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Die Mohicaner von Paris

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»Ihr habt also seit drei Tagen nicht gearbeitet?«

»Mein Herr,« antwortete der Gärtner, »ich habe nicht Lust verdammt zu werden.«

»Gut! das ist Alles, was ich wissen wollte; somit ist Eure Leiter seit drei Tagen im Schoppen?«

Meine Leiter ist nicht im Schoppen, da Sie daran hinaufgestiegen sind.«

»Dieser Bursche ist voll Verstand,« sagte Herr Jackal; »doch es gibt etwas, wofür ich stehe, daß er die Entführung nicht prakticirt!«

Der Gärtner heftete seine Augen ganz starr und erstaunt auf den Polizeimann.

»Mein Freund,« sagte Jackal zu ihm, »macht mir nur das Vergnügen, zu mir heranzusteigen.«

Der gute Mann sah Madame Desmarets an, um in ihren Augen zu lesen, ob er den Befehlen dieses Eindringlings gehorchen sollte.

»Thut, was der Herr sagt.« antwortete Madame Desmarets.

Der Gärtner stieg ein paar Sprossen hinauf.

»Nun?« fragte Herr Jackal Salvator.

»Sie drückt sich ein, doch nicht bin zum Querholze, erwiderte dieser.

»Steigt hinab, mein Freund,« sagte Herr Jackal zum Gärtner.

Der brave Mann gehorchte und rief dann:

»Ich hin herabgestiegen!«

»Bemerken Sie, wie wenig dieser Mensch sagt, wie aber Alles, was er sagt, gut gesagt ist,« sprach Herr Jackal.

Der Gärtner lachte: das Compliment schmeichelte ihm.

»Nun, mein Freund,« fuhr Jackal fort, »nun nehmt Madame Desmarets in Eure Arme.«

»Ho!« machte der Gärtner.

»Was sagen Sie denn da, mein Herr?« fragte Madame Desmarets.

»Nehmt Madame in Eure Arme,« wiederholte Herr Jackal.

»Ich werde nie so keck sein,« sagte der Gärtner.

»Und ich, ich verbiete es Euch, Pierre!« rief die Vorsteherin der Pension.

Herr Jackal sprang von der Leiter herab.

»Steigt so hoch hinan als ich war,« sagte er zum Gärtner.

Der Gärtner stieg ohne Schwierigkeit hinauf und nahm Platz auf der Sprosse, welche Herr Jackal verlassen hatte.

Dieser näherte sich Madame Desmarets, schlang einen Arm unter den Schultern, den andern unter den Kniebeugungen durch, und hob sie von der Erde auf, ehe sie nur Zeit gehabt hatte, die Absicht von Herrn Jackal wahrzunehmen.

»Aber, mein Herr! Aber, mein Herr!« rief Madame Desmarets, »was machen Sie denn?«

»Madame, nehmen Sie an, ich sei verliebt in Sie, und ich entführe sie.«

»Das ist eine Annahme!« rief der Gärtner, der auf seiner Sprosse saß.

»Aber, mein Herr!« wiederholte Madame Desmarets; »aber, mein Herr! . . . «

Beruhigen Sie sich, Madame,« erwiderte Herr Jackal; »das ist, wie unser Freund Pierre sagt, nur eine Annahme.

Und Madame Desmarets in den Armen haltend, stieg er vier bis fünf Sprossen hinauf.

»Sie drückt sich ein!« rief Salvator, mit dem Auge den Leiterstangen folgend, welche wirklich im Boden verschwanden.

»Drückt sie sich bis an das Querholz ein?« fragte Herr Jackal.

»Nicht ganz.«

»Stützen Sie den Fuß auf die zweite Sprosse,« sagte Herr Jackal, Salvator führte das befohlene Maneoeuvre aus.

»Diesmal ist sie genau bei demselben Punkte wie die andere.«

»Es ist gut,« erwiderte der Polizeimann; »steigen wir Alle hinab.«

Er stieg zuerst hinab, ließ Madame Desmarets wieder die senkrechte Linie nehmen, ermahnte Pierre, unbeweglich im der Allee zu bleiben, zog die Leiter aus dem Boden, wo sie eine Spur, dem benachbarten Eindrucke ähnlich, hinterließ, und sagte dann:

»Madame Desmarets ist, wie ich mir vorstelle, ein wenig schwerer, als Mademoiselle Mina; ich, ich bin ein wenig leichter, als der Mann, der Ihre Braut wegtrug: das gibt die Ausgleichung.«

»Und Sie schließen hieraus? . . .

