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XIX
Der Strohmann der Place Dauphine

Die Köchin von Marat kam zu ihrem Herrn zurück; sie hatte sich nach den Umständen erkundigt.

»Ah! Herr,« rief sie, »nun werden wir Lärmen haben!«

»Lärmen, meine gute Albertine!« versetzte Marat, mit der Zunge über seine Lippen streichend wie die Katze, welche in ihre Beute zu beißen im Begriffe ist; »und wer wird diesen Lärmen machen?«

»Herr, es sind die Arbeiter und die jungen Leute von der Basoche, welche rufen: »»Es lebe Herr Necker!««

»Sie haben das Recht dazu, da Herr Necker Minister ist.«

»Aber, Herr, sie rufen noch etwas Anderes.«

»Teufel! und was ist das Andere, was sie rufen?«

»Sie rufen: »»Es lebe das Parlament!««

»Warum sollten sie nicht rufen: »»Es lebe das Parlament!«« da das Parlament lebt, was auch Ludwig XIV. und Ludwig XV. thun mochten, um es zu tödten?«

»Ah! Herr, sie rufen noch etwas Anderes, etwas viel Erschrecklicheres!«

»Sprechen Sie, Albertine!«

»Sie rufen: »»Nieder mit dem Hofe!««

»Ah! ah!« sagte Danton, »Sie wissen gewiß, daß sie das rufen?«

»Ich habe es gehört.«

»Das ist ja ein meuterischer Ruf.«

»Wahr ist es,« erwiederte Marat, indem er seinem Gaste ein Zeichen machte, »wahr ist es, daß sich der Hof unter dem Ministerium dieses unglücklichen Herrn von Brienne sehr hat irre leiten lassen.«

»Ah! Herr, wenn Sie hörten, wie die Arbeiter und die jungen Leute von der Basoche Diesen und noch einen Andern behandeln!«

»Wer ist der Andere?«

»Herr von Lamoignon.«

»Ah! wahrhaftig! unser würdiger Siegelbewahrer . . . Was sagen sie denn von ihm?«

»Sie rufen: »»Ins Feuer Brienne! ins Feuer Lamoignon!««

Marat und Danton schauten sich an; es fand zwischen diesen zwei Männern ein Austausch von Gedanken statt, der sehr leicht in ihren Augen zu lesen war.

Der Eine wollte sagen: »Sollte dieser Aufstand nicht ein wenig von Ihrem Clubbe kommen, mein lieber Marat?«

Und der Andere fragte: »Sollten Sie hierbei nicht ein wenig von dem Golde der Prinzen, der Nebenbuhler des Königs, gesäet haben, mein lieber Danton?«

«Der Tumult, nachdem er wie ein Orkan getost hatte, vertiefte sich indessen und erlosch im Centrum von Paris.

Marat befragte aufs Neue seine Dienerin:

»Und wohin gehen diese wackeren Leute?« fragte er.

»Sie gehen nach der Place Dauphine.«

»Und was wollen sie auf der Place Dauphine' machen?«

»Herrn von Brienne verbrennen.«

»Wie! einen Erzbischof verbrennen?«

»Oh! Herr,« erwiederte Albertine naiv, »vielleicht nur im Bildnisse.«

»Im Bildnisse oder in Wirklichkeit, es wird dort ein Schauspiel geben,« sagte Danton; »sind Sie nicht ein wenig neugierig, dieses Schauspiel zu sehen, mein lieber Marat?«

»Bei meiner Treue, nein!« antwortete der Zwerg: »es sind dort Streiche zu bekommen; die Polizei ist wüthend und wird gewaltig schlagen.«

Danton schaute mit Wohlgefallen seine Fäuste an und sprach:

»So ist es, wenn man Danton ist, statt Marat zu sein; ich kann meine Neugierde befriedigen; die Natur erlaubt es mir.«

»Und mir räth die Natur die Ruhe,« erwiederte Marat.

»Gott befohlen also! ich will ein wenig sehen, was auf der Place Dauphine vorgeht,« sprach der Coloß.

»Und ich, ich will mein Kapitel von Potocky vollenden,« versetzte Marat; »ich bin an einer Beschreibung der blühenden Einsamkeit und der duftenden Thäler.«

»Ho! ho!« rief Danton bebend, »man sollte glauben, man höre etwas wie ein Pelotonfeuer . . . Adieu! adieu!«

Und er stürzte aus dem Zimmer.

