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Die Mohicaner von Paris

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»Nun wohl, mein Oheim, wenn ich Ihnen die ganze Wahrheit sagen soll . . . «

»Die ganze, mein Junge.«

»Oder wenigstens, was ich denke . . .

»Sage mir, was Du denkst.«

»Obschon ich die Zukunft nie hierüber befragt habe, denke ich, wenn mein geringes Erbgut kein Hindernis? wäre, so würde Fräulein von Lamothe-Houdan den Antrag meiner Hand nicht ausschlagen.«

»So daß, mein lieber Neffe, wenn ich zufällig. – was nicht wahrscheinlich ist, das muß ich Dir sogleich sagen, – dieses geringe Erbgut mit einem Theile meines Vermögens nach meinem Tode ausstaffieren würde, – und bemerke wohl, daß ich zweitausend Meilen davon entfernt bin, einen solchen Gedanken zu haben, – so daß, wenn ich, um mich genauerer Ausdrücke zu bedienen, Dich aussteuern und als meinen Erben anerkennen würde, wodurch dieses Hinderniß gehoben wäre, Du glaubst, Fräulein von Lamothe-Houdan würde einwilligen, Dich zu heirathen?«

»Nach meinem besten Wissen und Gewissen glaube ich das.«

»Nun wohl, mein lieber Neffe, ich wiederhole Dir in Beziehung auf Dich selbst, was ich Dir in Betreff Deines Freundes, der das Kreuz ausgeschlagen, gesagt habe: Du bist zu jung für Dein Alter!«

»Ich, mein Oheim?«

»Ja.«

»Was wollen Sie damit sagen?« »Ich will sagen, Fräulein von Lamothe-Houdan würde Dich nicht heirathen.«

»Und warum nicht?«

»Weil das Gesetz der Frau verbietet, zwei Männer zu heirathen, und dem Manne, zwei Frauen zugleich zu heirathen.«

»Zwei Männer?«

»Ja, das nennt man Bigamie, Polygamie; es ist hierüber ein Lied in Monsieur de Pourceaugnac.«

»Ich verstehe durchaus nicht, erklären Sie sich.«

»Ehe vierzehn Tage vergehen, wird Fräulein von Lamothe-Houdan verheirathet sein.«

»Unmöglich, mein Oheim!« rief der junge Mann entsetzlich erbleichend.

»Unmöglich! das ist wieder das Wort eines Verliebten.«

»Mein Oheim, um des Himmels willen, haben Sie Mitleid mit mir! sprechen Sie klarer.«

»Mir scheint, was ich sage, ist sehr klar, und ich setze die Punkte aus die i: Fräulein von Lamothe-Houdan wird heirathen.«

»Heirathen!« wiederholte Petrus ganz betäubt.

»Und ich bin dafür bezahlt, daß ich es weiß, Gott sei Dank! da sie meinen vorgeblichen Sohn heirathet.«

»Mein Oheim, Sie werden mich rasend machen! Wer ist dieser angebliche Sohn?«

»Oh! beruhige Dich, er ist nicht anerkannt, obschon seine zärtliche Mutter Alles, was sie konnte, gethan hat, damit er es werde.«

»Aber wen heirathet sie denn?«

»Sie heirathet den Obersten Grafen Rappt.«

»Herrn Rappt?«

»Herrn Rappt selbst; ja, mein Neffe, den liebenswürdigen, den redlichen, den ausgezeichneten Herrn Rappt.«

»Er ist zwanzig Jahre älter als Regina.«

»Du kannst sogar sagen vierundzwanzig, lieber Freund, in Betracht, daß er vom 11. März 1786 datiert, und das macht rund vierzig Jahre wohl gezählt; und da Fräulein von Lamothe-Houdan erst siebzehn alt ist . . . ei! rechne doch selbst!«

»Und Sie sind dessen sicher, mein Oheim?« sagte der junge Mann, der mit gesenktem Haupte und wie vom Blitze getroffen da saß.

»Frage Regina selbst.«

»Gott befohlen!« rief Petrus ausstehend.

