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Die schwarze Tulpe

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»Und Euch junges Mädchen,« fuhr der Prinz zu Rosa gewendet fort, »Euch warne ich diesmal in bloßer Berücksichtigung Eurer Jugend und Unerfahrenheit. Ihr waret nahe daran, ein Verbrechen zu begeben, allein jener Bösewicht, der Euch verleiten wollte, soll seine wohl verdiente Strafe erhalten. Ein Mann seines Charakters mag immerhin mit Verschwörungen, aber nicht mit so gemeinen Diebstählen sich befassen.«

»Herr, diese bloßen Worte würden den armen Gefangenen sicherer tödten, als es des Henkers Beil selbst auf dem Buytenhoff vermochte. Die Tulpe ist gestohlen, geraubt worden, aber hier durch diesen Menschen, der vor Euch steht.«

»Bezeuget es, wenn Ihr könnt,« schrie Boxtel, durch den Verlauf der Unterhandlung ermuthigt.

Plötzlich erhob sich die Friesin voll Energie und Kraft:

»Ja, ja, mit Hilfe Gottes werde ich es thun.«

Dann drehte sich Rosa rasch gegen Boxtel.

»Ihr seid der Entdecker der Tulpe?«

»Ja.«

»Hatte diese bloß eine Zwiebelknospe?«

Boxtel blieb einen Augenblick nachdenkend und; ruhig, da es ihm nicht einleuchten wollte, was Rosa eigentlich mit dieser Frage bezwecke.

»Nein, sie hatte drei Knospen,« – antwortete er endlich langsam.

»Was geschah mit diesen Knospen?«

»Was damit geschah? Die eine ging zu Grunde, aus der zweiten erstand die im Vorsaale befindliche Blume.«

»Aber die dritte?«

»Die dritte?«

»Ja die dritte – wo ist die?«

»Die dritte – die dritte – — – sonderbare Frage, die hab’ ich bei mir,« – antwortete Boxtel, vergeblich bemüht, seine Verlegenheit zu bemänteln.

»Wo ist sie? bei Euch? Ist das hier, im Löwenstein, oder zu Dortrecht

»Unverschämter Lügner,« rief Rosa triumphirend, und indem sie sich gegen den staunenden Prinzen wendete fuhr sie fort: »Ich gnädigster Herr weiß die Geschichte der drei Zwiebel, und will sie Euch mittheilen:

»Die erste wurde von meinem Vater im Kerker des Gefangenen zertreten. Darüber gerieth dieser Elende beinahe in Verzweiflung da er sie zu erhaschen gehofft hatte.

»Aus der zweiten erblühte jene wunderbare Blume, unter meiner sorgsamen Pflege, die dieser Bösewicht gestohlen hat, und:

»Die dritte trage ich hier auf meiner Brust, noch immer in dasselbe Papier eingewickelt, in welchen sie mir Cornelius zu derselben Stunde gab, wo er aus dem Gefängnisse auf den Buytenhoff geführt wurde. Hier ist sie gnädigster Herr.«

Boxtel hatte unterdessen seine Fassung ganz wieder erhalten, mit erheuchelter Kälte und Ruhe wandte er sich an den Prinzen, der die Knospe bereits in den Händen hatte.

»Gnädigster Herr, ich staune über die Frechheit dieser Person, denn während dem ich meine Zwiebelknospe noch immer in meinem Hause wohl verwahrt glaube, hat sie mir auch diese auf eine höchst unerklärbare Art geraubt.«

Der Ernst, und die Ruhe des Prinzen, mit welchem dieser die Knospe bewunderte, so wie die Spannung, die sich in Rosa’s Antlitz malte, als diese das in Händen haltende Papier aufmerksam betrachtend einige auf demselben befindliche Zeilen las, Alles zusammengenommen machte den boshaften Menschen doch besorgt und ängstlich.

Plötzlich entflammten Rosa’s Augen, des geheimnisvolle Papier hoch emporhaltend stürzte sie mit einem Schrei den Prinzen zu Füßen.