Was Marat betrifft, er schnitt seine Feder, – eine Ausgabe, die er sich nur in seinen Augenblicken großer Befriedigung erlaubte, – und fing an ruhig zu schreiben.

Danton hatte richtig gesehen, und Albertine hatte wahr gesprochen: es fand ein Aufruhr statt, und der Aufruhr zog theilweise nach der Place Dauphine, wo sein allgemeiner Sammelplatz war; hier schrie eine geräuschvolle Menge, welche unaufhörlich zunahm, aus vollem Halse: »Es lebe das Parlament! es lebe Necker! nieder mit Brienne! nieder mit Lamoignon!«

Da aber der Abend anrückte, so liefen die Arbeiter nach ihren Geschäften, die Schreiber nach der Amtsstube und dem Justizpalaste, die Bürger nach dem Abendbrode von allen Seiten herbei und vermehrten die Gruppen und das Geräusch.

Das begann mit einem ungeheuren Lärmen von Casserolen und Pfännchen. Welche Hand hatte diesen Riesencharivari organisiert, der wie eine Schlange von tausend Stücken sich in Paris bewegte und unabläßig sich zu verbinden suchte? Niemand hat es je erfahren; nur fand sich am 26. August, um sechs Uhr, ohne daß Jemand hiervon in Kenntniß gesetzt war, alle Welt bereit.

Da der Mittelpunkt dieser Bewegung und dieses Geräusches die Place Dauphine war, so bedeckten sich alle Straßen, alle umliegende Quais, und besonders der Pont-Neuf mit Charivaristen und vornehmlich mit Neugierigen, welche den Charivari sehen wollten, den mit der ganzen Höhe ihres ehernen Rosses die Statue von Heinrich IV. beherrschte.

Eine merkwürdige Sache beim Pariser Volke ist die Liebe, die es für den Nachfolger der letzten Valois bewahrt hat. Verdankt Heinrich IV. seinem Geiste diese Popularität, die sich durch die Generationen fortgepflanzt? seiner ein wenig problematischen Herzensgüte? seinem bekannten Worte über das Huhn im Topfe? seiner Liebschaft mit Gabriele? seinen Streitigkeiten mit d'Aubigne? einer oder der andern von diesen Ursachen, oder allen mit einander? Wir vermöchten es nicht zu sagen; ein Factum aber ist, daß Heinrich IV. diesmal wie immer die Aufmerksamkeit von denjenigen fesselte, welche ihn umgaben und erklärten, – für ihre persönliche Sicherheit vor Allem, – Niemand dürfe über den Pont-Neuf fahren, und diejenigen, welche aus dem Wagen ausgestiegen seien, sollten zu Fuße hinübergehen und die Statue von Heinrich IV. begrüßen.

Der Zufall wollte nun, daß die dritte Carrosse, welche passierte, die des Herzogs von Orleans war.

Wir haben uns am Anfange dieses Werkes viel mit dem Herrn Herzog von Orleans beschäftigt und erzählt, wie er durch seine Anglomanie, seine seltsamen Wetten, seine öffentlichen Ausschweifungen und besonders durch seine schamlosen Speculationen den besten Theil von jener Popularität verloren hatte, die ihm Mirabeau später wiederherstellen sollte.

Die Menge hatte auch kaum den Prinzen erkannt, als sie, ohne mehr Rücksicht für ihn als für einen einfachen Privatmann und mit mehr Absichtlichkeit vielleicht, die Pferde am Zügel faßte, sie vor der Statue des Bearners anhielt, den Wagenschlag öffnete und mit dem Tone, der keine Erwiederung zuläßt, weil es weder die Stimme eines Menschen, noch die von zehn Menschen, sondern die Stimme eines Volkes ist, den Prinzen aufforderte, seinen Ahnherrn zu begrüßen.

Der Prinz stieg lächelnd aus und fing, höflich wie immer, damit an, daß er freundlich die Menge

»Grüßen Sie Heinrich IV.! Heinrich IV.!« rief man ihm von allen Seiten zu.