»Wie, Gott befohlen?«

»Ja, ich will sie aussuchen, und ich werde wohl erfahren . . . «

»Später wirst Du es besser erfahren! Mache mir das Vergnügen und setze Dich wieder an Deinen Platz.«

»Aber, mein Oheim . . . «

»Es gibt keinen Oheim mehr, wenn der Neffe undankbar ist.«

»Ich, undankbar?«

»Gewiß, undankbar! Es heißt ein undankbarer Neffe sein, seinen Oheim am Anfange einer mühsamen Verdauung verlassen, statt ihm ein Glas Curacao anzubieten, um diese Verdauung zu erleichtern . . . Petrus, biete Deinem Oheim ein Glas Curacao an.«

Der junge Mann ließ seine beiden Arme fallen,

»Oh!« murmelte er, »können Sie mit einem Schmerze wie der meine scherzen?«

»Kennst Du die Geschichte von der Lanze des Achilles?«

»Nein, mein Oheim.«

»Wie! das ist die Erziehung, die Dir Dein Seeräuber von einem Vater gegeben hat? Er hat Dich nicht das Griechische lernen lassen, nicht den Homer im Original lesen? Unglücklicher, Du bist genötigt, ihn in Madame Dacier oder in Herrn Bitaubé zu lesen? Nun wohl, ich will sie Dir sagen, die Geschichte dieser Lanze: ihr Rost heilte die Wunde, welche ihre Spitze gemacht hatte. Ich habe Dich verwundet, mein Kind; nun will ich es versuchen. Dich zu heilen,«

»Oh! mein Oheim! mein Oheim!« murmelte Petrus, während er dem General zu Füßen fiel und ihm die Hände küßte.

Der General schaute den jungen Mann mit einem die tiefe Zärtlichkeit, die er für ihn hegte, bezeichnenden Ausdrucke an.

Dann sprach er mit ruhigem, ernstem Tone:

»Setze Dich, mein Freund, sei Mann! Wir werden ernsthaft von Herrn Rappt sprechen.«

Petrus gehorchte; er erreichte schwankend sein Fauteuil wieder und fiel mehr darein, als daß er sich setzte.

LXXXIX
Wo lange von den Tugenden der Frau Marquise Yolande Pentaltais de la Tournelle die Rede ist

Der General schaute einen Augenblick seinen Neffen mit jenem Mitleiden des Greises für die Schmerzen an, die er nicht mehr fühlt, die er aber gefühlt zu haben sich erinnert.

Alsdann sprach er:

»Mein lieber Petrus, leihe nun dem, was ich Dir sagen werde, ein aufmerksames Ohr; das wird interessanter für Dich sein, als es für Dido und ihre Höflinge die Geschichte von Aeneas war; und dennoch sagt der Dichter:

»Conticuere omnes, intentique ore tenebant 36

»Ich höre, mein Oheim,« erwiderte Petrus traurig. »Du kennst Herrn Rappt?«

»Ich habe ihn zweimal im Atelier von Regina gesehen.«

»Und Du findest ihn schmählich häßlich, nicht wahr? Das ist natürlich!«

»Häßlich ist nicht das richtige Wort, mein Oheim.«

»Du bist sehr großmüthig.«

»Ich sage mehr,« fuhr Petrus fort: »in den Augen von vielen Leuten, für welche der Ausdruck des Gesichtes nichts bedeutet, kann der Graf Rappt sogar für einen schönen Mann gelten.«

»Alle Teufel! so sprichst Du von Deinem Nebenbuhler!«

»Mein Oheim, man muß gerecht sein, selbst gegen einen Feind.«

»Du findest ihn also nicht häßlich?«

»Ich finde ihn schlimmer, als dies, mein Oheim: ich finde ihn ausdruckslos. Alles ist kalt und unbeweglich wie Marmor an diesem Menschen und scheint durch einen gewissen materiellen Instinct nach der Erde hinzustreben; die Augen sind trüb, die Lippen dünn und an einander gepreßt; die Nase ist rund, der Teint aschfarbig; der Kopf unruhig, nie die Züge! Könnte man eine Eismaske mit einer lebendigen Haut bedecken, die jedoch durch die Circulation animiert zu sein aufgehört hätte, so würde dieses Meisterwerk der Anatomie etwas dem Gesichte dieses Menschen Aehnliches geben.«

»Du schmeichelst Deinen Portraits, Petrus, und will ich ein verschönertes Andenken von mir der Nachwelt hinterlassen, so werde ich Dich beauftragen, mein Bild für sie zu malen.«

»Mein Oheim, ich bitte, kommen wir aus Herrn Rappt zurück.«

»Sehr gern . . . Aber so wie Du Deinen Nebenbuhler findest, wunderst Du Dich nicht, daß Regina einwilligt, ihn zu heirathen?«

»In der That, mein Oheim, eine Person von so reinem Geschmacke, von so erhabener Schätzung! . . .

