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Die Mohicaner von Paris

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Und der kleine republicanische Trupp stieg wieder zu Pferde, entfernte sich im Galopp und rief den Royalisten zu:

»Viel Glück! und erinnert Euch bei Gelegenheit dessen, was wir für Euch gethan haben.«

»Meine Herren,« bemerkte, der Graf von Herbel, »sie haben Recht, daß sie uns sagen, wir sollen nicht vergessen, was sie für uns gethan, diese braven Sansculottes; denn ich weiß nicht, ob wir uns an ihrer Stelle so edel benommen hätten, wie sie.«

Am 13. October desselben Jahres, nach der Einnahme von Lauterburg und Weißenburg, wo an der Spitze seines Bataillons der Graf Herbel nach und nach drei Redouten erstürmt, zwölf Kanonen und fünf Fahnen erobert hatte, beglückwünschte ihn der General Graf von Wurmser, der Obercommandant der österreichischen Armee, und der Prinz von Condé umarmte ihn vor seinen Waffengefährten und schenkte ihm seinen eigenen Degen.

Doch eben so wie dem bretonischen Edelmanne für die Monarchie zu sterben als eine erhabene Pflicht erschien, so widerstrebte seinem Gewissen der Bürgerkrieg, den er in Gemeinschaft mit den feindlichen Heeren zu machen, genötigt war. Wohin gingen sie überdies, alle diese französischen Emigranten, im Schlepptau der fremden Soldaten, deren Eroberungsgeist sich bei jeder Gelegenheit offenbarte? Waren sie nicht aus falschem Wege, und der Prinz von Condé, der mit seinem Blute und mit dem seiner Gefährten diesen verzweifelten Versuch unternahm, war er nicht der Bethörte der verbündeten Souverains?

In der That, die Bewohner unserer Grenzen, welche Verdacht gegen die Ergebenheit Oesterreichs und Preußens für die französische Monarchie zu schöpfen ansingen, erhoben sich nicht mehr beim Ausrufe der royalistischen Heere; sie erkannten Eroberer da, wo sie Befreier zu finden gehofft hatten, und verhüllten sich das Gesicht beim Anblicke der fremden Heere.

Die Erfahrung, – welche den Fürsten, wie den anderen Menschen kommt, nachdem die Fehler begangen sind, die ihnen aber nur später kommt, – die Erfahrung war schon für den Grafen Herbel gekommen; und mehr aus Pflicht, als aus Ueberzeugung folgte er der Armee von Condé bis zum 1. Mai 1801, an welchem Tage die Verabschiedung dieser Armee stattfand.

LXXXIV
Der General Graf Herbel von Courtenay

Die Auslösung der Armee von Condé warf nach Deutschland, in die Schweiz, nach Italien, nach Spanien, nach Portugal, nach den Vereinigten Staaten, nach China, Peru, Kamtschatka, mit einem Worte aus alle Punkte der Erde Tausende von Emigranten, welche endigten, wo sie hätten anfangen müssen, das heißt, welche, statt die Waffen gegen Frankreich zu führen, von den Künsten, den Wissenschaften, dem Ackerbau, dem Handel Mittel des Unterhalts forderten.

Der Herr Marquis von Boissrane, Kapitän der Dragoner des Prinzen von Condé, wurde Buchhändler in Leipzig; der Herr Graf von Caumont la Force wurde Buchbinder in London; der Herr Marquis de la Maison-Fort wurde Buchdrucker in Braunschweig; der Herr Baron von Mounier gründete eine Erziehungsanstalt in Weimar; der Herr Graf de la Fraylaie wurde Zeichenmeister; der Herr Chevalier von Payen Schreibmeister; der Herr Chevalier von Botherel Fechtmeister; der Herr Graf von Pontual Tanzmeister; der Herr Herzog von Orleans Lehrer der Mathematik; der Herr Graf von Las-Cazes, der Herr Chevalier von Hervé, der Herr Abbé von Levizae, der Herr Graf von Pomblanet wurden Lehrer der französischen Sprache; der Herr Marquis von Chavannes unternahm den Handel mit Steinkohle; der Herr Graf von Cornullier-Lueinières fand einen Platz als Gärtner; die Familie Polignae endlich trieb in der Ukraine und in Lithauen Feldbau, wie dies Dupont von Nemours in New-York, der Graf de la Tour du Pin an den Ufern des Delaware, und der Marquis von Lezay-Marnesia an den Usern des Scioto thaten.

