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Die Taube

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Sechsundzwanzigster Brief

Zehn Minuten nachher.

O! Wehe, weh über uns!. . . Jener Mann ist uns verhängnisvoll, mein Geliebter, vielleicht mehr noch das zweite Mal, als das erste.

O! höre, höre, obgleich Du mich hörst; höre, obgleich Du vielleicht niemals das erfahren wirst, was ich Dir sagen werde. Höre! Ich hatte wie gewöhnlich meinen Brief an den Flügel unserer taube gebunden, diesen Brief, in welchem ich Dir Alles erzählte, diesen Brief, der Dir eine ganze Zukunft des Glückes überbrachte. Ich hatte die arme Iris fliegen lassen, ich folgte ihr mit den Augen in die Tiefen des Himmels, in welche sie sich zu schwingen begann, als ich plötzlich von der anderen Seite der Mauern des Klosters einen Schuß hörte und unsere in ihrem Fluge aufgehaltene Taube sah, welche sich drehte und fiel.

O! ich stieß einen solchen Schrei des Schmerzes aus, daß ich glaubte, meine Seele verließe mit diesem Schreie meinen Körper.

Dann stürzte ich sogleich dermaßen verwirrt, dermaßen bestürzt aus dem Kloster, daß man begriff, daß mir ein großes Unglück zugestoßen wäre und daß man mich nicht zurückzuhalten versuchte.

Ich hatte die Richtung gesehen, in welcher die Taube gefallen war; ich eilte dorthin.

Fünfzig Schritte weit jenseits der Mauern des Klosters sah ich einen Kapitän, welcher jagte: er war es, der auf die Taube geschossen hatte; er hielt sie in seinen Händen, er betrachtete voll Erstaunen, besonders voll Bedauern den Brief, den sie an ihren Flügel gebunden trug.

Ich kam mit ausgestreckten Armen an. Ich konnte nicht mehr sprechen, ich rief nur aus: O! Wehe! wehe l wehe!

Auf vier Schritte weit blieb ich erbleichend, im Herzen getroffen, vernichtet stehen, dieser Mann, dieser Kapitän, der, welcher unsere Taube verwundet hatte, war derselbe, den ich in der Nacht auf dem Schlachtfelde von Castelnaudary gesehen hatte. Es war dieser Beteran, der auf Sie geschossen und Sie von Ihrem Pferde geworfen hatte.

Wir erkannten uns.

O! ich sage es Ihnen: nun war seine Blässe fast der meinigen gleich, er sah mich als Nonne gekleidet und sah ein, daß er es war, der mich mit diesem Gewande bekleidet hatte.

O! Madame, flüsterte er, wahrlich, ich bin sehr unglücklich.

Und er reichte mir unsere arme Taube, die in seiner Hand zappelte und zu Boden fiel.

Ich raffte sie auf; glücklicherweise war nur der Flügel zerschmettert. Aber sie besaß das Geheimniß Ihrer Wohnung, mein Geliebter. Dieses Geheimniß nahm sie mit sich. Wo soll ich Sie finden und wie soll ich Sie jetzt finden, wenn sie nicht mehr zu Ihnen fliegen kann.

Fliegen, um Ihnen zu sagen, wo ich bin, um Ihnen zu sagen, daß ich frei bin, um Ihnen zu sagen, daß wir glücklich sein werden?

O! zuverlässig befindet sich eine Seele in diesem armen kleinen Geschöpfe. O! wenn Sie gesehen hätten, mein geliebter Graf, wie sie mich anblickte, während ich sie nach dem Kloster zurücktrug, während ihr Mörder regungslos und ohne Stimme mir mit den Augen folgte, indem ich mich entfernte, wie er durch das blutige Gras jener Wiese mich hatte entfernen sehen, die ein Schlachtfeld gewesen war.

O! ich weiß nicht,. ob dieser Mensch uns jemals mit Gutem das Böse vergelten wird, das er uns. zugefügt hat; aber das muß geschehen, damit ich ihn nicht in meiner letzten Stunde verfluche!

Ich habe die Taube in einen Korb gelegt. Ich halte sie in diesem Korbe auf meinem Schooße. Glücklicherweise ist sie nicht in dem Körper getroffen: das äußerste Ende des Flügels allein ist zerschmettert.