»Da, da nehmt, lest gnädigster Herr diese wenigen Zeilen, um Gotteswillen.«

Der Statthalter überreichte dem Präsidenten die Zwiebelknospe und nahm das Papier.

Er warf einen einzigen Blick darauf, dann schwankte er, seine zitternde Hand vermochte kaum das Blatt zu halten, seine Augen umdüsterte der leicht erkennbare Ausdruck von Schmerz, Angst und Mitleid.

Der Leser weiß, was dieses Papier enthielt, wir wollen aber dennoch die Bitte, die Cornelius von Witt noch kurz vor seinem Ende an Baerle richtete, hier wortgetreu wiederholen. Sie lautete:

Mein theuerer Pathe!

Das Packet das ich Dir zur Aufbewahrung übergeben habe, verbrenne gleich nach Erhält dieser Zeilen ohne es zu sehen, zu öffnen, oder jemals nach seinem Inhalte zu forschen. Geheimnisse, wie die darin enthaltenen, bringen den Tod. In das Feuer mit ihnen und Johann und Cornelius sind gerettet. – ich umarme Dich. – Bleibe auch Du mir stets gut.

Den 20. August 1672.
Cornelius von Witt.«

Diese wenigen Zeilen enthielten einen doppelten Beweis, nämliche die Unschuld – und das Eigenthumsrecht des Cornelius van Baerle auf die schwarze Tulpe.

Der Statthalter wechselte mit Rosa, deren seelenvolles Auge unverwandt auf ihm ruhte, einen einzigen Blick.

Rosa’s Blick, in Worten dargestellt, sagte:

»Nun, seid Ihr überzeugt?«

Der des Prinzen antwortete:

»Seid ruhig und aufmerksam.«

Aus der Stirne des Prinzen lagerten sich mächtige Schweißtropfen, er trocknete diese mit seinem Suche, legte das Papier sodann sorgfältig zusammen und sein unheimlicher Blick schien in jenen Regionen der Scham und Reue zu schweifen, die leider zu spät zur Erkenntniß einer begangenen schweren Ungerechtigkeit führen.

Dann erhob er langsam und würdevoll sein Haupt:

»Herr Boxtel,« sprach er zu diesem gewendet, es bleibt bei dem, was ich sagte, es soll Gerechtigkeit geübt werden.«

Hieraus drückte er dem Bürgermeister freundlich die Hand:

»Ihr van Systens, habt die Gefälligkeit dieses Mädchen, so wie die Tulpe unter Euere besondere Aufsicht zu nehmen.«

Der Prinz schritt sodann mit gebeugtem Haupte durch den Vorsaal und über die Haupttreppe hinab, während sich alle Anwesenden tief verneigten.

In demselben Augenblicke ertönte neuerdings das Jubelgeschrei der harrenden Menge.

Boxtel kehrte in seinen Gasthof zurück. Aber auch er hatte den Kopf gesenkt, unangenehme peinliche Empfindungen durchzuckten sein Inneres.

Jenes geheimnisvolle Papier, dem der Statthalter eine solche Wichtigkeit beigelegt, das er mit Ernst und Würde in die Tasche geschoben hatte, schien ein unheilbringendes Ungewitter heraufzubeschwören.

Rosa trat ebenfalls in den Vorsaal. Leise und vorsichtig wie einem Heiligthume nahte sie der Tulpe, und küßte die frischen Blätter derselben.

»Gott, Du mein Herr, nur Dir war es bekannt, warum Cornelius mich lesen lehrte,« sprach sie mit gefalteten Händen.

Und sie hatte wahr gesprochen, denn nur Gott der Urquell alles Guten und erhabenen wußte es.

VI.
Das Lied von den Blumen

Während der Mittheilung dieser Ereignisse mußte der arme Cornelius alle jene Qualen erdulden, die einem Gefangenen aufgebürdet werden, sobald dessen Kerkermeister den Vorsatz gefaßt hat, statt Wärters, ein Henker zu sein.

