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Die schwarze Tulpe

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»Ihr meint Morgen solle ich Euch schon benachrichtigen, ich weiß nicht ob dieß möglich sein dürfte, da aller Wahrscheinlichkeit nach, meinem Kommen Hindernisse in den Weg gelegt werden.«

»Rosa, Ihr wolltet oder könntet also Morgen nicht kommen, o sagt mir doch warum?«

»Für das Erste habe ich tausend wichtige und nothwendige Dinge zu thun.«

»So, tausend Dinge, während ich mich nur mit einem Gegenstande befasse.«

»Das weiß ich und kenne ihn auch – die liebe zu Euerer Tulpe —«

»Nein, nein, nur die Liebe zu Euch, Rosa«.

Das Mädchen schüttelte ungläubig und verneinend ihr Köpfchen.

Hierauf trat ein längeres Stillschweigen ein.

Cornelius unterbrach es:

»In der Natur wechselt Alles, den Blumen des Frühlings folgen jene des Herbstes nach, und die Bienen, die Anfangs den ersten Huldigten, widmen nunmehr den Letzteren ihre ganze Aufmerksamkeit, und wie, sie sich auf den Veilchen und Levkojen ganz wohl befanden, eben so behagt ihnen nun das Geißblatt, die Rose oder der Jasmin.«

»Was wollt Ihr damit sagen?«

»Damit will ich nur auf Euch hindeuten. Anfangs, hörtet Ihr so ernst und gerne den Erzählungen aus meiner dahingeschwundenen Jugend zu; es war dies aber auch die blühende schöne Blume unseres beiderseitigen Frühlings. Euere blüht noch, die meine ist jetzt zum Schatten verwelkt. Ein Gefangener wie ich es bin, hat in dem Garten der Hoffnungen und des Vergnügens nur eine Jahreszeit. Sein Garten gleicht jenen nicht, die im Sonnenschein und in freier anmuthiger, Luft gelegen sind. Ist einmal die Zeit des lachenden Frühlings verschwunden, hat man die Vorräthe gesammelt, dann ziehen auch die flüchtigen Schwärmer mit ihren goldenen Leibern, ihren schimmernden Fühlhörnern und Flügeln in die einsame Behausung zurück, oder sie verlassen den kalten, öden, verwüsteten Raum, um in andern Gegenden die Freuden des neu erwacheten Frühlings, den Duft neuer blühender Blumen zu genießen – — —«

»O welch unendliches Glück!«

Und Rosa spendete dem Gefangen ein bezauberndes Lächeln, das dieser aber gar nicht bemerkte, da er feine Augen gegen den Plafond des Kerkers erhoben hatte.

Dann fuhr er mit einem Seufzer fort:

»So habt auch Ihr mich theuere Rosa verlassen, um die verschiedenen Jahreszeiten Eueres Vergnügens zu suchen. Ihr thut sehr wohl daran, und ich darf mich darüber gar nicht beklagen, da ich kein Recht habe, von Euch Treue zu fordern.«

»Kein Recht habt Ihr, von mir Treue zu fordern? O Cornelius, wie sonderbar Ihr da sprecht, und bei diesen Worten, perlten die Thränen, die Rosa gar nicht zurückzuhalten bemüht war, in reichem Maße über die Wangen – »o sagt mir doch auch, bin ich Euch nicht treu gewesen?«

»Nennt Ihr das Treue, mich in meiner qualvollen Lage durch volle acht Tage allein zu lassen und beinahe dem Tode preis zu geben?«

»That ich aber während dieser Zeit nicht gerade das, was Euch am meisten Vergnügen verschafft, beschäftigte ich mich nicht unaufhörlich mit Euerer Tulpe?«

»Ihr seid hart und streng, sehr streng Rosa, indem Ihr mir immer die einzige Freude vorwerft, die ich bis jetzt aus dieser Welt hatte.«

»Nein, ich habe Euch nichts vorzuwerfen. Ihr machtet mir ja nur ein einziges Mal, und selbst da ganz unbewußt, einen tiefen Kummer. Es war jener schreckliche Tag, an dem Ihr zum Tode verurtheilt wurdet.«

»Aber dennoch sehe ich zu deutlich, meine theuere Rosa, daß Euch die Neigung, die ich für meine Blume habe, sehr mißfällt.«

»O nein, Herr Cornelius, nicht diese Neigung mißfällt mir, nein, nur der Umstand, daß Ihr sie mehr liebt, als mich.«