Ich begreift das ganz und gar nicht . . . Was wollen Sie? Es gibt solche Geheimnisse bei den Frauen, und leider ist Regina eine Frau.«

»Gut! vorhin nahmst Du sie als eine Halbgöttin an, und nun, weil sie Dich nicht liebt und einen Andern heirathen wird, erniedrigst Du sie, während Du sie liebst, tief unter die Menschheit.«

»Mein Oheim, wir sind, wenn Sie sich dessen erinnern wollen, nicht hier, um die Annehmlichkeiten, die Tugend oder das Mehr oder Weniger von Göttlichkeit des Fräuleins von Lamothe-Houdan zu erörtern; wir sind hier, um von Herrn Rappt zu reden.«

»Das ist richtig . . . Siehst Du, mein lieber Petrus, es sind in der dunklen und krummen Geschichte dieses Menschen zwei Mysterien; das eine ist mir enthüllt worden, das andere habe ich aber nie ergründen können.«

»Ist das Mysterium, das man Ihnen enthüllt bat, ein Geheimnis,?«

»Ja und nein; doch in jedem Falle halte ich mich für berechtigt, es mit Dir zu theilen. Du sagtest mir vor Tische, mein lieber Freund, ich sei besonders devot bei der Devoten gewesen, die sich die Marquise de la Tournelle nennt; leider ist hieran Wahres! Fräulein Yolande von Lamothe-Houdan heirathete im Jahre 1784 den Marquis Pentaltais de la Tournelle oder vielmehr die achtzig Jahre und die fünfzigtausend Livres Rente des genannten Marquis; so daß sie nach einer Ehe von sechs Monaten Witwe, Marquise und Millionärin war. Sie zählte siebzehn Jahre und war reizend. – Nicht wahr. Du würdest schwören, sie sei immer sechzig Jahre alt und nie schön gewesen? Schwöre, mein Freund, aber wette nicht: Du würdest verlieren! – Du mußt begreifen, daß Alles, was sich an eleganten Cavalieren am Hofe von Ludwig XVI. fand, seine Huldigung der schönen Witwe darbrachte; doch, Dank sei es einem sehr strengen Gewissensrathe, den sie hatte, sie widerstand, der Sage nach, allen Versuchungen des Teufels. Man schrieb diese Tugend, von der man nicht wußte, was man sie zuschreiben sollte, der schlechten Gesundheit der Marquise zu; gegen das Ende von 1785 sah man sie in der That bleich, mager werden, abnehmen, so daß man ihr die Bäder von Forges rieth, welche damals sehr in der Mode waren. So wirksam die Bäder von Forges sein mochten, nach Verlauf von einigen Monaten bemerkte man, daß sie ungenügend waren, und der Arzt rieth ihr die irgend eines Dörfchens in Ungarn, ich glaube Rappt genannt . . . «

 

»Aber, mein Oheim, das ist ja der Name des Obersten,« unterbrach Petrus.

»Ich sage Dir nicht das Gegentheil; warum soll es, da es aus der Erde ein Dorf gibt, das Rappt heißt, nicht aus der Welt einen Menschen geben, der heißt wie dieses Dorf?«

»Sie haben Recht.«

»Der Arzt, von dem ich rede, war ein sehr geschickter Mann: die schöne kränkelnde Witwe reiste am Ansang von 1786, bleich, abgemagert, entstellt, ab; sie blieb sechs Monate in den Bädern und kam gegen das Ende vom Juni desselben Jahres frisch, gesund, dick und fett, schöner als je zurück. Das Gerücht von ihrem unzugänglichen Wesen hatte damals unter die Bewerber von Fräulein Yolande dieselbe Verwirrung gebracht, welche unter die von Penelope die Rückkehr von Ulysses brachte; ich allein war bei der Abreise nicht verzweifelt, und ich verzweifelte nicht bei der Rückkehr. Das kam davon her, daß ich in besonderem Austrage an Kaiser Joseph II. geschickt, – die Antwort aus meine Depeche konnte erst nach vierzehn Tagen gegeben werden, – die Idee hatte, einen Abstecher nach Ungarn zu machen und, da ich einmal in Ungarn, bis nach Rappt zu reisen. Ich kann Dir nicht sagen, was ich sah, ohne gesehen zu werden; Alles aber, was ich sah, gab mir die Gewißheit, die strenge Witwe sei durchaus nicht so streng, als sie zu sein schien, und die Hoffnung, bei ihrer Rückkehr könne ich mit Beharrlichkeit und Geduld von ihr verlangen, was, wie dies nur zu wahrscheinlich, ein Anderer, der glücklicher als ich, verlangt hatte . . . «

»Sie war in anderen Umständen?« fragte Petrus.

