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Die schwarze Tulpe

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V.
Die Frau und die Blume

Rosa hatte sich in ihr Zimmer eingeschlossen, sie konnte daher nicht wissen, wovon Cornelius träumte.

Und wenn sie sich seine letzten Worte in das Gedächtniß zurückrief, war sie vielleicht geneigt zu glauben, er träume eher von seiner Tulpe, als von ihr.

So diesem Ideengange hingegeben, von der vorgefaßten Meinung ganz durchdrungen, Niemanden zur Seite, dem sie ihr Herz offen mittheilen, und in tröstenden Worten hatte Ruhe finden können, entleerte sich die Angst ihrer Seele, in einem heftigen Thränenstrome.

Rosa war nicht nur ein empfindsames, tieffühlendes Wesen, sie verband mit diesen beiden Eigenschaften zugleich, einen denkenden Geist, und eine bisher aufgeweckte heitere Stimmung. Als sie sich daher in dem bezeichneten Augenblicke Rechenschaft über ihr Thun und Lassen, über die Größe der so unerwartet und tief gewurzelten Empfindung gab, verfiel ihr, Denken auch auf die Stellung im gesellschaftlichen Leben.

Baerle war gelehrt und reich. Wenn man ihm auch seine Güter konfiscirt hatte, so konnten diese auch an jedem Tage wieder zurückgegeben werden. Dann stammte er aus einer jener alten Handelsfamilien ab, die damals ihre Firmen wappenartig zusammenstellten und auf den Namen stolzer waren, als es mancher Adelige auf seinen ganzen Stammbaum sein konnte. Von diesem Gesichtspunkte betrachtet schien es ihr ganz erklärbar daß der Gefangene sie in den trüben Stunden seines Alleinseins zu einem Gegenstande der Zerstreuung auserkoren habe, wenn es sich aber darum handelte sein Herz zu vergeben, dann erhielt die Tulpe in seinen Augen die edelste und erhabenste der Blumen, den Vorzug, während die Tochter des rohen und gemeinen Kerkermeisters, ein Kind aus der Hefe des Volks beschämt in den Hintergrund treten mußte. Dieses Nachdenken erweckte in dem Mädchen die Ueberzeugung, daß die Tulpe für Cornelius einen höheren Werth als sie selbst haben müsse, und diese Ueberzeugung machte sie nur um so betrübter und verzweifelter.

In dieser schrecklichen Nacht, wo auch sie kein Auge schloß, und unruhig von trüben Träumen gequält auf ihrem Lager sehnsuchtsvoll den grauenden Morgen erwartete, faßte sie zugleich einen festen Entschluß.

Er bestand darin, nie wieder an das Thürgitter zu gehen.

Aber den Gefangenen, dessen glühendes Verlangen sie kannte, Nachrichten über seine Tulpe zu erhalten, diesen ohnehin unglücklichen Menschen ganz ohne allen Trost zu lassen, war eine Gewissenssache. Das fühlte sie, einen Augenblick schwankte ihr Entschluß, als sie sich aber noch ein Mal die ganze Vergangenheit, ausmalte, als sie langsam gewahr wurde, wie aus dem bloßen Mitleiden, das Anfangs ihre Seele erfaßte, sich eine innere, höhere Empfindung gestaltet hatte, die gerade jetzt hart an den Grenzen der Liebe stand, da wurde der gefaßte Entschluß unwiderruflich bekräftigt. Sie konnte ja auf einem andern Wege dem Gefangenen jene Nachrichten, die seine Ruhe begründeten, zukommen lassen. Im Schreiben und Lesen war sie nämlich bereits so weit vorgerückt, daß sie ihre Uebungen ganz ohne Lehrmeister fortsetzen konnte, und sich auch nur dann einen gewunschen haben wurde, wenn, er Cornelius geheißen hatte. Rosa nahm mit allem Eifer die Bibel des armen Cornelius von, Witt zur Hand, und begann darin zu lesen. Da aber das erste Blatt, wie wir wissen, ausgerissen war, fiel ihr Auge unmittelbar auf das Nächstfolgende, und hier buchstabirte und entzifferte sie langsam Baerles Testament.

Sie las es nochmals, sie las es so lange, bis dasselbe ihrem Gedächtnisse beinahe ganz eingeprägt war. Jedes mal entrollte aber dem feuchten Auge eine Thräne, es war dieß ein himmlischer Thautropfen, eine Perle der Liebe, die auf den bleichen Wangen gleich einem glänzenden Edelsteine wiederstrahlte.

Ach! seufzte sie dann, damals dachte ich, er liebe mich.