Ich habe so eben von ihrem armen Flügel den blutigen Brief abgebunden. Mein Gott! mein Gott! ohne dieses unerwartete Ereigniß würden Sie jetzt im Begriff sein, ihn zu empfangen.

Wo sind Sie? wo sind Sie? wer wird mir sagen, wo Sie sind?

O! da kommt der Arzt des Klosters, den ich habe holen lassen.

Siebenundzwanzigster Brief

Vier Uhr.

Der Arzt ist ein guter und vortrefflicher Mensch; er hat eingesehen, daß in gewissen geheimnißvollen Lagen des Lebens das Leben einer Taube eben so kostbar ist, als das Leben eines Königs. Er hat das eingesehen, als er meine Verzweiflung sah; er hat das eingesehen, als er den blutigen Brief sah.

Die Wunde ist an sich selbst nichts; in drei Tagen wäre sie geheilt gewesen, wenn er ihr den Flügel abgeschnitten hätte.

Aber ich habe mich dem widersetzt; ich bin vor ihm auf die Kniee gesunken und habe zu ihm gesagt:

– Mein Leben hängt an diesem Flügel, den Sie ab, schneiden wollen. Sie muß fliegen! sie muß fliegen!

–Das ist schwerer, hat er mir gesagt, und ich vermöchte nicht, dafür zu bürgen, aber zum Mindesten werde ich Alles dafür thun. In jedem Falle wird sie erst in vierzehn Tagen bis drei Wochen fliegen können.

– Es sei, in vierzehn Tagen oder drei Wochen, aber daß sie fliegt! daß sie fliegt!. . .

– Sie begreifen wohl, mein Freund, daß alle meine Hoffnung darin liegt.

Man hat ihr den Flügel an den Leib gebunden; es scheint, als ob sie das versteht, die arme Kleine, sie macht keine Bewegung, nur blickt sie mich an.

Ich habe in dem Bereiche ihres Schnabels Wasser und Korn gelegt. Außerdem hat sie meine Hand, um aus ihr ihre Nahrung zu nehmen.

Was inzwischen thun, damit Sie wissen, was sich zugetragen hat? welchen Boten an Sie absenden, der Sie findet? nach welchem Himmelspunkte mich wenden, um wie der auf dem Ocean verirrte Schiffbrüchige mein Nothsignal zu geben?

Warum ist nicht lieber einer meiner Arme zerschmettert worden, statt einer ihrer Flügel?

Achtundzwanzigster Brief

Juni.

Ja, Du hattest Recht, mein Geliebter, ich fühle es, wenn ich die Entbindung von meinem Gelübde nicht erlangt hätte, so würde immer ein Gewissensbiß auf dem Grunde unseres Glückes, oder es würde vielmehr kein Glück stattgefunden haben, da Gott dieses Glück nicht geheiligt hätte! Als ich Dir sagte: »Ich bin frei, wir werden mit einander fliehen, wir werden glücklich sein!« betäubte ich mich selbst; aber auf dem Grunde meiner Seele jammerte eine Stimme, welche, so stark die meiner Liebe auch war, sie zuweilen schweigen ließ.

Jetzt bin ich sehr unglücklich, da ich nicht weiß, wie ich Dich wiederfinden, Dich wiedersehen kann; aber mein Gewissen ist ruhig; aber wenn ich sage, wenn ich wiederhole: »Ich liebe Dich, mein Verlobter!« fühle ich im Herzen nicht mehr diesen schneidenden Schmerz, den ich selbst in dem Augenblicke empfand, wo ich Dir sagte: »Sei unbesorgt, mein Geliebter, wir werden glücklich sein.«

Ich habe unsere arme Taube gepflegt, wie ich eine kranke Schwester gepflegt haben würde. Sie leidet sehr, und von Zeit zu Zeit schließt sie vor Schmerz die Augen. Ich lasse Tropfen vor Tropfen eiskaltes Wasser auf ihren Flügel fallen, und das scheint ihr wohlzutun. Sie liebkost mich mit ihrem rosigen Schnabel, wie um mir zu danken. Arme Taube! sie ahnt nicht, wie viel Selbstsucht in dieser Pflege liegt, die ich ihr widme!

Aber Du, Du, was mußt Du denken, mein Gott!

Neunundzwanzigster Brief

l. Juli 1638.