»Theuere, unendlich geliebte Rosa, seht mich an, seht meine zitternden Hände, mein trübes eingefallenes Auge, horcht aus den Schlag meines wogenden Herzens, fühlt das Beben der Muskeln – und ich habe doch in dem gegenwärtigen Augenblicke nicht die Tulpe vor mir, nein, ich sehe nur Euch, Euer mildes engelgleiches Antlitz, das mir freundlich entgegen lächelt, das sich freundlich zu mir herabneigt – dann kommt es mir auch so vor, als suchtet Ihr mit Euerer eigenen behenden Hand, obgleich diese stets zurückgezogen wird, die Meine, und ich fühle die Wärme Eures erquickenden Hauches, die Gluth der Wangen, zwischen diesen Eisenstäben hindurch. Rosa, theueres, himmlisches Mädchen, zerstört meinen Stolz, meine, Hoffnung, mein Alles, vernichtet die folgenreiche Knospe, zerstört den lieblich reizenden Traum, in dem ich bisher gewiegt, des Paradieses Seligkeit empfand – nehmt sie, nehmt sie hin diese Blume, die majestätische Gebieterin der herrlichen Blüthenwelt, macht was Ihr wollt mit ihr, ich besitze kein Recht mehr auf sie, da ich mich in jener Stunde, wo ich Euch sie zum Geschenke machte, auf ewig von ihr trennte – Aber Euere Schritte, das Rauschen Eueres Kleides, den erquickenden Athem, die himmlische Stimme, Euer erhabener tröstender Anblick, Euere belebende Gegenwart, o Rosa, die entzieht mir nicht; laßt mir das Feuer dieser majestätischen Augen, an deren Glanze ich mich labe, in derem Strahle mein Herz erwärmt, sich der süßen Hoffnung hingibt, von Euch geliebt zu werden – Ja Rosa, jetzt in diesem heiligen Augenblicke wage; ich es, Euch zu gestehen, daß ich nur Euch auf dieser Erde lieben kann.«

»Aber doch erst – — – nach Euerer Tulpe,« seufzte Rosa tief ergriffen, und gedankenlos überließ sie ihre zarten, am Gitter ruhenden Finger der zitternden Hand des Gefangenen, der seine Lippen mit Wärme und Innigkeit auf dieselben drückte.«

»Nein, nein, Rosa, vor allen Andern Euch.«

»Kann ich es glauben?«

»So wie Ihr auf die Allmacht des allgütigen Gottes glaubt.«

»Nun so will ich es denn annehmen, um so mehr, da Ihr durch diese Liebe gar nicht gebunden seid.«

»Ja wohl, ich bin es viel zu wenig – Ihr seid es wohl mehr?«

»Ich! und warum sollte ich gebunden sein?«

»Weil es Euch, unter solchen Verhältnissen unmöglich wird, eine Heirat zu schließen.«

Rosa lächelte.

»Ja, seht nun, da erkennt man Euch ganz, durch und durch. Ihr seid in irgend eine Schöne ganz verliebt, Ihr betet sie an, Ihr denkt an Nichts anderes als an das theuere Wesen, ja sogar zum Tode verurtheilt weiht Ihr der Ueberglücklichen noch den letzten Seufzer, und nun verlangt Ihr von mir, dem armen Mädchen, daß ich Euch meinen Ehrgeiz, alle meine Träume ebenfalls opfern soll.«

»Von wem spracht Ihr aber so eben, welche Schöne meintet Ihr« – fiel Cornelius dem Mädchen in die Rede, und zugleich bemühte er sich, in seinem Gedächtnisse ein Frauenzimmer ausfindig zumachen, auf welche Rosa’s Anspielung hindeutete.

»Ihr scheint mich nicht verstehen zu wollen. Ich

»meinte Niemand andern, als Euere schwarze Schönheit, die so schlank gewachsen mit dem zarten Kopfe, den kleinen Füßen und ihrem Ausdrucke voll Adel und Würde dasteht; kurz mit einem einzigen Worte, die Tulpe.«

Baerle lächelte.