»Hiervon habe ich kein Wort gesagt.«

»Mir scheint jedoch, mein Oheim, wenn Sie kein Wort hiervon gesagt haben, so haben Sie das wenigstens sagen wollen.«

»Mein lieber Petrus, ziehe aus meinen Worten die Folgerungen, die Dir daraus zu ziehen beliebt; verlange aber keine Erklärungen von mir. Ich bin wie Tacitus, ich erzähle, um zu erzählen, nicht um zu beweisen. Narro ad narrandum, non ad probandum

»Ich höre, mein Oheim.«

»Ein Jahr nachher hatte ich den sonnenklaren und unumstößlichen Beweis, daß Lafontaine ein großer Moralist war, an dem Tage, wo er in die Welt das Axiom schleuderte:

»Patience et longueur de temps

»Font plus que force ni que rage. 37 «

»Das heißt, mein Oheim, Sie wurden der Liebhaber der Marquise de la Tournelle.«

»Oh! was für eine abscheuliche Gewohnheit hast Du, Petrus; das heißt wollen, daß die Leute durchaus die Punkte auf die i setzen! Es gibt nichts, was so schlechter Ton wäre, als diese Forderung.«

»Ich bestehe nicht hierauf, mein Oheim; doch die Sträuße, die Sie regelmäßig schicken . . . «

»Seit vierzig Jahren, mein lieber Freund . . . Ich wünschte, es möchte in vierzig Jahren die schöne Regina von Lamothe-Houdan einen Strauß empfangen, der eine Bedeutung dem ähnlich hätte, welchen ich der Marquise de la Tournelle schicke.«

»Ah! Sie sehen wohl, mein Oheim, der Marquise de la Tournelle geben Sie dieses Zeichen der Erinnerung.«

»Habe ich mir den Namen der Marquise entschlüpfen lassen? Ist dies der Fall, so ist es wahrhaft unverzeihlich von mir; um so unverzeihlicher, als meine Verbindung mit ihr nur ein paar Monate dauerte, weil um die Mitte von 1787 Ihre Majestät die Königin Marie Antoinette mich mit einer neuen Sendung nach Oesterreich betraute, von wo ich 1789 nur zurückkam, um Frankreich abermals am 7. October desselben Jahres zu verlassen. Von diesem Augenblicke an kennst Du mein Leben, Petrus. Ich reifte nach America; ich kehrte nach dem 10. August 1792 nach Europa zurück; ich trat bei der Armee von Condé ein; ich blieb dabei bis zu unserer Verabschiedung: ich ließ mich in London als Kinderspielwaarenhändler nieder; ich kam 1818 wieder nach Frankreich; ich nahm meine Entschädigung in Empfang und wurde schließlich, 1826, zum Abgeordneten gewählt . . . Bei meinem Eintritte in die Kammer fand ich hier den Herrn Grafen Rappt. Woher kam er? wer war er? wem verdankte er sein Vermögen? Niemand konnte es sagen. Wie Catinat, hatte er seinen Adelsbrief erhalten, ohne seine Ahnenproben machen zu müssen. Der Name des Grafen, da es derselbe war wie der des Dörfchens in Ungarn, das eine Rolle in den Ereignissen meiner Jugend spielte, zog meine Aufmerksamkeit auf meinen ehrenwerthen Collega; ein Streit, den ich einige Zeit nachher mit meiner alten Freundin, der Marquise de la Tournelle, über das positive Alter des Grafen hatte, den sie mir gegenüber hartnäckig um ein Jahr jünger zu machen suchte, veranlaßte mich, über die Lebensvorgänge des Grafen Nachforschungen anzustellen. Ich erfuhr nun Folgendes . . . . Zum Voraus mache ich Dich darauf aufmerksam, daß ich alle die Dinge, die ich Dir sagen werde, für boshaftes Geschwätz halte, welchem ich Dich nur einen zweifelhaften Glauben zu schenken ersuche . . . Die militärische Laufbahn des Grafen Rappt datiert von 1806; man sieht ihn plötzlich beim General von Lamothe-Houdan in der Schlacht von Jena erscheinen. Der Oberst Graf Rappt ist tapfer; Niemand bestreitet ihm dies: man muß ihm wohl etwas lassen. Er zeichnete sich aus, wurde zum Lieutenant auf dem Schlachtfelde gemacht, und, kaum zum Lieutenant ernannt, vom General Lamothe-Houdan erwählt, um ihm als Ordonnanz-Offizier zu dienen . . . «

»Verzeihen Sie, mein Oheim,« unterbrach Petrus, »wenn, wie Alles zu vermuthen Grund gibt, der Oberst Rappt der Sohn der Marquise de la Tournelle ist, so wäre, da die Marquise die Schwester des Marschalls ist, der Graf Rappt der Neffe von Herrn von Lamothe-Houdan«?

