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Die schwarze Tulpe

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So pflanzte z. B. der von Rom verwiesene Tarquinius Priskus zu Gobii Mohnpflanzen, während er in demselben Augenblicke über die Mittel zu einer gewaltthätigen Wiederkehr nach Rom sann, und der große Condé begoß im Thurme zu Vincennes, seine Nelken, in einem Augenblicke, wo Niemand in seiner schuldlosen Miene, die nahestehende Ausführung, der sorgfältig überlegten Flucht geahnt haben würde.

Nach allen diesen reifen oder unreifen Berathungen, über die wir uns kein weiteres Urtheil erlauben (dies dem Ermessen des Lesers überlassend), stellte der hochweise Rath nachstehendes Dilemma auf.

»Cornelius von Baerle hat ausgesprochen, er hasse die Politik, und liebe nur die Tulpen allein. In beiden Fällen hat er uns handgreiflich belogen.

»Er liebt die Politik, das beweisen die bei ihn gefundenen Papiere.

»Er liebt aber auch die Tulpen, dafür bürgt die ungeheuere Anzahl von Zwiebeln dieser Blumengattung, die man in seiner Wohnung zu bemerken Gelegenheit hatte.«

»Er beschäftigt sich mit beiden Gegenständen zugleich, er hat beide auf einen hohen Grad von Vollkommenheit gebracht, und dadurch die um so mehr zu fürchtende Kraft seines Geistes beurkundet.

»Van Baerle ist demnach ein Zwitterding oder sucht wenigstens, als dieses zu erscheinen, um der einen Partei in ihren Plänen als Oberhaupt kräftig voranzugehen, und der andern seine Unschuld weiß zu machen. Er gehört demnach, als eines der gefährlichsten Glieder in diesem jener Leute, die den Umsturz aller bestehenden Ordnung beabsichtigen, und zur Erreichung dieses Zweckes, dieselben Mittel anwenden, in denen ihnen ein Tarquinius und ein Condé mit dem Beispiele vorangingen.«

Und das glänzende Endresultat all’ dieser Schlüsse und Berathungen war die Ueberzeugung, daß der Prinz Statthalter von Holland, den Richtern und dem Magistrate der treuen Stadt Haag, für ihre eifrigen Bemühungen, den Keim jeder möglichen Revolution zu unterdrücken, den innigsten und wärmsten Dank zollen werde.

Dieser Schluß überwog alles Andere, die Richter neigten ehrfurchtsvoll das Haupt, und verfaßten das Urtheil.

Es lautete:

»Zum Tode.«

»Nachdem Cornelius van Baerle, zu Dortrecht geboren, und auch daselbst ansässig, unter dem Vorwande, sich ausschließlich mit der Tulpenzucht zu beschäftigen, an den geheimen, schädlichen, dem Umsturz des Staates bezweckenden Umtrieben, den innigsten und wärmsten Antheil nahm, und sich mit dem sogenannten Verräther, an allen, von ihm mit Frankreich gesponnenen, abscheulichen Intriguen und Complotten unzertrennlich verband, so wird derselbe, als ein der Gesellschaft und dem Lande höchst gefährliches Individuum, vermöge rechtlichen Erkenntniß und Urtheilsspruch mit heutigem Tage zum Tode verurtheilt.

Besagter Cornelius van Baerle hat sonach aus seinem Gefängnisse im Buytenhoff auf dem gleichnamigen Richtplatz geführt zu werden, und es ist ihm dort durch den Nachrichter auf dem hierzu bereits aufgestellten Schaffote, der Kopf vom Rumpfe zu trennen.«

Diese Berathung war wichtig gewesen. Sie währte eine ganze halbe Stunde, während welcher Baerle in sein Gefängniß zurückgeführt worden war.

Aus seinen ernsten Betrachtungen störte ihn der Actuarius, der eben kam, ihm das Urtheil vorzulesen.