»O das ist ja nur eine eingebildete Schönheit, die bloß in meiner Phantasie besteht, für die ich keine andere Empfindung, als die der Bewunderung besitze. Aber Ihr, wenn Euerm Gedächtnisse noch die reizenden Bilder vom Hang vorschweben, mit jener Unzahl von Officieren, Studenten, Kaufleuten und Handlungsdiener, seid Ihr nicht nahmhaften Versuchen und Gefahren ausgesetzt, befinden sich vielleicht in Löwenstein nicht dieselben Herrn, und zwar in gleicher Anzahl.«

»Errathen, ganz errathen, es gibt deren sehr viele hier.«

»Und alle schreiben?«

»Ich glaube wenigstens.«

»Aber Ihr könnt jetzt lesen.«

Ein abermaliger tiefer Seufzer, verrieth dem lauschenden Mädchen den Vorwurf, den Cornelius sich nunmehr darüber machte, die Hauptursache zu sein, daß Rosa nunmehr lesen könne.

»Lesen kann ich, und zwar durch Euere Güte, und während dem ich alle mir zukommenden Briefe der verschiedenen Liebhaber recht eifrig studiere und mir selbst diese vorstellen lasse, glaube ich Euerem eigenen Wunsche genau nachzukommen.«

»Meinem Wunsche?«

»Ganz gewiß. Ihr werdet doch auf das Testament nicht vergessen haben, daß Ihr in die Bibel Eueres armen Pathen auf das zweite Blatt schriebt. Ich kann dieses Testament nicht vergessen, denn seitdem ich lesen gelernt habe, lese ich es alle Tage, eins auch mehrere Male, und da finde ich denn, daß Ihr ausdrücklich verlangt, ich müsse einen jungen Mann, beiläufig zwischen sechs- oder achtundzwanzig Jahren lieben und heiraten. Unter Tags beschäftige ich mich unausgesetzt mit Euerer Tulpe, und es bleibt mir zur Befolgung Eueres Wunsches keine andere Zeit, als der Abend.«

»Rosa, das Testament war in jener Stunde gemacht, wo ich zum Tode gehen sollte. So blieb ich aber Gott sei Dank noch am Leben.«

»Gut also, ich werde diesen jungen Menschen, den Ihr so sehr verlangtet, gar nicht mehr aufsuchen, sondern jene diesem Vorhaben gewidmeten Stunden, bei Euch allein zubringen.«

»Ja, ja, theuere Rosa, kommt nur jeden Tag.«

»Ich komme; aber mit einer Bedingung«

»Ohne sie zu wissen, nehme ich Alles an.«

»Diese Bedingung besteht darin, daß wir durch volle drei Tage nicht von der schwarzen Tulpe sprechen.«

»Wenn Ihr es verlangt, so wollen wir gar nie mehr davon reden.«

»Halt – das glaube ich, hieße eben so viel, als das Unmögliche verlangen.«

Zugleich gedankenlos und unachtsam näherte das Mädchen die frische blühende Wange dem Gitter, und Cornelius, den Augenblick benützend, drückte einen glühenden Kuß auf dieselbe.

Rosa stieß wieder einen Schrei aus – aber nicht wie das erste Mal – es war ein Schrei voll liebender Empfindung und himmlischer Wonne.

VII.
Die zweite Zwiebelknospe

Diesem für Cornelius so glücklichen Abende, folgte eine schöne Nacht, die ein eben so herrlicher Frühlingsmorgen von der Erde verscheuchte.

 

Noch vor Kurzem war dem Gefangenen sein Kerker so trübe und düster, er drückte mit seiner ganzen Last auf ihn nieder. Schwarz waren die nackten kahlen Wände, von Sturmgewölk der Horizont umhüllt, kein freundlicher Sonnenstrahl hatte ihn beglückt.

Aber dieser Morgen war dagegen majestätisch schön.

Von einem ungetrübten, klaren blauen Himmel lächelte die Königin des Tages mild und freundlich zur stillen Erde nieder, ein sanfter Südwind erhob den Duft der Gräser, Blüthen und Blumen selbst in die höheren Regionen, Tauben durchschnitten mit ausgebreiteten Flügeln die Luft; während andere sich auf den Giebeln der Dächer in zarter Liebe einten und girrten.

Cornelius sprang auf, er eilte zum Fenster, er öffnete es, er sog den himmlischen Duft ein, der auch ihm ein neues Leben bot. Freundlich grüßte hoch in den Wolken eine schmetternde Lerche den erwachenden Tag, sie grüßte auch den Gefangenen, der sich ebenso frei und glücklich, wie die vor ihm ausgebreitete Natur fühlte.

