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Die schwarze Tulpe

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II.
Der vereitelte Diebstahl

Wird wohl noch Jemand zweifeln, wer das so eben beschriebene teuflische Werk durchgeführt hatte. Ich, glaube kaum, aber ich nenne ihn doch.

Isaak Boxtel.

Wenn der Leser die Erinnerung zu Hilfe nimmt, so werden ihm alle Einzelheiten, die das schändliche Unternehmen Boxtel’s begründeten, klar und deutlich vor Augen schweben.

Von seinem Verstecke hatte der Elende, mit dem ausgezeichneten Fernrohre bewaffnet, der ganzen Verhandlung zwischen Cornelius von Witt und Baerle beigewohnt, und wenn gleich Nichts gehört, doch jede Bewegung auf das genaueste beobachtet.

Seine Ideengänge, den Folgerungen, die er hieraus schloß, war es gelungen, mit ziemlicher Gewißheit vorauszusehen, das jenes, zwischen Zwiebeln verwahrte Paket keineswegs etwas Aehnliches, sondern irgendein tiefes, wahrscheinlich politisches Geheimniß bergen müsse.

Dann erfuhr Boxtel die Verhaftung des Ruart, erhielt bald die Gewißheit, daß dieser politische Vergehen zu Grunde lagen, und gelangte nach und nach in der Gewißheit, daß es nur weniger Worte bedürfe, um auch Baerle, in’s Gefängniß zu bringen, und längere Zeit wenigstens, unthätig zu machen.

Anfangs schauerte er vor dem gräßlichen Gedanken, er sah ein, daß diese Denunciation, van Baerle auf das Schaffot bringen konnte, er zitterte vor unschuldig vergossenem Blute.

Aber wenn eine unbesiegbare Leidenschaft einmal die Seele erfüllt und mächtig ergriffen hat, dann weiß sich die Vernunft die entsetzlichsten Gedanken schön auszumalen; ja selbst, als ganz schuldlos und gerecht darzustellen.

»So entstanden auch in Boxtel's Seele nachstehende Sophismen, die seinen Muth immer mehr und mehr stärkten.

»Ein Mann, der des Hochverrathes angeklagt, überwiesen und verhaftet ist, dachte er, ist aus jeden Fall ein schlechter Bürger.

»Daher ist Cornelius von Witt ein schlechter Bürger.«

»Ich hingegen, der Niemanden etwas zu Leide gethan hat, ja sogar dem schlechtesten Menschen nichts Böses wünschen könnte, ich, der ich mich nie mit der Politik befaßte, ja, ich muß ein guter Bürger sein.«

»Wer mit einem Hochverräther auf vertrautem Fuße steht, und sogar geheimnißvolle, versiegelte Pakete von ihm zur Aufbewahrung übernimmt, der muß ein sehr schlechter Bürger sein.«

»Cornelius van Baerle ist daher eben so schlecht, wie Cornelius von Witt

»Jeder gute Bürger ist aber genöthigt, sowohl zur Erhaltung des Staates, als auch der allgemeinen Wohlfahrt, die schlechten Bürger, deren Vergehen er auf die Spur kommt, anzuzeigen.«

»Es ist so nach meine Pflicht, van Baerle anzuzeigen.«

Alle diese Scheingründe, so sehr sie Boxtel trösteten, und in ihm die Gewißheit erzeugten, daß er durch diesen Schritt kein Verbrechen begehe, hätten in dem Kampfe der edleren Regungen immer noch den Sieg errungen, wenn sich nicht gleichzeitig die ihm eigene schreckliche Habsucht dazugesellt haben würde.

Boxtel hatte wieder nur ein Verlangen, eine Sehnsucht, er sah nur ein Bild seinen Augen vorschweben, es war die Gewißheit:

»Baerle hat die große, schwarze Tulpe erzeugt, er besitzt die Zwiebel dieser wunderbaren Blume.«

So zurückgezogen und verschlossen Baerle im Allgemeinen war, konnte er sich dennoch nicht enthalten, die der gänzlichen Vollendung bereits nahe gekommenen Bemühungen, einigen seiner vertrautesten Freunde mitzutheilen. Aber so sehr ihm diese auch die tiefste Verschwiegenheit zugesagt hatten, wußte doch schon; in sehr kurzer Zeit, beinahe ganz Dortrecht, das im Jahre 1673, der Garten des Doktors ganz gewiß dass Phänomen, die große, schwarze, makellose Tulpe entfalten werde, und diesem kühnen Geiste, der ausgeschriebene Preis zufallen müsse.

Und dieser Preis bestand in hundert tausend Gulden.