Sechzig Tage verflossen und keine Nachrichten. Und meine Augen stumpfen sich ab, den Horizont zu durchdringen, in welchem ich vergebens unsere geliebte Taube suche. Bei jedem schwarzen Punkte, der sich in der Luft zeigt, sage ich mir: das ist sie! Dann werde ich nach Verlauf eines Augenblickes meinen Irrthum gewahr, und meine mit Hoffnung geschwellte Brust haucht sie in einem Seufzer aus.

Gleichviel, ich erwarte immer noch, ich hoffe immer noch; da Du lebst, da Du mich liebst, warum sollte ich denn an dem Glücke verzweifeln?

Nur verfließt die Zeit! Es ist zwei Monate her, daß Sie abgereist sind. O! wenn ich richtig rechne, so müssen Sie seit acht bis zehn Tagen zurückgekehrt sein.

O mein Gott! mein Gott! sollte dieses Herz von Erz sich geweigert haben?

Man sagt indessen, daß dieser Mann geliebt habe!

Mein Gott und Herr, verlaß uns nicht!

Dreißigster Brief

5. Juli.

O! armer Geliebter meines Herzens, wenn Du Alles das wüßtest, was ich Dir seit vierzehn Tasten geschrieben habe! Siehst Du, es befindet sich darin eine ganze Welt von Gedanken, von Wünschen, von Hoffnungen, von Bedauern und von Erinnerungen! Wenn wir uns jemals wiederfinden, ach! ach! Gott gebe es, wie ich ihn am Tage und besonders des Nachts inbrünstig darum bitte« wenn wir uns jemals wiederfinden, wirst Du Alles das lesen, und dann, dann erst, ich schwöre es Dir, wirst Du begreifen, wie sehr Du geliebt warst!

Wenn wir uns nicht wiedersehen. . . o! alle Martern der Hölle liegen in dieser Furcht. . . nun denn! so werde ich diese Briefe wieder durchlesen, ich werde jeden Tag ein noch weit verzweifelnderes Blatt als das vom vorigen Tage hinzufügen, ich werde es sein, welche bei dem letzten sterben wird, indem ich Dir schreibe: Ich liebe Dich!

O! ich, die ich glaubte, alle Bangigkeiten und alle Wonne meines Herzens erschöpft zu haben, o! ich fühle, daß es in der Zukunft noch Abgründe von Wonne und von Schmerzen gibt, an die ich nicht einmal gedacht hatte!

Morgen! – Warum zittert meine Hand so heftig, indem sie dieses Wort schreibt? – Weil morgen der Tag ist, der über mein Leben entscheiden wird, morgen werde ich sehen, ob die Taube fliegen kann. Sie hat schon seit drei Tagen ihr Körbchen verlassen, schon seit drei Tagen breitet sie ihre Flügel aus, versucht sie sich in meinem Zimmer, fliegt sie von der Thür nach dem Fenster. Man sollte glauben, daß die arme Kleine verstände, von welcher Wichtigkeit es für uns beide ist, daß sie die ganze Kraft ihres Flügels wiederfindet.

 

Morgen! morgen! morgen!

Ich werde ein ganz kurzes Billet schreiben,,um sie nicht mit einer unnöthigen Last zu beschweren. Nur vier Worte, die aber Dir Alles sagen werdend.

Auf morgen also, mein Geliebter! Ich werde die Nacht in Gebeten zubringen. Ich werde nicht einmal versuchen zu schlafen, das wäre gänzlich Vergebens. Was machst Du, mein Gott! ahnest Du nur, wie sehr ich Dich liebe und wie sehr ich leide?

Einunddreißigster Brief

6. Juli.

Da ist die Morgendämmerung, mein Geliebter, und, wie ich Dir gesagt habe, ich habe keinen einzigen Augenblick lang die Augen geschlossen, und ich habe die Nacht in Gebeten zugebracht. Ich hoffe, daß Gott mich erhören Wird und daß Du heute erfahren wirst, wo ich bin, daß ich frei bin und daß ich Dich erwarte.

Die Taube ist ebenso ungeduldig als ich; sie schlägt mit ihrem Schnabel und mit ihren Flügeln gegen die Fensterscheiben. Man wird Dir das Fenster öffnen, arme Kleine. Gott gebe, daß Dein Flügel stark genug für den Weg ist, den Du unternehmen wirst.