Gryphus, durch ein eingetretenes Wundfieber verhindert, an diesem für ihn sonst höchst ergötzlichen Schauspiele, als mitwirkende Person theilnehmen zu können, übergab seine wichtige Stelle einem andern Diener, in dessen Begleitung der Actuarius vor dem Gefangenen erschien.

Er las.

»Leser, hast Du schon einmal einem solchen Acte beigewohnt, und Dir die Mühe genommen, die Mienen des Verkünders, und jene des Verurtheilten zu studieren?«

»Dann weißt Du Alles, dann hast Du gefühlt, wie eisig kalt der Mensch seinem Bruder den Tod gibt, wie schmerzhaft er empfangen wird.«

Sahst Du es nie, dann ist jede Erklärung unnütz.

Baerle hatte alles erwartet und vorhergesehen, mit kalter Ruhe hörte er dem Vorleser zu. Aber unter diese rauhe, kalte, einförmig tönende Stimme, mengten sich gleich den süßen Klängen einer höheren himmlischen Welt, leise Klagen, unterdrücktes Schluchzen.

Baerle blickte forschend nach der Richtung dieser heiligen, himmlischen Töne. Da fiel sein Auge durch, die offen gebliebene Thüre, auf die am Rande der Treppe stehende, den zitterndem wankenden Körper auf das Geländer gestützte Tochter des Kerkermeisters

Ihr Gesicht hatte sie mit dem Tuche bedeckt, ihr Busen wogte stürmisch, sie war aufgelöst, aber selbst im Zustande des tiefsten Schmerzes erhaben schön, ein Bild der höhern Welt, ein dargereichter himmlischer Zweig der ewig grünen Hoffnung.

Aus seinen Träumen, aus seinen himmlischen Träumen, weckte ihn die Frage des Actuarius, der so eben die Vorlesung beendet hatte.

»Habet Ihr vielleicht etwas dagegen einzuwenden.«

»Nein, antwortete Cornelius ruhig und würdevoll. Aber nur Eines erlaubt mir zu bemerken: »Unter allen möglichen Ursachen, die meinem Tod auf natürlichem Wege, oder auf eine unvorbergesehene Art herbeiführen konnten, wäre mir diese nie wahrscheinlich, viel weniger also, so erschienen, wie sie sich dermalen wirklich gestaltet hat.

Der Actuar beachtete diese Worte nicht.

Er hörte sie an, weil dies mit den Obliegenheiten seines Amtes in unzertrennlicher Verbindung stand, dann, verneigte er sich mit jener Würde, die diese sonst stolzen Menschen nach einem solchen Acte stets selbst gegen dem schwersten Verbrechen beobachten.

Schon nahte er der Stiege, schon war der neue Gefangenenwärter im Begriffe, die Thüre zuzuschließen, als Cornelius den Beamten nochmals nachrief.

Dieser blieb stehen und wandte sich.

»Glaubet mir, mein Herr, entweder vergaßt Ihr oder ich es, an welchem Tage, das mir kundgegebene Urtheil vollstreckt werde.«

»Heute noch,« sprach der Actuarius, die Ruhe des Deliquenten bewundernd.«

»Ein lauter Schrei ertönte vom andern Ende des Ganges.

Cornelius bog sich vor, auch der Actuarius spähte nach derselben Seite, aber es war unmöglich, irgend einen Gegenstand zu entdecken.

Cornelius wandte sich wieder an den Actuar:

»Um welche Stunde findet die Execution statt?«

»Um die Mittagsstunde.«

»Um die Mittagsstunde, sagt Ihr. Vor wenigen Minuten schlug es eben zehn Uhr, ich muß mich beeilen, da habe ich keine Zeit mehr zu verlieren.«

»Ihr wollt Euch wahrscheinlich mit Gott versöhnen, ja, mein Herr, da thut Ihr recht daran, wählt Euch einen Geistlichen nach Euerem eigenem Belieben.« Dann neigte sich der Actuarius mit dem Kopfe beinahe bis zur Erde, und eilte über die Stiege hinab.

