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Die schwarze Tulpe

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VII.
Der zufriedene Mensch wird mit dem Unglücke bekannt

Cornelius von Witt hatte seine Angelegenheiten geordnet, das Haus zum Empfange der Familie hergerichtet, und eilte nunmehr zu seinem Täuflinge, Cornelius van Baerle.

Es war in den ersten Tagen des Monates Jänner 1672. Die Nacht brach so eben an.

Baerle empfing den Pathen mit Ehrfurcht und kindlicher Liebe. Das Wichtigste für ihn war jedoch nur, die ganze Pracht und Größe, seines nur einem Zwecke gewidmeten Hauses, dem geliebten Manne zu zeigen. Aber Cornelius von Witt, weder Maler noch Tulpenkünstler, besah Alles mit der kalten Neugierde, des uneingeweihten Beobachters, er dankte seinem Täuflinge für den Beweis der hohen Achtung, den er ihm durch die Bezeichnung einer neuen Gattung Tulpen mit seinem Namen geliefert hatte, auf väterliche und herzliche Weise.

Vor dem Hause, theils von Neugierde, theils von Liebe gegen den Ruart angezogen, hatte sich eine große Menschenmenge in der Absicht, ihn bei seinem Entfernen zu sehen, versammelt.

Der Lärm, den diese nothgedrungen veranlaßte, machte Boxtel, so eben beschäftigt in der Dachkammer, ein trockenes Brod zu verzehren, aufmerksam, und bewog ihn, unverzüglich sein Observatorium zu besteigen.

Die Nacht war kalt, aber er fühlte nichts, er verfolgte nur seinen Zweck.«Eine Ahnung hatte ihn getrieben, er erwartete diesmal etwas Außerordentliches beobachten zu können, um so mehr, da seine immer gleich rege Neugierde, seit dem Herbste 1671, nur den gewöhnlichen Arbeiten im Laboratorium gefolgt war.

Baerles Garten mußte nämlich im Winter, wo die zarte Blume den Wechsel der Temperatur nicht mehr erträgt, ganz seiner herrlichen Flora beraubt werden. All’ diese entzückenden Gestalten wanderten vorsichtig, der Erde entnommen, in das Glashaus, wo die künstlich erzeugte Wärme, ihr bereits bedrohtes Leben, wieder verlängerte. Dort war auch Baerle den größten Theil des Tages, zwischen seinen Gemälden und Zwiebeln. Seiten verließ er diesen heiligen Raum, und wenn er es that, geschah es nur, um einige am Himmel entdeckte Sonnenstrahlen, durch eine oder der Zwiebelkammer angebrachte Glasthüre, in dieselbe zu leiten.

An diesem Abende machte es sich der Besitzer wie; wir bereits früher bemerkten, zur angenehmen Pflicht, seinen Pathen mit Allem und Jedem bekannt zu machen, während sie von einigen Dienern begleitet wurden.

»Mein lieber Sohn«, sagte Cornelius mit leiser Stimme zu Baerle, »schicken Sie diese Leute weg, und lassen Sie uns für einige Minuten allein sein.«

Der Angeredete drücke seinen Gehorsam durch eine ehrerbietige Verneigung aus:

»Wenn es Euch beliebt, so wollen wir noch die Tulpen in der Trockenkammer besehen.«

Die Trockenkammer, dieses Heiligthum der ganzen Kunst, umhüllt von einem unzerstörbaren Schleier der geheimnißvollen darin verborgenen Schöpfungen, war, wie einst das Orakel zu Delphi, für Niemand zugänglich.