Das war das furchtbare, Boxtel ganz verzehrende Fieber.

Bei Baerles Verhaftung mußte im Hause eine große Verwirrung entstehen. In der hierauf folgenden, Nacht, wird es wohl keinem von den so schmerzhaft ergriffenen Dienern einfallen, den Garten, und die Tulpen zu zu bewachen.

Wenn nun Boxtel die Nacht und Verwirrung benützend, von seinem Verstecke in den Garten stieg, und von dem ihm wohl bekannten Platze, die Zwiebel der schwarzen Tulpe entwendete, dann konnte er sie in seinen eigenen Garten setzen, sie mußte da blühen, der hohe Preis von hundert tausend Gulden fiel ihm in die Hände, und das Unendliche und Unerhörte:

Er wurde der König der Tulpenzüchter, denn die große, schwarze Tulpe wurde sodann genannt:

Tulipa nigra Boxtelensis.

Und dadurch traf er, wie ein altes Sprichwort sagt, zwei Fliegen mit einem Schlage. Er befriedigte seine Rache und Habsucht zugleich.

Aber er träumte ja auch nur während des Schlafes von ihr, der großen, schwarzen Tulpe, und während des Wachens schwebte sie ihm immer vor den Augen.

Die Versuchung war zu reizend, zu verführerisch er konnte ihr nicht mehr widerstehen.

Er verfaßte eine anonyme Anzeige, gab darin alle Einzelheiten mit möglichster Klarheit und Genauigkeit an, und beförderte sie sodann durch die Post.

Unverzüglich versammelte sich der Magistrat von Dortrecht, die delikate Frage wurde lange verhandelt, und endlich der schon vorauszusehende Beschluß gefaßt, den Doktor van Baerle zu verhaften.

Van Spennen wurde mit Vollziehung dieser Anordnung betraut, und entledigte sich ihrer, wie wir dies bereits gesehen haben, auf eine eigenthümliche Weise, gerade in dem Augenblicke, wo im Haag die Leichname der Brüder Witt von dem wüthenden Volke zerschnitten und aufgehängt wurden.

Aber, man wird darüber staunen, Boxtel hatte an jenem merkwürdigen Tage nicht den Muth, der durch ihn veranlaßten Verhaftung, in seinem Verstecke beizuwohnen.

War dies Scham oder Furcht vor dem Verbrechen?

Wir wollen uns mit dieser schwer zu beantwortenden Frage nicht länger aushalten. Boxtel konnte sich ja ohne dies mit seiner zu regen Einbildungskraft leicht ein klares Bild des ganzen Vorganges ausmalen.

Als daher am Morgen desselben Tages sein einziger Diener in die Stube trat, um die Befehle seines Herrn zu erhalten, sagte ihm dieser blos kalt und trocken.

»Ich bin gesonnen, heut liegen zu bleiben, ich fühle mich Unwohl und leidend.«

Gegen die neunte Stunde entstand in der Nähe ein großer Tumult. Boxtel zitterte, bleich und von Fieberkälte gebeutelt, auf seinem einsamen, schlechten Lager.

Da trat der Diener ein. Boxtel zog die Bettdecke beinahe über den Kopf.

Mit Thränen im Auge, mit zitternder Stimme verkündete der fühlende Mensch, seiner Meinung nach ein großes, ergreifendes Unglück, nicht ahnend, daß das Herz seines Gebieters bei jedem Worte, vor Freude mächtig anschwelle.

»Hört Ihr den Lärm, mein guter Herr, o, welches entsetzliche Unglück wird da entstehen, wißt Ihr denn nichts?«

»Siehst Du nicht, daß ich im Bette liege.«

»Nun so erfahret, daß man in diesem Augenblicke unsern Nachbar, den edlen Herrn Baerle, verhaftet.«

»Was Dir nicht einfällt, das ist unmöglich.« Aber doch fühlte Boxtel einen Schmerz, eine Angst, die ihn der Ohnmacht nahe brachte.

»Ja, ich versichere Euch auf mein Wort, ich habe den Commissär van Spennen mit eigenen Augen an der Spitze der Soldaten und ständischen Wachen gesehen.«

»Du hast ihn selbst gesehen, dann muß ich es glauben.«

»Ich eile wieder hinab, um mich von dem Vorfalle ganz genau zu überzeugen, und Euch dann über Alles die genaueste Mittheilung zu machen.«

Ein Wink von Boxtel munterte den Eifer des Dieners nur noch mehr auf. Nach Verlauf einer Viertelstunde kehrte dieser wieder zurück.