»Meinen Ahnherrn grüßen? den Vater des Volkes grüßen? ei! sehr gern, meine Herren! Für Sie ist es nur ein guter König; für mich, meine Herren, ist es ein erhabener Ahn!«

Und sich gegen die Brüstung umwendend, verbeugte er sich artig vor der Reiterstatue.

Bei diesen Worten, bei diesem Gruße, bei dem wohlwollenden Lächeln, das der Herzog über der Menge ausbreitete, erhob sich ein Donner von Beifallklatschen und erscholl auf beiden Ufern der Seine.

Mitten unter diesen Bravos, nach denen sein Ohr so gierig war, schickte sich der Prinz an, wieder in seinen Wagen zu steigen, als eine Art von schlecht gekleidetem, schlecht gekämmtem, schlecht rasiertem Riesen, ein Grobschmied, der eine eiserne Stange in der Faust hielt und die Gruppen um den ganzen Kopf überragte, sich ihm näherte, eine schwere Hand auf seine Schulter legte und zum Herzog sagte:

»Grüße ihn nicht so sehr, Deinen Ahnherrn, und suche ihm ein wenig mehr zu gleichen!«

»Mein Herr,« erwiederte der Prinz, »ich strenge alle meine Kräfte an, doch ich bin nicht König von Frankreich, wie es Heinrich IV. war, und wie es Ludwig XVI. ist: ich vermag also nichts für das Volk, als mein Vermögen mit ihm zu theilen; das habe ich in den schlechten Jahren gethan, und das bin ich abermals zu thun bereit.«

Diese Worte, nicht ohne einen gewissen Stolz, sprechend, machte der Prinz einen neuen Schritt gegen seinen Wagen; doch er war mit seinem Grobschmiede noch nicht zu Ende:

»Es ist nicht genug, daß Du grüßest,« fuhr dieser fort, »Du mußt singen: Vive Henri IV!«

»Ja,« schrie die Menge, »ja: Vive Henri IV!«

Und ein ungeheurer Refrain, von zehntausend Stimmen gesungen, wirbelte in der Luft.

Der Prinz mischte seine Stimme sehr gutwillig darein, und als der Refrain vollendet war, erlaubte man ihm, wieder in seinen Wagen zu steigen.

Sobald er eingestiegen, setzte er sich; die Piqueurs schlossen den Schlag, und die Carrosse ging unter den begeisterten Bravos der Menge ab.

Kaum war der Wagen verschwunden, als sich der Tumult bei der Ankunft einer andern Carrosse vermehrte, in der ein sehr bleicher und sehr beängstigter Geistlicher durch tausend drohend in die Höhe gehobene Arme signalisirt wurde.

»Das ist der Abbé von Vermont! der Abbé von Vermont!« riefen die fünfhundert Stimmen, denen diese tausend Arme gehörten.

»Es ist der Abbé von Vermont!« wiederholte der Grobschmied mit einer Stimme, von der man hätte glauben sollen, sie werde durch die Blasebälge seiner Schmiede genährt; »ins Feuer den Abbé von Vermont! ins Feuer den Rath der Königin!«

Und Jeder wiederholte mit gewaltigem Geschrei: »Ins Feuer den Abbé von Vermont!« eine Einstimmigkeit, welche den Geistlichen der Carrosse durchaus nicht zu beruhigen schien.