Und wie sehr täuschte sich Rosa in ihrer Voraussetzung. Nie noch war bis zu diesem Augenblicke Baerle’s Empfindung für sie so mächtig hoch gestiegen, daß in dem Kampfe, zwischen der Liebe für das Mädchen, und jenem für seine Tulpe, die erstere den Sieg davontrug.

»Aber Rosa hatte, wie wir dies bereits erwähnten, von dem Siege gar keine Ahnung. Nach Beendigung der ersten allein zugebrachten Uebungsstunde im Lesen, machte sich Rosa eben so eifrig zum Schreiben.

Rosa hatte aber an jenem Tage, an dem Cornelius so unvorsichtig war, ihr sein ganzes Herz zu enthüllen, solche Fortschritte im Schreiben gemacht, daß sie mit Gewißheit hoffte, ihm in acht Tagen auf diesem Wege eine Nachricht über seine Tulpe zukommen zu lassen.

Von allen Aufträgen, die er ihr ertheilte, hatte; Rosa nicht ein Wörtchen vergessen, um so mehr, da sie selbst jene freundschaftlichen Bitten, die der Gefangene, an ihr mildes Herz stellte immer für Befehle hielt, denen sie unverweilt nachkam.«

Auch Cornelius erwachte nach einem mehr ermüdenden, als erquickenden Schlummer, erwachte mit einer Empfindung, die endlich zum höchsten Grade erreichbarer Vollkommenheit gesteigert worden war. Noch schwebte die Tulpe vor seinen Augen, aber sie war nicht mehr der Gegenstand, der sein Inneres ganz und befriedigend ausfüllen konnte, er betrachtete sie nur als eine glänzende, majestätische Gabe der Natur, die darum von ihm vervollkommnt wurde, daß er Rosa, die neue Gebieterin seines Herzens mit ihr schmücken könne.

Aber dessen ungeachtet quälte ihn eine unerklärbare Beklommenheit den ganzen Tag hindurch. Stark am Geiste, glich er jenen Menschen, welche die in der Seele vorhergeahnte Gefahr für Augenblicke vergessen können, um, wenn ein Mal das Vorurtheil besiegt ist, ruhig wieder ihren Lebenspfad zu verfolgen. Mag dann auch das entschwundene Ungemach oder dessen wie immer geartete Folge, manchmal den Träumenden in seiner Ruhe stören, er fährt empor, er sieht mit kaltem Blicke um sich, er gewahrt das Hinderniß nicht, das Bild des Vergangenen erscheint vor dem fragenden Blicke, und da tust er bloß verächtlich:

»Also das war es.«

Bei Cornelius erstand diese Beklommenheit durch die Furcht, daß Rosa an diesem Abende nicht erscheinen dürfte.

Und je mehr die Nacht vorrückte, desto stärker und mächtiger wurde diese Furcht, welche Cornelius ganzes Wesens, sein Inneres, sein Herz, seine Seele erfüllte.

Er begrüßte die herannahende Dunkelheit mit freudiger Miene, noch gestalteten sich seine Erwartungen so, daß er eine angenehme Ueberraschung hoffte. Aber in diesem Augenblicke schien es ihm auch unerklärbar, wie er am vorhergehenden Tage zu Rosa sagen konnte, seiner Tulpe wegen ihn zu opfern. Es wurde ihm klar, daß in jener Minute der aufgeregtesten Leidenschaft, er seiner Sinne nicht mächtig war, und vergessen hatte, daß Rosa’s Gegenwart eine unbedingte Nothwendigkeit seines Lebens geworden war.«

Cornelius hörte von seinem Gefängnisse jedes mal den Schlag der Thurmuhr ganz genau. Diesmal saß er, in sein Nachdenken vertieft, an der Thüre, er horchte gespannt und aufmerksam. Es schlug sieben, nach einer, ihm eine Ewigkeit dünkenden Zeit, acht, und endlich neun Uhr; und wie der, letzte Schlag der genannten Stunde verhallte, da fuhr seine zitternde Hand nach dem pochenden, beklommenen Herzen, gleichsam als wolle sie dessen Schläge dämpfen.«

Rosa’s Schritte, das Rauschen ihres Kleides war ihm schon so bekannt, daß er es« gewöhnlich von der Ferne vernahm. Dann pflegte er wonnetrunken zu rufen:

»Ach! Da kommt sie.«

»So wartete er auch diesmal, nur mehr ergriffen, und gespannt. Aber alles vergeblich, nicht das leiseste Geräusch störte die Ruhe der finstern Nacht. Es. schlug ein Viertel, dann ein Halb, drei Viertel, und endlich verkündete der schwere, dumpfe, weithin in der Luft erzitternde Ton, nicht nur dem Gefangenen, sondern auch den Bewohnern Löwensteins, daß es zehn Uhr sei.

