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Die schwarze Tulpe

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VII.
Baerle verläßt Löwenstein, rechnet aber vorher mit Gryphus ab

Die Position, die Baerle annahm, machte Gryphus ein wenig zaghaft, einen Augenblick standen sich beide regungslos gegenüber.

Da sie aber in dieser Stellung auch einige Jahre verweilen konnten, und Cornelius keine Lust hatte, die Entscheidung so lange hinauszuschieben, so sprach er ganz ruhig:

»He Alter, was willst Du noch von mir?«

»Also fragst Du doch endlich ein Mal darnach! wisse, daß ich meine Tochter von Dir zurückfordere.«

»Die Tochter willst Du von mir?«

»Ja, Du hast sie mit Deinen teuflischen Künsten irgendwo verborgen oder entführt, und ich will nun sehen, ob Du mir ihren Aufenthalt mitteilst oder nicht?«

Zugleich nahm er eine drohende Haltung an.

»Demnach ist Deine Tochter nicht im Löwenstein?«

»Aha Bösewicht, willst Du vielleicht auch mich in einer Schlinge fangen, o ich kenne Dich zu gut. Zum letzten Male, willst Du mir die Wahrheit sagen?«

»Die sage ich immer.«

»Wo ist also meine Tochter?«

»Das mußt Du besser wissen als ich.«

»Schurke, Bösewicht, erfährt man durch Güte nichts bei Dir, nun warte ich will Dir den Mund öffnen.«

Hieran trat er mit wüthender Geberde einen Schritt vor, und das Messer in der Luft schwingend rief er:

»Satan, sieh Dir dies Messer an, mit diesem habe ich fünfzig Deiner Gesellen, nämlich schwarzen Hähnen, die Hälse abgeschnitten, ich glaube es wird Dir, ihrem Meister, auch den Garaus machen.«

»Aber entsetzlicher Mensch, warum willst Du mich denn eigentlich ermorden?«

»Dein Herz muß ich haben, das will ich aufschneiden und erfahren, wo Du mein Kind versteckt hast.«

Bei diesen in vollem Wahnsinn ausgesprochenen Worten stürzte Gryphus auf Cornelius hin,der kaum hinreichende Zeit fand, dem ersten Stoße auszuweichen.

Die Mienen des Wüthenden, der ganze Ausdruck seiner Physiognomie verrieth das entsetzliche Vorhaben, sein Opfer ermorden zu wollen. Cornelius durchblickte seine gefährliche Lage um so mehr, da das Messer sehr leicht nach seiner Brust geschleudert, ihn, wenn nicht gleich tödten, so doch kampfunfähig machen konnte. Mit einem Sprunge war er nahe an dem unbehilflichen Kerkermeister und traf zugleich dessen Hand mit dem Stocke so gut, daß dieser augenblicklich vor Schmerz heulend das Messer fallen ließ.

Cornelius trat mit dem Fuße daraus. Aber Gryphus schien trotz der erhaltenen Ueberzeugung von der Kraft seines Gegners, den absichtlich aufgesuchten Kampf nicht bei den bisherigen Resultaten beruhen zulassen, er trachtete vielmehr sich neuerdings seiner Waffe zu bemächtigen, und da der Streit sodann eine traurige Wendung hätte nehmen können, entschloß sich Baerle zu einem letzten kühnen Schritte, der einerseits seine eigene Rache befriedigen und seinen Tyrannen zur Vernunft bringen sollte.

Er bläute nämlich den Kerkermeister mit dem Aufwande seiner ganzen Kraft jämmerlich durch, sich jedes mal die Stelle des Körpers wählend, auf welche der schwere Stock fallen sollte. Gryphus hatte Anfangs geschrien, dann bat er um Gnade.

Aber eben dies Geschrei war gehört worden, und hatte das ganze Haus in Bewegung gebracht. Mehrere Gefangenenwärter und Wachen erschienen im Gefängnisse, zu ihrem Schrecken die gefährliche Situation ihres Kerkermeisters und das auf dem Boden liegende Messer gewährend.

Cornelius sah sich verloren als er die Zeugen eines Verbrechens gewahrte, bei welchem alle Umstände gegen ihn sprachen, und daher keine Milderungsgründe möglich machten. Unleugbar hatte er auch alle Anzeichen gegen sich.

Augenblicklich ward der Gefangene entwaffnet, und Gryphus aufgehoben, der von unsäglichen Schmerzen gefoltert laut stöhnte, und mit trübem Auge die Beulen an Brust und Händen ansah, die gleich Pilzen in unzählbarer Menge emporschossen.