Kein Mensch im ganzen Hause, vom Aufseher bis zum letzten Gartenjungen, hätte es je gewagt, sich eines Ausdruckes von Racin zu bedienen, »den kühnen Fuß« hineinzusetzen. Nur die friesische Amme, das älteste Inventar des Hauses, war bevorzugt, in diesen heiligen Räumen, den Staub wegzunehmen. Tief ergriffen, von dem geheimnißvollen Wirken, hegte sie dieselbe heilige Verehrung für die Tulpe, und wagte es nicht mehr, irgend eine Speise durch die Zwiebel zu würzen, fürchtend, sie könne aus möglichem Versehen, einem dieser gottgeweihten Sprößlinge den Leib zerspalten.

Es wird demnach Niemand Wunder nehmen, zu erfahren, daß sich bei dem bloßen Worte, Trockenkammer, sämmtliche Diener, wie auf einen, Wink entfernten.

Zweiter Band

I.
Der zufriedene Mensch wird mit dem Unglücke bekannt

Aber eben diese Trockenkammer war das mit großen Glasfenstern versehene Laboratorium, in welchem Boxtel die Experimente seines Feindes so aufmerksam beobachtete.

Gerade in diesem Augenblicke war er aufmerksamer, als je.

Die sonst übliche, helle Beleuchtung, erfüllte bald den großen Raum.

Dann traten zwei nicht gleich zu erkennende Gestalten ein.

Die eine trat, ein Licht in der Hand, gleich an den Tisch, es war Baerle. Die Zweite hingegen, eine majestätische, erhabene Figur, setzte sich unmittelbar zudem in der Mitte befindlichen Tisch.

Bald sah Boxtel deutlicher, er erkannte das blasse, edle Gesicht des Cornelius von Witt, dessen vorn gescheiteltes Haar, in dichten Locken bis auf den Rücken herabfiel.

Beide waren anscheinend in einem ernsten Gesspräche vertieft, das aber die bloß sichtbare Bewegung »der Lippen nicht enträthseln ließ. Dann zog der Ruart ein ziemlich großes Paket aus der Brust, und überreichte es dem jungen Manne, der sich beeilte, dasselbe, mit der Miene des tiefsten Ernstes, unverzüglich in einen Schrank einzuschließen.

Anfangs glaubte Boxtel das Paket enthalte irgend eine Art kostbarer Tulpenzwiebeln, die so eben aus einem fremden Welttheile angelangt, dem Baerle vermöge ihres Werthes mit so besonderer Wichtigkeit zum Geschenke gemacht wurden. Allein, bald überzeugte er sich wieder von der Grundlosigkeit dieser Idee, da er wohl wußte, der Ruart besitze von diesem Zweige der Kunst keine besonderen Kenntnisse, und obwohl ein Verehrer der Blume, doch auch ohne besonderer Vorliebe, nur der Politik, dieser so schwer zu entfallenden Blüthe huldigend, dünkte ihm die gemachte Voraussetzung mit jedem Augenblicke um so unwahrscheinlicher.

Er verfiel auf einen andern Gedanken, das Paket muß etwas Besonderes, Papiere von der größten Wichtigkeit vielleicht enthalten.

Aber wozu dann wieder solche Gegenstände, mit denen sich Baerle nie befaßte, die er für dunkler und unergründlicher, als die Chemie und Alchemie erklärt hatte, ihm anvertrauen?

Es war daher ganz gewiß, ein Gegenstand der höchsten Wichtigkeit, den der Ruart, von der Mißgunst des Volkes bereits bedroht, nicht selbst aufbewahren wollte, den er gerade an Baerle übergab, bei dem die ganzen vereinigten Provinzen eher den Zwiebel der schwarzen Tulpe, als eine politische Intrigue gesucht haben würden.

Hätte das Paket auch wirklich Zwiebel enthalten, so konnte Baerle, wie Boxtel nach seiner eigenen Empfindung urtheilte, sich nicht enthalten, es augenblicklich zu öffnen, um die seltenen Gewächse zu beurtheilen oder zu bewundern.

Er hatte aber gerade entgegengesetzt, das Ganze mit Ehrerbiethung empfangen, und es in eine der Schubladen weit rückwärts geschoben, entweder, daß es nicht entdeckt werde, oder seinen Zwiebeln weniger Platz nehme.