Gryphus, den wie bereits genau kennen und der zu einer Zeit lebte, wo der wenig ausgebildete, beinahe ganz rohe menschliche Geist , jede unerklärbare Erscheinung mit dem geheimnißvollen Wirken des böses Geistes in Verbindung brachte, konnte das Verschwinden der Tochter und des Freundes eben so wenig begreifen, und erfaßte, von seinem Aberglauben überwältigt, die Idee, der Gefangene habe das Ganze durch eine seiner geheimnißvollen Kräfte hervorgezaubert.

Diese Idee hatte sich am dritten Tage nach dem Verschwinden der beiden genannten Personen in seiner Seele festgesetzt, und er erschien daher diesmal mit einer unbeschreiblichen Wuth bei dem armen Cornelius.

Der Gefangene stand bei dem offenen Fenster, er hatte den Kopf auf die Hände gestützt, sein trübes thränenfeuchtes Auge blickte nach seiner Heimat hinüber, während seine Lunge in kräftigen Zügen die erquickend frische Lust einsog, und sich gleichsam bemühte, mit angestrengter körperlicher Thätigkeit die drohenden Bilder der aufgeregten Phantasie zu verscheuchen.

Noch immer saßen die Tauben aus ihren alten Plätzchen, aber die Hoffnung, die sie früher mit sich brachten, schwand in der Gewißheit einer unheilvollen Zukunft.

Er dachte an Rosa. Warum kam sie nicht mehr?Sie wurde gewiß sorgfältig überwacht. Warum schrieb sie nicht? Vielleicht war es geschehen, und sie fand keine Gelegenheit den Brief zu überreichen.

Das Letzte war gewiß. Der unheimliche Blick des Kerkermeisters, dies scheue Auge voll Tücke und Rachedurst, sprach zu deutlich, enthüllte ganz das Unglück des armen Mädchens. Gewiß war Rosa eingeschlossen, den harten Vorwürfen des Tyrannen ausgesetzt, und vielleicht gebraucht er, – — o entsetzlicher Gedanke, wenn sein Kopf vom Branntwein angefüllt, unfähig war, eine vernünftige Idee zu erfassen, die ganze Kraft seines wieder hergestellten Armes, um das arme Kind zu züchtigen.

Und an All’ dem war er selbst Ursache. – Dieser Gedanke machte ihn untröstlich.

»Rosa wird vielleicht eben jetzt mißhandelt, murmelte er oft,« und ich kann ihr nicht helfen oder, nützen. »O Gott, könnte Deine Barmherzigkeit, Deine, Güte ein Wohlgefallen an dem grenzenlosen Unglücke zweier unschuldigen Dir ganz ergebenen Wesen finden.«, In solchen Augenblicken der Hilflosigkeit verzweifelt der schwache Mensch so gern an dem Dasein des Allmächtigen.

Er wollte schreiben. Aber wo war Rosa?

Dann wollte er einen Brief nach Haag absenden, um sich zu überzeugen, ob nicht Gryphus durch falsche Anzeigen einen neuen Sturm über seinem Haupte zusammenziehe.

Ader wie sollte er dies bewerkstelligen? Der Kerkermeister hatte ihm die wenigen Schreibmaterialien genommen, und selbst, wenn er sie gehabt hätte, würde Gryphus wohl schwerlich die Beförderung des Briefes gestattet haben.

Dann mahlte sich seine lebhafte Phantasie eine Menge kleinlicher Versuche aus, die aber alle nutzlos erschienen.

 

Er dachte endlich auch auf eine Entweichung, besonders seit jener Zeit, seit welcher er Rosa nicht mehr gesehen hatte. Allein wenn ihm auch zu dieser alle Mittel geboten worden waren, hätte er sie dennoch nicht ausgeführt, da er eine jener hohen, kräftigen Naturen in sich barg, die vor dem Gemeinen zurückschrecken, und jede sich ihnen darbietende gute Gelegenheit verächtlich zurückstoßen, weil diese aus dem breiten Wege menschlicher Schwäche und Erniedrigung erreicht werden kann, und daher von dem großen Haufen so gerne gesucht und betreten wird.