Zugleich wurde auch das Protokoll mit dem Gefangenen aufgenommen, und nach des Kerkermeisters Aussagen— (der, weit entfernt, das geringste Wahre zu sagen, nur von einem schon lange vorbereiteten Meuchelmorde sprach,) – dessen That so dargestellt, daß ihm keine mögliche Rettung leuchtete.

Gryphus von den erhaltenen Schlägen beinahe zermalmt, wurde, während der Richter den Thatbestand im Protokolle zur weiteren Amtshandlung ordnete, von zwei seiner Collegen in seine Wohnung geführt.

Cornelius war unterdessen einer strengeren Bewachung übergeben worden, und jene Leute, die hierzu den Auftrag erhielten, bemühten sich nun, ihn mit der Ordnung im Löwenstein bekannt zu machen, allein Baerle dankte für diese Zuvorkommenheit, er hatte bei seinem Eintritte in die Festung das Reglement gelesen und sich einzelne Punkte desselben besonders gemerkt.

Aber trotz dem ließ sich einer der Wächter nicht zurückhalten, eine Begebenheit zu erzählen, die sich im Jahre 1668 zutrug, und wo man einige Punkte dieses Reglements an einem Gefangenen Namens Mathias in Vollzug gesetzt hatte. Auch er sollte einer Rebellion überwiesen worden sein, die aber im Vergleich zur Handlung Baerles nur eine Kinderei zu nennen war.

Mathias fand ein Mal seine Suppe zu heiß, und da er gerade übler Laune sein mochte, goß er diese, dem sie überbringenden Gefangenenwärter in das Gesicht. Zwölf Stunden darnach, holte man ihn aus seinem Kerker.

Dann wurde er in das Zimmer des Kerkermeisters geführt und eingeschrieben, gleichsam als solle er Löwenstein verlassen.

Dann geleitete man ihn auf den Wall der Festung,von dem man eine sehr schöne Aussicht hat.

Dort band man ihn die Hände.

Dann umhüllte man die Augen mit einem Tuche.

Der Sergeant der Gefängnißwache ersuchte ihn hierauf niederzuknien, und nachdem er dies gethan, sowie auch einige Gebete gesprochen hatte, wurde sein Körper die Zielscheibe für zwölf Kugeln, die ihm die gleiche Anzahl Leute der Wachmannschaft zusendete. So war Mathias gestorben, ohne daß Jemand eine Ahnung hatte.

Baerle hatte dieser, keineswegs beruhigenden Mittheilung aufmerksam zugehört.

Dann sprach er:

»Also nach zwölf Stunden?«

»Ja,« antwortete der Erzähler »und ich glaube sogar, nicht ganz zwölf Stunden.«

»Ich danke Euch,« erwiderte Cornelius.

Der Wächter lächelte noch mitleidig, als ein schwerer Schritt auf der Stiege vernommen wurde.

Das klirren von Sporn machte die Wachen aufmerksam, und diese theilten sich, einem Officier ehrfurchtsvoll Platz machend.

Er trat in Baerles Gefängniß ein, während der Erzähler sein mitleidiges Lächeln noch nicht ganz geendet hatte.

»Wo ist Nro. 11?« fragte er.

»Hier, Herr Capitän,« erwiderte einer der anwesenden Soldaten.

»Dann ist auch Cornelius van Baerle hier?«

»Ja, Herr Capitän.«

»Wo finde ich ihn?«

Cornelius trat bleich, aber dennoch muthig vor:

»Hier bin ich selbst.«

»Also seid Ihr Cornelius van Baerle?«

»Ja, ich bin es.«

»Ihr geht mit mir.«

»Mein Gott,« murmelte Cornelius von unerklärbarer Angst ergriffen, »wie schnell und leicht wird auf Löwenstein eine so ernsthafte Sache abgethan.«

»Seht Ihr,« murmelte ihm der eine Wächter in’s Ohr, »hab’ ich es Euch nicht schon Voraus gesagt?«

»Und habt gelogen.«

»Warum?«

»Da Ihr sagtet, es wären zwölf Stunden Zwischenzeit.«

»Das ist eines Theils wahr; dafür werdet Ihr aber auf eine andere Art entschädigt, indem man Euch die Ehre anthuht, zu dem bevorstehenden Akte den Adjutanten des Prinzen an Euch zu senden, eine Ehre, die dem armen Mathias nicht wiederfuhr.«

»Nun gut, so sei es,« sprach Cornelius – und neuen Athem schöpfend hob er die Brust kühn empor und sprach zu sich selbst: »Sammle Deine Kraft, Cornelius, gehe muthig dem Tode entgegen, zeige der Menge, daß Du Deiner Ahnen würdig bist, und ohne die geringste Schwäche, so viel Kugeln als es ihnen beliebt, in Deinem Leibe beherbergen kannst.«

Und er ging hierauf mit fester, sicherer Haltung hinter dem Officier, der durch ein Zeichen andeutete, ihm zu folgen.