»In der That, mein Freund, so erklären die bösen Zungen sein rasches Avancement, die beständige Gunst, in der er beim Marschall steht, und seinen politischen Einfluß in der Kammer; doch Du begreifst, wenn man Alles glauben würde, was die bösen Zungen sagen . . . «

»Mahren Sie fort, mein Oheim, ich bitte Sie . . . «

»Eylau fügte einen Grad dem militärischen Glücke des jungen Offiziers bei; gegen das Ende des Februars 1807 zum Kapitän ernannt, wurde er Adjutant des Generals von Lamothe-Houdan; in dieser Eigenschaft wohnte er am 27. September 1808 dem Congresse von Erfurt bei . . . Mein lieber Freund, wenn Du Dich mit der gleichzeitigen Geschichte beschäftigst, so wirst Du mich fragen, welchen Zweck dieser zwischen den zwei mächtigsten Souverains Europas beschworene Friede gehabt habe; und da ich damals in London wohnte und, obgleich Holzdreher, als ein Abkömmling der Kaiser von Constantinopel sehr gut unterrichtete Leute sah, so sage ich Dir, daß England, das beim Lager von Boulogne geschauert hatte, beim Congresse von Erfurt zitterte: es fühlte, Indien sei nahe daran, ihm zu entschlüpfen! – Zum Glücke haben wir uns aber nicht mit diesen hohen Fragen zu beschäftigen; geringere Interessen bewegen uns, wie man im Theâtre-Francais sagt . . . Der Kaiser Napoleon stellte seinem Freunde, dem Kaiser Alexander, die Generale vor, die ihn begleiteten, und machte bei Jedem den Theil der Geburt, des Ranges oder der Tapferkeit. Der Brigade-General von Lamothe-Houdan wurde vorgestellt wie die Anderen; seine Geburt war ausgezeichnet; seine Tapferkeit sprichwörtlich; nur war er arm.

›Sire,‹ sagte eines Tages der Kaiser Napoleon zum Kaiser Alexander, ›haben Sie eine reiche moskowitische Erbin, von der Sie nicht wissen, was Sie mit ihr machen sollen? Ich habe ihr einen braven Mann zu geben.‹

›Sire,‹ antwortete der Kaiser von Rußland, ›ich habe gerade zu dieser Stunde unter meiner Vormundschaft eine junge Prinzessin, eine Waise und Millionen reich.‹

›Eine Prinzessin?‹

›Ja, und was in Rußland selten ist, eine ächte Prinzessin von altem Geschlechte, ein Nachkomme der früheren Czaaren; nicht ein Name in ow wie wir Romanow, die wir von einem Adel von gestern sind, sondern ein Name in k i.‹

›Jung?‹

›Neunzehn Jahre?‹

›Hübsch?‹

›Sie ist Circassierin.‹

›Das steht mir vortrefflich an! . . . Nun wohl, mein Vetter, ich bitte Sie um die Hand Ihrer Waise für meinen Schützling.‹

›Bewilligt, mein Vetter,‹ antwortete Kaiser Alexander.

»Und vierzehn Tage nachher heirathete die Prinzessin Tschuwadieski den Divisions-General Grafen von Lamothe-Houdan . . . Reiche mir ein Glas Rhum, Du Egoist, dem es nicht einmal einfällt, seinen Oheim zu fragen, ob er nicht etwas nach dem Kaffee zu nehmen pflege.«

Begierig, das Ende der Geschichte kennen zu lernen, beeilte sich Petrus, ein Glas Rhum seinem Oheim einzuschenken und ihm den heißen, glühenden, durch die goldene Sonne Jamaicas gereiften Trank zu reichen.

XC
Wo lange von den Tugenden des Obersten Grafen Rappt die Rede ist

Nachdem er sich leicht die Kehle befeuchtet hatte, fuhr der General fort.

»Der Kaiser Alexander hatte nicht zu viel behauptet, als er sagte, seine Mündel sei reizend. Die Tochter eines tscherkessischen Fürsten, der sich gegen seinen Souverain empört hatte und bei der Empörung getödtet worden war, hatte sich das Mädchen mit dem Schatze seiner Familie in die Staaten des Kaisers von Rußland geflüchtet, welcher es unter seine Vormundschaft nahm. Dieser Schatz, halb in Edelsteinen, halb in gemünztem Golde und Silber bestehend, konnte einen Werth von fünf bis sechs Millionen haben.

»Bei der Rückkehr von Erfurt nahm also der General das Hotel der Lamothe-Houdan wieder in Besitz, das, in Folge des Herabkommens der Familie, nachdem es vermiethet gewesen war, verkauft werden sollte; er ließ es aus eine bezaubernde Art meubliren, und beauftragte, nachdem er in einem ganz französischen Raffinement der Galanterie seinen Adjutanten abgeschickt, um die Wohnung zu besichtigen, welche die Prinzessin Tschuwadieski in Moskau inne hatte, er beauftragte, sage ich, den Grafen Rappt, ihm nach Paris voranzugehen, um der Circassierin ein ganzes auf den Garten gehendes Erdgeschoß einrichten zu lassen.

