenen Atmosphäre leben könnten, wenn auf einem Landgute oder in einem Hotel der friedlichen Quartiere der Wähler Réveillon den Bürger und den Notabeln spielen könnte, ohne je anderen Gesichtern als denen seiner Freunde zu begegnen.

Eine sehr einfache Rechnung! Wie, – um die vorhergehende Vergleichung fortzusetzen, – der General in seinem Bereiche die Truppen hält, deren er im Augenblicke der Action bedarf, mittlerweile aber, um das Land zu decken, dieselben Soldaten benützt, die er beim ersten Trommelschlage unter den Fahnen haben wird, – so hatte sich Réveillon durch die Sammlung und Vereinigung seines Papiers eine leichte Realisirung in einem Monat gesichert: seine Effecten ruhten in guten Portefeuilles, oder in seinem eigenen, – Effecten in baares Geld umsetzbar, sobald er wollte.

Auger begriff dieses Manoeuvre; er begriff besonders, daß seine Beute ihm entschlüpfte.

Réveillon mit seinem Kaufmannsinstincte vereitelte die Berechnungen des Bösewichts. Kraft des Axioms aber: »Wer nichts wagt, gewinnt nichts,« wagte es Auger, einen Theil von diesem Papier zu verwerthen und damit einige Louis d'or zu machen.

Diese Louis d'or schloß er in seine Kasse ein, bereit, Réveillon zu antworten, die Zeiten seien nicht sicher, ein ehrenwerther Wähler könne vom Volkshasse bedroht werden, er könne genöthigt sein, zu fliehen, und man fliehe nicht mit Handelseffecten in seinem Portefeuille, sondern mit schönen, guten Louis d'or, die in Frankreich und im Auslande Curs haben.

Und da diese Erklärung ihre Entschuldigung gerade in der Ergebenheit von Auger für seinen Herrn hatte, da nichts in der Vergangenheit von Auger, nämlich in der Réveillon bekannten Vergangenheit, zum geringsten Mißtrauen berechtigte, so rettete diese Erklärung Alles.

Réveillon hatte aber kein Mißtrauen: Réveillon untersuchte seine Kasse nicht; die Louis d'or ruhten darin friedlich in ihren Rollen, vereinigt in der Tiefe eines guten Sackes, den Auger solid gewählt hatte, wie es die Pflicht eines guten Kassiers war.

Nun, da der Leser eine unseren Absichten entsprechende Meinung von Auger gefaßt haben wird, wollen wir diesen gemeinen Korb, worin so viele häßliche Insekten summen, verlassen und zu lachenderen Gemälden zurückkehren.

Ach! diese Gemälde werden rasch vorüberziehen! Die Epoche der ephemeren Vergnügen ist gekommen.