Ich unterbreche diesen Brief, um das Billet zu schreiben, das sie Dir überbringen wird, oder, ach! das sie vielleicht versuchen wird, Dir zu überbringen.

Es schlägt vier Uhr.

Zweiunddreißigster Brief

Vier Uhr Morgens, 6. Juli.

Wenn die Taube bis zu Dir gelangt, mein Geliebter, so lies dies Billet und brich auf, brich auf ohne eine Sekunde zu verlieren, wie ich aufbrechen würde, wenn ich wüßte, wo ich Dich finden könnte. «

Ich bin frei, ich liebe Dich und erwarte Dich in dem Kloster Montolieu zwischen Foix und Taroscon an den Ufern der Ariège.

Du wirst erfahren, warum ich Dir nicht mehr sag«, warum dieses Billet so kurz und das Papier so fein ist.

Du wirst Alles das und tausend andere Dinge, all unser Unglück, all unsere Angst, alle unsere Hoffnungen erfahren, wenn unsere geliebte Botin zu Dir gelangt, denn wenn sie bis zu Dir gelangt, so wirst Du auf der Stelle aufbrechen, nicht wahr?

Ich erwarte Dich, mein Geliebter, wie der Blinde das Licht, wie der Sterbende das Leben, wie der Todte die Auferstehung erwartet.

Geh, geliebte Taube, geh!

Dreiunddreißigstes Brief

6. Juli, fünf Uhr Morgens.

Wir sind verflucht! O! mein geliebter Graf, was soll aus uns werden? Es bleibt mir also nur noch übrig, in der Verzweiflung und in Thränen zu sterben. Sie kann nicht mehr fliege, nach einer Strecke von hundert Schritten ist ihr Flügel erschwacht. Sie ist den letzten Zweigen einer Pappel begegnet, über welche sie hat weg fliegen wollen; sie hat sich daran gestoßen und sie ist von Zweig zu Zweig bis auf den Boden gefallen.

Ich bin mit ausgebreiteten Armen, mit gebrochenem Herzen zu ihr geeilt; mein ganzer Lauf ist nur ein Stöhnen gewesen, das sich mit einem Schrei des Schmerzes geendigt. Ich habe sie aufgerafft, und nach einem Augenblicke der Ruhe hat sie von selbst versucht, ein zweites Mal davonzufliegen, aber sie ist ein zweites Mal zurückgefallen, und ich bin neben sie gesunken, indem ich mich verzweifelt auf dem Boden walzte, das Gras mit meinen Händen und mit meinen Zähnen ausriß.

Mein Gott, mein Gott! was soll aus mir werden? Ich war zu stolz, zu glücklich, meines Glückes zu sicher, ich hielt es in meiner Hand, das Verhängniß hat sie mir geöffnet, und mein theurer Schatz ist entschwunden.

O! Herr, Herr! wirst Du mir nicht eine Eingebung, ein Licht, eine Flamme senden!

Herr! Herr! stehe mir bei! Herr, habe Erbarmen mit mir! Herr, Herr, ich werde wahnsinnig!

Warte, warte.

Göttliche Güte, Du hast mich gehört, Du hast mich erhört!

Höre, höre, Geliebter, es ist mir wieder eine Hoffnung im Herzen entstanden, oder diese Hoffnung ist vielmehr eine Erleuchtung von Oben.

Höre! von meinem Fenster aus bin ich oft mit den Augen dem Fluge unserer Taube in dem Augenblicke ihres Aufbruches gefolgt, so daß ich, ohne mich zu irren, wenigstens zwei bis drei, Meilen in derselben Richtung als sie zurücklegen kann. Sie flog über die Quellen des kleinen Flusses, der bei Foix in die Ariège fällt. Sie mußte über den kleinen Wald von Amourtier, zwischen Saint-Girons und Oust über die Salat fliegen.