Der Graf von Herbel flüchtete sich nach England und gedachte sich, wie die Anderen, mit einer Industrie zu versehen, die ihm Lebensunterhalt verschaffen würde; nur verstand der Graf von Herbel, der Erstgeborene einer großen Familie, Eigenthümer eines ungeheuren Vermögens, das von der Nation als Emigrantengut confiscirt worden war, nichts Anderes, als sich zu schlagen: er war also in größter Verlegenheit.

Er hatte einen Augenblick den Gedanken, das Anerbieten eines Dragoner-Kapitäns anzunehmen, der ihm unentgeldlich Lectionen in der Guitarre geben wollte, damit er mit Nutzen Anderen auf diesem Instrumente Unterricht ertheilen könnte; doch überzeugt vom nahen Verfalle desselben schlug der General das Anerbieten des Kapitäns aus und suchte mit größter Beharrlichkeit ein lukrativeres und minder der Mode unterworfenes Gewerbe.

Als er eines Abends am User der Themse spazieren ging, sah er einen englischen Straßenjungen emsig beschäftigt, mit einem Federmesser ein, ungefähr einen Fuß langes, Stück Holz zu schnitzen.

Er blieb stehen, schaute den Jungen an, lächelte ihm wohlwollend zu, als dieser ihn auch anschaute, und allmählich sah er das Stück Holz einen Schiffsrumpf, dann das lebendige Werk einer Brigg von zehn Kanonen in Miniatur werden. Er erinnerte sich einst mit seinem jüngeren Bruder, – einem wüthenden Seemanne, mit dem wir uns später als mit dem Vater von Petrus beschäftigen müssen, – er erinnerte sich auch, ein Sohn des Oceans, ein Kind der bretagnischen Küste, kleine Schiffe, um die sich seine Kameraden rissen, geschnitzt zu haben.

Ehe er nach Hause ging, kaufte der Graf Tannenholz und Werkzeug, und von diesem Augenblicke fing er an Schiffe aller Nationen zu verfertigen, von der amerikanischen Corvette mit den schlanken Spieren bis zur schwerfälligen chinesischen Jonke.

Was Anfangs eine Unterhaltung gewesen war, wurde eine Industrie; was eine Industrie gewesen war, wurde eine Kunst; Größe, Schnitt, Segel, Anstrich, Benutzung der Räume, Takelwerk, der Graf studierte Alles; bald machte er etwas Besseres als Nachahmungen, er machte Modelle.

Dank sei es dem Rufe, den er sich erworben hatte, erhielt er am Ende die Stelle eines Conservators der Admiralität von London; was ihn nicht abhielt, am Strande ein Magazin zu haben, aus dessen Schild mit großen Buchstaben die Worte geschrieben waren:

Der General Graf Herbei von Courtenay,
Abkömmling der Kaiser von Constantinopel,
Holzdreher

Und man traf in der That im Laden des Abkömmlings von Josselin III. nicht nur die kleinen Modelle von Schiffen, welche den Fond seines Geschäftes bildeten, sondern auch Tabaksdosen, Kegel, Kreisel, und eine Menge anderer das Handwerk, das er gewählt, betreffenden Gegenstände.

Am 26. Mai 1802 wurde die Amnestie verkündigt.

Der Graf Herbel von Courtenay war Philosoph: in England hatte er seine gesicherte Existenz, in Frankreich hatte, er dies nicht; er blieb in England. Er blieb noch 1814, nach der Restauration der Bourbonen, und wünschte sich Glück, daß er geblieben war, als er die Bourbonen 1815 Frankreich wieder verlassen sah.

Er blieb hier bis zum Jahre 1818 und kehrte sodann mit einem Vermögen von mehr als hunderttausend Franken, der Frucht seiner Ersparnisse und des Verkaufs seines Magazins, in sein Vaterland zurück.

Später bekam der Herr Graf Herbel von Courtenay seinen Theil von der Entschädigungs-Milliarde, nämlich zwölfmal hunderttausend Livres, woraus er sich eine Rente von sechzigtausend Livres machte.

Als er wieder reich geworden war, wurde er von seinen Landsleuten würdig gefunden, sie zu vertreten, und im Jahre 1826 in die Kammer der Abgeordneten geschickt; er nahm hier seinen Platz im linken Centrum, wo ihn seine Meinungsnuance zwischen Martignac und Lameth stellte.

Hier werden wir ihn 1827 wiederfinden, in dem Augenblicke, wo Herrn von Peyronnet den Gesetzesentwurf übergeben hat, der, nach dem Ausdrucke von Casimir Perrier, keinen andern Zweck hatte, als die Druckerei völlig zu vernichten.

Die Verhandlung war am Anfange des Februars eröffnet worden; vierundvierzig Abgeordnete hatten sich eingeschrieben, um den Gesetzesentwurf zu bekämpfen, und einunddreißig, um ihn zu vertheidigen.