Die Lade war wieder geschlossen, Cornelius’ stand auf, drückte die Hand seines Täuflings mit Zeichen der innigsten Rührung und Dankbarkeit, und entfernte sich dann.

Baerle ergriff sogleich das Licht und schritt ihm voran.

Dahinter lag sonach ein Geheimnis, eine Sache: von größter Wichtigkeit verborgen. – Gleich darauf bewegte sich das Licht, durch mehrere Zimmer, dann sah man es auf der Stiege, und endlich bei dem Hausthore, wo noch eine bedeutende Menschenmenge, die Abfahrt Cornelius von Witt erwartete.

Ohne es zu wissen, ohne den Inhalt, des an Baerle übergebenen Packets nur im mindesten zu kennen, hatte sich Boxtel wenigstens in der Voraussetzung, daß in demselben, Papiere von besonderer politischer Wichtigkeit enthalten sein müssen, nicht geirrt.

Es enthielt, wie die Leser es bereits ahnen werden, die schon mehrfach besprochene Correspondenz des Ex-Großpensionärs mit dem Marquis de Louvois, und war an Baerle als ein ganz gewöhnlicher einfacher Gegenstand, mit dem Bemerken zur Aufbewahrung übergeben worden, daß dieses früher oder später wieder von Cornelius selbst, abgeholt werden würde. Nur hatte der Ruart bemerkt, daß dieses Stück Niemand andern, als nur ihm selbst, oder derjenigen Person übergeben werden dürfe, die mit einer von seiner Hand geschriebenen Vollmacht, sich ausweisen könnte.

Baerle hatte dies Document, in seinem Heiligthum, (seiner Meinung nach, einem unantastbaren Orte) verwahrt. Er dachte von diesem Augenblicke auch nicht mehr weiter daran, während ihm Boxtels Gedanken unausgesetzt gewidmet waren, und für ihm gerade in diesem anscheinend unbedeutenden Gegenstande, einstrahlender Stern der Hoffnung erstand.

Nach diesen vorangegangenen Erläuterungen, machen wir unsere Lesern hiermit aufmerksam, daß diese die Grundlage unserer ganzen Erzählung bilden, und wir hauptsächlich nur unser Augenmerk auf die Lösung der vorgesteckten Aufgabe richten, nämlich zu beweisen; daß Johann und Cornelius von Witt, in der gegen sie gerichteten Volkswuth, einen weniger gefährlichen Feind hatten, als dies Boxtel gegen Baerle war.

Selig in seiner Unwissenheit über das ihm anvertraute Geheimniß, ganz seiner Lieblingsidee hingegeben, war es dem Tulpenfreunde bereits gelungen, die kaiserbraune Farbe zu entdecken, und selbst mit dieser die, letzten Versuche, zum Erhalte der glänzend schwarzen Farbe anzustellen.

Am 20. August 1672, demselben Tage, wo in Haag das blutige Drama vorfiel, sehen wir auch Baerle in seiner Trockenkammer, die Füße an einem Querholze gespreizt, ganz in das Anschauen von drei Zwiebeln vertieft. Und diese sind es gerade, die das ruhmwürdige Preisstück erzeugen, und die ganze Welt mit der tiefsten Bewunderung erfüllen sollen.

Sie haben in diesem Jahre noch nicht geblüht, erst; Im nächsten Frühlinge sollte das majestätische Werk vollendet dastehen, und das Licht der Welt erblicken.