»Herr Capitän van Deken, sprach der Aktuar, der in seiner Amtshandlung durch die Entfernung des Inquisiten gestört wurde: »Ihr vergebt, aber ich kann den Gefangenen nicht fortgehen lassen, da das Protokoll noch nicht geschlossen ist.«

»Ihr braucht dasselbe auch gar nicht zu schließen.«

»Ganz recht,« erwiderte der Schreibende, und während dem er seine Papiere in eine alte abgenutzte Tasche schob, behielt sein Gesicht die früher unzerstörbare Gleichgültigkeit bei.

Cornelius war wieder ganz in seine Gedanken vertieft. Diesmal überzeugten sie ihn, daß er seinen Namen auf dieser Welt weder einem Kinde, irgend einer Blume, oder einem Buche hinterlassen werde, jenen drei Grundbedingungen, von denen der Mensch wenigstens eine erreichen muß, um seinen Lebenszweck, und die ihm durch Gott verliehene Bestimmung zu erfüllen.

Er ging mit stolzer Haltung hinter dem Officier.

Unterwegs zählte er die Schritte, und es that ihm leid, seinen gesprächigen Wächter nicht um die Anzahl derselben bis zum Walle gefragt zu haben, wenigstens hätte er die Zeit seines Endes bis auf Minuten angeben können.

Nur eines schmerzte ihn tief – er sollte unterwegs wohl Gryphus, aber seine theuere Rosa nicht sehen. Und welche Freude, welche Wonne wird sich auf dem Antlitze des Alten malen, während Rosa’s Schmerz, ein kleiner Trost in seinen letzten Stunden ihm völlig unsichtbar bleibt.

Wird Gryphus nicht auch jubeln, und mit seinem wuthentbrannten Auge jede Bewegung verfolgen?

Und Rosa, Rosa, der einzige Gegenstand zarter Empfindung, sie sollte kein Lebewohl keinen Abschiedsgruß erhalten.

Aber auch seine Tulpe sollte er nicht mehr sehen, an der herrlichen Blume seine Augen nicht laben dürfen.

 

Wo war sie? wo sollte er im glücklichen Jenseits seine Augen hinrichten, um sie gleich zu erspähen?

Es gehörte wirklich ein eiserner Wille und der ganze Muth eines kräftigen Mannes dazu, um nach solchen Gedanken ganz kalt und ruhig zu, bleiben.

Er sah während des Weges nach allen Seiten, aber vergeblich forschten seine Augen, weder Rosa noch Gryphus wurde sichtbar.

Für Cornelius war dies beinahe ein Trost.

Endlich gelangte er auf den Wall. Sein Auge forschte nach den zur Exekution bestimmten Leuten, und gewahrte richtig zehn bis zwölf im Gespräche begriffene Soldaten.

Aber diese standen mit heitern Mienen bei einander und hatten weder Musketen noch andere Waffen.

Diese Heiterkeit, bei einem Akte, der eher würdig war, allen Ernst zu erregen, widerte den Unglücklichen an.

Sie kamen gerade zur Wohnung des Kerkermeisters, und dieser, gleichsam als sei er von Allem unterrichtet, erschien mit einem Male an seiner Thürschwelle. Auf eine Krücke gestützt hinkte er langsam vorwärts und spendete dem Gefangenen noch einen jener unbeschreiblichen Blicke, in denen der ganze Haß seiner Seele sich getreulich abspiegelte. Als er aber bemerkte, daß diese keine Wirkung hervorbrachten, entledigte er seine Wuth in einer Masse der rohesten und ekelhaftesten Schimpfwörter.

Baerle wandte sich an den Officier: »Ich glaube mein Herr,« sprach er, in diesem Augenblicke nicht gehalten zu sein, die rohen Ausdrücke jenes gemeinen Mannes ruhig annehmen zu müssen.«

»Hm,« erwiderte der Angeredete, »ich finde es natürlich, daß jener Mann Euch nicht gut ist, denn wie man sieht, seid Ihr ihm ein wenig stark an den Leib gegangen.«

»Ich mußte es zu meiner eigenen Erhaltung thun.«

»Alles ins – laßt ihn gehen, Euch sollte eigentlich jetzt gar nichts mehr an ihm gelegen sein.«

Cornelius lief es eiskalt durch alle Glieder, denn diese ironischen und unbarmherzigen Worte, aus dem Munde eines Mannes, der sich immer in der Reihe des Prinzen befand, verriethen ihm deutlich, was er zu erwarten habe.