VI.
Cornelius van Baerles Testament

Der Actuar hatte das Gefängniß verlassen, der Stellverteter des Gefangenenwärters war so eben im Begriffe die Thüre zuzuschließen, als ein runder, weißer, zarter Arm, zwischen dieser und der Mauer sichtbar wurde, und das Abschließen unmöglich machte.

Die Thüre wurde hierauf noch etwas mehr geöffnet, und jetzt erschien die Rückenseite einer goldenen Haube, mit den tief herabhängenden Zipfeln, der feinen weißen Spitzen, dem so eigenthümlichen Kopfputz der friesischen Bürgermädchen; dann hörte Baerle ein leises Geflüster, sah, wie der Diener wohl etwas zaghaft und überlegt, den schweren, eisernen Schlüssel der zarten Hand überlieferte, mit Kopfschütteln auf die zweite Stufe der Treppe trat, sich dort niederließ, und eine Stellung einnahm, die es ihm leicht möglich machte, den ganzen Gang zu übersehen, während der noch immer murrende Hund, die Aufgabe erhalten zu haben schien, das Souterain zu bewachen.

Die goldene Haube, eigentlich mehr der Gegenstand, dem sie zur Ausschmückung diente, machte eine rasche Wendung, und Cornelius sah seine Ahnung erfüllt. Rosa stand vor ihm.

Aber wer beschreibt den Ausdruck dieses vor Kurzem noch so lieben, zarten Antlitzes. Jeder Schimmer der Ruhe war aus demselben gewichen, die Wangen blaß und eingefallen, die Stirne gefurcht, das zarte himmlische Auge, früher glänzend wie ein Stern, jetzt matt und mit einem rothen Ringe eingefaßt, alles beurkundete die außerordentliche Gemüthsaufregung, den Schmerz, der in diesem sonst reinen Innern wüthete und tobte.

Langsam und wankend schritt das Mädchen auf Cornelius zu, ihre linke Hand auf das wogende, hochklopfende Herz gelegt.

»Armer, armer Herr,« sprach sie, und zugleich brach der mit Mühe zurückgehaltene Thränenstrom so heftig hervor, daß sie sich unfähig fühlte weiter zu sprechen.

»Was wünscht Ihr? drückt Euch in wenig Worten aus, mein liebes, gutes Kind. Kurz ist die Zeit, die ich noch zu leben habe.«

Mit, von Seufzern unterbrochener, von Thränen erstickter Stimme, schluchzte Rosa:

»Ja, mein Herr, ich bin gekommen, um mir von Euch eine Gunst, eine unendliche große Gunst zu erbitten.«

»Tröstet Euch, mein liebes Kind, und weint nicht mehr, Eure Thränen ergreifen mich so unendlich tief, ich fühle, daß mein Muth wankt, meine Kraft bricht. Und doch soll ich muthig, kalt und entschlossen dem Tode entgegehen, denn ich bin ja unschuldig, die Menge muß die gleiche Ueberzeugung erhalten, sie muß sehen, wie der Märtyrer stirbt. Sammelt darum auch Euere Kraft, tretet ruhig mir entgegen, und sprecht ganz offen, was Ihr wünscht.«

Rosa sank auf ihre Knie, die Hände faltend, das thränenfeuchte Auge zu Baerle erhoben, sprach sie:

»Vergebt meinem Vater!«

»Euern Vaters wie kommt Ihr auf diese ganz unerwartete Idee?«

»Ja, er ist so rauh, so brutal gegen Euch gewesen. Glaubet ja nicht, irgend eine Persönlichkeit gegen Eure Anverwandten, oder auch gegen Euch allein habe dies Benehmen hervorgerufen. Nein, es liegt in seiner Natur, er nimmt keinen der Gefangenen, wer er auch immer sein möge, aus, er behandelt Alle ganz gleich, ganz auf dieselbe Art.«