Baerle träumte aber auch Tag und Nacht von einem Ruhme, seiner Seligkeit. »Die große, schwarze Tulpe wird mein Werk,« sprach er oft mit sich selbst, »ich gewinne durch sie zugleich einmal hundert tausend Gulden!«

 

»Was werde ich mit diesem Gelde anfangen? Am besten wäre es wohl, die ganze Summe unter die Armen Dortrecht’s zu vertheilen. Dadurch sammle ich mir Freunde, und selbst in der so nahe stehenden, irgend eine große Umwälzung erzeugenden politischen Epoche, wird man mich achten und schützen. Der aermere Bürger, der Bettler, der unbemittelte Handwerksmann, alle, die meine Verschwendung verwünschen, wenn ich mir oft einen Zwiebel zu zweit bis dreitausend Gulden kaufe, sie werden mich ehren und schätzen, meinem schuldlosen Vergnügungen nichts entgegen haben, und das ganze Besitzthum wie ein unantastbares Heiligthum achten und ehren. Es bleibt also unverändert dabei, daß ich den ganzen Preis von einmal hundert tausend Gulden unter die Armen Dortrechts vertheile.«

»Aber! – —«

Und bei diesem Aber seufzte Baerle tief auf.

Dann dachte er wieder nach, und setzte endlich die noch nicht beendigte Unterhaltung, wie folgt, fort:

»Aber wenn ich diese hunderttausend Gulden zur Veredlung und Vergrößerung meiner Beete, oder gar zu einer Reise in die Heimat dieser edlen Blumen, nach dem Orient verwendete.«

»Es wäre großartig und schön, ein unendlicher Schritt zur Vervollkommnung der Kunst, aber wie kann ich jetzt daran denken, in einer Zeit, wo man vielleicht in der nächsten Stunde schon, vor lauter Waffengeklirr sein eigenes Wort nicht mehr verstehen wird.«

Dabei hob er die Augen gegen den Himmel und seufzte wieder.

Als sein Blick, wonnetrunken, wieder zurück auf diese so ungestalteten farb- und geruchlosen Zwiebel fiel, als sich hier die ganze Majestät seines Forschens entfaltete, da rief er von seiner Freude überwältigt, auf alle Gefahren der Gegenwart und Zukunft vergessend, mit freudestrahlendem Antlitze aus:

»Da, da, diese geschmeidige, himmlisch schöne Zwiebel, dieser schöne, ganz mackellose Bau, dieser regelmäßige, durch nichts gestörte Lauf der Adern, alles, alles stimmt überein, es ist die große schwarze Tulpe, nicht das kleinste Fleckchen soll das glänzende Trauerkleid, der wunderbaren Blume entstellen.«

»Aber wie werde ich es wohl taufen, dies reizende Kind, meines Forschens, der angestrengsten Mühen, der unermüdlichen Nachtwachen?«

»Tulipa nigra Barlaensis.«

»Barlaensis, welch’ entzückender Name. Ganz Europa wird staunen, man wird es für ein Mährchen, halten, die Gelehrten ohnedies an der Möglichkeit verzweifelnd, sie werden an ein neues Wunder denken, wenn von dem einen Pol bis zum andern der Ruf ertönt!«

»Sie ist da, sie ist gefunden, die große schwarze, Tulpe«

»Und ihr Name?«

»Tulipa nigra Barlaensis.«

»Warum Barlaensis? Weil er, der tiefe Geist, der sie entdeckte Baerle heißt«

»Baerle? wo und wer ist dieser Baerle

»Derselbe, der Euch bereits unter des fünf ganz neuen Entdeckungen: Johanna, Johann von Witt, Cornelius 2c. 2c. bekannt ist.«

»Kann mein Ehrgeiz, kann meine Ruhmsucht eine bessere Befriedigung erhalten, und sind Beide nicht erhabener, als das gleiche Streben im Gebiete der Politik?«

»Kosten sie einem einzigen Wesen eine Thräne?«

»Nein, nein gewiß nicht, und mein Stolz, steht weit noch über Jene, denn wenn selbst der Name meines Pathen, dieses großen Politikers schon lange erloschen ist, wird der meine unverändert kräftig dastehen, ewig leben.«