Bemerken wir, daß fast alle diejenigen, welche das Gesetz vertheidigen sollten, der religiösen Partei angehörten, während diejenigen, welche es bekämpfen sollten, zugleich Abgeordnete der ehemaligen Linken und Mitglieder der Rechten waren, die sich, obgleich erbitterte Gegner, in einer gemeinschaftlichen Opposition gegen die clericale Partei und Herrn von Peyronnet vereinigt hatten.

Unter denjenigen, welche mit Anstrengung aller ihrer Kräfte zum nahen Sturze des Ministeriums beitrugen, war der Graf von Herbel, der, ein erklärter Feind sowohl der Republicaner als der Jesuiten, nur zwei Dinge aus der Welt haßte: die Jacobiner und die Priester.

Wie la Fayette und Mounier dem angehörend, was man 1789 die constitutionelle Partei nannte, fing er an die Vorzüge der parlamentarischen Regierung zu begreifen; nach dem Beispiele von Herrn de la Vourdonnais, setzte er das Glück Frankreichs in die Verbindung der Charte mit der Legitimität, und er betrachtete beide als dergestalt von einander unzertrennlich, daß er eben so wenig die Charte ohne die Legitimität, als die Legitimität ohne die Charte wollte.

Das neue Gesetz gegen die Presse dünkte nun dem General Herbel gewaltsam und albern, und es schien ihm viel mehr gegen die Freiheit, als gegen die Zügellosigkeit gerichtet. Er sprang auch auf, als er Herr von Sallabery, der die Discussion in Angriff genommen hatte, sagen hörte, die Druckerei sei die einzige Plage, mit der Moses Aegypten heimzusuchen vergessen habe; und er hätte beinahe Herrn von Peyronnet herausgefordert, der, gegen seine Gewohnheit, bei dieser zweideutigen Pointe des ehrenwerthen Abgeordneten in ein Gelächter ausbrach. Kurz, der General Herbel, – der mit seinem Familiennamen Jacques von Courtenay hieß, folglich einen der ältesten und berühmtesten Namen Frankreichs trug, den Namen des Königs nicht ausgenommen, – der General Herbel, während er durch seinen Adel, durch seine Instincte, durch seine Erziehung vom Faubourg Saint-Germain war, gehörte durch seinen skeptischen, spöttischen Geist der Voltairischen Schule an und, so zu sagen, der modernen Schule durch seine vorurtheilsfreien Ansichten.

 

Wie gesagt, nur zwei Secten hatten das Privilegium, ihn in Wuth zu bringen: die Jesuiten und die Jacobiner.

Es war also eine seltsame Mischung von Oppositionen, dieser General Herbel.

Wollen Sie uns folgen und mit uns bei ihm eintreten? Wir werden ihn nach unserer Bequemlichkeit studieren. Er soll, wenn nicht eine erste, doch wenigstens eine wichtige Rolle in unserem Drama spielen, und wir vermöchten nicht sorgfältig genug zu Werke zu gehen, um von ihm ein ähnliches Portrait zu machen.

Man war, wie wir erwähnt haben, am Faschings-Montag; der General, der die Kammer um vier Uhr verlassen hatte, war so eben in sein Hotel, in der Rue de Varennes, zurückgekommen.

Er lag auf einer Causeuse ausgestreckt und las in einem Buche in Quart mit Goldschnitt und in Saffian gebunden. Seine Stirne war sorgenvoll, mochte ihn seine Lecture so beunruhigen, oder war das, was seinen Geist bewegte, früher als seine Lecture und konnte durch diese nicht zerstreut werden.

Er streckte den Arm gegen ein Tischchen aus, suchte umhertappend, ohne daß er zu lesen aufhörte, fand eine Glocke unter seiner Hand und klingelte.

Beim Geräusche der Klingel schien seine Stirne sich zu erheitern; ein Lächeln der Befriedigung schwebte über seine Lippen; er schloß sein Buch, während er seinen Daumen in der Oeffnung ließ, schlug die Augen zum Plafond auf und machte mit lauter Stimme und mit sich selbst sprechend folgende Reflexionen:

»Virgil ist entschieden nach Homer der erste Dichter der Welt . . . Ja!«

Und gleichsam um sich selbst Recht zu geben, fügte er bei:

»Je öfter ich seine Verse lese, desto harmonischer finde ich sie.«

Und sie mit einer markigen Bewegung scandirend, modulierte er aus dem Gedächtnisse ein Dutzend Verse der Bucolica.

»Hiernach spreche man mir von den Lamartine, von den Hugo; Träumer, Metaphysiker, alle diese Leute!« sagte der General.