In seinem Herzen blühte ja eine unvergängliche, Blume, eine Blume, der keine mehr aus dieser Erde gleicht: »Die Liebe.«

Gryphus kam wie gewöhnlich. Er staunte nicht wenig, als er seinen schwer krank gedachten Gefangenen außerhalb des Lagers fand, wie er eben eine fröhliche Arie trällerte.

Der Kerkermeister sah ihn lange von der Seite an.

Dann zuckte er die Achseln und begleitete diese Bewegung mit einem mürrischen: »hm.«

»Wie geht es heut, Meister Gryphus

Gryphus behielt seine frühere Stellung bei,« aber er antwortete nicht.

»Was macht die schöne Rosa, Euer Freund Jakob und der alte mürrische Hund, sind sie auch alle wohlauf?«

Der Kerkermeister verzog den Mund, so daß man die zwei Reihen starker weißer Zähne sehen konnte.

»Da ist Euer Morgenimbiß.«

»Dank Euch, Freundchen, Ihr kommt mir da eben zur rechten Zeit, denn ich verspüre einen außerordeutlichen Appetit.«

»Ah so, habt Ihr Appetit?«

»Warum sollte ich keinen haben?«

»Hm, hm, allem Anschein nach scheint Euer Complot schnell und günstig vorwärts zu schreiten.«

»Was für ein Complot?«

»Ganz gut, Ihr wißt es nicht – aber merkt Euch nur, daß ich wachsam, noch wachsamer als bisher sein werde.«

»Ganz wie Ihr wollt – bewacht mich Tag und Nacht, mein Complot und meine Person stehen ganz zu Euern Diensten.«

»Hm, ich hoffe, daß ich Euch davon schon zu Mittag überzeugen werde.«

Gryphus entfernte sich hierauf.

»Zu Mittag,« dachte Cornelius, »was meinte er wohl damit, nun wozu uns den Kopf zerbrechen, warten wir den Mittag ab, dann wird man es ja sehen.«

Den Mittag abzuwarten war für Baerle, der die neunte Stunde des Abends herbeiwünschte, eine Kleinigkeit.

Endlich schlug die verhängnißvolle gewitterschwangere Stunde. Man hörte Schritte auf der Treppe. Gryphus konnte darnach zu urtheilen, unmöglich allein sein, er mußte mehrere Begleiter haben.

Die Thüre wurde geöffnet, der Kerkermeister trat ein, und hinter ihm drei Soldaten. Gryphuss schloß sodann die Thüre.

»Jetzt ans Werk – wir wollen vorläufig suchen.

Zuerst wurde Cornelius bis auf den Leib visitirt.

Man fand Nichts.

Dann begann die Untersuchung seiner Bettstelle, Leintücher, Matratze und Strohsack wurde herabgeworfen.

Das Resultat dieser Bemühung war dasselbe.

Baerle wünschte sich im Stillen Glück, die dritte Tulpenzwiebel nicht bei sich verborgen zu haben, denn selbst in dem glücklichst gewählten Schlupfwinkel wäre sie dieser inquisitorischen Untersuchung nicht entgangen, und rettungslos vernichtet worden.

Aber man hat gewiß noch nie einen Gefangenen bei einem derartigen gerichtlichen Arte, heiterer und fröhlicher gesehen, als es diesmal Cornelius war. Die einzige Trophäe, die der Kerkermeister bei seiner ruhmvollen Unternehmung erbeutete, war die Bleifeder und drei oder vier Blätter Papier, die der Gefangene durch Rosa erhalten hatte.

Gryphus kam um die sechste Stunde wieder, aber allein. Er wich Baerle, der ihn zu besänftigen suchte, scheu aus, wandte ihm nie den Rücken, und deutete bloß mit der Hand auf einem Haken, den er im Mundwinkel hielt, kurz sein ganzes Benehmen deutete darauf hin, daß er einen Ueberfall fürchte, und sich dagegen sichern wolle. Cornelius lachte laut auf.

Der Kerkermeister schien darüber erboßt zu sein, erschlug die Thüre rasch zu und rief nur durch das Gitter.

»Lacht immerhin, wer zuletzt lacht, lacht aber am Besten.«

Für diesen Abend schien wenigstens Cornelius derjenige zu sein, der zuletzt lachen sollte, denn er erwartete Rosa.

Um die neunte Stunde kam sie wie gewöhnlich, vorsichtig und leise – diesmal ohne Lampe – wozu hätte sie diese auch nöthig gehabt, sie konnte ja schon lesen.

Dann hätte das Licht auch ganz gewiß einen Verräther abgeben können.