»Alles, Alles, wie ich es Euch erzählt habe, ist reine Wahrheit.«

»Nun.«

»Van Spennen hat Herrn Baerle verhaftet, und in einem ganz verschlossenen und wohlbewachten Wagen nach Haag abgeführt.«

»Wie, was sagst Du, nach Haag!«

»Ja, ja, man sagte es, und ich sah auch den Wagen dieselbe Richtung einschlagen. O der arme Herr, wenn das wahr ist, was man allgemein spricht, so hat er dort ein sehr trauriges Loos zu erwarten.«

»Was spricht man denn?«

»O Gott! mein Herr, ich wage kaum es zu wiederholen. Die Bürger haben es still und leise einander zugeflüstert, daß man heute, und vielleicht gerade in dieser Stunde die beiden Brüder, Cornelius und Johann von Witt in Haag ermordet.«

Aber Boxtel murmelte etwas Unverständliches zwischen den Zähnen, und schloß die Augen, gleichsam als wolle er ein gräßliches, seiner Seele vorschwebendes Bild nicht sehen.

Er fühlte sich leidend, sehr leidend und schwach, es war ihm gerade so zu Muthe, wie dem, der den ersten Meuchelmord verübt.

Und warum hatte er diesen Menschen gemordet?

Um einen gefährlichen Nebenbuhler für immer zu beseitigen, und durch ein zweites Verbrechen, in den Besitz eines Gegenstandes zu kommen, der ihm Ruhm und Vermögen bringen mußte.

Der eine Zweck war bereits glücklich erreicht, der zweite sollte es werden.

Boxtel zählte abermals die Stunden; endlich kam die heißersehnte Nacht langsam, wie ein unheilverkündendes Gespenst.

Boxtel begrüßte ihre ersten düstern Schatten von seinem Verstecke, dem vielfach bekannten Feigenbaume.

Seine Voraussetzung traf richtig ein. Baerle’s Haus und Garten stand einer verlassenen Ruine ähnlich da. Niemand fiel es ein, den Letzteren zu bewachen.

Der langsam, dumpf und weithin tönende Schlag der nahen Thurmuhr schlug zehn, elf Uhr, es ward Mitternacht.

Noch blieb Boxtel ruhig. Er horchte gespannt und aufmerksam, allein kein Lüftchen bewegte die ruhige Atmosphäre, kein lebendes Wesen beurkundete sein Dasein.

 

Da kletterte er hinab, obwohl am ganze Leibe zitternd. Mit Behendigkeit ergriff er eine, bereits in der Nähe vorbereitete Leiter, lehnte diese an die Mauer, und stieg empor. Oben angelangt, horchte er wieder. Die selbe lautlose Stille, alles wie abgestorben, nur in der äußersten Ecke des Hauses brannte noch ein Licht, dort wohnte die alte Amme.

Boxtel beachtete es nicht, es war zu entfernt, es konnte ihn nie verrathen, er sammelte seinen ganzen Muth, ein ungekanntes Feuer durchbebte seine Adern.

Er stieg auf die breite Kante der Mauer. Nochmals schweifte sein sorgsamer Blick über den weiten öden Raum. Dieselbe ungestörte Ruhe. Da zog er die Leiter empor, ließ sie in den Garten Baerle’s gleiten und stieg rasch hinab.

Er wußte den Platz, wo die Zwiebel der schwarzen Tulpe eingegraben waren, ganz genau.

Vorsichtig verfolgte er die dahin führende Richtung. Um jede Spur zu vermeiden, eilte er längst der Einfassungen der Rabatten hin, und stand in wenigen Minuten an der heiß ersehnten Stelle, dem Ziele seiner Wünsche, ja sogar seines Lebens.

Mit flammendem Auge, mit der Wuth und Freude eines gierigen Tiegers, ließ er sich nieder, seine Hände in die Erde senkend.

Aber der Platz war leer, er fand nichts.

Auf der gefurchten Stirne stand der Schweiß in mächtigen Tropfen.

Er suchte abermals genau, vorsichtig, vergeblich.

Er griff weiter vorwärts, vergeblich.

Er wühlte in der Seite, er machte mehrere Schritte zurück, umsonst.

Da fiel sein mattes, durch die getäuschte Hoffnung: ersterbendes Auge, auf die von den ersten Strahlen des aufgehenden Mondes beleuchtete, sorgfältig umgegrabene, Erde, da erkannte Boxtel, daß seine Mühe vergeblich, daß die Zwiebel der schwarzen Tulpe durch Baerle bereits herausgenommen und wahrscheinlich an irgend, einem geheimen Platze verborgen wurden.