»O, die himmlische Zwiebel«

»Sobald die unvergleichliche Tulpe blüht, sobald ich ein Exemplar der Gesellschaft von Harlem übersandt haben werde, soll es meine erste Aufgabe sein, wenn in das wild aufgeregte Holland, Friede und Ruhe wiederkehrt, fünfzigtausend Gulden unter die Armen zu vertheilen, eine Wohlthat, die von einem Menschen, der weder gegen die Gesellschaft, noch gegen sonst Jemand in irgend einer Beziehung Verpflichtungen hat, in jedem Falle großartig und bewunderungswürdig bleibt. Die andern fünfzigtausend Gulden, werde ich dann zur Verwirklichung einer ganz neuen, bisher noch gar nicht versuchten Idee verwenden. Ich werde mich bemühen, der Blume Geruch zugeben, allenfalls den der Rose oder der Nelke! Wie, wenn es mir möglich wäre, ein ganz neues, noch gar nicht bekanntes Aroma zu entdecken, jenes nämlich, das diese seltene Pflanze in ihrer Heimat, dem Paradiese der Welt, auf der Insel Ceylon und auch zu Goa, Bombay und Madras hat. O, ich erschrecke selbst vor der unermeßlichen Tiefe dieses Gedankens, vor dem unendlichen, nie zu zerstörenden Ruhme für mein ganzes Dasein.«

»Was wäre selbst der Ruhm eines Cäsar, Alexander des Großen, Maximilian, gegen jenen des Cornelius Baerle

»O, die entzückende Zwiebel!«

Und ganz verloren in die für ihm so erhabene Betrachtung, saß er einem Träumenden gleich da.

Da ertönte, unverhofft, rasch und kräftig, wie dies sonst nie geschah, die Glocke seines Cabinets. Baerle sprang von seinem Sitze empor, und beide Hände, über die auf dem Tische liegenden Zwiebel, ausbreitend, sah er nach der Thüre.«

»Was gibt es?«

»Ein Bote vom Haag ist da, gnädiger Herr,« rief der Diener.

»Vom Haag, was verlangt er?«

»Das sagt er nur Euch. Es ist Craecke

»Wie, Johann von Witt’s Diener. Gleich komme ich, er möge ein wenig warten.«

»Das kann ich nicht,« schrie eine Stimme, und zugleich stürzte Craecke, sich den Eintritt gewaltsam erzwingend in die Trockenkammer.

Eine solche Gewaltthat, eine derartige Nichtbeachtung der strengen Verhaltungsbefehle, war im Hause des Herrn Baerle, eine bisher nur zu unerwartete Erscheinung.

Einer augenblicklichen Regung, des durch das verletzte Hausrecht hervorgerufenen Zornes, nachgebend, machte der Besitzer eine krampfhafte Bewegung mit der Hand, und schob dadurch zwei der kostbaren Zwiebel auf die Erde, wovon die eine in die Nähe des großen Fisches, die andere in den Camin rollte.

»Bei allen Teufeln! Craecke, was verlangt Ihr denn so ungestüm,« schrie Cornelius, mit barscher Stimme, seinen Zwiebeln nacheilend.

»Johannes von Witt, mein Herr läßt Euch dringend bitten, dieses höchst wichtige Blatt unverzüglich zu lesen.«

Bei diesen Worten zog er aus der Brusttasche seines Wamses, ein zusammengelegtes Papier, und legte dasselbe auf den Tisch.«

Ohne sich weiter umzusehen, ohne eine Antwort abzuwarten, eilte er wieder fort. In den Straßen von Dortrecht hatte Craecke während seines Kommens einen eben so großen Tumult, und wüthende, im heftigsten Wortwechsel begriffene Menschenhaufen, wie zu Hang bemerkt, und beeilte sich nunmehr, die Stadt auf Umwegen wieder zu verlassen, um durch sein Erscheinen keinen Verdacht hervorzurufen.