Die Ankunft der Prinzessin Nina in Paris war ein Ereignis, in der kaiserlichen Welt; die schone Circassierin war beinahe eine Trophäe dieses herrlichen Feldzugs von 1807! Doch unser Leben gefiel der indolenten Tochter des Orients nur wenig; den ganzen Tag auf ihren breiten Kissen, genannt Tastas, liegend, rollte sie statt jeder Zerstreuung in ihren Händen einen Tschotki mit tausend Körnern, und lebte wie eine Fee der Tausend und eine Nacht nur von Rosenconfituren.

»Eine Folge dieses orientalischen unzugänglichen Wesens war, daß wenige Personen damals die Prinzessin Tschuwadieski sahen und selbst seitdem gesehen haben; diejenigen, welche zu dieser Gunst zugelassen wurden, sagten, wenn sie weggingen, es sei eine glänzende Person mit perlmutterartigen Augen, mit schwarzen, schimmernden Haaren, mit einem Teint matt wie Milch, und von allen Dienern Napoleons sei der General von Lamothe-Houdan gewiß nicht der am schlechtesten belohnte, – da der Besitz dieser reizenden Person, und der sechs Millionen, die sie ihm als Mitgift gebracht, dem General aus viel positivere Art gesichert sei, als der Thron von Westphalen Jerome, der Thron von Spanien Joseph, der Thron von Neapel Murat, und der Thron von Holland Louis.

»Was besonders die schöne Nina, – die man am Ende wegen ihrer wahrhaft königlichen Würde Regina nannte, – zu einer beständigen Abgeschiedenheit oder wenigstens zu einer beschränkten Gesellschaft zu verurtheilen schien, war der Umstand, daß sie nur Tscherkessisch, Russisch und Deutsch sprach. Zum Glück kannte der General letztere Sprache so, daß er Alles verstand, was ihm die Prinzessin sagte, und daß er sich auch ihr begreiflich machen konnte; was den Grafen Rappt betrifft, der bis zu seinem neunzehnten Jahre in Ungarn erzogen worden war, er sprach das Deutsche wie seine Muttersprache.

»Diese Fähigkeit der Prinzessin und des Grafen, sich ihre Ideen in einer Sprache mitzutheilen, mit der sie vertraut waren, ohne indessen ihre eigene Sprache zu sein, führte, wie Du wohl begreifst, mein lieber Petrus, Annäherungen herbei . . . Du findest den Grafen Rappt unangenehm, weil er Regina zu heirathen im Begriffe ist; ich finde ihn häßlich, weil man ihn wider meinen Willen in meine Familie einschieben wollte, und ich wie ein Hund vor dem Streiche bei dem Gedanken, mich als Vater eines solchen Wichtes anzuerkennen, geschrien habe! Doch die bösen Zungen der Zeit, – und es gab eine Menge böse Zungen unter der Bevölkerung Frankreichs, seitdem die Männer von achtzehn bis vierzig Jahren beinahe daraus verschwunden waren! – die bösen Zungen der Zeit behaupteten, die Frau des Generals von Lamothe-Houdan sei nicht unserer Ansicht. Dieses Geschwätz kam ohne Zweifel davon her, daß der General, immer mehr die zwischen einem Corpschef und einem Adjutanten bestehende Entfernung vergessend, den Grafen Rappt, den er wie einen Neffen liebte, in sein eigenes Hotel einquartierte, weil er sich, wie er sagte, nicht mehr von einem Manne trennen konnte, dessen Ergebenheit in allen Stunden ihm so nothwendig war.

 

»Bei der Rückkehr aus dem Feldzuge von 1808 wurde also die Prinzessin in den Besitz ihres tscherkessischen Boudoirs, und der Graf in den des Blumen-Pavillon eingeführt. – Du kennst diesen Pavillon, nicht wahr? Dort gibt Dir Fräulein von Lamothe-Houdan wahrscheinlich ihre Sitzungen?«

»Wohnt der Graf Rappt noch dort, mein Oheim?«

»Oh! nein; sein Vermögen nahm zu, die Prinzessin wurde alt, und der Graf Rappt hat nun sein eigenes Hotel; zu jener Zeit aber, wo er nur Kapitän und Adjutant war, hatte er es noch nicht, und er wohnte in der Rue Plumet im Hotel seines Generals; übrigens wohnte man damals nicht, man war wie der Vogel aus dem Zweige! Der spanische Feldzug war in vollem Feuer und ging schlecht, wie alle Kriege, wo Napoleon nicht mit seiner eigenen Person figurierte; der Genius der Republik war gestorben mit den Kleber, den Defaix, den Hoche. den Marceau; es gab nur noch den Genius der Schlachten, und er war ganz in Napoleon.