Und er zuckte die Achseln.

Da die Einsamkeit, in der er sich befand, obgleich er geklingelt hatte, machte, daß Niemand da war, um ihm zu widersprechen, so fuhr er fort:

»Was mich übrigens bei den Alten entzückt, ist ohne Zweifel diese vollkommene Ruhe, diese tiefe Heiterkeit der Seele, welche in ihren Schriften herrscht.«

Nach dieser vernünftigen Reflexion hielt er einen Augenblick inne; dann faltete sich seine Stirne aufs Neue.

Er klingelte zum zweiten Male, und alsbald trat aus seiner Stirne die erste Heiterkeit wieder hervor.

Das Resultat dieser Heiterkeit war die Wiederaufnahme seines Monologs.

»Fast alle Dichter, Redner und Philosophen des Alterthums lebten in der Einsamkeit,« sagte er: »Cicero in Tusculum; Horaz in Tibur; Seneca in Pompeji; und diese milden Tinten, welche in ihren Büchern entzücken, sind wie der Reflex ihrer Meditationen und ihrer Vereinzelung.«

In diesem Augenblicke faltete sich die Stirne des Generals zum dritten Male, und er klingelte mit solcher Heftigkeit, daß der Klöppel des Glöckchens sich losmachte und an einen Spiegel zurücksprang, den er beinahe zerbrochen hätte.

»Franz! Franz! willst Du nicht kommen, elender Schuft?« rief der General mit einer Art von Wuth,

Bei diesem energischen Rufe erschien ein Diener, dessen Tournure an jene vom Gurte ihrer anliegenden Hose am Leibe eng umschlossenen österreichischen Soldaten erinnerte. Er trug eine Art von Kreuz an einem gelben Bande befestigt und Corporalsborten.

Es war übrigens Grund vorhanden, daß Franz einem österreichischen Soldaten glich: er war von Wien.

Sogleich bei seinem Eintritte nahm er die militärische Haltung an, – die Beine an einander gedrückt, die Fußspitzen auswärts gesetzt, den kleinen Finger der linken Hand an der Naht der Hose, die offene rechte Hand in der Höhe der Stirne.

»Ah! bist Du endlich da, Bursche!« sagte wüthend der Graf.

»Ja, ich bin da, mein General; schon da!« antwortete Französisch radebrechend der Wiener.

»Ja, schon da, nachdem ich dreimal gerufen habe, Schurke!«

»Ich habe es erst das zweite Mal gehört, mein General.«

»Dummkopf!« rief der General, unwillkürlich über die Naivetät seines Stiefelputzers lachend. »Und das Mittagsbrod, wo ist es denn?«

»Das Mittagsbrod. mein General?«

»Ja, das Mittagsbrod.«

Franz schüttelte den Kopf.

»Wie! willst Du etwa sagen, es gebe kein Mittagsbrod, Schlingel?«

»Doch, mein General, es gibt eines; aber es ist nicht die Stunde.«

»Es ist nicht die Stunde?«

»Nein.«

»Wie viel Uhr ist es denn?«

»Ein Viertel aus sechs Uhr, mein General.«

»Wie, ein Viertel aus sechs Uhr?«

»Ein Viertel aus sechs Uhr.« wiederholte Franz.

Der General zog seine Uhr aus der Tasche.

»Es ist bei meiner Treue wahr!« sagte er.

»Welche Demüthigung für mich, daß dieser Schlingel Recht hat.«

Franz lächelte vor Freude.

»Ich glaube, Du hast Dir erlaubt, zu lächeln, Schuft?« rief der General.

Franz nickte bejahend mit dem Kopfe.

»Und warum hast Du gelächelt?«

»Weil ich die Stunde besser wußte, als mein General.«

Der General zuckte die Achseln.

»Marsch!« sagte er; »und aus den Schlag sechs, Uhr muß das Essen auf dem Tische sein.«

Und er las wieder in seinem Virgil.

Franz machte drei Schritte gegen die Thüre; sodann, sich plötzlich besinnend, drehte er sich aus den Absätzen um, brachte die drei verlorenen Schritte wieder ein, und befand sich an demselben Platze und in derselben Position wie einen Augenblick vorher.

Der General fühlte viel mehr als er sah den undurchsichtigen Körper, der ihm, nicht die Sonne, aber den Schatten der Sonne unterbrach.

Er erhob die Augen von der Spitze des Schuhs von Franz bis zum Ende seiner Finger.

Franz war unbeweglich wie ein hölzerner Soldat.