Außerdem sah man Rosa's Erröthen zu deutlich, und das Mädchen erröthete oft.

Aber womit unterhielten sich die jungen Leute an diesem Abende? Mit denselben Gegenständen, über die in Frankreich Verliebte an den Schwellen der Thore, in Spanien und Italien von einem Balkon zum andern, und im Orient von den Höhen der Terrassen zu sprechen pflegen.

Dies waren demnach Gegenstände, bei welchen die Stunden im Sturmschritte davon eilen und welche den Flügeln der Zeit neue Spannkraft verleihen.

Und so sprachen sie über Alles und von Allem, nur von der schwarzen Tulpe nicht.

Dann gingen sie wie gewöhnlich auseinander, nachdem die zehnte Stunde geschlagen hatte.

Baerle war glücklich, ganz glücklich, so selig als es ein Tulpenfreund nur immer sein kann, zu dem man nichts von seiner Lieblingsblume spricht.

Er entdeckte jedes mal an Rosa neue entzückende Eigenschaften.

So fand er sie nicht nur hübsch, wie man gewöhnlich jede Geliebte zu finden pflegt, er sah auch, daß sie gut, hold und liebenswürdig war.

Warum aber hatte Rosa verboten, von der Tulpe zu sprechen?

In dieser Beziehung besaß sie also einen großen Fehler.

Auch Baerle gestand sich in tiefes Nachdenken versunken, daß das Weib doch niemals ganz vollkommen sein könne.

Den größten Theil der Nacht dachte er über diese sonderbare Schwäche nach; aber es dünkt uns, bloß darum, weil damit unmittelbar das Denken an Rosa verbunden war. Endlich schlief er ein. Und im Traum schwebte wieder ihre entzückende Gestalt vor seinen Augen.

Aber das Mädchen der Träume war unendlich vollkommner, als jenes der Wirklichkeit: denn diese Rosa unterhielt sich mit ihm nicht nur unausgesetzt über die schwarze Tulpe, sie brachte ihm sogar diese herrliche Blume in einer reich vergoldeten Urne.

Cornelius fuhr vor Freude zitternd empor – »Rosa, Rosa,« rief er, »ich liebe Dich ewig.«

Und als er die Täuschung wahrnehmend seine Augen öffnete, sah er, daß es bereits heller Tag geworden war.

Er fand es, demnach der Ordnung gemäß, nothwendig, aufzustehen.«

Aber den ganzen Tag verließ ihn die Erinnerung an den entzückenden Traum nicht mehr.

O, wenn doch nur Rosa diese Bedingung nicht gemacht, wenn sie sich nur hätte entschließen können, von der schwarzen Tulpe zu sprechen, Cornelius hätte sie, einer Semiramis, Cleopatra, Elisabeth, ja selbst Anna von Oesterreich vorgezogen, d. h., er hätte sie höher geschätzt, als diese mächtigsten und schönsten Regentinnen ihrer Zeit.

Aber das Mädchen hatte unter Androhung nicht Wiederzuerscheinen jede Erwähnung der schwarzen Tulpe verboten, und innerhalb drei Tagen sollte Baerle diesem Befehle genau nachkommen

Diese drei Tage bestanden nach einer ganz richtigen Rechnung aus zwei und siebzig Stunden. Dem Geliebten waren sie zwar gegönnt, dem Tulpenfreunde hingegen ganz genommen; aber in dem gegenwärtigen Augenblicke waren ja bereits sechs und dreißig Stunden glücklich überstanden.

Die andere Hälfte konnte eben so leicht in zwei gleiche Theile zerlegt werden. Dann kamen achtzehn Stunden auf die Erwartung, und der ganze Rest wurde der Erinnerung gewidmet.

Um die bestimmte Stunde kam Rosa wieder. Wenn nun das Mädchen einerseits ihrem gegebenen Versprechen glücklich nachkam, so ertrug Cornelius andererseits seine Buße mit stoischem Gleichmuthe. Ueberhaupt beurkundete Baerle in dieser Beziehung eine seltene Geistesstärke, und wenn man ihm gestattet hätte, täglich nur einen kleinen Augenblick von seiner Blume sprechen zu dürfen, wäre er durch volle fünf Jahre im Stande gewesen, gar keinen andern Gegenstand zu berühren.