Er sah ein, daß kein Ausweg möglich war und er gab sich ruhig in sein trauriges Geschick.

»Nun wohl an,« sprach er leise, »so mache man denn mit mir, was man wolle. Der erhabene Gründer meiner Religion wurde ja ebenso behandelt, und er steht noch weit über mir, denn er ließ sich von seinem Kerkermeister schlagen, ohne auch nur die Hand gegen ihn zur Wiedervergeltung zu erheben.«

Der Officier ging noch immer lautlos voran – Baerle redete ihn an:

»Darf ich Euch fragen, wohin wir gehen?«

Gerade in diesem Augenblicke kamen sie am Ende des Walles bei einem mit vier Pferden bespannten Wagen an, der sehr viel Ähnlichkeit mit jenem Fuhrwerk hatte, in welchem Cornelius von Haag nach Löwenstein eskortirt worden war.

»Setzt Euch in diesen Wagen,« sprach der Officier.

»So,« erwiderte der Gefangene erstaunt, »es hat ganz den Anschein, als wolle man mir die Ehre des Walles nicht zukommen lassen.«

Diese Worte waren so laut gesprochen, daß sie der ihn begleitende und uns bereits bekannte Erzähler deutlich vernahm. Gleichsam als müsse er Baerles Zweifel beseitigen, trat er ganz nahe an den Wagen und lispelte diesem ins Ohr:

»Es haben sich viele Fälle ergeben, daß man Gefangene von den Festungen fort und in ihre Vaterstadt geführt hatte, wo man sie dann vor den Thüren ihrer Häuser erhenkte, um durch dies Verfahren ein abschreckendes Beispiel zu statuiren.«

Cornelius nickte dankend mit dem Kopfe.

Dann murmelte er zwischen den Zähnen:

»Es ist doch ein eigenes Glück, wenn man in solchen Augenblicken Jemand zur Seite hat, der einem über alle Zweifel aufklären kann.«

Unterdessen war er eingestiegen, der Wagen setzte sich in Bewegung.

»Ha, der elende Schurke, der Meuchelmörder,« brüllte Gryphus, als er sein sicher geglaubtes Opfer schnell dahineilen sah.

»O, jetzt entkommt er, ohne mir meine Tochter zurückzugeben.«

»Also nach Dortrecht,« seufzte Cornelius, »wenigstens werde ich mich im Augenblicke der Vernichtung überzeugen können, ob meine Rabatten seit meiner Abwesenheit gänzlich vernichtet wurden.«

VIII.
Man fängt zu vermuthen an, welcher Todesstrafe Cornelius unterzogen wird

Cornelius fuhr den ganzen Tag hindurch, und da er seine Heimat recht gut kannte, fiel es ihm auf, daß man Dortrecht zur Linken ließ und über Rotterdam, gegen die fünfte Stunde des Abends Delft erreichte. In diesem kurzen Zeitraum waren sonach zwanzig Meilen zurückgelegt worden.

Die Besorgnisse, die in der Brust des Gefangenen erstanden, ließen ihm keine Ruhe, und um nur einige Aufklärung zu erhalten, wandte er sich an den ihn begleitenden Officier, der aber alle, anscheinend ganz gleichgültigen Fragen, kurz und trocken beantwortet.

In dieser Lage bedauerte er, nicht jenen gesprächigen Wächter aus dem Gefängnisse an seiner Seite zu haben.

Wahrscheinlich hätte er dann über diese räthselhafte Reise und deren eigentlichen Zweck eben so vorzügliche Erklärungen, wie die beiden ersten Male erhalten.

Nach einem kurzen Aufenthalte zu Leyden, wo die Pferde gewechselt wurden, setzte sich der Wagen abermals in Bewegung und fuhr die ganze Nacht hindurch. Am Morgen sah Cornelius deutlich zu seiner Linken die Nordsee, und zur Rechten das Meer von Harlem.

Nach drei Stunden rollte das Fuhrwerk durch die Thore von Harlem.

Der Gefangene war von allen Vorfallenheiten zu Harlem, die wir bereits kennen, nicht unterrichtet, und es liegt in unserer Absicht, ihn bis zur Entwicklung der weiteren Ereignisse, in dieser Unwissenheit zu lassen.

Aber dem Leser dürfen wir trotzdem dasjenige, was sich am Tage der Reise in dem letztgenannten Orte zutrug, nicht vorenthalten, und wir finden es daher nothwendig, von jenem Augenblicke zu beginnen, wo Rosa mit ihrer Tulpe bei dem Präsidenten van Systens zurückgelassen wurde, während der Prinz sich entfernt hatte.