Nun denn! Höre was ich thun will: Ich werde das Gewand einer Pilgerin anlegen; ich werde mich aufmachen, um Dich zu suchen, ich werde bis nach dem kleinen Dorfe Rieupregan gehen; ich verlor sie immer in der Richtung dieses Dorfes aus dem Gesicht, und wenn ich über dasselbe hinaus sein werde, so werde ich mich auf sie verlassen. Sie kann im Fliegen bei jedem Fluge eine Strecke von ungefähr hundert Schritte zurücklegen. So sei es! Sie wird hundert Schritte fliegen, dann sich wieder ausruhen und nochmals hundert Schritte fliegen, indem sie mir zum Führer dient; ich werde ihr folgen, ich werde ihr folgen, wie die Hebräer der Flammensäule bei Nacht und der Rauchsäule bei Tage folgten, denn auch ich werde das gelobte Land aufsuchen, und ich werde es finden oder vor Erschöpfung und vor Schmerz unterwegs sterben.

Ach! ich weiß es, die Reise wird.lang sein, die arme Taube, – verzeihe mir, daß ich Dich leiden lasse, liebliche Märtyrin unserer Liebe! – die arme Taube wird nicht mehr als ein bis zwei Meilen täglich zurücklegen können; gleichviel, mein Geliebter, müßte ich auch den Rest meines Lebens darauf verwenden, Dich zu suchen,. . . o! ja, ich werde Dich bis an das Ende. meines Lebens aufsuchen!

Ich breche also auf. Ich breche noch heute ohne.zu zögern auf. Ich habt unserer Superiorin Alles gesagt, Alles, ausgenommen,Deinen Namen. Sie ist.eine fromme und würdige Frau, die bei meinen Schmerzen gelitten und über meine Thränen geweint. hat. Sie hat mir Jemand angeboten, um mich zu begleiten, ich habe es. ausgeschlagen. Ich will Niemand; das, was ich thun will, ist eine Sache des Instinctes, ein Geheimnis zwischen dem Himmel und uns; nur habe ich ihr versprochen,. ihr zu schreiben, wenn ich Dich wiederfände. Wenn ich ihr nicht schreibe, so wird sie wissen, daß ich gestorben bin, wahnsinnig, verzweifelt, an der Ecke irgend eines Waldes, an dem Graben irgend einer Straße, an dem Ufer irgend eines Flusses gestorben.

Ich breche auf, ich nehme alle die Briefe mit, die ich Dir geschrieben habe, die Du nicht erhalten hast, die Du vielleicht niemals erhalten wirst. O! wenn ich sie eines Tages alle zu Deinen Füßen niederlegen kann, indem ich Dir sage: Lies! lies! mein Geliebter! und Du wirst an diesem Tage sehen, wie sehr ich gelitten habe; ich werde an diesem Tage sehr glücklich sein!

Ich breche auf, es ist drei Uhr Nachmittags, wie ich hoffe, werde ich heute bis nach Rieupregan gehen.

Vierunddreißigster Brief

7. Juli, während der Nacht.

Ich bin durch die Kirche gegangen, bevor ich mich auf den Weg begab, um so zu sagen Gott mit mir zu nehmen. Ich bin vor dem Altare niedergekniet, ich habe meine Stirne auf einen ausgehaunen Stein an dem Orte selbst gestützt, wo die Bildhauerarbeiten auf diesem Steine ein Kreuz vorstellte, und ich habe gebetet.

O! es ist sehr wahr, es liegt ein Balsam in dem Gebete. Das Gebet ist der grüne Hügel, auf dem man sich nach einem ermüdeten Marsche setzt und auf dem man sich ausruht. Das Gebet ist der Bach, den man in Mitte des Sandes der Wüste findet und an dem man sich erfrischt.

Ich habe die Kirche voll Kraft und Hoffnung verlassen, es schien mir, als ob Gott die Flügel irgend eines seiner Engel an meine Schultern befestigt hätte: es war immer das Gebet, das mich der Heerde entführte und mich zu dem Herrn forttrug.

Nicht wahr, Herr, es ist nur eine Prüfung? nicht wahr, Herr, Du hast uns nicht verdammt? nicht wahr, Herr, er befindet sich an dem Ende des Weges, von dem ich die erste Strecke zurückgelegt habe?

Erwarte mich, Geliebter, erwarte mich, denn, ich schwöre es Dir, an dem einen oder dem andern Tage werde ich ankommen.