»Zu dieser Stunde pflegte Rosa gewöhnlich fortzugehen – und heut’ war sie noch gar nicht gekommen.

Seine Ahnungen hatten sich verwirklicht, Rosa zürnte ihm und blieb auf ihrem Zimmer.

»Ja,« rief Cornelius, »es geschieht mir ganz recht, ich habe diese Rache verdient. Rosa wird nicht kommen, ganz gewiß nicht, und ich darf ihr dieserwegen gar nicht böse sein, da ich an ihrer Stelle auch so handeln würde.«

Aber wer kennt den schwachen Menschen nicht. Cornelius horchte trotzdem mit der größten Spannung, er hoffte noch immer.

So kam die Mitternacht; jetzt gab er jede Hoffnung auf, und warf sich angekleidet, wie er war, auf sein Lager.

Auch diese Nacht war lange, öde und traurig, da selbst der nächste Morgen keinen Trost, keine Ruhe zu bringen versprach.

Um die achte Stunde vernahm Cornelius des Kerkermeisters schweren Schritt – die Thüre ward geöffnet, Gryphus trat ein, aber Baerle fand es nicht der Mühe werth, ihn auch nur eines Blickes zu würdigen.

Aber wie gerne hätte er dennoch den rohen, gemeinen Menschen nach Rosa gefragt.

Schon war-er daran, diese Frage zu stellen. Einen Augenblick fand er sogar nichts Sonderbares darin, und erwartete mit Gewißheit, der Vater würde antworten, daß Rosa krank sei.

Eine ruhigere Ueberlegung vereitelte hingegen diesen Entschluß. Unter Tags pflegte das Mädchen nie zu kommen, daran lag daher auch nichts Außerordentliches, es mußte abermals der Abend abgewartet werden. Aber wo war Baerle’s Ruhe und Kaltblütigkeit hin, wenn selbst dieses reife Nachdenken nicht hinreichte, ihn ganz zu trösten, denn kaum schloß Gryphus sich entfernend, die Thüre, so sprang er hastig von seinem Bette auf, stürzte zur Thüre und horchte mit der größten Beklommenheit. Er gab sich also der eitlen Hoffnung hin, Rosa könne vielleicht die gewöhnlichen Stunden ihres Besuches abgeändert haben, und unter Tags erscheinen.«

 

»Als Gryphus seine zweite Visite abhielt, konnte sich Cornelius dennoch nicht enthalten, ihn mit der ihm eigenen sanften Stimme nach seinem Befinden zu fragen. Der Kerkermeister antwortete kurz:

»Recht gut—«

Beim dritten Erscheinen seines Peinigers änderte Baerle die Form der Frage:

»Befindet sich Niemand krank auf dem Löwensteine?«

Aber noch roher und barscher als das erste Mal schlug der Gefangenenwärter mit der einfachen Antwort: »Niemand —« die Thüre zu und entfernte sich rasch. Er war an solche Artigkeiten von Seite des Gefangenen bisher nicht gewöhnt, und fand in ihnen nur die Grundlagen eines wohl vorbereiteten Bestechungsversuches.

Cornelius war wieder allein. Die siebente Stunde des Abends hatte bereits geschlagen, langsam kehrten dieselben Qualen, wie Tags vorher zurück, sie steigerten sich, je mehr die Hoffnungsstunde nahte.

Aber so wie Tags zuvor, eilten die Stunden dahin, der heiß ersehnte Gegenstand kam nicht. Das Gitterfenster, an welchem Rosa s himmlisches Antlitz sonst einem Sterne gleich erglänzte, den düsteren Raum erhellend, blieb abermals verschlossen, alle Hoffnung, alle Erwartung war vernichtet.

Baerle brachte die Nacht in der schrecklichsten Verzweiflung zu, immer schwebte ihm des Kerkermeisters Gestalt vor Augen, und mit dieser Erscheinung verband sich der Glaube, daß er nur allein Ursache an dem Ausbleiben seiner Tochter sein könne.

Dieses Nachsinnen verwandelte den bloßen Glauben zur unumstößlichen Gewißheit, und erzeigte ein Gefühl der Rache in Baerles Brust, das er bisher noch nicht gekannt hatte.«

Von der wildesten Begierde erfaßt, war er in einem Augenblicke gänzlicher Besinnungslosigkeit nahe daran, den Kerkermeister zu überfallen und mit Hilfe seiner überwiegenden jugendlichen Kraft zu erdrosseln. Aber der Gedanke, daß Rosa dann sowohl durch menschliche als göttliche Gesetze von ihm auf ewig getrennt sein würde, hielt ihm von dem entsetzlichen Vorhaben zurück.