Man muß gestehen, der erhabene Mann, von dem hier die Rede war, stand, trotz seines Abbétitels durchaus nicht im Geruche der Heiligkeit beim Volke. Sohn eines Dorfwundarztes, Doctor der Sorbonne, Bibliothekar des College Mazarin, war er im Jahre 1769, – auf den Antrag desselben Herrn von Brienne, dessen Hinrichtung im Bildnisse vorzubereiten man sich beschäftigte, – zum Nachfolger für zwei Schauspieler, die man als Vorleser der zukünftigen Dauphine Marie Antoinette gegeben, erwählt und ihr letzter Lehrer der französischen Sprache zu werden bestimmt worden; man hatte den Abbé Vermont nach Wien durch Herrn von Choiseul, den Vertrauten von Maria Theresia, als einen Mann geschickt, zu dem die Kaiserin alles Zutrauen haben könnte. Der neue Professor der zukünftigen Dauphine hatte seinen Gönner nicht lügen gemacht; er war mit Leib und Seele bei der österreichischen Partei eingetreten, welche zu dieser Stunde siegreich mit der französischen Partei kämpfte; er war einer der thätigsten Räthe des kleinen Hofes geworden, der Marie Antoinette nach Frankreich begleitete. Von diesem Augenblicke an waren alle leichtsinnige Handlungen, welche die Dauphine, und sodann die Königin begangen, – die arme Frau ließ es bekanntlich nicht daran fehlen! – alle diese leichtsinnigen Handlungen waren dem Einflusse des Abbé von Vermont zugeschrieben worden. In der That, kaum in Frankreich angekommen, hatte er unter dem Vorwande, seine Eigenschaft als Vorleser müßte ihm auch die des Professors der Geschichte geben, den Historiographen Moreau zurückweisen gemacht, der durch sein Wissen zu den Functionen eines Bibliothekars der Frau Dauphine erhoben worden war. Angestachelt durch den Abbé von Vermont, hatte die Dauphine ihre erste Ehrendame, Frau von Noailles, lächerlich gemacht, und der Spottname Madame l'Etiquette, der dieser geblieben, kam, wie man sagte, nicht von der Königin, sondern vom Abbé. Mehr noch, bei ihrer Ankunft am Hofe hatte die Frau Dauphine viel Zärtlichkeit für Mesdames, die Töchter von Ludwig XV., bezeigt; Madame Victoire besonders hatte mit großer Sympathie diese Zuvorkommenheiten ihrer Nichte erwiedert. Da hatte der Abbé von Vermont sein Ansehen bedroht erachtet und keine Ruhe gehabt, bis es ihm gelungen war, die Frau Dauphine mit ihren drei Tanten zu entzweien. Es war abermals der Abbé von Vermont, der die Königin mit allen mächtigen Familien entzweit hatte, und besonders mit der Familie Rohan, von der eines ihrer Glieder so unheilvoll für sie bei der Halsbandgeschichte wurde; dieser Zwist war Folge der Herabwürdigung gewesen, die die Königin hinsichtlich der Bildung von Madame Clotilde, der ältesten Tochter von Ludwig XV., ausgesprochen hatte, welche von Frau von Marsan erzogen worden. Es war immer der Abbé, der, statt seine Schülerin zu ernsten Studien und geschichtlichen Lecturen anzueifern, sie, ohne jemals eine Vorstellung zu versuchen, alle Bücher, die ihr in die Hände fielen, lesen und alle Spiele, welche die Höflinge ersannen, selbst das berufene Spiel Decampativos, spielen ließ, gegen das die Schamhaftigkeit von Marat im Clubbe der Menschenrechte gedonnert hatte. Er war es, der die Dauphine, als sie Königin geworden war, angetrieben hatte, sich in Opposition mit dem König zu setzen, es zu versuchen, die österreichische Politik von Frau von Pompadour annehmen zu machen und die Zurückberufung von Herrn von Choiseul zu beantragen. Er war es, der bei der Reise des Erzherzogs Maximilian nach Frankreich, – obgleich der Prinz incognito reiste, – die Königin antrieb, zu verlangen, daß ihr Bruder den Vortritt vor den Prinzen von französischem Geblüte habe. Besorgt wegen aller der neuen Gnadenbezeigungen, welche verschiedenen Personen neben ihm zu Theil wurden, hatte er Madame Jules von Polignac um ihr Ansehen beneidet, er hatte es versucht, die Komödie des Cardinals von Fleury bei König Ludwig XV. zu spielen, und sich auf vierzehn Tage vom Hofe verbannt; da er aber sah, daß man ihn nicht zurückrief, so hatte er sich beeilt, wiederzukommen, und war von diesem Augenblicke an der Freund von derjenigen geworden, welche er nicht hatte stürzen können. Unter dem Einflusse des Abbé von Vermont endlich war, wie man versicherte, die Ernennung zur Generalcontrole seines frühern Gönners des Herrn von Brienne geschehen, desselben, dessen Sturz man in der Stunde feierte, wo der Abbé von Vermont, auf dem Pont-Neuf erkannt, in dieser ganzen Menge die von uns so eben mitgetheilte Aufregung hervorbrachte.