Dieser Gedanke war auch die Ursache aller in ihm erwachenden Unmöglichkeiten. Wie weite es auch möglich zu entfliehen? sprach er zu sich, mir steht nicht wie Hugo Grotius eine liebende Gattin zur Seite, und dann hat man ja von jenem Zeitpunkte alle möglichen Vorsichtsmaßregeln verdoppelt. Fenster und Thüren sind gut verwahrt, und die Schildwachen so aufmerksam, wie ich sie noch Nirgends fand.

Und dann noch, wenn ich diese Fenster und Thüren, ja selbst die wachsamen Posten gar nicht berücksichtige, habe ich nicht einen tausendmal gefährlicheren Wächter? Ist Gryphus, mit seinem vom Hasse belebten Auge, nicht das unübersteigbare Hinderniß? Aber der wichtigste Umstand, der jede meiner Unternehmungen gänzlich lähmt, ist Rosa’s Abwesenheit. Und wo ist Rosa hin, soll ich sie denn nie wieder sehen? O! hätte ich nur eine Feile, eine Säge, oder Schnur, könnte ich nur wie einstens Dädalus . . . mir Flügel verfertigen. Aber was würde der Besitz all’ dieser Gegenstände nützen, die Feile würde bald stumpf werden, und wenn ich es versuchte mich von dem Fenster herabzulassen, oder durch die Luft fortzufliegen, in einem, wie in dem andern Falle müßte ich von einer unendlichen Höhe herabstürzen. Was würde aus meinen zerbrochenen Gliedern? Die kämen dann gewiß in das Museum, um neben dem, durch Wilhelm mit Blut befleckten Wamse meines Pathen als Curiosität bewundert zu werden. Sollte das meine Bestimmung, sollte das der Zweck meines Lebens sein? Nein, nein, es ist alles verloren, alles nutzlos. – Aber halt, rief er nach einer Pause, halt, da kommt mir ein köstlicher Gedanke, ja das wird ganz gewiß geschehen, Gryphus, von seinem Haß und Rachedurst getrieben, wird mich eines Tages bei meiner empfindlichsten Seite antasten, er wird meinem Stolze, meiner Ehre nahe treten, ja diesen Augenblick will ich benützen, mich auf ihn stürzen seinen Hals umfassen und ihn erdrosseln. O! ich fühle, seit dem Augenblicke, wo Rosa mich verlassen, eine wunderliche Lust nach einem Kampfe, nach einem heißen, furchtbaren Blutbade.

Dieser schreckliche Gedanke spiegelte sich in dem Antlitze des Unglücklichen getreulich ab. Seine Augen traten weiter hervor, der Mund war krampfhaft zusammengekniffen. Aber er setzte dennoch diese Gedankenreihe fort.

Wenn ich Gryphus erdrosselt habe, dann bemächtige ich mich seiner Schlüssel und eile aus dem Gefängnisse, so wie wenn ich der unschuldigste Mensch wäre nach Rosa’s Zimmer. Mit dieser springe ich aus dem Fenster in die Waal, und schwimme hinüber. – —

Ich bin stark genug, ich kann uns beide retten.

Aber Rosa ist des Kerkermeisters Tochter. So lieb sie mich auch immer haben mag, so müßte sie dennoch als Kind den Mörder ihres Vaters verabscheuen. Man müßte sie überreden, dazu ist Zeit nothwendig, während dieser wird man aufmerksam, die Ermordung des Kerkermeisters ist bekannt und man ergreift mich wieder. Dann wandere ich auf den Buytenhoff und sterbe, ein Schandfleck meiner ehrenvollen Ahnen, als der elendeste, gemeinste Mörder. Also auch das geht nicht, auch das ist ein schlechtes Mittel.