* * *

Ich habe Dich einen Augenblick lang verlassen, um mich an die Stange eines Fensters zu lehnen, welches auf das Dorf Boussenac geht. Dieses Dorf liegt auf meinem Wege und ich werde morgen durch dasselbe kommen, es sei denn, daß meine Taube mich von ihm entfernt. Ein Hund, ohne Zweifel in einem kleinen Gehölze verirrt, das ich zu meiner Rechten erblickte und das einen dunkeln Flecken auf der Erde machte, heulte traurig. Ich habe immer gesagt: Wenn der Hund aufhört zu heulen, so wird das ein gutes Zeichen sein, und ich werde ihn wiederfinden.

Der Hund hat geschwiegen.

Wie abergläubisch man ist, wenn man leidet, armer Geliebter meines Herzens! weißt Du das? leidest Du?

Welch schöne Nacht, mein Gott! Ich sage mir, daß Du vielleicht an einem Fenster bist, wie ich an dem meinigen, daß Du nach meiner Seite blickst, wie ich nach der Deinen blicke, daß Du an Gott und an mich denkst, wie ich an Dich und an Gott denke.

Hast Du diesen schönen Stern gesehen, der den Himmel mit einer Feuerfurche durchzogen hat? Wie viele Meilen hat er so in einer Sekunde zurückgelegt?

O! wenn ich wie er in einer Sekunde von hier bis zu Dir gehen könnte!

Ich würde diese lichtvolle Sekunde mit Wonne annehmen, sollte ihr auch die ewige Nacht folgen.

Auf morgen, mein Geliebter, morgen werde ich mich Dir hoffentlich noch mehr nähern.

Fünfunddreißigster Brief

9. Juli.

Da bin ich an einem kleinen Dorfe Namens Saulan aufgehalten. Welches Gewitter, gütiger Gott! Und was hatte denn die Erde gethan, daß sie der Herr so mit seiner schrecklichen Stimme bedrohte! Der Regen, welcher in Strömen gefallen ist, bat die Salat angeschwellt, es gibt keine mögliche Furth mehr, und um eine Brücke zu finden, müßte ich bis Saint-Girons wieder hinaufgehen, das heißt zwei Tage verlieren.

Morgen würde ich, wie man mir versichert, mich wieder auf den Weg begehen. können, und der Fluß würde seine gewöhnliche Höhe wieder eingenommen haben.

O! verlorener Tag! ein Tag, während dessen Du mich..zuverlässig erwartest! Ein Tag, während dessen Du mich, vielleicht beschuldigst!

Sechsunddreißigster Brief

12. Juli, Abends im Dorfe Alos.

Ein Landmann hatte eingewilligt mir zum Führer zu dienen, ich ritt durch den Fluß auf seinen, Maulthiere. Der Fluß hätte uns beinahe einen Augenblick lang Alle fortgerissen; während eines Drittels des Stromes hat das Thier den Grund verloren. Ich habe die Augen gen Himmel erhoben, ich habe meine Hände auf meine Brust gekreuzt und ich habe gesagt:

– Wenn ich sterbe, mein Gott, so weißt Du, daß es für ihn geschieht.

Du siehst wohl, daß wir uns wiederfinden müssen, da ich nicht gestorben bin.

Siebenunddreißigster Brief

Juli.

Ich habe meine Reise zu Fuß wieder begonnen, immer von unserer Taube geleitet. Am 13. bin ich von Alos nach Castillon gegangen, das war eine starke Tagesreise für die arme kleine. Ich müßte mehr Mitleid mit ihr haben; ich habe zum Mindesten drei Meilen zurückgelegt.

Am folgenden Tage, dem 14, habe ich meine Grausamkeit des vorigen Tages gebüßt, indem ich kaum eine Meile machte, und heute, am 15. bin ich in Saint-Lary, auf der anderen Seite eines kleinen Baches ohne Namen, angekommen, der in die Salat fällt.

Uebrigens bin ich auf dem Wege, ich bin überzeugt davon. Die Taube zögert keinen Augenblick, weicht keine Sekunde ab. Sie geht ohne irgend ein Zögern gerade vor sich hin. Nur verfließt die Zeit und Du wartest; die Zeit verfließt, und Du hast Dein Gelübde gethan.

O! beeile Dich nicht, dieses Gelübde zu vollziehen, Geliebter! Vertraue auf mich, vertraue auf Deine Isabella.

Du hast einen Augenblick lang an ihr gezweifelt, und das ist uns Beiden theuer zu stehen gekommen.