Aber Baerle beachtete weder Craecke noch das Papier, er war ganz in das Anschauen seiner unglücklichen, herabgefallenen Zwiebel vertieft. Die eine hatte er bereits aufgehoben, er besah sie mit ängstlicher Sorgfalt nach allen Richtungen und rief endlich, nachdem er die Prüfung auf das Gewissenhafteste beendigt: »Sie ist unbeschädigt«

Dann eilte er zum Camin, theilte die bereits ausgekühlte Asche mit derselben Behutsamkeit, zog die Zwiebel hervor, reinigte sie mit jener Sorgfalt, mit der die liebende Mutter den Säugling wartet, und drückte sie endlich mit wahrer Inbrunst an die Lippen: Auch sie war unbeschädigt.

In demselben Augenblicke, noch ganz von seiner Seligkeit erfüllt, fuhr er mit einem Male empor. Ein anhaltend heftiges Pochen an der Thüre der Trockenkammer schreckte ihn auf, diese zweite Verletzung des heiligsten Gegenstandes, röthete Lippen und Wangen, mit einer ihm sonst fremdartigen Zornes gluth.

»Wer wagt es schon wieder?« rief er mit donnernder Stimme. Da wurde mit Einem Male die Thüre weit aufgerissen ein Diener stürzte, blaß und athemlos mit Rufe, »Mein guter gnädiger Herr!« herein.

»Was ist Dir denn, was willst Du!« fragte Cornelius, dem diese so unerklärbare Erscheinung ein Unglück vermuthen lies.

»Flieht, flieht, so schnell Ihr könnt.«

»Ich, ich soll fliehen, und warum?«

»Fragt nicht, das ganze Haus ist voll Soldaten und ständischen Wachen«

»Mein Haus voll Soldaten, und was wollen sie?«

»Euch, sie fragen, sie suchen überall«

»Nun, was ist da weiter daran, hier werden sie mich finden.«

»Und Euch verhaften.«

»Armer Mann, was fällt Dir nicht ein.«

»Ja gewiß, ein Commissär ist an ihrer Spitze.«

»Das ist mir ein reines Räthsel,« sprach Baerle, die wunderbaren Knospen, in der Hand verschließend, während sein Auge durch die offene Thüre nach der Stiege sah.

»Hört Ihr sie, gnädiger Herr, hört Ihr das Getöse, sie kommen, sie steigen schon herauf.«

In demselben Augenblicke stürzte auch die alte Amme, händeringend, herein.

»Mein guter, edler Herr, mein theueres Kind, nehmt, was Ihr retten könnt, Geld, Geschmeide, Edelsteine, und flieht, flieht.«

»Aber, wie könnte ich denn hier entfliehen?«

»Da, da springt durch dieses Fenster.«

»Um mir ganz gewiß, von der Höhe von 35 Fuß, den Hals zu brechen.«

»Ihr fallt auf eine Unterlage, von wenigstens sechs bis acht Fuß, fetter sandiger Erde.«

»Dann falle ich aus meine Tulpen und zerbreche sie.«

»O! was sind alle Tulpen gegen Eure Rettung.«

Cornelius ergriff die noch auf dem Tische liegende dritte Zwiebel, gesellte sie zu den beiden ersten, und trat zum offenen Fenster. Da schweifte sein Blick nachdenkend und stolz über die gerade unter seinen Füßen,« in voller majestätischer Blüthe und Farbenpracht dastehende Flora, die ihm so freundlich und milde entgegen lächelte, gleichsam, als wolle sie sagen: Ich bilde die, scharfen Begrenzungen deines Ruhms, vernichte mich, . du vernichtest dich nur selbst damit.«

Und er trat einen Schritt zurück.

»Niemals!« rief er, so fest, so sicher, daß jeder Versuch seinen Entschluß wanken machen zu wollen, sich als nutzlos und vergeblich herausstellte.