 

»Wie könnt Ihr glauben, daß ich jetzt, wo ihn ein so schwerer, harter Unglücksfall traf, wo er gewiß von Schmerzen gepeinigt, auf seinem Bette liegt, nur den mindesten Groll gegen ihn haben könnte.«

»O, ich danke Euch, danke Euerm edlen, hohen Herzen. Aber jetzt sprecht, sprecht auch Ihr, was ich für Euch in den wenigen Stunden noch thun kann, gebt mir Gelegenheit, meine unbegrenzte Dankbarkeit an den Tag zu legen.«

»Trocknet Euere schönen Augen, nehmt Euere frühere Heiterkeit wieder an, das ist mein ganzer Wunsch.«

»Und sonst nichts, glaubt Ihr, daß ich gar nichts für Euch thun könne?«

»Was sollt ich noch verlangen. Ich, der ich kaum mehr eine Stunde zu leben habe. Liebes Kind, in einem solchen Augenblicke, da schwinden alle Wünsche und Anforderungen.«

»Wollt Ihr also nicht wenigstens den Diener des Herrn empfangen, den Euch der Actuarius in dem Augenblicke seines Scheidens antrug.«

»Treu und unverwandt, den mir selbst auferlegten Berufspflichten nachkommend, die Gesetze der Gesellschaft stets ehrend und sie befolgend, hatte ich mein ganzes Leben Gott vor Augen. Ich betete den Allmächtigen inbrünstig, demüthig im Staube an, ich bewunderte ihn in seinem hohen Wirken, ich schaffte selbst in der Veredlung der Natur erhabene, eines hohen Geistes, würdige Werke. Darum, mir keiner Schuld bewußt, danke ich für den mir dargebotenen geistlichen Beistand, wandere ruhig, den Seelenfrieden in meiner gottgeweihten Brust auf das Schaffot. Aber hier in meinem letzten Augenblicke last mich den Schöpfer noch verehren, kommt, thut es mit mir, und helfet mir bei der Ausführung meines letzten Wunsches.«

»O! sprecht, sprecht, Herr Cornelius, Ihr habt über mich nur zu gebieten.«

»Nicht mir Euere liebe, schöne Hand, und versprecht mir zugleich, daß Ihr, der Euch gemachten Mittheilung so sonderbar diese auch klingen mag, vollen Glauben schenken, und während derselben Eueren ganzen Ernst beibehalten werdet.«

»Wie? ich meinen Ernst beibehalten? O! Cornelius, seht mich an, könnt Ihr glauben, daß in diesem heiligen Augenblicke eine andere Stimmung in mir entstehen würde.

»Ja, meine liebe, unvergleichliche Rosa, ich habe Euch angesehen, mit meinem physischen und geistigen Auge, und jetzt, wo nur ein ganz unbedeutender Zeitraum mich noch von der Ewigkeit trennt, gestehe ich Euch, daß mir in diesem Leben noch kein schöneres Mädchen, keine reinere, unschuldsvollere Seele begegnete. Vergebt mir daher auch, wenn ich meinen Blick abwende, ich möchte, in das Jenseits so wenig als möglich Erinnerungen an theuere Gegenstände mitnehmen.«

In demselben Augenblicke schlug auf dem Thurme des Buytenhoffs die elfte Stunde.

Rosa schrack mächtig zusammen.

Auch Cornelius hatte es gehört.