Also gibt es denn gar keinen Ausweg, soll ich Rosa nicht wiedersehen?

Das waren des armen Gefangenen düstere Ideen, gerade in dem Augenblicke, wo er von Rosa getrennt, an dem Fenster seines Gefängnisses stand.

In der selben Minute trat Gryphus ein, seine Augen funkelten, seine Mienen waren zu einem boshaften Lächeln, umzogen, in seiner rechten Hand trug er einen schweren Stock, und die unheilvolle schwankende Bewegung seines, Körpers verkündete nichts Gutes. Cornelius, noch ganz von seinen Ideen ergriffen, ward zwar durch das bei dem Eintritte des Kerkermeisters veranlaßte Geräusch. aufmerksam gemacht, allein da er vermuthete, wer der Kommende sei, fand er es nicht der Mühe werth, sich; umzuwenden.

Außerdem war er überzeugt, daß Rosa diesmal ihren Vater nicht begleite.

Nichts erhöht den bereits ein Mal erwachten Zorn des Menschen mehr, als wenn diesem Gleichgültigkeit entgegengesetzt wird.

Diese beweist erstens, daß der Zorn nutzlos angewendet ist.

Dann hat man sich für Nichts den Kopf erhitzt, und das Blut schneller in Umlauf gesetzt.

Alles dieses umsonst gethan zu haben, schmerzt gar zu sehr, nur ein Spektakel ist im Stande Ersatz für das Verlorene zu bieten.

Denn gerade ein solcher Schluß bietet Gelegenheit, dem ausgesuchten Gegenstande eine Wunde beizubringen, selbst wenn man ein elender Schurke ist und einen schlechten Gegenstand vertheidigt.

Alles das fühlte Gryphus, als er die Ruhe des Gefangenen merkte, der auf sein nachdrückliches »hm, hm,« nicht ein Mal den Kopf wendete.

Gleichsam absichtlich begann vielmehr Cornelius mit lauter- Stimme das reizende Lied von den Blumen zu singen:

 
Des geheimen Feuers Töchter,
Das in der Erde Adern läuft,
Und der Morgenröthe Wächter,
Die den Thau hernieder träuft;
Angehaucht von sanften Lüften,
Blühen Wir auf grünen Triften,
In des Wassers Regionen,
Unter warmen, milden Zonen.«
 

Dieses Lied, dessen liebliche und sanfte Arie der Stimmung des Kerkermeisters geradezu widersprach, erbitterte ihn um so mehr.

Er schlug mit aller Kraft den Stock gegen das Steinpflaster und rief:

»He da, Ihr Sänger, habt Ihr mich nicht kommen gehört?«

Cornelius wandte sich mit der gleichgültigsten Miene von der Welt um und erwiderte:

»Gott zum Gruß.»

Dann sang er weiter:

 
»Alles naht um Uns zu lieben,
Unser’m weiten stillen Reich:
Und von sanften Regungen getrieben,
Liebt und tödtet, Menschenherz zugleich.
Glänzend will die Braut sich schmücken,
Eilt herbei um Uns zu pflücken,
Raubt mit zarter Hand ein Leben,
Das der Himmel Uns gegeben.«
 

»Verdammter Zauberer,« schrie Gryphus, »ich glaube gar Du lachst mich noch aus.«

Cornelius sang ungestört weiter:

 
»Ja vom Himmel kommt das Leben,
Und zum fernen Aether hin;
Mächtig Wir die Häupter heben,
Wenn Wir duftend hier erblüh’n.
 

Unterdessen hatte Gryphus sich dem Gefangenen genähert, indem er zugleich den mitgebrachten Stock schwang.

»He da,« rief er, »sieh ein Mal her, welches aprobate Mittel ich von nun an gewählt habe, um Dich zur Vernunft zu bringen.«

Cornelius wandte sich gegen den Kerkermeister.