»Nun,« fragte der General, »wer ist da?«

»Ich bin es, mein General.«

»Habe ich Dir nicht gesagt, Du sollst gehen?«

»Mein General hat das gesagt.«

»Warum bist Du dann nicht gegangen?«

»Ich bin gegangen.«

»Du siehst wohl, daß dies nicht geschehen ist, da Du noch da bist.«

»Oh! ich bin wieder gekommen.«

»Und warum bist Du wieder gekommen? das frage ich Dich.«

»Ich bin wieder gekommen, weil eine Person da ist, die den General sprechen will.«

»Franz,« rief der General noch energischer, als er es bis dahin gethan, die Stirne faltend, »Unglücklicher, ich habe Dir hundertmal gesagt, wenn ich aus der Kammer komme, liebe ich es, in der Lecture guter Bücher meinen Geist wieder zu stärken, um die schlechten Reden zu vergessen, – mit andern Worten, ich wolle Niemand empfangen!«

»Mein General,« erwiderte Franz mit dem Auge blinzelnd, »es ist eine Dame.«

»Eine Dame?«

»Ja, mein General, eine Dame.«

»Nun wohl, Schlingel, und wenn es ein Bischof wäre, ich bin nicht zu Hause.«

»Ah! ich habe gesagt, Sie seien zu Hause, mein General.«

»Du hast das gesagt?«

»Ja, mein General.«

»Und wem hast Du das gesagt?«

»Der Dame.«

»Und diese Dame ist?«

»Die Marquise de la Tournelle.«

»Tausend Millionen Donner!« rief der General, von seiner Causeuse auffahrend.

Franz sprang mit geschlossenen Füßen rückwärts und befand sich ein halbes Metre weiter entfernt in derselben Position.

»Du hast also der Marquise de la Tournelle gesagt, ich sei zu Hause?« rief der General wüthend.

»Ja, mein General.«

»Nun wohl, so höre Franz: Du wirst Dein Kreuz und Deine Borten abnehmen, Du wirst sie sorgfältig in Deinen Schrank einschließen, und sie sechs Wochen lang nicht tragen!«

Es bewerkstelligte sich im Gesichte von Franz eine völlige Verstörung, woraus man errathen konnte, welch ein entsetzlicher Sturm sich in seiner Seele erhob; sein Schnurrbart zuckte in allen Richtungen; eine Thräne glänzte am Winkel seines Auges, und er war genötigt, eine übermenschliche Anstrengung zu machen, um nicht zu nießen.

»O! mein General!« murmelte er.

»Das ist gesagt! . . . Und nun laß die Dame eintreten.«

LXXXV
Gespräch einer Frömmlerin mit einem Voltairianer

Franz öffnete die Thüre und führte die alte hoffärtige Person ein, die wir Regina bei dem Besuche, den sie Petrus machte, um ihr Portrait zu bestellen, als Ehrenhüterin haben dienen sehen.

Der General besaß im höchsten Grade die treffliche Eigenschaft der Aristokratie, welche, um einen sehr bezeichnenden Volksausdruck zu gebrauchen, darin besteht, daß man gute Miene zum schlechten Spiele zu machen weiß; Niemand verstand es besser, nicht einem Feinde, – Männern gegenüber war er offenherzig bis zur Brutalität, – sondern einer Feindin zuzulächeln; denn gegen Frauen, von welchem Alter sie auch sein mochten, war der General höflich bis zur Verstellung.

Beim Eintritte der Marquise stand er also auf, und mit einer gewissen Trägheit im linken Beine, – die er einer alten Wunde und sein Arzt einem neuen Gichtanfalle zuschrieb,– ging er ihr entgegen, bot ihr galant die Hand, führte sie zu der Causeuse, die er kurz zuvor verlassen hatte, rückte einen Lehnstuhl an die Causeuse und setzte sich in den Lehnstuhl.

»Wie, Marquise,« fragte er, »Sie in Person erweisen mir die Ehre, mich zu besuchen?«

»Und Sie sehen mich hierüber selbst ganz erstaunt, mein lieber General,« erwiderte die alte Dame schamhaft die Augen niederschlagend.