Und das, was der Leser bereits weiß, nämlich, wie Baerle noch Zeit fand, die am Morgen desselben Tages aus der Erde genommene Zwiebel der schwarzen Tulpe, in dem Briefe seines Pathen verpackt, auf der Brust zu verbergen, das wußte Boxtel nicht.

Er war den ganzen Tag im Bette gelegen.

Aber so groß war seine Hoffnung, so hoch der Glaube an die Unmöglichkeit des Mißlingens, daß er beinahe zehn Quadratfuß umgewühlt hatte.

Endlich, endlich konnte kein Zweifel mehr obwalten, sie war verschwunden, sie war herausgenommen, sie war in Sicherheit. Wüthend, kaum seiner Sinne mächtig, trat er den Rückweg an. Oben an der Mauerkante zog er die Leiter wieder auf, und schleuderte sie weit hin, in den eigenen Garten hinein.

Er selbst sprang herab.

Er stürzte. Der Fall hatte ihn ein wenig betäubt, die Kühle der rauhen Herbstnacht brachte ihn bald wieder zur Besinnung. Mit dieser kehrte alles zurück, Schmerz und Wuth, Angst und Verzweiflung.

Da erhellte sein Inneres mit einem Male ein neuer, teuflischer Gedanke.

Wo können die Zwiebel sein? Gewiß in der Trockenkammer.

Wenn ich nun, dachte er, in die Trockenkammer, wie in den Garten gelangen könnte, dann würde ich die Zwiebel finden.

Das Unternehmen ist auch nicht gar so schwierig.

Die Fenster der Trockenkammer laufen, wie die eines Treibhauses, in Falzen, man kann sie leicht von Außen hinaufschieben.

Wer weiß zudem, ob sie nicht offen sind.

Der größte Stein des Anstoßes, den man zu überwinden hatte, war die Auffindung einer Leiter, von wenigstens zwanzig Fuß Länge.

Da fiel es Boxtel ein, daß in der Nachbarschaft ein hohes Haus ausgebessert werde.

Wenn die Arbeiter die so ziemlich der erwähnten- Länge nahe kommende Leiter nicht weggenommen hatten, so mußte er sie finden.

Er lief nach dem Hause.

Die Leiter war da, sie lag auf des Boden, an das Haus angelehnt.

Es kostete Boxtel den Aufwand seiner ganzen, Kraft, diesen Gegenstand so unbemerkt als möglich in seinen Garten zu schaffen, und ihn dort an Baerles Haus zu lehnen.

Dann nahm er eine bereits vorbereitete Blendlaterne, stieg langsam empor, zu seinem größten Vergnügen die Fenster der Trockenkammer offen findend.

Er stieg in das Heiligthum.

Aber hier erfaßte ihn ein Schauer, seine Glieder zitterten, seine Augen schlossen sich, krampfhaft hielt er sich mit der Hand am Tische fest, um nicht zu fallen.

Bald kehrten die entschwundenen Lebensgeister wieder, aber was mochte es wohl sein, daß Boxtel nicht mit dem Muthe wie im Garten seine Nachforschungen begann. Es läßt sich hier nur ein einziger Umstand anführen, die höhere Wichtigkeit, die der geschlossene Raum den Geständen selbst verleiht, die Vergrößerung des Verbrechens, das im Freien minder strafbar erscheint.

Wie viele hunderte springen ohne die geringste Beesorgniß, in einer gleichen Absicht, über Hecken, Zäune und Mauern, während dem sie vor einer Thüre, oder selbst einem offenen Fenster scheu zurückweichen?

Im ersten Falle war er ja nur ein Schurke, jetzt wurde er ein Dieb.

Er sammelte seinen ganzen Muth, er mußte das Glück seiner Zukunft finden, er durfte dies Zimmer nicht mit leeren Händen verlassen.

Sein Suchen begann. Jeder Kasten wurde geöffnet, jede Lade sorgfältig und ohne Geräusch herausgezogen, jede Zwiebel aufmerksam untersucht, und ihre Aufschrift beim Lichte der Blendlaterne gelesen – aber umsonst.

Er fand den Cornelius, die Johanna, die schöne dunkle Bister, er fand die Tulpe wie gebrannter Caffee, aber jenes Meisterwerk, jenes erhabene, unendliche Stück, nach dem nur allein sein Sehnen, seine Hoffnung ging – es war nicht da, vergeblich blieb alle Mühe, umsonst wurde jeder Winkel, die Asche des Kamins sogar untersucht, – die Zwiebel der großen, schwarzen Tulpe waren nicht da.