Aber Rosa begriff auch sehr gut, daß Nachgiebigkeit in den meisten Fällen bessere Früchte trägt, als das unabänderliche Festhalten an einen oft in der Uebereilung aufgestellten Vorsatz Und darum gestattete sie dem Gefangenen, ihre Hand und das glänzende Haar durch das Thürgitter zu küssen.

Armes unschuldiges Mädchen, sie ahnte in der Reinheit ihrer Seele nicht, daß diese an und für sich unbedeutenden Zugeständnisse gefährlicher als die Unterhaltung über die Tulpe waren.

Aber bald sah sie es ein. In ihre Wohnung an jenem Abende zurückkehrend, wußte sie sich keine Rechenschaft über die innere Aufregung, die brennenden Lippen, die glühenden Wangen und feuchten Augen zu geben. Sie faßte daher einen Entschluß, sie wollte sie durfte nicht länger mehr zögern. Als am nächsten Abende die ersten Liebkosungen vorüber waren, sprach sie:

»Sie ist emporgekommen.«

»Wer, wer ist emporgekommen?« rief Cornelius, der es gar nicht zu glauben wagte, Rosa selbst habe die Absicht, seine Prüfungszeit abzukürzen.

»Euere Tulpe!«

»Meine Tulpe, o Rosa, es ist mir also gestattet?«

»Wie ihr seht, ja« – erwiderte Rosa gleich einer liebenden Mutter, welche die Absicht hat, ihrem Kinde eine große Ueberraschung zu bereiten.

»Rosa, theuere Rosa,« rief Cornelius, und zugleich bemühte er sich, mit seinem Munde weiter durch das Gitter vorzudringen. Er hoffte ja, die Hand, eine Wange oder das Haar zu berühren. Wer malt seine Wonne, er erreichte mehr als er jemals ahnte, denn zwei brennende Lippen begegneten sich in einem langen feurigen Kuße. Rosa erschrack und schrie – aber wer kennt einen solchen Schrei nicht?«

Baerle kannte ihn nicht. Er glaubte das Mädchen zu sehr erschreckt zu haben, und beeilte sich nunmehr, die unterbrochene Unterhaltung wieder anzuknüpfen.

»Wie ist sie emporgekommen, gerade und schlank?«

»So gerade wie eine meiner Spindeln!« »

»Wie hoch mag sie sein?«

»Im mindesten zwei Zoll.«

»Liebe, theuere Rosa, nochmals bitte ich Euch, alle Sorgfalt ganz auf die Blume zu verwenden, und Ihr werdet sehen, wie schnell sie wächst.«

»Ist denn noch eine größere Sorgfalt möglich, ich denke ja Tag und Nacht nur an sie.«

»Wie Rosa, – was sagtet Ihr, nur an sie – jetzt wird die Reihe zu klagen an mich kommen.«

»Niemals, denn Ihr wißt ja nur zu gut, daß die Erinnerung an die Blume unmittelbar jene an Euch in sich schließt. Aber darum weiche ich auch keinen Augenblick von ihr. Wenn ich des Morgens mich erhebe, erhält sie den ersten freundlichen Gruß, wenn ich mich des Abends zu Bette lege, rufe ich ihr das letzte Lebewohl zu. Arbeite ich auf meinem Zimmer, so sitze ich ganz nahe bei ihr, und dies geschieht nun alle Tage, da ich seit jener Stunde, wo sie in meiner Kammer steht, auch, nur dort zu weilen pflege.«

»Ihr thut ganz wohl daran, Rosa, die Blume ist Euere Mitgift, das wisset Ihr.«

»Ganz gut, und mit ihrer Hilfe soll ich ja einen jungen Mann finden, den ich lieben und heiraten werde.«

»O schweigt – —«

Und in diesem Augenblicke gelang es Cornelius die zarte Hand am Gitter zu erfassen und sie an seine Lippen zu drücken, wodurch zwar an dem Gegenstande der Unterhaltung keine Abänderung erfolgte, aber doch eine kleine, ganz ruhige Pause eintrat.

An diesem Abende fühlte sich Cornelius in den Himmel der Seligkeit erhoben. Rosa überließ ihm ihrer Hand so lange er dieselbe halten und küssen wollte, und außerdem war es ihm gestattet, von seiner Tulpe zusprechen.«

Aber mit diesem Tage schritt sowohl die Liebe wie auch die Blume mächtig vorwärts.

Wir wollen die Letztere verfolgen. Da kamen denn zuerst die Blätter, dann hatten sich dieselben geöffnet, endlich erschien die Blume langsam und zuletzt ein Knoten, den sie angesetzt hatte.