Die Amme hob die gefalteten Hände gegen Hirmmel, und schwieg.«

»Und wie wäre es auch möglich gewesen?«

Ein Mensch so tief, so unendlich stark ergriffen, von einer erhabenen Idee, vom Glücke begünstigt, den kühnen Berechnungen seines hohen Geistes folgend, auf dem Punkte, den Glanzpunkt, das möglich erreichbare Ziel der Kunst zu errreichen, ein solches Genie sollte der einfachen Wirkung des gegen ihn feindlich austretenden Geschicks, sein Alles, Leben, Gegenwart und Zukunft opfern?

Die drei Zwiebel noch immer in der Hand, die, Gefahr bereits so nahe erkennend, spähte sein Auge nach irgend einem Gegenstande, in dem dieser theuere Schatz verwahrt, seinen Besitzer im Leben und im Tode begleiten konnte. Da. gewahrte er das von Craecke auf den Tisch gelegte Papier, gedankenlos griff er danach. Ohne es weiter anzusehen, ohne sich im entferntesten der Worte zu erinnern, die Craecke, so gewichtig und bedeutungsvoll der Ueberreichung beigefügt; hatte, hüllte er die Zwiebel in dasselbe, und verbarg sie sodann in der Brust.

In demselben Augenblick trat der Commissär, von Soldaten umringt, in das Zimmer.

»Wohnt hier Cornelius von Baerle,« fragte die Amtsperson, obwohl ihm der junge, ganz kalt und ruhig dastehende Mann genau bekannt war, und sein Haus dem Fremden von jedem Linde gezeigt worden wäre.

Aber die strengen Formen der Justiz bestimmen diese Frage, als Eingang jeder Verhaftung. Wie könnte ein Glied derselben auch im lächerlichsten Falle, hiervon eine Ausnahme machen.

»Ihr kennt mich ja sehr gut, van Spennen, und wißt recht wohl, daß ich derjenige bin, nach dem Ihr fragt.«

»Dann fordere ich Euch auf, mir jene verdächtigen Papiere, die Ihr sorgfältig verwahrt, unverweilt zu überliefern.«

»Verdächtige Papiere wollt Ihr, die dürftet Ihr bei mir vergeblich suchen; aber zugleich fiel ihm jenes von Cornelius von Witt zur Aufbewahrung übergebene Paket ein, und er war nicht stark genug, eine augenblickliche auffallende Ueberraschung zu verbergen.

»Nun, Ihr stellt Euch zwar sehr überrascht, ich rathe Euch aber, meinem Verlangen ohne Widerrede zu gehorchen.«

»Dann muß ich Euch vorläufig entgegnen, mein werther van Spennen, daß ich trotz aller Aufmerksamkeit, Euer seltsames Verlangen weder verstehe, noch es irgend wie richtig zu deuten vermag.«

»So sehe ich mich denn genöthigt, Euch selbst auf den rechten Weg zu leiten. Liefert uns nun unverzüglich jene Pariere aus, die Euch im Monate Jänner dieses Jahres, der Ruart, Cornelius von Witt, zur Aufbewahrung übergeben hatte.«

Baerle’s Auge flammte einem Blitze ähnlich auf, seine glatte Stirne legte sich in mächtige Falten.

»Nun« rief Spennen, allen Anzeichen nach, scheint Ihr die richtige Spur gefunden zu haben.«

 

»Ihr verlangt verdächtige Papiere von mir, und; derartige besitze ich, wie Ihr es bereits einmal erfahren, habt, keine.«

»Ihr wollt also durchaus läugnen?«

»Ich spreche nur die Wahrheit«

Der Commissär ließ s einen Blick, längst der Wände,: forschend dahingleiten, und fragte nach einer Pause:

»Ihr habt ein Zimmer, das man die Trockenkammer nennt, wo ist dieses?«

»Wir sind hier Alle dem benannten Locale versammelt.«

Der Commissär hatte einen kleinen Papierstreifen (hervorgezogen, warf einen flüchtigen Blick darauf,;und sprach endlich in dem Tone der größten Bestimmtheit:

»Ihr habt recht, wir sind da.«

Dann wendete er sich nochmals gegen Baerle, mit jener, diesen Personen so eigenen, und schwer nachzuahmenden Miene, in der die ganze Würde des Gesetzes vereint liegen soll, während dem man sie eigentlich nur eine gewöhnliche Muskelverzerrung nennen kann.