Am Abende dieses Tages erschien bei dem Bürgermeister ein Officier, der dem Mädchen auftrug, ihm nach dem Rathhause zu folgen.

In dem großen Berathungssaale dieses Gebäudes saß der Prinz allein, und wie man sah, sehr eifrig im Schreiben vertieft. Auf dem Fußboden knapp neben seinem Stuhle lag ein großer Windhund, der unabgewandt seinem Herrn in das Gesicht sah, gleichsam als wolle er dessen innerste Gedanken erforschen.

Rosas Eintritt berücksichtigte der Prinz gar nicht. Erst nach einigen Minuten hob er den Kopf, bemerkte das junge, an der Thüre stehen gebliebene Mädchen, und ohne die Feder aus der Hand zu legen, rief er ihr zu:

»Kommt näher, mein Kind.«

Rosa trat einige Schritte vor, dann blieb sie stehen: »Gnädigster Herr!« sprach sie schüchtern.

»Setzt Euch.«

Rosa gehorchte unverzüglich. So lang der Prinz sie ansah, blieb sie in ihrer Stellung, als er seine Augen aber wieder auf das Papier heftete, zog sie sich zurück.

Der Prinz beendigte so eben sein Schreiben.

Der Hund hatte sich unterdessen zu Rosa begeben und schmeichelte ihr, nachdem er sie forschend angesehen hatte.

»Ho, ho,« rief Wilhelm, von seiner Arbeit aufblickend, »man sieht wohl, daß mein Hund seine Leutchen kennt.«

Dann wendete er sich zu Rosa und richtete einen nur ihm eigenen, scharfen aber zugleich auch umdüstern Blick auf sie.

»Nun, mein Kind!«

Wilhelm von Oranien war gerade drei und zwanzig, Rosa noch nicht neunzehn Jahre alt; er hätte also mit vollem Rechte meine liebe Schwester sagen können. .

»Mein Kind,« wiederholte er mit jener gebieterischen Betonung, die ein Attribut der Hoheit, den Angeredeten oft erbeben macht, »wir sind allein, wie Ihr seht und können daher ungestört plaudern.«

Rosa zitterte an allen Gliedern, obwohl der Prinz ihr freundlich entgegen lächelte.

»Eure Hoheit,« lispelte sie.

»Euer Vater ist im Löwenstein

»Ja, gnädigster Herr.«

»Ihr scheint ihn nicht besonders zu lieben?«

»Wenigstens nicht so, wie ich ihn als Kind lieben sollte.«

»Es ist zwar nicht gut, seinen Vater nicht so zu, lieben wie ein Kind, dafür finde ich es aber lobenswerth, daß Ihr Euern Statthalter nicht belügt.«

Rosa senkte die Augen zur Erde.

»Warum liebt Ihr Euern Vater nicht?«

»Er ist zu roh und bösartig.«

»Auf welche Art zeigt er dies?«

»Er mißhandelt die Gefangenen.«

»Jeden?«

»Jeden.«

»Hat er unter ihnen nicht besonders einen mißhandelt?«

»Ja, den Herrn van Baerle. . .«

»Also Euern Liebhaber?«

Rosa wich einige Schritte zurück.

»Ja, den Mann, den ich liebe,« sprach sie, ihre Kraft wieder gewinnend.

»Seit wann liebt Ihr ihn?«

»Sei dem Tage, an dem ich ihn sah.«

»Wann war dies?«

»Am Tage nach dem Tode des Johann und Cornelius von Witt

Die Lippen des Prinzen schloßen sich bei diesen Worten krampfhaft, seine Stirne umdüsterte ein Heer von Falten, die Augenlieder senkten sich herab und verschlossen einige Minuten jeden Blick, dann fuhr der Statthalter aber wieder mit voller Festigkeit fort.

»Wie könnt Ihr Euch aber einer thörichten Neigung für einen Gefangenen opfern, der sein ganzes Leben im Kerker zubringen muß?«

»Wenn er in seinem Kerker lebt und stirbt, gnädigster Herr, kann ich ihm wenigstens in jedem Augenblicke hilfreich beistehen.«

»Und Ihr würdet auf diese Art ohne Besinnen die Frau des Gefangenen?«

»Van Baerle’s Frau? Herr, ich wäre das stolzeste und glücklichste Weib – aber . . . . .«

»Nun aber?«

»Ich wage es nicht auszusprechen – —«

»Eure Mienen drücken deutlich eine Hoffnung aus.«

Rosa erhob ihr schönes, selbst durch die hervorbrechenden Thränen verklärtes Auge zu dem Prinzen und spendete diesem einen Blick, der aus der Tiefe seines Herzens, Milde und Gnade erflehen zu wollen schien. Dann faltete sie die Hände, und der Kopf sank auf die Brust.