»Noch eine Stunde, ja beeilen wir uns, die Zeit dürfte sonst zu kurz werden.«

Hierauf zog er aus seiner Brustasche, das uns wohl bekannte Papier, in welchem der ungeheuere Schatz verborgen lag, und sprach ernst und würdevoll:

»Mein liebes Kind, wisset denn, daß ich den größten Theil meines vielfach bewegten Lebens, nur einem Gegenstande, der Blumenzucht widmete. Unter den herrlichen Gebilden dieser reizenden Farbenwelt, wählte ich besonders die Tulpe, weihte dieser würdevollen Erscheinung mein ganzes Augenmerk, und brachte es durch, unausgesetzte Versuche so weit, eigene bisher noch ganz, unbekannte Gattungen zu erzeugen. Ich widmete diesem Gegenstande zugleich meine ganze Liebe, ich ahnte ja bisher nicht, daß mich noch sonst etwas auf dieser, mir ganz gleichgültigen Welt anziehen und mächtig fesseln könne. Deutet meine Worte ja nicht falsch, es würde mir in dem letzten Augenblicke meines Lebens, vor dem nahen Gange zum Tode nie einfallen können, eine Empfindung, die in meinem Innern bei Eurem ersten Anblicke entstand, näher zu erklären.«

Nach einer kleinen Pause, seine ganze Kraft wieder sammelnd, fuhr Cornelius fort:

»Die Gesellschaft der Tulpenfreude zu Harlem hat zu Anfange dieses Jahres, auf die Entdeckung der großen, schwarzen, steckenlosen Tulpe den Preis von einmal hundert tausend Gulden gesetzt. Meinen rastlosen, jahrelangen Versuchen, meiner angestrengtesten geistigen Thätigkeit und unausgesetzten Experimenten, ist es endlich gelungen, durch Zusammensetzung die Zwiebel dieser bisher noch nicht bekannten Blume zu entdecken. Hier in diesem Papier sind drei derselben enthalten, mit ihnen wird der genannte Preis gewonnen, er gehört euch Rosa, denn ich mache Euch in diesem Augenblicke das Kleinod zum Geschenke.

»Wie? was wollt Ihr thun, Herr Cornelius?«

»Nehmt, nehmt sie nur ohne viel nachzudenken, ohne viel zu überlegen. Macht Euch auch kein Gewissen daraus, ich bin reich, habe weder Vater noch Mutter, kein liebender Bruder, keine Schwester wird meinen Loß beweinen. Allein in der Welt dastehend, hatte ich bis jetzt Niemanden, dem ich die heiligsten Gefühle meines Herzens widmen konnte, und wenn Jemand es mir that, so wußte ich wenigstens bis zu diesem Augenblicke nichts davon. Und auch jetzt in dieser entscheidenden Minute, nur noch wenige Augenblicke mit der Welt in Verbindung, ist außer Euch keine Seele in meinem trüben einsamen Kerker, die meinen Schmerz theilen, von mir Abschied nehmen würde.«

»Aber Herr Cornelius, bedenket nur einmal hundert tausend Gulden —«

Laßt uns ernstlich sprechen, mein liebes Kind, hundert tausend Gulden ist eine schöne runde Summe, die Euch in Euern Alter sehr angenehm überraschen muß.«

»Ihr könnt Euerer Sache so gewiß und sicher sein, als ich es selbst bin. Diese drei Zwiebel müssen, nach meiner innerlichen festen Ueberzeugung; die große schwarzes Tulpe hervorbringen. Ihr seid gerade in jenen Stadium des Lebens angelangt, wo das weibliche Herz so gern die ihm dargebrachten Huldigungen aufnimmt. Ihr werdet Euch verehelichen, aber versprecht mir zugleich nur jenem Manne die Hand zu reichen, dessen, edles, reines Herz Ihr vollständig erprobt habt, der Euch durch das ganze Leben glücklich machen kann. Unterbrecht mich jetzt auch nicht mehr, laßt mich ungestört noch Alles sagen, was ich sagen muß, denn die Zeit ist kurz, sehr kurz nur«

Rosa stand, die Augen mit den Händen bedeckt, schluchzend und zitternd da.

Baerle erfaßte ihre Hand.