Boxtel gerieth endlich auf die Idee, die Bücher Baerle's, die er mit größerer Genauigkeit, als vielleicht der erste Kaufmann Hollands seine Handlungsbücher führte, durchzusuchen. Da las er denn auf der letzten Seite gleichsam absichtlich mit ausgezeichnet großen Buchstaben:

»Heute, den 20. August des Jahres 1672, habe ich; in meinem Garten, die Zwiebel der großen, schwarzen Tulpe ausgegraben, und diese wieder in drei ganz vollkommene und makellose Zwiebel getheilt.«

Und wo sind sie, wo sind diese Zwiebel? brüllte Boxtel, ganz vergessend, wo er sich befand.

Da schlug er sich mit einem Male mit der krampfhaft geballten Faust vor die Stirne.

O ich armseliger, alberner Tropf, rief er dann, ich konnte glauben, daß Baerle sich von dem Zwiebel, der schwarzen Tulpe, von seinem Ruhme, dem Glücke der Zukunft trennen werde. Trennt sich denn die Mutter von dem neugebornen Kinde, trennt sich der Krieger von seinem Schwerte? Nie. – Baerle hat geahnt, Was ihm bevorstand, er wurde vielleicht davon benachrichtigt, er grub die Zwiebel aus, verpackte sie sorgfältig, und nahm sie sodann mit. Ja, ja, es ist gewiß, er trägt sie bei sich, an seinem Körper. Die Zwiebel sind jetzt im Haag.

Und an demselben Tische, wo Baerle noch am Morgen, nicht ahnend, wo er die Nacht werde zubringen müssen, sein Meisterwerk mit Wonne und Jubel12 beobachtet hatte, an demselben Plane stürzte Boxtel mit blassem Gesichte, mit krampfhaft geballten Händen, mehr todt als lebend nieder.

Dann aber, als nach wenigen Minuten seine Besinnung wiederkehrte, erhob er sich rasch, ein neuer Gedanke durchzuckte seine dämonische Seele.

Baerle hat die Zwiebel bei sich, das ist erwiesen.«

Aber er kann sie nur so lange behalten, als er lebt.

Und er wird nicht mehr lange leben, er muß vielleicht schon in wenigen Tagen sterben.

Die Zwiebel sind aber jetzt im Haag, was mache ich dann in Dortrecht.

Auf nach dem Haag, rief der Bösewicht, so heftig, so stark, als wolle er gleichsam eine Reihenfolge teuflischer Gedanken, die langsam gespensterähnlich auftauchte, dadurch verscheuchen.

Ohne weiter den um ihn aufgehäuften, unschätzbaren Reichthum eines Blickes zu würdigen, ohne den kleinsten Gegenstand zu entwenden, stieg er rasch durch das Fenster über die Leiter in seinen Garten, trug diese dann auf ihren frühem Plan, und eilte wie ein verwundetes, blut- und rachgieriges Raubthier in seine einsame, öde Behausung

III.
Das Zimmer der Familie Witt

Vom Thurme des Hoogstreet erdröhnte die Mitternachtsstunde. In langen oder kürzeren Pausen folgten die übrigen Uhren mit demselben Schlage. Das Hauptthor des Buytenhoff's rasselte in seinen Angeln, ein dicht verschlossener Wagen fuhr in den geräumigen Hof, der Schlag wurde geöffnet —

Baerle stieg aus —

So wie Rosa es richtig geahnt hatte, stürmte der wüthende Pöbel, nachdem er Meister des Gefängnisses geworden, durch alle Räume desselben mit wildem Freudengeschrei, und trachtete endlich, nachdem er zu der Ueberzeugung gekommen, daß Cornelius entflohen sei, des Gefangenenwärters, der hier besonders thätig mitgewirkt haben mußte, habhaft zu werden. Allein ihr Bemühen war fruchtlos, durch der Tochter überlegten und weisen Rath wurde Gryphus gerettet.

Aber bald zerstreute sich der zur äußersten Wuth gebrachte Pöbel, er verfolgte die Spur der Flüchtlinge, durch die überlegte Vorsorge Wilhelms, der bekanntlich alle Thore hatte schließen lassen, gelang es ihm, der Unglücklichen habhaft zu werden, und die lang genährte Rache in ihrem Blute zu befriedigen.

Der Donner des Geheuls wälzte sich langsam aus diesen sonst öden und ruhigen Mauern auf die Straßen, entfernte sich von hier immer mehr und mehr, und ließ endlich wieder jene dem Platze sonst eigenthümliche Todesstille eintreten.

Es war dies der günstige Augenblick.

Rosa erkannte ihn als diesen, stieg aus ihrem Verstecke, und half dem Vater ebenfalls empor.