»Ah, ich begreife,« sprach der Statthalter; »Ihr baut Euere Hoffnung auf mich.«

»Ja, Euer Hoheit.«

»Hm. . .«

Wilhelm von Oranien faltete hierauf das beendigte Schreiben zusammen, siegelte dasselbe und rief sodann einen Officier.

»Van Deken,« sprach er zu diesem, »Ihr begebt Euch mit diesem Briefe unverzüglich nach Löwenstein, les’t ihn dem Gouverneur vor, und befolget sodann die in demselben enthaltenen, und Euch selbst betreffenden Befehle.«

Der Officier nahm das Schreiben, entfernte sich ehrfurchtsvoll, und wenige Minuten nachher vernahm, man unter dem Thorwege den Galopp eines Pferdes.

»Mein Kind,« sprach der Prinz dann zu Rosa: »Uebermorgen ist Sonntag, an diesem Tage wird hier das Tulpenfest abgehalten, und dabei wünsche ich auch Euch, und zwar glänzend geschmückt zu sehen. Nehmt daher zu diesem Zwecke die hier enthaltenen fünfhundert Gulden.«

»Darf ich Euer Hoheit bitten, mir die Art meines Anzuges anzugeben?«

»Nun ich glaube, der Anzug einer frisischen Braut dürfte Euch am besten kleiden,«– antwortete der Prinz.

IX.
Harlem

Harlem ist eine schöne Stadt, die sich besonders viel darauf einbildet, am meisten Schatten unter allen Städten Hollands zu besitzen. Während andere Orte ihre Aufgabe dahin lösten, in der Errichtung großartiger, wissenschaftlicher und Handels-Anstalten ihren Ruhm zu suchen, oder besonders hervorzutreten, bestrebte Harlem sich die schattigsten und dichtesten Baume, wie: Ulmen, Eichen, Linden und Kastanien, in Garten und Promenaden groß zu ziehen, so, daß man die ganze Stadt durch ein dichtes grünes Laubdach geschützt , durchschreiten konnte.

Leyden war eine Stadt der Wissenschaft und Gelehrsamkeit geworden, Amsterdam machte sich bald zur Königin der Handelsstädte, und Harlem, das den beiden Schwestern ihre Bestrebungen überließ, verlegte sich auf die Gartenkultur.

Es hatte die diesem Zwecke entsprechende glückliche Lage. In einem Kessel, und von allen Seiten durch Berge geschützt, war es vor allen Seewinden gesichert, und wurde daher von den Gartenfreunden jeder andern Stadt vorgezogen.

Eben so konnte man nach der Beschäftigung der Bewohner des einen oder andern Ortes, sehr leicht auf ihren Charakter schließen. Harlem beherbergte alle fried- und ruheliebenden Menschen, Amsterdam jene unruhigen Geister und Reisenden, die sich heut da und Morgen dort herumtreiben, und auf der ganzen Erdenrunde keine eigentliche Heimat besitzen. Nur Haag allein beschäftigte sich mit der Politik.

 

Leyden war, wie bereits ein Mal erwähnt, die Stadt der Gelehrsamkeit geworden.

Harlem hingegen liebte zartere Gegenstände; seine Blumen und Wälder, die Musik und Malerei.

Aber diese Liebe zu den Blumen, artete bald in Leidenschaft zu einer Gattung derselben, nämlich für die Tulpe aus. Auf die Vervollkommnung dieser Blume, wurden von der sich in Kurzem gebildeten Gartenbaugesellschaft, nach und nach verschiedene Preise ausgesetzt, bis endlich am 15. Mai 1673, der Betrag von Einmal hunderttausend Gulden für die Entdeckung der großen, schwarzen und fleckenlosen Tulpe bestimmt ward.

Und diese Stadt, die ihre Leidenschaft vor der ganzen Welt anstandslos zu einer Zeit veröffentlichte, wo das eigene Vaterland von blutigen Kriegen hart mitgenommen wurde, diese Stadt mit ihren Wäldern und Gärten, fand mit einem Male so unerwartet die glänzende Aufgabe gelöst, daß sie nicht umhin konnte, den Tag der Preisvertheilung zu einem großartigen Feste zu machen, das noch lange Jahre nachher in der Erinnerung seiner Bewohner fortleben sollte. Sie hatte aber auch das volle unbezweifelbare Recht dazu; denn nie entfaltet sieh die träge Natur des Holländers zu einer größern lärmenden Thätigkeit, als wenn ihm ein Fest Gelegenheit zu Tanz und Musik bietet.