»Jetzt hört mich ruhig an. Ich will Euch noch die Vorschriften genau mitheilen, die Ihr beobachten müßt, um die Blume vollständig aufzuziehen. Zuerst geht Ihr nach Dortrecht, und verlangt von meinem Gärtner Brutisheim, die schwarze Erde aus der Rabatte Nr.6, diese thut Ihr in einen großen Topf, setzt die Zwiebel hinein, und im nächsten Frühjahre, von nun an also in sieben Monaten, wird die schwarze Tulpe erblühen. Sobald dies geschehen ist, trachtet Ihr, sie so, viel als möglich des Nachts vor dem Winde zu schützen, und bei Tage eine zu starke Sonnenwärme abzuhalten, Sie wird schwarz, wie das reinste glänzende Ebenholz erblühen, dessen bin ich ganz gewiß. Hat nun die Blume ihre größere Vollendung erhalten, so macht Ihr unverzüglich nach Harlem hiervon die Anzeige. Der Präsident der Gesellschaft wird sodann eine Commission absenden, diese die Tulpe untersuchen, und Euch ganz gewiß den ausgeschriebenen Preis, von einmal hunderttausend Gulden bezahlen.

Rosa seufzte tief und hörbar.

Dann fuhr Baerle fort, sein feuchtes, schmerzerfülltes Auge auf die in der Hand haltenden Zwiebel heftend, »wird diese neue wunderbare Entdeckung allsogleich ausposaunt werden, ganz Europa von Staunen erfüllt, wird fragen, wie die seltene Blume heiße. Zu diesem Behufe tauft Ihr sie, noch bei Anwesenheit der Commission, Rosa Barlaensis. So trägt sie Euren und meinen Namen zugleich, um einst der Nachwelt die traurige Begebenheit mitzutheilen, die mich aus dem Kreise meines Forschens und Denkens schuldlos auf das Schaffot führte. Es ist aber leicht zu vermuthen, daß Euch die beiden lateinischen Namen entfallen dürften, darum seid so gut, und verschafft mir Papier und Bleistift, damit ich sie Euch aufschreibe.«

Rosa trat bei diesen Worten zu dem, in einer Ecke stehenden runden Tisch, der von Baerle bisher noch gar nicht beachtet wurde. Von hier nahm sie ein großes dickes Buch, das mit einer Stahlschließe versehen war, und auf dessen Einbande sich ebenfalls in einer gleichen Einfassung die Buchstaben C. und W. Befanden.

»Was bedeuten diese zwei Buchstaben?« fragte Baerle, das Buch aufmerksam betrachtend.

»Es ist die Bibel Eures Pathen, des edlen Cornelius von Witt. Sie war das Einzige, was er mit im sein Gefängniß brachte, es ist jenes wunderbare Buch, aus dem er während der heftigsten Qualen, darin aufmerksam lesend, göttlichen Trost, Kraft und Ruhe schöpfte. Als er fortging, machte er es mir zum Geschenke, ich ließ dies Heiligthum noch unberührt auf seinem früheren Platze ruhen. Aber jetzt überreiche ich es Euch, nicht damit Ihr denselben Trost, dieselbe, Ruhe daraus schöpfen nein? denn die wohnt mächtig in Euerer reinen Brust, die hat Gott schon in Euere Seele in Euer Herz gesenkt, nein, ich gebe sie Euch nur, damit Ihr darin Euern Willen niederschreibt, der, wenn ich gleich nicht lesen kann, pünktlich und genau vollzogen werden soll.«

Cornelius nahm das Buch, drückte es, mit zum Himmel gerichteten Blicke, an sein Herz, und. dann an seine Lippen.«

»Womit soll ich aber schreiben?« fragte er nach einer kleinen Pause.

»Es muß ein Bleistift darinnen sein. Ich sah ihn wenigstens früher unter dem Deckel liegen, und seitdem hat Niemand das Buch berührt.«

Es war dies derselbe Bleistift, den Johann seinem Bruder Cornelius, gereicht hatte, um jenen uns bereits bekannten Brief an Baerle zu schreiben.