Alles war leer, alles wie ausgestorben. Zerbrochene Fenster und Thüren beurkundeten die noch vor Kurzem hier stattgehabten Auftritte.

Rosa schritt muthig und spähend in den großen Hof – Gryphus folgte ihr zitternd. Aufmerksam horchte sie am Ende des Ganges, und als die noch immer ungestörte Ruhe, keine weitere Gefahr ahnen ließ, beeilte sie sich vorläufig mit Hilfe ihres Vaters das Hauptthor so gut als möglich zu schließen.

Wir sagen, so gut als möglich, da dieses einst so feste und sichere Bollwerk in Trümmern halb zerbrochen da lag.

Alles zeigte die Spuren der äußersten Kraftanstrengung, – einer furchtbaren Gewalt.

Nachmittags um die vierte Stunde nahte der Lärm dem fernen Rollen des Donners ähnlich wieder langsam dem Buytenhoff. Aber er hatte, wie sich Gryphus bald überzeugte, weder für ihn, noch seine Behausung irgend etwas Gefahrdrohendes.

Der Pöbel unterhielt sieh gerade damit, die Leichname der beiden gefallenen Opfer auf den improvisirten Richtplatz zu schleifen, und dort aufzuhängen.

Rosa verbarg sich – wieder gewahrte ihre tiefe, denkende Seele, das entsetzliche Schauspiel in seiner ganzen gräßlichen Wirklichkeit. Sie entfloh, um nicht durch das Getöse ununterbrochen daran erinnert, das im Innern aufgetauchte Bild sich ganz verwirklichen zu lassen.

Um Mitternacht wurde an der schweren Glocke drei Mal heftig angezogen.

Gryphus öffnete —d- ein Wagen fuhr durch das Thor.

Der Commissär überreichte dem Gefangenenwärter ein versiegeltes Papier.

Dieser öffnete, und las.

Es war der Verhaftsbefehl des Cornelius van Baerle, dem Taufkinde Cornelius von Witt.

»Cornelius van Baerle?« wiederholte Meister Gryphus, nachdem er das Blatt wieder gefaltet, und in seine Tasche gesteckt hatte, »Taufkind des Cornelius von Witt, so, so, ich kann ihm das, von dem Schurken erst heut Morgens verlassene Zimmer geben, allen Vermuthungen nach, scheint dieses ein Familienzimmer werden zu wollen.«

Stolz und entzückt über diesen so laut als möglich ausgesprochenen, seiner Meinung nach gelungenen Witz, Wut dieser Mann den von all’ dem Ungemach noch ganz niedergedrückten jungen Baerle in Empfang, und führte ihn in jene traurige und öde Zelle, die Cornelius von Witt verlassen hatte, um in das Exil zu gehen; ein Exil, das ganz der Politik jener großen Revolutionsmänner angemessen war, die da gewöhnlich zu sagen pflegen: »Aus jener Welt kehrt Niemand mehr zurück.«

Gryphus geleitete also den jungen Mann nach dem Gefängnisse seines Taufpathen.

Alles war still und ruhig. Nur am Gange angelangt, sprang aus einer in der-Mauer verborgenen Oeffnung ein großer, zottiger Hund hervor, den seine Kette nur noch hinderte, ein Opfer, das ihm später vielleicht vorgeworfen werden sollte, mit seinen scharfen Zähnen zu zerfleischen.

 

Cornelius, seine Umgebung gar nicht beachtend, ganz über die Verwüstung nachdenkend, die durch dieses so unerwartete Ereigniß unter seinen Blumen entstehen mußte, schrack mächtig empor.

Ein gebieterischer Ruf des Gefangenenwärters bewirkte, daß der Hund murrend in sein Loch zurückwich.

Sie traten in den Gang.

In demselben Augenblicke öffnete sich eine Seitenthür, und an der Schwelle eines dunkeln Zimmers erschien, einem Genius gleich, eine entzückende Gestalt.

Das brennende Licht in der Hand, von dem matten Schein desselben nur spärlich beleuchtet, stach der zarte, weiße Teint des schmachtenden Antlitzes, dieses wogenden Busens, die lilienartigen, über das leichte Nachtgewand hervortretenden Schultern, die blonden, gleich seidenen Flechte über die Achseln herabwallenden Locken von dem dunkeln Hintergrunde bedeutend ab.

Es war Rosa, die durch das zu so später Stunde ungewöhnliche Geräusch, von unwiderstehlichen Neugierde getrieben, ihr Lager verlassen hatte, um nach den Ursachen desselben zu spähen.

Welch' herrliches Gemälde für die Meisterhand eines Rembrand.