 

Der arme Geistliche, die Ursache dieser ganzen Aufregung, der momentane Sündenbock des Ministeriums und des Hofes, schien nicht genau zu wissen, was alle diese brüllenden Stimmen, alle diese gegen seinen Wagen ausgestreckten Arme wollten; bei dem Geschrei: »der Abbé von Vermont! der Abbé von Vermont!« schaute er umher, als ob dieses Geschrei nicht ihn anginge, und er schien die Person zu suchen, an die es gerichtet; bald aber war er genöthigt, einzusehen, daß es diese Menge mit ihm zu thun hatte, denn in einem Augenblicke war der Wagen angehalten, waren die Schläge geöffnet, und der Abbé wurde, aus der Carrosse gerissen, trotz seiner Protestationen auf die Place Dauphine geschleppt.

Sogleich setzte sich die ganze Menge in Bewegung, um ihm den Cortege zu bilden und der Züchtigung beizuwohnen, die man ihm versprach.

Mitten auf der Place Dauphine erhob sich ein aus Reisbüscheln und Kohle gemischter Haufen zu einer ansehnlichen Höhe; auf diesem Haufen, den die Obsthändler der Nachbarschaft dem Vaterlande anzubieten aufgefordert worden waren, – und den sie mit Enthusiasmus, man muß es zu ihrem Lobe sagen, dargebracht hatten, – machte eine aus Stroh und Weidengeflechte zusammengesetzte, mit der rothen Simarre bekleidete Figur eine ziemlich klägliche Miene; an ihrem Barrett sah man in Eile, in ungeheuren Charakteren, von einem der Festordner geschrieben den Namen Brienne.

Um dieses leblose Opfer, das offenbar der Flamme geweiht war, bewegten sich die Aufrührer vor Ungeduld brüllend; denn sie warteten die Nacht ab, damit ihr Feuer schöner erscheine und die improvisirte Ceremonie durch diesen Verzug Zeit habe, eine größere Anzahl von Zuschauern herbeizuziehen.

Sie waren daher angenehm überrascht, als sie eine Verstärkung von Collegen, Erfindern eines neuen Programms, ankommen sahen, und sie begrüßten mit wüthendem Geschrei die Leute, die ihnen den Abbé von Vermont brachten, welchen mit dem Strohmanne zu verbrennen man die glückliche Idee gehabt hatte.

Das Gesicht des armen Abbé trug das Gepräge eines leicht begreiflichen Schreckens an sich. Man errieth wohl an seinen Geberden, daß der Unglückliche sprach und sich Gehör zu verschaffen suchte; da man ihn aber schreiend fortstieß, da diejenigen, welche ihn hätten hören oder zurückhalten können, selbst von anderen Rasenden, welche noch lauter als sie schrieen, vorwärts gedrängt wurden, so gingen die Klagen oder die Erklärungen des armen Sünders im allgemeinen Geschrei verloren.

Endlich erreichte man den Kohlenhaufen. Der Abbé wurde mit dem Rücken daran gestellt, und man begann, obschon es noch Tag war, die Vorbereitungen zur Execution, indem man dem armen Abbé die Hände band.

In diesem Momente öffnete ein Mann die Menge durch eine mächtige Bewegung seiner breiten Schultern, streckte seine beiden Hände beschützend gegen den Abbé aus und rief:

»Aber, Ihr Dummköpfe, die Ihr seid: dieser Mensch ist nicht der Abbé von Vermont!«

»Oh! Herr Danton, zu Hilfe! zu Hilfe!« rief halb ohnmächtig der arme Geistliche.

So stark der allgemeine Lärm war, die gewaltig schallende Stimme von Danton hatte ihn beherrscht, und einige Personen hatten die Worte gehört, die er gesprochen.

»Wie! dieser Mensch ist nicht der Abbé von Vermont?« wiederholten diejenigen, welche zu Hörer, im Stande gewesen waren.