»Am Anfange des Jahres 1808 ging Napoleon mit seinem Generalstabe nach Spanien ab; es war dies einen Tag, nachdem sich der General in sein Hotel der Rue Plumet einquartiert und seine neue Gemahlin hier eingeführt hatte. Du begreifst, daß es sehr traurig für eine zwei Tage vorher in Paris angekommene Circassierin war, hier allein in Gesellschaft einer Kammerfrau zu bleiben; denn da die Kammerfrau der Prinzessin die einzige Person war, welche Russisch und Tscherkessisch sprach, da Herr von Lamothe-Houdan und der Graf Rappt die Einzigen waren, welche Deutsch sprachen, so beschränkte sich die Gesellschaft der schönen Prinzessin aus ihren Gemahl, aus den Grafen Rappt und Mademoiselle Gruska. – Trotz der dringenden Bitten des Grafen Rappt, der durchaus den spanischen Feldzug mitmachen wollte, verlangte der General von Lamothe-Houdan vom Grafen, daß er in Paris bleibe. Es mußte wohl Jemand es übernehmen, die arme Prinzessin zu acclimatisiren. Die Pflicht eines Adjutanten ist, seinem General zu gehorchen: der Graf Rappt gehorchte.

»Der Feldzug dauerte indessen nicht lange: Napoleon kam am 4. November in Spanien an und war in den ersten Tagen des Januars in Paris zurück. Oesterreich hatte sich empört . . . So nannte man damals die Handlung eines Königreichs oder eines Kaiserthums, das Frankreich den Krieg erklärte. Während seiner kurzen Abwesenheit vergaß der General nicht, was er seinen getreuen Rappt dadurch, daß er ihn nicht mitgenommen, verlieren gemacht hatte, und zum Troste erhielt der Graf sein Patent als Bataillonschef. Man wunderte sich ein wenig, daß in dem Augenblicke, wo er von den Fahnen entfernt war, dem Grafen diese neue Gunst zu Theil wurde, welche um so merkwürdiger, als der junge Officier kaum vier und zwanzig Jahre zählte; doch die bösen Zungen fanden hierfür einen Grund. ›Der Adjutant eines Generals,‹ sagten sie, ›ist im Dienste seines Generals, ehe er im Dienste des Kaisers oder des Kaiserreichs ist: sein Titel Adjutant38 deutet dies an. Es geschah aber,‹ fügten die bösen Zungen bei, ›es geschah aber hauptsächlich während der zwei Monate, die der General von Lamothe-Houdan in Spanien verweilte, daß der Adjutant Rappt seinem General Hilfe leistete.‹

»Er hatte seine Zeit nicht verloren, der thätige junge Mann: auf seiner Passage durch Paris fand der General von Lamothe-Houdan seine Frau acclimatisirt. sein Hotel meublirt, mit Dienerschaft bevölkert, kurz aus dem Fuße eingerichtet, wie es sich für sein neues Vermögen geziemte. – Ich sage bei seiner Passage, weil der General in Wirklichkeit nur durch Paris passierte; er war schon am Ende des Februars aus dem Wege nach Baiern, wohin unser Freund Maximilian uns dringlich zu Hilfe rief. Diesmal nahm der General seinen Adjutanten mit, und die Vertraute Gruska blieb allein bei der Prinzessin.«

»Ich werde Dir den Feldzug von 1809 nicht erzählen. Dieser Teufelsmensch, den man Napoleon nannte, hatte zu jener Zeit einen Vertrag mit Fortuna geschlossen! – Am 20. April Sieg bei Abensberg; am 21. April Sieg bei Landshut; am 22. April Sieg bei Eckmühl; am 4. Mai Sieg bei Ebersberg; am 13. Mai Einzug in Wien; am 22. Mai Schlacht bei Eßling; am 5. Juli, glaube ich, Schlacht bei Wagram, die den Kampf endigt.