Wir dürfen zum Beweise nur Teinier’s Gemälde beobachten.

Dann ist es eine, durch die Erfahrung begründete Wahrheit, daß der Träge sich nur ganz abmattet, wenn ihm ein Vergnügen geboten wird, während dem er es bei der Arbeit schwerer thun dürfte.

Harlem hatte außerdem drei besonders wichtige Punkte berücksichtigt, welche diesem Feste erst den wahren Glanz verleihen mußten. Erstens war die große schwarze Tulpe dies Wunder der Blumenkultur entdeckt worden. Zweitens wohnte der Prinz Wilhelm von Oranien, dermaliger Statthalter der sieben Provinzen, mithin die erste Person des Staates in seinen Mauern, mit der Absicht, dem Entdecker selbst den Preis zu geben, und drittens endlich wollte man trotz des unglücklichen Feldzuges vom Jahre 1672 den Franzosen zeigen, wie eine Nation, während des Kanonendonners, ganz fröhlich, ein Fest veranstalten und sich vergnügen könne. Die Gartenbaugesellschaft, hatte wie wir dies bereits mehrfach erwähnten, dem Entdecker des Phänomens, den Preis von Einmal hunderttausend Gulden zuerkannt. Die Bürger der Stadt Harlem wollten in dieser Beziehung nicht zurückbleiben, und bestimmten zur Bestreitung der Auslagen des Festes, den gleichen Betrag.

An dem so heiß erwarteten Tage war daher das Menschengedränge in den Gassen und auf den Plätzen der Stadt so ungeheuer, daß Jedermann, so wie die anwesenden Franzosen herzlich über ein Völklein lachen mußte, das in seinem Enthusiasmus eine Summe, die zum Bau eines Schiffes beinahe hingereicht hätte, für einen Gegenstand opferte, der einen einzigen Tag blühen sollte, und bestimmt war, die Neugierde der Frauen, Künstler und Gelehrten zu befriedigen.

Van Systens, der uns bekannte Bürgermeister, strahlte an der Spitze der Notabeln und der angesehensten Bürger.

Er hatte sich bemüht, seinem ganzen Anzuge, die dieser Feierlichkeit entsprechende Zusammenstellung zugeben, und wir müssen zu seinem Lobe gestehen, daß er vom Kopfe bis zum Fuß selbst, schwarz wie die Tulpe in ihre düstere Umhüllung gekleidet, den vorhabenden Zweck vollkommen erreichte.

Es dürfte dem Leser nicht uninteressant sein, diesen Mann und seinen Anzug detailliert vor sich zu sehen.Wir machen demnach bekannt, daß er eine Robe von schwarzen glänzenden Sammt, Beinkleider von demselben Stoffe, schwarzseidene Strümpfe, glänzend gewichste Schuhe mit goldenen Schnallen, und eine dunkel violette Seidenhalsbinde, über die der weiße Hemdkragen bis an die Ohren hervorragte, trug. In seiner Hand hielt er einen großen Blumenstrauß, so wie Robespierre denselben am Feste des Allerhöchsten ebenfalls in den Händen hatte. Nur war in der Brust des Präsidenten nicht jenes Gefühl unsäglichen Hasses, das der erwähnte Schreckensmann bei jener Gelegenheit barg, nein, in seinem schuldlosen Herzen blühte eine Blume, ganz gleich Derjenigen, die er oft feierlich, oft zärtlich anblickte.

Hinter ihm schloß sich, wie der Leser es schon unzählige Male bei ähnlichen Gelegenheiten gesehen haben wird, in einem Gewühle der buntesten Farben, eine Unzahl paarweise daher schreitender Magistratspersonen, Gelehrter, Künstler und Soldaten an.

Das Volk, damals eben so wenig wie heut zu Tage einen bestimmten Rang einnehmend, bildete die Spalier.

Aus der eigenen Erfahrung übrigens wissen wir, daß dieser Platz der beste ist, wenn man etwas sehen oder hören will.

Wir können diesen Platz gleichsam als eine Tribüne mit freiem Entree betrachten, an welcher sich jeglicher Triumphzug vorbeibewegt, um der Menge zu ernster, oder mitleidiger Betrachtung zu dienen.

Aber diesmal, war weder der Triumph Pompejus oder Cäsars, noch einer von denen, die der große Kaiser gefeiert hatte, zu sehen, und darum war auch kein Tumult und Vivatrufen zu erwarten. Man sah dem Zuge aber auch seine fromme Bestimmung an, denn die wohlausgeputzten Herrn bewegten sich gleich einer Schaar friedlicher , gutgesinnter Lämmer.