»Nein, nein,« rief der arme Abbé, »ich bin nicht der Abbé von Vermont . . . seit einer Stunde schreie ich mich zu Tode, um es Euch zu sagen.«

»Aber wer sind Sie denn?«

»Ei! es ist der Abbé Roy!« rief Danton; »der Abbé Roy, der große Neuigkeitsjäger! der Abbé Dreißigtausend-Mann, wie man ihn im Palais-Royal nannte, als er Neuigkeiten von Polen unter dem Baume von Krakau zum Besten gab! der Abbé Roy, im Gegentheile, der Widersacher des Abbé von Vermont! der Abbé Roy, Euer Freund, alle Teufel! . . . Gebt wohl Acht auf das, was Ihr thut: Ihr seid im Begriffe, den guten Schacher statt des bösen zu verbrennen!«

Hier schlug Danton ein Gelächter auf, das von den Nächsten wiederholt wurde und sich im Vertrauen bis zu den Extremitäten fortpflanzte.

»Es lebe der Abbé Roy! es lebe der Freund des Volkes! es lebe der Abbé Dreißigtausend-Mann!« riefen zehn Stimmen, vermehrt durch hundert, dann durch tausend.

»Ja, ja, es lebe der Abbé Roy! und da wir ihn haben,« sagte der Grobschmied, »so diene er uns wenigstens zu etwas: er steige auf den Kohlenhaufen und höre Herrn von Brienne Beichte!«

»Und er soll die Beichte laut wiederholen,« sagte ein Anderer,– »das wird drollig sein!«

»Ja, ja, er höre Brienne Beichte! er höre Brienne Beichte!« sprachen die Umstehenden.

Der Abbé Roy bedeutete durch ein Zeichen, er wolle sprechen.

»Stille!« rief Danton mit seiner Donnerstimme, welche über allen diesen Stimmen gehört wurde.

»Stille! st! . . . bst! stille! . . .« machte die Menge.

Und der Wille ist so mächtig bei den Massen, daß nach einigen Augenblicken eine Stille herrschte, daß man eine Mücke hätte fliegen hören.

»Meine Herren,« sprach der Abbé mit klarer, obschon noch ein wenig zitternder Stimme, »meine Herren, ich verlange nichts Anderes, als Ihnen zu gehorchen und den Verurtheilten Beichte zu hören . . .«

»Ja, ja! gut! bravo! die Beichte! die Beichte!«

»Aber, meine Herren,« fuhr er fort, »ich muß Ihnen zugleich Eines bemerken.«

»Was?«

»Daß Monseigneur der Erzbischof von Sens ein großer Sünder ist.«

»Oh! ja, ja!« sprach laut lachend die Menge.

»Und daß er folglich eine große Anzahl von Sünden begangen bat.«

»Ja! ja! ja!«

»Seine Beichte wird lange währen, sehr lange . . . so lange, daß Sie ihn vielleicht heute nicht verbrennen können.«

»Nun, so werden wir ihn morgen verbrennen.«

»Ja,« sprach der Abbé; »doch der Herr Polizeilieutenant, der Herr Ritter von der Wache . . .«

»Ah! das ist wahr,« sagte die Menge.

»Es wäre also meiner Ansicht nach besser, ihn ohne Beichte zu verbrennen,« fügte der Abbé Roy bei.

»Bravo! bravo! er hat Recht: verbrannt! verbrannt! auf der Stelle verbrannt! . . . Es lebe der Abbé Roy! Es lebe der Abbé Dreißigtausend-Mann! . . . Ins Feuer mit Brienne! ins Feuer!«

Und zu gleicher Zeit trennte sich die Menge in zwei Theile: der eine bildete einen Triumphbogen, unter welchem mit den Flügeln des Sieges und besonders der Angst der Abbé, der beinahe für seinen Collegen bezahlt hätte, forteilte; der andere Theil stürzte nach dem Kohlenhaufen und präludirte beim Lärmen aller Casserolen und aller Kessel des Quartiers durch eine Höllenrunde zu dem Auto da Fe, das den Platz erleuchten sollte.

Auf den Schlag neun Uhr endlich, zur Stunde der Kunstfeuerwerke, erleuchteten sich alle Fenster, die einen durch Lichter, die anderen durch Lämpchen: eine Fackel wurde feierlich an den aus Reisbündeln und Kohle bestehenden Haufen von einem roth gekleideten, den Henker vorstellenden Manne gehalten, und der Haufen fing an flammend zu prasseln, unter den Acclamationen von allen diesen Wahnsinnigen, die der Reflex der Brände mit einer purpurroten, erschrecklich anzuschauenden Tinte färbte, und deren Glutaugen, wie Dante sagt, noch erschrecklicher flammten als die Brände!