Gryphus entkam auf diese Art einer Gefahr die er zwar nicht kannte, die aber seinen sichern Untergang herbeigeführt hätte.

An diesem Abende verwandelte sich die Verzweiflung des Gefangenen in Melancholie; jene trübe düstere Stimmung, die oft als eine unheilvolle Lebensgefährtin ihr erwähltes Opfer bis zum Grabe nicht verläßt.

Bei Cornelius wurde sie umso düsterer und trüber, da sich zwischen die Erinnerung an Rosa auch jene an seine Tulpe mengte. Es war gerade jener Zeitpunkt gekommen, den die erfahrensten Gärtner als den geeignetesten zum pflanzen der Tulpenzwiebel betrachteten, Mitte April nämlich. Gerade bei der letzten Zusammenkunst hatte Cornelius zu Rosa gesagt:

Morgen werde ich Euch den Tag bestimmen, an dem ihr die schwarze Tulpe in die vorbereitete Rabatte setzen müßt.«

Und Rosa kam seit jenem Abend nicht wieder.

Dazu war gerade die Witterung günstig, die Luft obwohl noch ein wenig feucht, »wurde durch die blassen Strahlen der Aprilsonne doch schon in so weit temperiert, daß sie der Blume bei ihrem ersten Emporkeimen äußerst dienlich war.

Welcher Schmerz, welche getäuschte Erwartung stand also Cornelius noch bevor?

Wie leicht konnte die Knospe zu früh oder zu spät gepflanzt werden? Dann gesellte sich zu dem Schmerze über den Verlust des theuern Mädchens auch jener der herrlichen Blume, des Gegenstandes von Ruhm und Auszeichnung.

Diese qualvolle Empfindung, diese marternde Ungewißheit genügte wohl vollkommen, dem Wesen, das sie erfaßt hatte, jeden Appetit zu benehmen.

In dieser Situation erschien der vierte Tag.

Die Sonne funkelte freundlich vom klaren blauen Frühlingshimmel in das dumpfe Gemach des Unglücklichen. Wohin war in dieser kurzen Zeit die üppige jugendliche Kraft dieses Mannes gewichen? Bleich, abgezehrt und entkräftet, das Auge matt und tief eingesunken, stand er nun ein Bild des Jammers da.

Aber er begrüßte dennoch den freundlichen Morgen.Er eilte zum Fenster, er öffnete es, und ohne zu berücksichtigen, daß er den Kopf vielleicht nicht wieder werde zurückziehen können, drückte er diesen zwischen den schmalen Gitterstäben durch.

Dann spähte sein forschendes, neu aufflammendes Auge nach jener Richtung, wo Rosas Garten liegen mußte. Eine Hoffnung, ein seeliger Gedanke durchzuckte ihn, er glaubte gewiß, entweder sie, die erhabenste Blüthe seines Herzens, oder die ersten Keime der schönen Tulpe zu entdecken.

An demselben Abende trug der Kerkermeister das Frühstück und Mittagsmal des Gefangenen fort, er hatte kaum etwas davon berührt.

Am andern Tage blieb Cornelius unausgesetzt in seinem Bette, und ließ die ihm gebrachten Speisen unangetastet stehen, so daß sie der Kerkermeister abermals forttrug.

Gryphus kam mit den vollen Schalen aus sein Zimmer.

»So,« sagte er, »jetzt erst bin ich ganz zufrieden, denn allem Anscheine nach, werden wir bald des Gelehrten los werden.«

Rosa schrack mächtig zusammen.

»Wie meint Ihr das?« fragte Jakob.

»Seit vorgestern ißt und trinkt er Nichts und steht auch gar nicht mehr auf. Ich glaube, man wird ihn wie Hugo Grotius forttragen, nur, mit dem Unterschiede, sein Koffer eher einem Sarge ähnlich sehen dürfte.

Rosa ward todtenblaß.

»O! ich weiß die Ursache,« murmelte sie, ohne von den Andern gehört zu werden, »er ist seiner Tulpe wegen in Angst.«

Zugleich erhob sie sich, unfähig, ihre Beklemmung, zu unterdrücken, und eilte auf ihr Zimmer, sich dort die ganze Nacht hindurch im Schreiben übend.

»Am nächsten Morgen stand Cornelius mit den ersten Strahlen der Morgensonne in der Absicht auf, sich wieder zum Fenster zu begeben. Sein Blick fiel unwillkürlich auf die Thüre, und er bemerkte ein zwischen die Fugen derselben eingeklemmtes Papier.