In der Eile hatte Witt ihn in der Bibel vergessen.

Baerle erfaßte denselben, dann die Bibel aufschlagend, schrieb er auf das letzte Blatt, da das erste, wie bekannt, nicht mehr da war, mit fester, sicherer Hand:

»Haag am 23. August 1672.

»Vollkommen Herr meiner Sinne, und eben auf dem Punkte, ganz schuldlos mein Leben mit dem Jenseits zu vertauschen, und es nach dem Aussprache der Richter auf dem Schaffote zu enden, vermache ich, das einzige mir von meinem Vermögen, und sonstigen, der weltlichen Behörde anheimfallenden Besitzthum gebliebene Gut, der Rosa Gryphus, Tochter des Gefangenenwärters im Buytenhoff. Dieses besteht in drei Zwiebeln, welche nach meiner vollen Ueberzeugung im Frühlinge des nächsten Jahres, die große, schwarze Tulpe hervorbringen müssen. Die Gesellschaft der Tulpenfreunde zu Harlem, hat auf die Entdeckung dieser für unmöglich gehaltenen Blume, den Preis von einmal hundert tausend Gulden festgesetzt, welcher somit durch dieses Geschenk an die genannte Rosa Gryphus ebenfalls übergeht. Ich stelle hierbei nur eine einzige Bedingung, nämlich: meine Erbin hat sich nach Erhalt dieser Summe mit einem jungen, braven und rechtlichen Manne zu verehelichen, und die große, schwarze Tulpe mit den beiden Namen, Rosa Barlaensis zu taufen, das heißt nämlich, meinen und ihren Namen in Verbindung, als Erinnerung meines traurigen und schuldlosen Endes. Gott möge sie beschützen und segnen, so wie er meiner armer Seele gnädig sei.

»Cornelius van Baerle

Hierauf übergab er die Bibel an Rosa.

»Leset.«

»Ich sagte Euch ja schon, daß ich nicht lesen kann.«

»Cornelius nahm das Buch wieder zurück, und las mit klarer, ruhiger und fester Stimme das Testament vor, die besonders wichtigen Stellen desselben scharf betonend.«

Der kaum versiegte Thränenstrom brach mit neuer Macht hervor.

Cornelius hatte geendet, sein schwermüthiger Blick fiel auf das auch in ihrem tiefen Schmerze reizende Kind. Er erfaßte ihre Hand, und die Spitzen der seinen zarten Finger küßend, fragte er leise:

»Nun, nehmt Ihr Alles an, was ich geschrieben habe?«

»Nein, nein, nein, das kann ich nicht thun.«

»Ihr könnt es nicht thun, und warum nichts«

»Weil eine Bedingung vorkommt, die ich nie erfüllen werde.«

»Nennt mir diese Bedingung, ich glaubte dem frühem Uebereinkommen gemäß, alles deutlich zusammengefasst zu haben.«

»Ihr vermacht mir die hundert tausend Gulden als Mitgift?«

»Ja.«

»Ich soll dann denjenigen Mann, den ich lieben werde, heiraten?«

»Das sind meine Worte.«

»Nun, so wisset denn, daß ich eben dieser Bedingung wegen, das Geschenk nicht annehmen kann, denn ich werde nie Jemand lieben, und mich auch nicht verehelichen.«

Ihre Wangen wurden noch blasser, ihre Knie wankten, sie zitterte heftig, und einer Ohnmacht nahe, suchte ihre behende Hand nach einer Stütze.

 

Cornelius sprang hinzu, um ihr Hilfe zu leisten. In demselben Augenblicke ertönte aber auf der Stiege ein starkes, anhaltendes Geräusch, und mehrere Stimmen, die sich langsam dem Gefängnisse näherten:

Rosa erhielt ihre verlorenen Lebensgeister, die ganze Kraft wieder. Sie schrack heftig zusammen.