»He da, alter Meister, ich glaube gar Ihr seid nicht recht bei Sinnen.«

Er gewahrte aber auch das veränderte Antlitz, die vorgetretenen blitzenden Augen und den krampfhaft verzogenen Mund des rohen Mannes.

»Oho, oho, Gryphus,« sprach er hierauf mit seiner frühern Kälte »ich erkenne so eben daß Ihr mehr rasend als wahnsinnig seid.«

Der Kerkermeister hieb noch immer mit dem Stocke um sich.

Baerle schien dies gar nicht zu beachten, er stand regungslos mit über der Brust gekreuzten Armen da.

Als ihm Gryphus aber zu nahe kam, sprach er ganz kalt:

»Es kommt mir vor, als hättet Ihr die Absicht, mich zu mißhandeln?«

»Ja, ja, dieserwegen bin ich ja hier.«

»Aber warum?«

»Das später. Zuerst sieh Dir das an, was ich hierin der Hand herumdrehe.«

»Hm, das ist ein Stock, und sogar wie ich bemerke ein sehr schwerer Stock – aber ich will nicht vermuthen, daß der für mich bestimmt sei.«

»So, das willst Du nicht vermuthen, sonderbar, ich möchte gern eine Ursache wissen.

»Die kann ich Dir gleich sagen, und statt einer Ursache, will ich zwei angeben. Die erste davon befindet sich im Reglement der Festung Löwenstein und zwar Artikel IX, sie lautet:

»Jeder Aufseher, Gefangenenwärter, oder selbst auch Kerkermeister wird entlassen, der sich unterfängt, an einen Gefangenen die Hand zu legen.«

»Die Hand, ja die Hand, das weiß ich recht gut, aber vorn Stocke steht nichts darinnen.«

»Die zweite wirst Du im Evangelium finden, ich kann Dir sie ebenfalls mittheilen:

»Der den Bruder mit dem Schwerte angreift, wird durch das Schwert umkommen.«

Der seinen Bruder mir dem Stocke schlägt, wird; wieder mit dem Stocke geschlagen werden.«

Diese Ruhe und Gleichgültigkeit des Gefangenen erbitterte den Wüthenden so sehr, daß er den mächtigen Stock schwingend, ihn eben auf Baerles Schultern herabfallen lassen wollte, als dieser durch eine geschickte Wendung dem Schlage auswich, den Arm des Kerkermeisters erfaßte, ihm den Stock mit Leichtigkeit entwand, und diesen dann ruhig neben sich an die Wand anlehnend, seine frühere gleichgültige Stellung wieder einnahm.

Gryphus brüllte gleich einem verwundeten Tieger.

»Tralala Alterchen, Du siehst wohl, daß Du Dich der Gefahr aussetzest, den Spruch des Evangeliums an Dir erfüllt zu sehen.«

»O Du Satan Du, warte, ich will Dich auf andere Weise erfassen.«

»Wie Du willst.«

»Sieh ein Mal meine Hand an, nicht wahr, sie ist leer.«

»Ja, das sehe ich, und ich gestehe Dir, daß es mir Freude macht.«

»Du wirst Dich aber erinnern, daß diese Hand des Morgens wenn ich heraufkomme nicht leer ist.«

»Ach, meinst Du das elende Essen, das Du mir zu jener Stunde überbringst, oh, das betrachte ich so nur, als eine Strafe, und wie Du es bemerkt haben wirst; lasse ich es bis auf das Brod jedes mal stehen. Ich kenne Dich Alterchen, Du bringst mir auch stets das allerschlechteste Brod, aber glaube mir, je miserabler es ist, desto besser schmeckt es mir.«

»Desto besser schmeckt es Dir?«

»Ja – wie ich sagte.«

»Das begreife ich nicht.«

»Aber ich um so leichter.«

»Ich möchte es aber auch wissen.«

»Du sollst es allsogleich erfahren. Wenn Du mir schlechtes Brod bringst, so weiß ich, daß Du mich damit quälen willst.«

»Ganz gewiß suche ich es für Dich nicht aus, um Dir eine Freude zu machen.«

»Nun denn, da Du weißt, daß ich der Satan selbst, oder wenigstens mit ihm nahe verwandt bin, so darf es Dich gar nicht wundern, daß ich mir aus Deinem schlechten Brode ein sehr gutes bereite, das mir besser als alles Backwerk schmeckt. Ich habe dabei den doppelten Vertheil, eine Speise nach meinem Gusto zu genießen, und Dich zugleich auf das Höchste zu erbittern.«

Gryphus brüllte abermals.