»Erstaunt! Erlauben Sie mir, Ihnen zu bemerken, Marquise, daß von Ihrer Seite das Wort nicht liebenswürdig ist. Erstaunt! ich bitte, was kann Sie hier in Erstaunen setzen?«

»General, legen Sie auf die Worte, die ich Ihnen sage, nicht das ganze Gewicht, die sie bei einer andern Gelegenheit haben könnten: ich habe Sie um einen so großen Dienst zu bitten, daß ich dadurch ganz verwirrt bin.«

»Ich höre, Marquise; Sie wissen, daß ich ganz der Ihrige bin; sprechen sie! um was handelt es sich?«

»Wäre das Sprichwort: ›Aus den Augen, aus dem Sinne,‹ nicht eine treffliche Wahrheit,« sagte coquett die Marquise, »so würden Sie mir die Mühe, weiter zu gehen, ersparen und errathen, welche Gefälligkeit ich von Ihnen verlange.«

»Marquise, dieses Sprichwort ist falsch, wie alle Sprichwörter, die mir in Ihrem Geiste nachtheilig sein könnten; denn, obschon ich des Vergnügens beraubt war, Sie zu sehen, seit unserem letzten Streite in Betreff des Grafen Rappt . . . «

»In Betreff unseres . . . «

»In Betreff des Grafen Rappt,« unterbrach lebhaft der General; »es sind etwa drei Monate, daß der Streit stattgefunden hat; trotz dem, sage ich, habe ich nicht vergessen, daß heute Ihr Namenstag ist, und ich habe Ihnen so eben meinen Strauß zugeschickt: Sie werden ihn finden, wenn sie nach Hause kommen: das ist der vierzigste Strauß, den Sie von mir empfangen haben.«

»Der einundvierzigste, General.«

»Der vierzigste; ich halte an meinen Daten fest, Marquise.«

»Lassen Sie uns recapituliren.«

»Oh! so lange Sie wollen.«

»Im Jahre 1787 ist der Graf Rappt geboren.«

»Verzeihen Sie, 1786.«

»Sie sind dessen sicher?«

»Bei Gott! mein erstes Bouquet datiert vom Jahre seiner Geburt.«

»Vom vorhergehenden, mein lieber General.«

»Nein, nein, nein, nein!«

»Gleichviel! . . . «

»Oh! es gibt kein gleichviel: das ist so.«

»Es mag sein; übrigens komme ich nicht, um mit Ihnen von diesem unglücklichen Kinde zu sprechen.«

»Unglückliches Kind? Vor Allem ist das kein Kind: ein Mann mit einundvierzig Jahren ist kein Kind mehr . . . «

»Der Graf Rappt ist erst vierzig Jahre alt.«

»Einundvierzig! ich behaupte meine Zahl; sodann ist er nicht so unglücklich, wie mir scheint: einmal erhält er von Ihnen etwas wie eine Rente von fünfundzwanzig tausend Livres . . . «

»Er mußte fünfzig haben, wäre das Herz seines Vaters nicht hart wie ein Fels.«

»Marquise, ich kenne seinen Vater nicht; ich kann Ihnen also nicht hierüber antworten.«

»Sie kennen seinen Vater nicht?« rief die Marquise mit dem Tone, mit dem Hermione sagt:

Je ne t’ai point aimé, cruel! Qu’ai-je donc fait? 33

 

»Verwickeln wir uns nicht, Marquise; Sie sagten, vom Grafen Rappt sprechend, er sei unglücklich, und ich, ich antwortete Ihnen: ›Nicht so unglücklich! Erstens, fünfundzwanzig tausend Livres Rente, die Sie ihm geben . . . ‹

Oh! nicht fünfundzwanzig tausend Livres Rente müßte er haben: er müßte . . . «

»Fünfzig, Sie haben es schon gesagt . . . Also fünfundzwanzig tausend Livres, die Sie ihm geben; sein Gehalt als Oberster: vierzehntausend Franken; sein Commandeurkreuz der Ehrenlegion: zweitausend vierhundert; ich bitte, addieren Sie. Sodann fügen Sie diesem bei: Abgeordneter; ferner, wie man versichert, durch Ihren Einfluß aus Ihren Bruder in der Lage, eine Heirath von zwei bis drei Millionen mit einer der schönsten Erbinnen von Paris zu machen. Ei! dieses unglückliche Kind scheint mir im Gegentheile glücklich wie ein Bankert!«

»Oh! pfui, General!«

»Nun! das ist ein Sprichwort; Sie gebrauchen wohl Sprichwörter; warum sollte ich mich enthalten?«

»Sie haben vorhin gesagt, alle Sprichwörter seien falsch.«

»Ich habe nur von denjenigen gesprochen, welche mir in Ihrem Geiste nachtheilig sein könnten . . . Doch mir scheint, wir schweifen aus, Marquise, und Sie kamen, wie Sie sagten, um sich einen Dienst von mir zu erbitten. Sprechen Sie, Marquise, was für ein Dienst ist es?«