Alle seine Kraft kehrte wieder, mit einem unbeschreiblichen Gefühl von Wonne und Hoffnung stürzte er hin und riß das Blatt an sich. Nur mit Mühe gelang es ihm, Rosas Schriftzüge wieder zu erkennen, so sehr hatten sich diese während der Dauer einer siebentägigen Uebung verbessert.

Wenige Worte standen nur darauf – sie lauteten:

»Seid ruhig, Eure Tulpe befindet sich wohl.«

Die Ironie, die sich zu deutlich in der einzigen, dem Papiere anvertrauten Zeile abspiegelte, zerstörte die, erhabene Ruhe, den Trost, den sie ihm hätte bringen sollen, beinahe ganz. Also war Rosa nicht krank, nein, sie befand sich ganz wohl, nur seine letzten Worte, die tiefe Empfindung, die er für seine Blume besaß, hatte sie gekränkt, kein Hinderniß hielt sie ab, ihn zu besuchen, und sie erschien dennoch nicht.

Das Mädchen fand also in ihrer Seele hinreichende Kraft, von jenem Manne fern zu bleiben, der da glaubte, ohne ihren Anblick müsse er rettungslos der Vernichtung entgegengehen.

Baerle hatte noch immer den ihm von Rosa übergebenen Bleistift. Auf ein ähnliches Blatt wie jenes, das er so eben erhalten, schrieb er die wenigen Worte:

»Nicht meiner Tulpe wegen bin ich krank, nein, nur darum, weil ich Euere Gegenwart schon so lange vermisse.«

Dann verwahrte er es an seiner Brust da er wohl voraussetzte, daß Rosa erst in der Nacht sich die Antwort abholen werde.

Gryphus verrichtete seine Berufspflichten wie gewöhnlich. Als er sich nach seiner letzten Visite entfernt hatte, schob Cornelius das Papier an jener Stelle zwischen die Thüre, wo er das seine am Morgen gefunden hatte.

Er blieb regungslos an der Thüre. Er horchte gespannt und aufmerksam, aber so sehr er auch sein Gehör anstrengte, er vernahm weder den leisesten Schritt noch das Rauschen eines Kleides. Nur einen Augenblick kam es ihm vor, als lispelte eine himmlische Stimme durch das geöffnete Gitterfenster:

»Morgen Abends.«

»Morgen,« wiederholte Cornelius, die Hand auf das hochpochende Herz legend, aufgelöst in ein Meer von überirdischer Seligkeit.«

Dieser verheißene Morgen war der achte Tag seit Rosas letztem Erscheinen. Durch diesen ganzen langen Zeitraum hatten sich beide nicht gesehen.

VI.
Begebenheiten die während dieser acht Tage vorfielen

»Um die heiß ersehnte neunte Stunde vernahm Cornelius eine leichte Bewegung an seine Kerkerthüre.

Es läßt sich ohne Zweifel voraussehen, daß er schon lange in der Nähe derselben harrte, die Augen unverwandt auf das Gitter geheftet, durch welches nach so langer Trennung ihm Rosas Antlitz wieder entgegen lächeln sollte.

Der Schuber öffnete sich, und wirklich stand das reizende Mädchen da, die Lampe in der einen Hand emporhaltend.

Sie erschrack heftig, als sie des Gefangenen leidendes Aussehen, die tief eingefallenen; gefurchten und bleichen Wangen sah.

Cornelius war zitternd, ganz nahe an das Gitter.getreten.

»Ihr seid krank,« sprach Rosa.

»Ja, das bin ich krank an Körper und Seele.«

»Ich bemerkte gestern, daß Ihr nicht mehr esst, mein Vater brachte die Speisen unberührt zurück, und sagte zugleich, Ihr seid den ganzen Tag über im Bette geblieben. Ich nahm demnach zum Schreiben meine Zuflucht, um Euch, über den, Euerem Herzen zunächst stehenden Gegenstand und sein Schicksal in Kenntniß zu setzen, und zu beruhigen.«

»Auch ich vergaß nicht, theuere Rosa, Euch unverzüglich zu antworten, und lebte bis zu dem gegenwärtigen Augenblicke in der frohen Ueberzeugung, Ihr hättet meinen Brief erhalten.«

»Das habe ich auch. Ich las ihn sorgfältig durch, es waren nur wenige Worte, die mich aber unbedingt bestimmten, wieder zu Euch zu kommen, und nachzusehen, wie Euerem Uebel abgeholfen werden könne.«

»Ihr dachtet nach, wie mir geholfen werden könnte, und fühltet Euch bestimmt, wieder zu mir zu kommen? dann habt Ihr mir gewiß irgend eine wichtige Neuigkeit mitzutheilen.«

Und während dieser Worte richtete er sein wieder belebtes Auge forschend auf das liebreizende Antlitz des jungen Mädchens.