»Es versteht sich von selbst, daß bei diesem Feldzuge von vier Monaten, von Abensberg bis Wagram, der General und sein Adjutant Wunder der Tapferkeit thaten; nur erhielt der General gegen das Ende des letzten Schlachttages eine schwere Wunde; eine Kugel verletzte ihm den Knochen des Schenkels, und man war einen Augenblick unschlüssig, ob man ihm nicht das Bein abnehmen sollte; die Festigkeit allein, mit der er erklärte, er verlange nichts Anderes, als zu sterben, er wolle aber ganz sterben, rettete das bedrohte Glied. Der Kaiser beauftragte zur Belohnung für das schöne Benehmen des Generals, – weil er ihm selbst nicht diese ehrenvolle Sendung geben konnte, da der General sein Schmerzenslager hüten mußte, – seinen Adjutanten den Grafen Rappt, nach Paris die Kunde von der Schlacht bei Wagram zu bringen.

»Der Adjutant reiste noch an demselben Abend ab. Sieben Tage nachher war er in Paris, wo er zur rechten Zeit ankam, einmal um den großen Sieg, der den Vertrag von Schönbrunn herbeiführen sollte, zu verkündigen, und dann, – eine Belohnung für seine Strapazen und seine Ergebenheit, – um in seinen Armen das reizendste Mädchen zu empfangen, das je eine Circassierin nach einer achtmonatlichen Ehe einem französischen General geschenkt hat.«

»Oh! mein Oheim!«

»Mein Lieber, die Zahlen sind Zahlen, nicht wahr? Der General heirathet die Prinzessin, die sein Adjutant zu ihm führt, am 25. October 1809; die Prinzessin kommt am 18. Juli 1809 nieder: das macht gerade acht und einen halben Monat. Uebrigens ist hierbei nichts, worüber man sich wundern dürfte: der Codex und die Medicin bestätigen, daß es glückliche Entbindungen mit sieben Monaten geben kann; um so viel mehr also mit acht und einem halben Monate! – Die Entbindung ging äußerst glücklich von Statten, und zum Beweise dient, daß das Mädchen, Niemand Anderes ist als die schöne Regina, welche in der Taufe den Namen ihrer Mutter, wie es der ihrer Mutter gewesen, auf französische Weise geformt erhielt.«

»Aber, mein Oheim, Sie würden also sagen wollen . . . «

»Ich will nichts sagen, mein Freund: mache mich nicht sprechen.«

»Regina sei die Tochter . . . «

»Des Generals von Lamothe-Houdan; das ist unbestritten: Pater est, quem nuptiae demonstrant!39«

»Mein Oheim, was kann denn den Grafen Rappt zu dieser schmählichen Handlung antreiben?«

»Regina hat eine Million Mitgift.«

»Der Schändliche hat aber fünfundzwanzig tausend Livres Einkünfte.«

»Das wird ihm fünfundsiebzig tausend machen; und da beim Tode des Generals und der Prinzessin Regina zwei weitere Millionen erbt, so wird ihm das eine Rente von hundert und fünfundsiebzig tausend Livres bilden.«

»Dieser Rappt ist ja ein abscheulicher Schurke!«

»Wer sagt Dir das Gegentheil?«

»Daß der General, der von Allem dem nichts weiß, seine Einwilligung zu dieser Heirath gibt, begreife ich; wenn aber die Prinzessin leidet, daß ihre Tochter heirathet . . . «

»Oh! mein Gott, lieber Freund, das macht sich alle Tage! Du hast keinen Begriff, welche Mühe es den Leuten, Eigenthümern eines großen Vermögens, kostet, dieses Vermögen in fremde Hände übergehen zu lassen! Sodann muß man sagen, daß die arme Prinzessin in einem gräßlichen Zustande ist: sie hat eine Nervenkrankheit, die sie beinahe immer im Bette hält, und es ist bei ihr so weit gekommen, daß sie das Tageslicht nicht mehr ertragen kann, so daß sie in einer ewigen Dämmerung lebt, dabei ißt sie Rosenconserven, athmet Wohlgerüche ein und rollt die Körner ihres Tschotki, – lauter Dinge, welche die Nerven ganz sonderbar reizen! . . . Wer sagt im Ganzen, sie wisse, daß ihre Tochter heirathet?«

»Ei! mein Oheim, Sie, der Sie so gut aus dem Laufenden dieser Geschichte zu sein scheinen, werden Sie denn dulden . . . ?«

»Es ist wahr, durch die Marquise de la Tournelle . . . «

»Werden Sie mit kaltem Blute dulden, daß man unter Ihren Augen ein solches Verbrechen begeht?«

»Gut! und in welcher Hinsicht geht das mich an, frage ich Dich? Mit welchem Rechte würde ich mich widersetzen?«

»Mit dem Rechte jedes redlichen Mannes, einen Verbrecher zu entlarven.«

36Alle schwiegen und horchten mit offenem Munde.
37Geduld und Länge der Zeit thun mehr als Gewalt und Wuth.
38Hilfsofficier.
39Vater ist derjenige, welchen die Heirath als solchen bezeichnet.