»Aha, also Du gestehst es nun, daß Du der Satan bist?«

»Das ist doch ganz natürlich, vor der Welt kann ich es nicht sagen, denn man würde mich wie Gaufredy oder Urban Grandier verbrennen; vor Dir hingegen brauche ich mich gar nicht zu genieren.«

»Mir auch recht, wenn es Dir aber gelingt, aus schlechtem Brode ein gutes zu machen, so wirst Du doch dem Hungertode nicht entgehen, wenn ich Dir gar keines mehr gäbe.«

»Hm, hm.«

»Merke also auf, von heut an bekommst Du kein Brod mehr, und wir wollen sehen, wie Dir dies nach acht Tagen anschlägt?«

Baerle ward todtenbleich.

»Also wie gesagt, von heute wird angefangen, und ich will sehen, ob Du nicht vielleicht aus den Möbeln Brod bereiten kannst, dabei habe ich auch einen doppelten Vortheil, nämlich: Deine tägliche Brodration, und die zehn Sous, die für Deinen Unterhalt bestimmt sind.«

Cornelius durchblickte das ganze schändliche Vorhaben, er sah einer entsetzlichen Zukunft entgegen, und von Schwäche hingerissen rief er:

»Mein Gott, das ist ja ein absichtlicher Mord.«

»Der Dich aber gar nicht inkommodiren kann, denn wenn Du der Satan bist, wirst Du Dir zu essen, genug verschaffen.«

Diese von dem Kerkermeister nunmehr selbst angeregte.Idee, erleuchtete den Gefangenen wie ein Blitzstrahl, er nahm seine frühere lächelnde Miene an und zuckte mit den Achseln.

»Du wirst Dich wohl erinnern, daß ich mir vor nicht gar langer Zeit die Tauben von Dortrecht hergezaubert habe.«

»Ich weiß es.«

»Eine gebratene Taube ist kein unangenehmes Essen, und wer täglich eine speist, kann lange leben.«

»Zum Braten braucht man vorerst Feuer.«

»Das ist lächerlich mein lieber Alter. Als Satan wird es mir nicht schwer fallen, mir mehr als ich brauche durch meine Teufel zu verschaffen.«

 

»Meinetwegen, aber ich weiß recht gut, daß selbst der stärkste Mann nicht länger als einige Tage im Stande ist, eine Taube zu essen , darüber wurden schon viele Wetten verloren.«

»Das ist möglich, kümmert mich aber nichts, denn wenn mir die Tauben zu viel werden, so lasse ich mir die besten Fische aus der Waal und Maas herauf kommen.«

Gryphus riß die Augen weit aus.

»Zudem esse ich-Fische sehr gern, und Du hast mir bis jetzt noch gar keine gebracht. Also sei es, weil Du mich des Hungers sterben lassen willst, fühle ich eine besondere Lust in mir, mich ausnehmend zu delektiren.«

Der Kerkermeister schwankte, ob einer Ohnmacht nahe oder aus Wuth, läßt sich nicht bestimmen.

Aber auf ein Mal griff er mit der Hand in den Sack.

»Nun, wenn Du es haben willst . . . .« .

Bei diesen Worten zog er ein großes Messer hervor und öffnete es.

»Ah, also eine scharfe Waffe,« sprach Cornelius, zu gleicher Zeit den Stock ergreifend, um auf jeden Angriff vorbereitet zu sein.