Aber gleichsam als verstehe diese den bedeutungsvollen Blick nicht, oder wolle ihn wenigstens nicht verstehen, antwortete Rosa ernst:

»Ich kam nur hierher, um mit Euch von Euerer Tulpe zu sprechen, die, wie ich weiß, den Gegenstand Euerer Hoffnungen und Wünsche allein ausmacht.«

Und zugleich betonte sie diese Worte mit einem so frostigen Accent, daß jeder Buchstabe in der Brust des Gefangenen mächtig wüthete.

Aber trotz dem begriff der leidenschaftliche Tulpenfreund nicht im Entferntesten den Kampf der in dem Busen des jungen Mädchens bei diesen Worten wüthete.

»Also seid Ihr noch immer unverändert Euerer irrigen Meinung getreu geblieben,« seufzte Cornelius, »habe ich Euch denn nicht schon genug, habe ich Euch nicht heilig und hoch betheuert, daß meine ganzen Gedanken und Empfindungen nur Euch gewidmet sind, daß Ihr der Gegenstand seid, der mich wachend und träumend begleitet, dessen himmlisches Bild tief in mein wogendes Herz eingegraben ist, daß nur Ihr meines Lebens Freude, die wärmende Sonne meines Daseins, mein Leben, mein Alles seid.«

Rosa lächelte, aber dieses Lächeln war so ernst, so melancholisch, daß es nur durch trübe Stimmung erregt werden konnte.

»O!« sagte sie, Cornelius in die Worte fallend, Ihr ward wohl nur Euerer Tulpe wegen betrübt, da diese in so großer Gefahr schwebte.«

Baerle beachtete nicht, daß diese wenigen Worte eine ihm gelegte Falle sein konnten, er erschrack heftig, er bemühte sich nicht, die verätherische Bewegung dieser Empfindung zu unterdrücken.«

»Meine Tulpe in Gefahr,« rief er, »o sagt, mir, sagt es mir schnell,« was ihr geschehen ist?«

Rosa’s Blick verrieth diesmal eine warme, innige Theilnahme, sie fühlte nunmehr deutlich, daß die Forderung, die sie an den Gefangenen stellte, weit über seine Kräfte hinausging, und ihr nichts Anderes übrigblieb, als ihn so zu nehmen, wie er gerade war.

»Ja, sie schwebte in einer sehr großen Gefahr. Ihr machtet mich einst aufmerksam, daß der vermeintliche Liebhaber Jakob, nicht meinetwegen gekommen wäre, und diese Behauptung stellt sich nunmehr als volle, unbezweifelbare Wahrheit heraus.«

»Warum kam er also?«

»Wie Ihr es damals sagtet, bloß Eurer Tulpe wegen.«

»Ach!« seufzte Cornelius, und trotz der Blässe seines Antlitzes sah man deutlich, daß dieses nun mehr die Farbe des Todes annahm. Er war mehr ergriffen, als in jenem Augenblicke, wo Rosa ihm verkündet hatte, Jakob sei auf dem Löwenstein, und aller Wahrscheinlichkeit nach nur ihretwegen erschienen.

Auch Rosa bemerkte diese tiefe entsetzliche Angst und Regung seines Innern, auch sie machte die Beobachtung, die wir so eben erwähnten, und ihre Miene, ihr Blick wurde so sprechend, daß Cornelius unzweifelbar die ganze tief verletzte Empfindung darin las.

 

»Vergebt mir Rosa,« sprach er, »vergebt mir und; meiner so unendlich tiefen Empfindung. Bedeutet dabei, daß meine Schwäche für das einzige mir auf dieser Welt noch gebliebene Besitzthum um so größer sein muß, da ich es schutz- und vertheidigungslos allen drohenden Gefahren preisgegeben weiß, während ich für Euch selbst weniger zu zittern habe. Ihr besitzt einen so, tiefen, forschenden Geist, eine so große, männliche Kraft und Entschlossenheit, daß es Euch leicht möglich wird, jede wie immer geartete Gefahr glücklich abzuwenden.«

Rosa schien diese Worte, die mit voller Wärme gegeben waren, gar nicht zu beachten und fuhr in ihrer abgebrochenen Rede fort.