»Vermuthen Sie es nicht ein wenig?«

»Nein, bei meiner Ehre!«

»Suchen Sie wohl, General.«

»Ich bin gedemüthigt, Marquise, doch ich habe keine Ahnung.«

»Nun wohl, General, ich komme, um Sie auf meinen Ball morgen Abend einzuladen.«

»Sie geben einen Ball?«

»Ja.«

»Bei Ihnen?«

»Nein, bei meinem Bruder.«

»Das heißt, Ihr Bruder gibt einen Ball?«

»Das ist immer dasselbe.«

»Nicht ganz, wenigstens in Beziehung aus mich; ich habe Ihrem Bruder keine vierzig Sträuße geschickt, wie Ihnen.«

»Ein und vierzig,«

»Wegen eines mehr oder weniger will ich Ihnen nicht widersprechen.«

»Werden Sie kommen?«

»Auf den Ball Ihres Bruders?«

»Werden Sie kommen?«

»Fragen Sie mich das im Ernste?«

»Oh! das ist abermals eine von Ihren Ideen!«

»Ihr Bruder, der mich den Alten von Berge nennt, weil ich im linken Centrum bin und gegen die Jesuiten stimme! Warum nennt er mich nicht sogleich ein Königsmörder? . . . Was that denn er, während ich am Strand Kreisel drehte und Briggs auftakelte? Er that das, was mein Schuft von einem Bruder that: er diente Herrn Bonaparte; nur diente mein Seeräuber von einem Bruder zur See, und der Ihre diente auf dem Lande, das ist der ganze Unterschied. Oh! oh! ich frage Sie abermals, Marquise, ist Ihre Einladung Ernst?«

»Allerdings.«

»Der Ebene ladet den Berg ein?«

»Der Ebene macht es wie Mahomet, General: der Berg wollte nicht zu Mahomet gehen . . . «

»Ja, dann ging Mahomet zum Berge, ich weiß es; doch Mahomet war ein Ehrgeiziger, der eine Menge Dinge gethan hat, die ein Anderer nicht gethan hätte.«

»Wie, mein lieber General, Sie werden nicht da sein, am Tage der Verkündigung der Heirath unserer Nichte Regina mit unserem theuren . . . ?

»Mit Ihrem theuren Sohne, Marquise . . . Das ist also der Oelzweig, den Sie mir bringen?«

»Durchschlungen von einem Myrtenzweige, ja, General.«

»Aber, Marquise, wahrhaftig, ist sie nicht ein wenig gewagt, die Heirath, die Sie da machen? . . . Denn Sie werden mir nicht sagen, Sie seien es nicht, die sie macht?«

»Gewagt, in welcher Hinsicht?«

»Ihre Nichte ist siebzehn Jahre alt.«

»Nun?«

»Das ist sehr jung, um einen Mann von einundvierzig Jahren zu heirathen.«

»Von vierzig.«

»Von einundvierzig, abgesehen davon, liebe Marquise, daß schon im Jahre 1808 oder 1809 gewisse Gerüchte über den Grafen Rappt und die Prinzessin von Lamothe-Houdan im Umlaufe waren.«

»Stille, General! sagen Leute von unserem Stande solche Infamien über einander?«

»Nein, sie beschränken sich darauf, daß sie dieselben denken; da ich bei Ihnen ganz laut denke, Marquise, so glaubte ich meine Zunge, ehe ich spreche, nicht zweimal im Munde drehen zu müssen. Lassen Sie mich Ihnen nun Eines sagen.«

»Was?«

»Ich werde nie glauben, Sie haben sich die Mühe, von der Rue Plumet in die Rue Varennes zu kommen, einzig und allein in der Hoffnung gegeben, für Ihren Ball einen Tänzer meiner Art zu rekrutieren?«

»Warum denn nicht, General?«

»Hören Sie, Marquise, man sagt, der wahre Gedanke der Frauen finde sich immer in der Nachschrift ihrer Briefe.«

»Und Sie möchten gern die Nachschrift meines Besuches kennen?«

»Das ist mein höchstes Verlangen.«

»Ich begreife, Sie wollen mich fühlen lassen, daß Sie ihn lang finden, und mir artig vorwerfen, daß ich Ihnen denselben gemacht habe.«

»Das wäre der erste Vorwurf, den ich mir gegen Sie in meinem Leben erlaubt hätte, Marquise.«

»Nehmen Sie sich in Acht, Sie werden mich eitel machen.«

»Das wird der einzige Fehler sein, den ich von Ihnen kenne.«

»Oh! General, das ist ein Compliment, das in gerader Linie vom Hofe Ludwigs XV. kommt.«

»Es wird kommen, woher Sie wollen, wenn ich nur erfahre, woher Ihre Einladung kommt.«