Dieser dunkle, schmale Gang, im Hintergrunde die um einen mächtigen Pfeiler sich herumwindende Treppe, mit ihrem zackigen, seltsam geformten Geländer, auf den ersten Stufen derselben den alten, wortkargen und finstern Kerkermeister, in der linken Hand das Attribut seiner Würde, den Schlüsselbund, in der Rechten eine große Laterne, deren dunkles Licht den Boden in einem kleinen Umkreis beleuchtete, hinter ihm den jungen, blassen Mann, die zarten Hände mit schweren, rasselnden Ketten belastet, das Gesicht nach der Seite gewendet, wo das Geräusch ertönte, diese ganze Gestalt in einem schwankenden, zweifelhaften Lichte, dann einem, aus dem Dunkel der Nacht emporschwebenden Engel gleich, Rosa’s himmlisch schönes, magisch beleuchtetes Antlitz und nicht weit von ihr, der weit geöffnete, blutig rothe Rachen, der aus ihrem Verstecke wieder hervorgekrochenen wilden Bestie, alles dies einte sich harmonisch zusammen, eines jener Meisterwerke zu schaffen, welche; die Gelegenheit so oft, der Genius des Künstlers so selten wieder zu geben vermag.

Ader wenn es auch im Bereiche der Möglichkeit liegt, dies alles mit schaffender Hand auf die Leinwand wieder zu geben, wenn auch, wie bereits erwähnt, dadurch ein großes, wunderbares Bild hervorgezaubert worden wäre, so blieb es doch eine reine Unmöglichkeit, den Ausdruck der Ueberraschung des tiefen, namenlosen Schmerzes, der sich in ihrem ganzen Antlitze, mit so unverkennbarer Macht äußerte, wiederzugeben.

Und was erzeugte diesen, was rief ihn hervor, in der Brust eines jungen, mit der Welt so wenig bekannten, und eben erst den Armen des Schlafes entronnenen schuldlosen Wesens?

Wieder jener gewaltige Zauber, wieder die hohe, unerklärbare Macht der Natur, die mit magnetischer Kraft Ahnungen in dem Innern des Sterblichen erweckt, ihnen Kraft und Wahrheit gebend.

Rosa hatte das zarte Antlitz des Gefangenen, dies tief denkende Auge, den Ausdruck der Milde gesehen, »sie hatte gehört: Nach dem Familienzimmer – ihre forschende Seele errieth Alles, die Wahrheit lag offen und klar vor – ihr es war wieder ein Ring aus der bereits gebrochenen, zerschmetterten Kette der Unglücklichen.

Das Ganze, so wie wir uns bemühten es hier getreu wieder zu geben, währte eine viel kürzere, als die zur Beschreibung desselben nöthige Zeit.

Gryphus hatte gedankenlos, ohne Aufenthalt seinen Weg fortgesetzt, Cornelius mußte ihm nothgedrungen folgen, und als er oben angelangt, hinter dem Pfeiler verschwand, nochmals seinen Blick auf das bezaubernde Bild heftend, schloß auch Rosa die Thüre, kroch der Hund noch immer murrend und brummend in seine Höhle.

Kurz darauf hörte man im ersten Stockwerke das knarren einer Thüre.

Baerle trat in das Gefängniß seines Pathen, dessen Räume unsern Lesern bereits bekannt, eine weitere Beschreibung überflüssig machen.

Ohne ein Wort zu reden, ohne seinem kalten stummen Gesichte irgend einen Ausdruck einzuprägen, deutete Gryphus mit der Hand nach dem Bette, das Cornelius von Witt verlassen hatte, um dem, seiner bereits harrenden Tode in die offenen Arme zu eilen; dann leuchtete er nochmals im Zimmer herum, gleichsam sich überzeugen wollend, ob kein gefährlicher Gegenstand daselbst verborgen, oder die Flucht möglich sei, verließ durch diese Prüfung beruhigt den Kerker, und schob außen die massiven, eisernen Riegel vor.

Nunmehr allein warf sich Baerle auf das ihm angewiesene Lager, ohne jedoch die kleinste Sehnsucht nach Ruhe zu empfinden. Unverwandt heftete er das trübe Auge auf das kleine ihm gerade gegenüberliegende Fenster, durch welches zeitweise der grelle Fackelschein, einer vorüberziehenden Schützenpatrouille, das Gestampfe gallopirender Pferde, oder der gleichmäßige, schwerfällige Tritt von Militärabtheilungen drang.