»Von jenem Tage an, wo jener, Euch dem Namen nach bereits bekannte Mann, mir lauernd in den Garten gefolgt war, empfand ich dieselbe Unbehaglichkeit und Unruhe, wie Ihr. Ich befolgte daher auch am nächstfolgenden Morgen den Rath ganz genau, den Ihr mir bei unserem letzten Zusammentreffen gegeben hattet.«

»Rosa,« sprach Cornelius, das Mädchen unterbrechend, »Ihr scheint meine so herzlich vorgebrachte Bitte nicht gehört zu haben, oder doch sie nicht beachten zu wollen. – Nochmals bitte ich Euch inständig, vergebet mir jene, so unbedachtsam und unüberlegt gesprochenen Worte.«

»An demselben Tage also,« fuhr Rosa fort, »erinnerte ich mich genau dessen, was Ihr mir gesagt hattet, und beschloß jene List zu gebrauchen, die mich zugleich überzeugen sollte, ob Jakob, jener Garstige, meinet – oder der Tulpe wegen kam.«

»Garstig, o ja, das ist er ganz sicher. – Nicht wahr Rosa, Ihr hast diesen Menschen?«

»Aus ganzer Seele, denn eben er ist nur allein Ursache, daß ich seid acht Tagen so unendlich viel leide.«

»Was, was, spracht Ihr jetzt,« rief Cornelius, »o ich danke Euch für diese gütigen, meinem Herzen so wohlthuenden Worte.«

»An jenem Morgen also, eilte ich in aller Frühe in den Garten, und zwar gerade zu der, nach Euerer Angabe vorbereiten Rabatte, ohne aber zu unterlassen, meine Aufmerksamkeit auf alle Seiten zu richten, und den Späher, im Falle er mir gefolgt wäre, zu entdecken.«

»Ich brenne vor Begierde.«

»Gerade so wie die frühern Male, kam der Schatten durch die Thüre heraus, gleitete längst der Mauer hin, und verbarg sich endlich hinter den Bäumen.«

»Und was thatet Ihr, befolgtet Ihr auch dann noch meinen Rath, Euch so zu stellen, als wenn Ihr ihn gar nicht bemerktet?«

»Ja, und zugleich bemühte ich mich, vorwärts gebeugt, es so zu machen, daß er glauben mußte, ich pflanzte irgend eine Blume.«

»O sprecht, sprecht, was that er?«

»Ich bemerkte in meiner Stellung seine flammen sprühenden Blicke, die zwischen dem Dickicht, den weit hervorstehenden Augen, eines hungrigen, lauernden Tigers glichen.«

»Nun, hatte ich nicht vollkommen Recht?«

»Nachdem ich dann zum Scheine mit meiner Arbeit fertig war, zog ich mich so, als wenn man ich ihn gar nicht bemerkt hätte oder ahnte, wieder zurück.«

»Aber doch nur so weit, daß Ihr bequem, ohne entdeckt zu werden, Alles mit ansehen konntet, was nunmehr geschah?«

»So that ich es. Kaum zwar ich hinter der Gartenthüre, dem von mir, selbst gewählten Verstecke, angelangt, als auch schon jener Elende, mit der Hast und Gier eines raubsüchtigen Wolfes hinter den Gebüschen hervorsprang, in den Garten eilte, und auf Umwegen die Rabatte zu erreichen suchte. Schon während seiner, Wanderung richtete er das unstäte, blitzende Auge in alle Winkel, gleichsam, als suche er sich zu überzeugen, von Niemand gesehen zu werden. An der Stelle angelangt, die ich kürzlich erst verlassen, nahm sein Gesicht die gleichgültigste Miene an, die man sich nur zudenken vermag. Er blieb einen Augenblick ruhig und benützte diese Zeit, um sich nach allen Richtungen hinzu überzeugen, daß ihn Niemand beobachte. Zuerst schweifte sein Auge über das ganze Gebäude, von da über den Garten, blieb in jedem Winkel einige Secunden haften und hob sich dann sogar zum Himmel empor. Als ihn diese Forschung genügend beruhigt zuhaben schien, stürzte er auf die Rabatte nieder und wühlte mit den zitternden Händen auf jenem Platze, den ich früher ein wenig, so daß man ihn bemerken konnte, umgegraben hatte. Dann zog er ein Stück Erde hervor, schüttelte diese sorgfältig auseinander, und setzte seine anfängliche Bemühung fort, als er den ersten Versuch von keinem günstigen Erfolge gekrönt sah. Er mochte mit seiner Arbeit beiläufig eine halbe Stunde zugebracht haben, als er sich rasch erhob, den Rechen zur Hand nahm, die Erde sorgfältig ebnete, und seine ganze Bemühung so viel als möglich unkenntlich. Zu machen suchte. Aber in seinem Gesichte las ich zu deutlich, er ahnte nämlich, der Gegenstand einer ihm gelegten Falle zu sein, und trachtete nunmehr seinen Fehler wieder ganz gut zu machen.«