»Hört Ihr, sie kommen, um Euch abzuholen. O sprecht, sprecht, wenn Ihr mir noch etwas zu sagen habt.«

Dann sank sie vor Cornelius auf die Knie, und ihren Kopf in die Hände bergend, kämpfte sie zwischen Wahnsinn und Verzweiflung.

»Befolget das Einzige, um was ich Euch so inständig gebeten habe. Wartet und pflegt die Blume, ich lege sie Euch, wie mein eigenes Kind an das Herz. Nehmt verwahrt sie wohl, sonst habe ich Euch nichts zu sagen.«

»Alles, alles was Ihr gesagt habt,« rief Rosa den Kopf erhebend, alles will ich thun, jedem Wunsche genau nachkommen, nur einen, einen kann ich nicht erfüllen.«

Sie ergriff hastig das ihr dargereichte Papier und verbarg es in ihrem wogenden Busen.

In demselben Augenblicke erschien der Actuar auf der Treppe von Soldaten und Wachen umgeben. Die letzteren zugleich zur Bewachung des Schaffotes bestimmt, bildeten längst der Stiege Spalier, und hielten jene, bei solchen seltenen Gelegenheiten herbeigelockte, gewöhnlich zahlreiche, neugierige Menschenmenge in der Hausflur zurück.

Cornelius empfing die Gerichtspersonen mit ruhiger Würde und edler Haltung. Er sah ihren gewöhnlichen Formeln und Vorbereitungen mit gleicher Kälte zu, und legte in sein Benehmen gegen dieselben den Ausdruck der Freundschaft.

Er warf noch, kurz nachdem man ihm bedeutet hatte den Wachen zu folgen, einen flüchtigen Blickt durch das Fenster auf den Buytenhoff. In der Mitte desselben stand das, in so kurzer Zeit beinahe, wie aus der Erde hervorgezauberte Schaffot, und hinter demselben noch immer jener furchtbare Galgen.

Aber die Ueberreste der beiden Brüder Witt , die den Unglücklichen noch am Morgen beinahe zur Verzweiflung gebracht hatten, waren verschwunden.

Auf Befehl des Statthalters hatte man sie vor wenigen Augenblicken weggenommen, unter Begleitung einer erboßten, drohenden Menge, ruhig und ohne Ceremoniell bestattet.

Cornelius befolgte den ihm gegebenen Wink. Der ganze Zug setzte sich in Bewegung. Von Hellebarsdier’s und Soldaten umringt, schritt der Verurtheilte, mit mildem, verklärten Antlitze, der Stiege zu. Sein spähendes Auge suchte die dicht gedrängte Masse zu durchdringen, es forschte nach irgend einem theuern Gegenstand. Aber Alles war vergeblich. Erst in der Hausflur angekommen, sah er, auf einer durch eine Wölbung gedeckten, hölzernen Bank, einen Körper leblos dahingestreckt liegen.

Und an diesem Körper befand sich ein todtähnliches, mit schwarzen, langen, ausgelösten Haaren überdecktes Gesicht.

Rosa war an dem bezeichneten Platze, ohnmächtig niedergefallen. Aber gleichsam, als wolle sie das ihr anvertraute Kleinod gegen jeden Angriff, selbst im Augenblicke ihrer Bewußtlosigkeit schützen, fuhr sie mit der Hand auf die Brust, und hielt die unter dem Corsett verborgenen Zwiebel, mit den krampfhaft geschlossenen Fingern fest.

Cornelius sah sie, sah, wie aus der Hand ein kleines, gelbes Stückchen Papier hervorblitzen., sein Auge senkte sich einen Augenblick, aber bald wieder Kraft gewinnend, schritt er ruhig weiter.

Und jenes gelbe Blatt?

Der Leser kennt es, weiß, daß darin die wenigen Zeilen verborgen lagen, die, ein Menschenleben, und eine wunderbare, noch nie gekannte Tulpe gerettet hätten.