Bei dieser letzten Nachricht überhäufte der Gefangene Rosa mit einer solchen Menge rasch nach einander folgenden Fragen, daß ihm diese kaum genügend antworten konnte.

»Einen Knoten hat sie, sagtet Ihr?«

 

»Ja, sie hat einen Knoten angesetzt.«

Cornelius war nicht fähig seine Freude zu bemeistern, er hielt sich mit zitternden Händen an dem Gitterfenster.

»O mein Gott!« rief er.

Dann wendete er sich rasch zu Rosa.

»Ist der Knoten regelmäßig, voll, und sind die Triebe grün?«

»Der Knoten ist ganz regelmäßig oval geformt, er ist ungefähr einen Zoll stark, und fädelt sich in die feinste Spitze aus, der Cylinder schwellt bereits zu beiden Seiten, und die Triebe sind gerade auf dem Punkte, sich zu öffnen.

Die ganze Nacht hindurch schlief Cornelius beinahe gar nicht, denn diese Nacht barg den entscheidenden Zeitpunkt, indem sich die Triebe öffnen mußten.

Am zweiten Tage, brachte ihm Rosa die Nachricht, daß sie bereits geöffnet wären. s

»Wie Rosa, geöffnet – ist sie, die Hülle ist geborsten, o dann kann man gewiß schon unterscheiden – —«

Und Cornelius stockte, von der höchsten Erwartung ergriffen.

»Ja, man ist bereits im Stande ein Netz von verschiedenen, mannigfaltigen Farben zu unterscheiden, die jede zart wie ein Haar ist.«

»Aber die Hauptfarbe, die Grundfarbe?«

»O, die ist dunkel, sehr dunkel.»

»Vielleicht braun?»

»Nein, viel dunkler.«

»Dunkler, viel dunkler, o ich danke, danke Euch, ja ich weiß, ich fühle es, sie ist gewiß so dunkel, wie Ebenholz?«

»Gerade so wie die Tinte, mit welcher ich Euch, schrieb.«

Baerle stieß einen Schrei aus – es war wohl schwer zu unterscheiden, ob dieser Freude oder Abwesenheit des Geistes beurkunden sollte.

Plötzlich ward er ernst und still, er faltete die Hände.

»Rosa,« sprach er, »es gibt keinen Engel, der mit Euch verglichen werden kann.«

»So? glaubt Ihr?« erwiderte das Mädchen mit; himmlichem Lächeln.

»Ihr habt für mich so unendlich viel gearbeitet und gethan, Alles was ich nur wünschen durfte. Meine Tulpe wird erblühn, sie wird schwarz, schwarz wie das Ebenholz erglänzen, und dies durch Euch, durch Euch Rosa – aber darum seid Ihr auch das vollkommenste Wesen auf dieser Erde —«

»Erst nach Euerer Tulpe.«

»Also habt Ihr noch immer kein Mitleid mit mir, so liegt es unverändert in Euerer Absicht, mir jede kleine Freude zu verbittern. O macht mir keine derartigen Bemerkungen mehr, das müßt Ihr mir versprechen.«

Rosa schwieg aber und lächelte.

Nach einer Pause fuhr Cornelius fort:

»Die Tulpe hat, nach Euerer letzten Mittheilung bereits so bedeutende Fortschritte gemacht, daß sie in längstens zwei bis drei Tagen vollständig erblühen muß.«

»Ich glaube daß dieß schon Morgen oder längstens Uebermorgen geschehen dürfte.«

»O mein Gott! und welche Freude werde ich dabei empfinden? Keine, gar keine, denn ich kann, ich darf sie nicht sehen, ich werde sie nicht wie das erhabenste göttliche Geschenk, wie ein Wunder des Himmels an mein Herz an meine Lippen drücken, so wie ich mit Innigkeit Euere Hand Rosa, Euere Haare oder die Wange küsse, wenn zufällig eines oder das andere dem Gitter näher kommt.«

Und Rosa legte diesmal ihre Wange ganz dicht an das Gitterfenster.

Cornelius hatte diese mehr absichtlich als zufällige Bewegung gefühlt, er drückte seine brennenden Lippen, wie er vorher gesagt, mit voller Innigkeit darauf.