»O der elende Schurke,« seufzte Cornelius, sich; den Angstschweiß von der Stirne trocknend, »so hatte ich es denn ganz und vollständig errathen. Aber was thatet Ihr mit der Zwiebelknospe, jetzt ist es schon zu spät, sie zu pflanzen?«

»Nach der Knospe fragt Ihr? O! die befindet sich seit sechs Tagen ganz wohlgemuth in der Erde.«

»In der Erde, sagt Ihr! aber, wo, – — wo liegt sie? In was für eine Erde habt Ihr sie gesetzt? wähltet Ihr einen guten oder schlechten Platz? ist gar keine Gefahr vorhanden, daß sie der schreckliche Jakob dennoch rauben könne?«

»Nein, fürchtet Euch gar nicht, diesmal ist sie gar keiner Gefahr ausgesetzt, es müßte nur Jakob die Thüre meines Zimmers mit Gewalt einsprengen.«

»So, Ihr habt sie also bei Euch, meine theuere Rosa, o dann bin ich mehr, beinahe ganz beruhigt, aber sagt mir nur, in was für einem Erdreich sie sich befindet? Und dann werdet Ihr doch nicht dieselbe Meinung haben, wie die Frauen zu Harlem oder Dortrecht, die da behaupten, man könne die Tulpe auch im Wasser aufziehen, ohne daß sie dabei berücksichtigen würden, daß das Wasser, weil es aus dreißig Theilen Oxygen und sechs Theilen Hyerogen besteht, nie die Erde ersetzen kann – — – aber um Gotteswillen, in was für ein Labyrinth gerate ich da?«

»Ich bemerke so eben, daß diese Abhandlung für mich ein wenig zu gelehrt war, und füge zu Euerer Beruhigung nur bei, daß die Tulpe sich durchaus nicht im Wasser befindet.«

»O! da lebe ich wieder auf!«

»Sie wurde in ein irdenes Gefäß gesetzt, das beiläufig dieselbe Größe haben dürfte, wie Euer zerbrochener Krug. Dann befindet sie sich in einem Erdreich das ich aus drei Theilen unserer besten Garten und einem Theile Straßenerde zusammensetzte. Ich habe ja sowohl von Euch als auch von Jakob so Vieles über die Verbindung der zum Fortkommen der Tulpe zweckdienlichsten Erde gehört, daß ich die betreffende Mischung wie der erste Gartenkünstler zu Harlem erzeugen kann.«

»Aber jetzt kommt es doch noch auf Ihre Behandlung an. Wie behandelt Ihr die Tulpe, theuere Rosa

»Gegenwärtig lasse ich sie an schönen Tagen ganz den erwärmenden Strahlen der Sonne ausgesetzt. Sobald sie aber empor keimt und die Temperatur wärmer wird, werde ich es so wie Ihr machen. Ich stelle sie dann in der Frühe auf mein Fenster, das nach Osten geht, und zwar von neun bis elf Uhr, Nachmittags aber von drei bis fünf auf das entgegengesetzte.«

»O! wie schön, wie schön, meine theuere Rosa, Ihr seid die vollendetste Gartenkünstlerin. Aber da fällt mir so eben ein, daß die Behandlung meiner Tulpe Euere ganze Zeit in Anspruch nimmt.«

»Ganz wohl, aber daran ist nichts gelegen, ich betrachte sie als meine Tochter. Darum widme ich ihr aber auch jeden freien Augenblick und bin ihr ganz mit der Liebe einer Mutter gegen ihr Kind zugethan. Und dann könnte ich ja auch nicht anders handeln, denn ich finde die Stellung eines Kindes zur liebenden Mutter angenehmer, als die zweier Nebenbuhlerinnen.«

»Meine gute, theuere Rosa,« sprach Cornelius, und diese Worte begleitete ein Blick, den man nicht beschreiben kann, der aber das ganze Gebiet der heilgsten Empfindung wahrer Liebe in sich schließt.

Rosa schien durch diesen einen Blick getröstet.

Nach einem kurzen Stillschweigen, welches der Gefangene dazu benutzte, durch das Gitter Rosa’s, Hand zu suchen, fuhr er fort:

»Sechs Tage befindet sich nach Euerer Aussage die Zwiebelknospe in der Erde?«

»Ja, volle sechs Tage.«

»Und sie kommt noch nicht zum Vorschein?«

»Nein, aber ich glaube mich nicht zu irren, »wenn ich behaupte, daß dies Morgen geschehen wird.«

»Morgen also – es ist die rechte Zeit, ich bin ganz zufrieden, um so mehr, da Ihr mir zugleich versprechen mußt, mich sowohl von dieser Tochter, als auch der lieblichen, reizenden Mutter zu benachrichtigen.«