»Ich frage Euch nochmals, wollt Ihr die geforderten Papiere freiwillig übergeben oder nicht?«

»Nun dann, van Spennen, wenn Ihr es durchaus erfahren, oder vielmehr nur bestätigt haben wollt was Ihr schon ganz bestimmt wißt, so erkläre ich Euch hiermit, daß mir mein Taufpathe, Cornelius von Witt, seiner Aeußerung nach, gewöhnliche Familienpapiere zur Aufbewahrung anvertraut hat, und daß ich diese nie ausliefern werde, da es Euch selbst bekannt sein muß, daß anvertrautes Gut heilig ist.«

Der Commissär trat einen Schritt vor, gerade zu einem am Kamine stehenden Schranke, wies mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf die dritte Lade, und sprach im gebieterischen Tone:

Cornelius van Baerle! Im Namen des Gesetzes, im Namen der Stände, befehle ich Euch, diese Lade zu öffnen, und mir die darin verwahrten Papiere ohne Widerrede zu überliefern.«

Gerade in dieser Lade hatte Baerle das ihm anvertraute Paket verschlossen, er stand, einer Bildsäule ähnlich wie in den Boden gewurzelt, regungslos da.

»Nun,« setzte van Spennen fort, »ich sehe schon, daß Ihr dem Gesetze und seinen Vollstreckern Hohn sprechen wollt, und finde mich daher genöthigt, selbst die erforderlichen Schritte zu thun.«

Er trat nunmehr ganz an den Kasten heran, zog die bezeichnete Lade heraus, schob einige zwanzig wohlgeordnete und mit Aufschriften versehene Tulpenzwiebel zur Seite, und zog endlich jenes, noch immer versiegelte Paket hervor. Er brach hierauf die Siegel, zerriß den Umschlag, und heftete seine gierigen Blicke auf die ersten, unter demselben befindlichen Blätter; dann aber rief er mit triumphirender Stimme.«

»So, so, ich versichere Euch, die Justiz hat eine wahre, richtige Anzeige erhalten.«

»Durch diese schuldlosen Papiere?«

»O! mein lieber van Baerle, spielt nur nicht immer den Unschuldigen und Unwissenden, es würde Euch so nichts nützen. Vorläufig werdet Ihr Euch bequemen, mir zu folgen?«

»Was meint Ihr, ich soll Euch folgen?«

»Ich glaube, Ihr werdet wohl Eure Muttersprache verstehen, damit ich mich aber ganz deutlich erkläre, so erfahret denn, daß ich Euch hiermit im Namen der Stände verhafte.«

Es war mithin noch nicht gebräuchlich, im Namen Wilhelms von Oranien zu verhaften, ein Beweis, das die Statthalterschaft keine sichere Begründung hatte.

»Verhaften? Warum werde ich verhaftet?«

»Ueber diesen Punkt habe ich Euch durchaus keine Antwort zu geben, Ihr müßt die Erklärung von Seite der Richter verlangen.«

»Wo! hier in Dortrecht?«

»Nein, in Haag!«

Cornelius, bestürzt und tief ergriffen, umarmte, die einer Ohnmacht nahe alte Amme, drückt jedem seiner in Thränen zerfließenden Diener die Hand, und folgte schweigend dem Beamten.

Vor dem Thore stand ein Wagen.

Baerle stieg ein, eine Abtheilung Cavallerie umgab ihn, und im Galopp jagte derselbe nach dem Haag.