»Wenn Ihr es wollt« sprach Rosa, »wenn es Euch überhaupt darum zu thun ist, die Blume zu sehen und zu küssen, so kann ich sie ja pflücken und Euch bringen.«

»Nein, nein, meine Rosa, um Gotteswillen, begeht dies ungeheuere Verbrechen nicht. Sobald sie sich geöffnet hat, suchet einen schattichten Ort, auf den Ihr sie hinstellt, dann machet aber auch unverzüglich die Anzeige nach Harlem und berichtet dem dort befindlichen Präsidenten der Gartenbaugesellschaft, daß das von derselben ausgeschriebene Preisstück die große schwarze Tulpe erblühe. Die Stadt ist weit, in unseren jetzigen Verhältnissen sogar sehr weit, aber es wird Euch dennoch unzweifelbar gelingen, einen verläßlichen Boten zu finden. Besitzt Ihr Geld, Rosa

Das Mädchen lächelte abermals.

»Ja,« sagte sie nach einer kleinen Pause.

»Wird es aber hinreichen?«

»Mein ganzes erspartes Vermögen besteht aus dreihundert Gulden.«

»Wie, dreihundert Gulden habt Ihr? Das ist ja ein ganzer Schatz, mit diesem ausgerüstet braucht Ihr keinen Boten zu schicken, Ihr könnt selbst nach Harlem gehen.«

»Was geschieht während meiner Abwesenheit mit Euerer Blume?«

»Mit der Blume, ja glaubt Ihr, Euch von derselben zu trennen, o nein, das dürft Ihr nicht, Ihr seid ja deren Mutter, sie kann in keinem Augenblicke von Eurer Seite kommen.«

»Von einem theuern Gegenstande muß ich mich aber dennoch trennen. Ist es die Blume nicht, so seid Ihr es.«

»O wie sehr drückt mich erst in diesem Augenblicke meine Gefangenschaft, wie klar erkenne ich nunmehr die Niederträchtigkeit der Menschen, die mir, dem schuldloseen Wesen, auf so schändliche Art die Freiheit raubten. Ja, Ihr habt auch wieder Recht Rosa, von Euch kann ich mich eben so wenig trennen, als Ihr es von der Tulpe thun dürft. Sendet daher nur einen Boten nach Harlem. Die Erscheinung ist an und für sich so großartig und wunderbar, daß der Präsident gewiß, der Mittheilung kaum Glauben schenkend, persönlich kommen wird, das Unerhörte mit eigenen Augen zu sehen, ja, ja, gewiß, er wird die Tulpe in Löwenstein aufsuchen.«

Dann schwieg aber Cornelius plötzlich stille, ein trüber Gedanke schien seine Seele zu erfassen, die Stirne umdüsterten mächtige Wolken.

»Rosa,« sprach er nach einigen Minuten, »Rosa, wenn aber die Blume nicht schwarz würde?«

»Das sollt Ihr mit voller Gewißheit, Morgen oder Uebermorgen Abends wissen.«

»So lange soll ich warten. Bis auf den Abend, das ist ja ein unendlicher Zeitraum, ich werde ihn kaum überleben. Rosa, könnten wir nicht ein Zeichen für den Tag verabreden.«

»Nun so will ich es noch bedeutend besser machen.«

»Was seid Ihr gesonnen zu thun?«

»Wenn sich die Blume in der Nacht öffnet, so werde ich, sobald dies geschehen ist, heraufeilen und Euch hiervon benachrichtigen. Sollte es hingegen während des Tages geschehen, so gebt nur genau auf die Thüre acht, Ihr werdet dann zwischen der zweiten und dritten Inspection meines Vaters, in einer Fuge derselben ein Brieflein finden«

»O Rosa, wie gut, wie edel und vernünftig Ihr seid. Ja ich gestehe es Euch aber auch, ein Wort aus Euerm Munde und von meiner Tulpe, ist für mich ein doppeltes Glück.«

»Hört Ihr Cornelius, so eben schlägt es zehn Uhr, ich muß Euch verlassen.«

»Ja, ja, Rosa, ich fühle es, Ihr müßt gehen – geht denn, geht zu unserer Tulpe.«

Rosa ging, aber ihr Köpfchen sank traurig auf die Brust herab.

Sie hatte die letzten Worte des Gefangenen zu klar, zu deutlich aufgefaßt, er hatte Ihr so zu sagen den Befehl ertheilt, sich zu entfernen.

»Und warum?«

»Bloß der Tulpe wegen?«

Rosa fragte sich im Stillen:

»Ist es aber auch wahr, daß er mich nur fort sandte, um seine Tulpe zu überwachen?«