Er zählte die Stunden der Nacht, er harrte sehnsuchtsvoll auf den grauenden Tag. Endlich kam er langsam, majestätisch herangeschritten. Nach und nach rötheten sich die entferntern Linien des Horizontes von den Strahlen der eben aufgehenden, herbstlichen Sonne nur schwach beleuchtet, die spitzen, zackigen, rothen Dächer der Häuser mit ihren hohen schmalen Rauchfängen traten hervor, die Straßen ertönten von einem regen, thätigen Leben.

Baerle, von Neugierde getrieben, den Ort wo er war und seine Umgebung kennen zu lernen, eilte an das Fenster. Vor ihm lag der nur von wenigen Menschen in dem gegenwärtigen Augenblicke besuchte Buytenhoff. Ein dichter Nebel senkte sich langsam wie ein Schleier herab, und gestattete noch nicht, die Gegenstände genau zu unterscheiden.

In dem Maße, als die Sonne am östlichen Himmel, den ganzen Horizont mit einem Feuermeere überstrahlend höher stieg, traten auch die Conturen der Gebäude deutlicher hervor. Baerle beobachtete eines nach dem andern, er zählte die Fenster ab, drückte seinem Gedächtnisse die verschiedenen Formen und Unterschiede der Bauart ein, und gelangte so bis zum Hintergrunde.

Dort erhob sich langsam ein seine ganze Aufmerksamkeit spannender Gegenstand.

Nach und nach einten sich die vorher unkenntlichen Massen zu einem deutlichen Ganzen – in seiner erschreckenden Wahrheit stand – — ein Galgen aufgerichtet da.

An diesem Galgen hingen, vom Winde hin- und hergeschaukelt, zwei blutige, zerfetzte Lappen, die man für alles Andere, nur nicht für Reste menschlicher Körper halten konnte.

Das Volk von Haag hatte die Leichname ihrer Opfer in kleine Stücke geschnitten, so weit dies die Haut und das Fleisch zuließen. Die Knochen ließen sie auf dem schon lange vorbereiteten, in der Eile aufgestellten Gerüste hängen, und besiegelten diese unerhörte Schandthat durch Anheftung einer mit der Ursache der Ermordung versehenen, großen Tafel.

Baerle strengte sein noch ungeschwächtes, jugendlich scharfes Auge auf das Aeußerste an. Eine unnennbare Ahnung gab ihm wunderbare Kraft. Er erkannte die Tafel, und als diese von den ersten Strahlen der ganz emporgestiegenen Sonne grell beleuchtet wurde, da gelang es ihm durch die geistige Kraft, verbunden mit der Schärfe seiner Sehorgane, langsam, Buchstaben für Buchstaben zu erkennen, diese zu Worten, die Worte in Sätze zu verbinden. Er las:

»Der große Verbrecher Johann von Witt, und ein etwas geringerer Schurke, Cornelius von Witt, Bruder des Ersteren, hängen hier, beide die erbittertsten Feinde des Volkes, die wärmsten Freunde Frankreichs, unseres Feindes.«

Mit einem Schrei des Entsetzens stürzte Cornelius rücklings nieder. Bald darauf, als werde er von einem furchtbaren, unheildrohenden Gespenste verfolgt, sprang er auf, eilte zur Thüre, und stieß mit Händen und Füssen so gewaltig daran, daß der weite, gewölbte Gang erdröhnte.

Gryphus eilte mit seinem rasselnden Schlüsselbunde wutentbrannt herbei.

Nicht gewohnt, außer den ihm für seine Amtsverrichtungen vorgeschriebenen Stunden gestört zu werden, sperrte er mit sonst ungewöhnlicher Hast auf, warf die Thüre zurück, daß diese an der Wand abprallte, und rief nachdem diesen Bewegungen eine Unzahl der rohesten Flüche vorangegangen war:

»Ei, zu allen Teufeln, seid Ihr rasend? Ich glaube diese vermal. . . . . . Witt’s haben alle den Satan oder sonst einen bösen Geist im Leibe.«

Baerle ergriff ihn krampfhaft beim Arme, er eilte nach dem Fenster, und durch dieses mit der ausgestreckten Hand nach dem blutigen Gerüste deutend, schrie er mit kläglicher Stimme:

»Herr, Herr! habt Barmherzigkeit! Sagt mir, ist es wahr, ist es menschenmöglich was dort geschrieben steht?«

»Wo, was?«

»Da, da drüben an dem schwarzen Gerüste, auf der großen Tafel.«

Blaß, keuchend mit wogender Brust, den Angstschweiß auf der Stirne, deutete er immer noch auf denselben, nun klar und deutlich sichtbaren Gegenstand hin.

Gryphus lachte laut auf.