Die Statt hatte ja auch keine andern Helden und Sieger als ihre Gärtner, sie schätzte die durch sie vervollkommnte Kunst höher, als Alles andere.

In der Mitte dieses wohlriechenden Zuges thronte auf einer mit weißen Sammt bedeckten und von Goldfransen umgebene Bahre, die große schwarze Tulpe, von vier Männern getragen, die zeitweise von vier Nebenanschreitenden abgelöst wurden, wie es einst die Römer bei Uebertragung der Mutter Cibele von Hetrurien nach Rom, unter dem Schalle der Trompeten thaten.

Und diese Ehrenbezeugung wurde der Blume von einer Nation dargebracht, die noch vor nicht gar langer Zeit, das Pflaster einer ihrer Städte mit dem Blute seiner edelsten Mitbürger besudelte, und dann seine Schmach einsehend, gleichsam als Sühnopfer die Namen derselben in ihrem Pantheon verewigen ließ.

Das Interesse des Festes wurde dadurch, daß der Prinz dem Entdecker der Tulpe selbst den ausgesprochenen Preis überliefern wollte, bedeutend gehoben, und man erwartete mit voller Zuversicht, diesmal von dem jungen Manne zugleich eine glänzende Rede zu hören.

Wir haben es mehr als ein Mal gesehen, daß die Menge in solchen Gelegenheiten, selbst wenn ihr das abgeschmackteste und einfältigste Gewäsch vorgetragen wird, in der einzigen Ueberzeugung, dieses aus dem Munde einer erlauchten Person zu hören, seine Befriedigung findet, und sich gleichsam in dem ihm dadurch huldvoll gespendeten Strahl der Gnade und Herablassung abzuspiegeln sucht.

Es ist gerade so, als wenn unter der Kopfbedeckung eines solchen Menschen, der Centralpunkt aller Welt Weisheit liegen müsse.«

Der verhängnißvolle 15. Mai 1673 war da. – Ein glänzend heller schöner Morgen begrüßte Harlems friedliebende Bewohner, die sich schon in aller Frühe, an denjenigen Punkten aufgestellt hatten, wo der große Zug vorbei mußte. Freude malte sich in allen Zügen, Jeder hatte die Hände bereitet, um den großen Mann zu applaudiren, der das Unerhörte geleistet, und die Natur gezwungen hatte, einen Gegenstand, den sie nicht freiwillig erzeugen wollte, durch die Kunst hervorzuzaubern.

In derlei Augenblicken kennt auch das Volk weder Maß noch Ziel, ob es Beifall oder Mißbehagen zu erkennen gibt.

So wurde auch diesmal, als der Erste, van Systens anhaltend applaudirt, hierauf machte man dem ganzen Zuge dasselbe Vergnügen, und zuletzt gab das Volk durch Rufe und Händebewegungen der würdigen Stadtmusik seine Freude und seinen Dank zu erkennen, um so mehr, da diese alle Kräfte in Bewegung gesetzt hatte, und recht leibliche Stücke vortrug.

Alles sah und forschte nur nach dem Helden des Tages, dem berühmten Entdecker, und nach der Königin nämlich, seiner Tulpe. Was den Entdecker anbelangt, so erwartete man ohnehin aus des Präsidenten Munde eine Lobrede zu vernehmen, die ihn vermöge seiner Verdienste für kurze Zeit höher als den Statthalter erscheinen ließ.

Doch ich kann es mit voller Gewißheit voraussetzen, daß meinem Leser an dieser, wenn gleich gelungenen und meisterhaften Rede des Präsidenten, wenig oder gar nichts gelegen sein dürfte, eben so wie ihm bei dem Verfolge größerer Thatsachen und Begebenheiten eine Schilderung der frisischen Landmädchen, ihrer Gliedmaßen, und der sonderbaren Tracht lästig fallen müßte. Wir verfolgen demnach unausgesetzt das Hauptinteresse der ganzen Begebenheit.

Aber eben dieses Interesse schließt dermalen eine ganz in rothen Sammt gekleidete Figur in sich, die unter einem Walde von Blumen, stolz und majestätisch einherschreitet.

Dieser charakteristische Mann, dieser strahlende und-allgemein bewunderte Stern, ist Mynherr Isaak Boxtel, der vor sich zur rechten Seite die schwarze Tulpe, seine vermeintliche Tochter, und links in einer geschmackvollen Vase die Einmal hunderttausend Gulden in glänzenden Goldstücken einhertragen sieht.