»Ah! ich bemerke, daß Sie noch ungläubiger sind, als man behauptet.«

»Meine liebe Marquise, das ist das dritte Mal, daß ich seit achtzehn Monaten die Ehre habe, Sie zu sehen. Das erste Mal sind Sie gekommen, um mir ein Geständniß zu machen, welches mich wohl gerührt hätte, hätte ich daran glauben können: daß der Graf Rappt, gerade zwölf Monate nach dem Tode des armen Marquis de la Tournelle geboren, gerade neun Monate nach dem ersten Strauße, den ich Ihnen geschickt, geboren worden sei.«

»Neun oder zehn Monate vorher, mein lieber General.«

»Neun oder zehn Monate nachher, liebe Marquise.«

»Gestehen Sie, daß Sie mit einer seltenen Hartnäckigkeit unsere Verbindung jünger zu machen suchen.«

»Gestehen Sie zu, daß Sie dieselbe mit einer seltenen Beharrlichkeit älter zu machen suchen.«

»Das ist sehr natürlich bei einer Mutter.«

»Warum des Teufels, liebe Freundin, haben Sie denn so lange gewartet, um mir das hohe Glück zu verkündigen, das mir die Vorsehung gewährte, indem Sie mir einen Erben in dem Augenblicke gab, wo ich es mir am wenigsten versah?«

»General, es gibt Geständnisse, welche einer Frau immer Ueberwindung kosten.«

»Und die ihr am Ende dennoch entschlüpfen, wenn der Mann, dem sie dieselben zu machen sieben bis achtunddreißig Jahre gezögert hat, plötzlich und durch einen unvorhergesehenen Umstand, – wie es der des Beschlusses einer Entschädigungsmilliarde ist, – für seinen Theil zwölfmal hunderttausend Franken bekommt.«

»Es lag, Sie müssen es zugestehen, General, ein gewisses Zartgefühl darin, Ihnen nicht zu sagen, Sie haben einen Sohn, so lange der Mangel an Vermögen Ihnen den Kummer bereiten mußte, diesem Sohne nur Ihren sehr ehrenwerthen, sehr berühmten, aber sehr armen Namen hinterlassen zu können.«

»Marquise, kommen Sie, wie vor achtzehn Monaten, wie vor einem Jahre, wie vor sechs Monaten, um mich zu überreden, unsere Verbindung datiere von 1786.,während ich sicher bin, daß sie erst von 1787 datiert, so sage ich Ihnen, daß ich mich gestern auf die Kunst, die Data zu verifizieren, abonniert habe, daß ich die vergangene Nacht damit zugebracht habe, das Datum des ersten Straußes, den ich Ihnen geschickt, zu verifizieren, und daß . . . «

»Und daß?«

»Mein Bruder der Seeräuber oder mein Neffe der Maler, so sehr ich sie für unwürdig meinen Namen zu tragen und mein Vermögen zu erben erkenne, mein Vermögen erben und meinen Namen tragen werden. Genügt Ihnen das, Marquise?«

»Nein, General; denn ich kam nicht deshalb.«

»Warum des Teufels kommen Sie denn?« rief der General, die erste Bewegung von Ungeduld, die er sich hatte entschlüpfen lassen, an den Tag gebend; »etwa, daß ich Sie heirathe?«

»Gestehen Sie unter uns, Sie haben mich genug geliebt, daß ein solcher Vorschlag, wenn er Ihnen gemacht würde, nichts hätte, was Sie in Erstaunen setzen konnte.«

»Ich gestehe es unter uns, doch unter uns allein . . . Darum kommen Sie also? Warum sagten Sie mir das nicht sogleich?«

»Was hätten Sie mir geantwortet?«

»Ich habe keine Abneigung, in der Haut eines alten Junggesellen zu sterben, während ich mich tief schämen würde, in der eines alten Dummkopfs zu sterben.«

»Trösten Sie sich, General, ich bin nicht deshalb gekommen.«

»Dann, tausend Millionen Donner! . . . Ah! verzeihen Sie, Marquise, doch wahrhaftig, Sie würden einen Heiligen das Paradies verlieren machen, der schon mit einem Fuße aus der Schwelle der Pforte desselben stünde.«

Und der General, der, als ihm sein großer Fluch entschlüpfte, aufgestanden war, ging mit raschen Schritten im Zimmer auf und ab.

Endlich blieb er vor der Marquise stehen und sagte:

»Wenn Sie aber nicht deshalb kommen, warum, im Namen des allmächtigen Gottes, kommen Sie denn?«

»Ah!« erwiderte die alte Dame, »ich sehe wohl, daß ich die Frage in Angriff nehmen muß.«

33Ich habe Dich nicht geliebt. Grausamer? Was habe ich denn gethan?