»Daß Mademoiselle Mina von drei Männern entführt worden ist, von denen sie zwei auf der Leiter trugen, während der dritte diese Leiter, den Fuß darauf stützend, hielt.«

»Ah!« machte Justin.

»Nun wollen wir zu erfahren suchen, mein lieber Herr, wer diese drei Männer waren.« sagte Herr Jackal.

»Ah! ich begreife rief der Gärtner, »man hat eine von unseren Pensionnairen entführt.«

Herr Jackal senkte seine Brille, um Pierre nach seiner Bequemlichkeit anzuschauen, und als er ihn wohl angeschaut hatte, sagte er:

»Madame Desmarets, entfernen Sie nie diesen Burschen von sich: das ist ein wahrer Schatz von Intelligenz.«

Sodann zum Gärtner:

»Mein Freund, Ihr könnt Eure Leiter unter den Schuppen zurücktragen; wir bedürfen ihrer nicht mehr.«

LXXIV
Die Tritte

Während sich der Gärtner in der Richtung des Schoppens entfernte, untersuchte Herr Jackal, der seine Brille bis auf die Stirne hinaufgeschoben hatte und seine Nase mit Tabak voll stopfte, die Spur der Füße.

Er zog aus seiner Tasche ein feines Messer, halb Federmesser, halb Gartenmesser, öffnete eine von seinen acht bis zehn Klingen, und schnitt einen Zweig ab, mit dem er die Tritte zu messen anfing.

»Hier sind die Spuren, die sich von der Mauer nach dem Fenster, und vom Fenster nach der Mauer wenden, – hin und zurück —« sagte er. »Die Entführer waren, wie es scheint, von den Gewohnheiten des Pensionnats gut unterrichtet, und glaubten keine große Vorsichtsmaßregeln nehmen zu müssen; nun . . . «

Herr Jackal schien verlegen.

»Nun,« wiederholte der Polizeimann- »sind hier Schuhe genau von derselben Länge und derselben Breite. Sollte, einmal im Garten, ein einziger Mensch den Streich ausgeführt haben, und hätten die zwei Anderen gewartet?«

»Die Schuhe sind von derselben-Breite und derselben Länge,« sagte Salvator; »doch sie gehören nicht; demselben Fuße an.«

»Ah! Ah! und woran sehen Sie das?«

»An den Nägeln der Sohle, welche auf verschiedene Art angebracht sind.«

»Das ist, bei meiner Treue, wahr!« rief Herr Jackal; »von zwei zu zwei Schritten findet man einen Schuh mit Nägeln im Dreieck gestellt. Einer von unseren Leuten ist Freimaurer.«

Salvator erröthete leicht.

Herr Jackal sah diese Röthe nicht, oder er wollte sie nicht sehen.«

»Überdies,« fügte Salvator bei, »überdies hinkte einer von den zwei Männern mit dem rechten Fuße: der Schuh ist, wie Sie sehen können, auf dieser Seite mehr übertreten, als auf der andern.«

»Das ist abermals wahr,« erwiderte Herr Jackal. »Sind Sie vom Handwerk gewesen?«

»Nein; ich bin oder ich war vielmehr einst Jäger.«

»St!« machte Herr Jackal.

»Was?« fragte Salvator.

»Hier ist eine dritte Spur . . . Ah! ein ganz eigenthümlicher Fuß, der keine Aehnlichkeit mit den platten Füßen hat, die wir so eben untersuchte der wahre Fuß eines Weltmannes, eines Aristotraten, eines vornehmen Herrn oder eines Abbé.«

»Eines vornehmen Herrn, Herr Jackal!«

»Warum bestehen Sie auf dem vornehmen Herrn? Ich Würde sehr gern bei dieser Sache einen Abbé treffen,« bemerkte der Voltairianer, Herr Jackal.

»Sie werden den Schmerz haben, dies nicht zu finden.«

»Und warum dies?«

»Weil wir nicht mehr in der Zeit des Abbé von Gondy leben, in jener Zeit, wo die Abbés ritten; der Mann aber, der die-Spuren zurückgelassen, war ein Reiter: sehen Sie hinter dem Absatze seines Stiefels die kleinen Einschnitte, die von seinen Sporen herrühren?«

»Sie haben Recht!« rief Herr Jackal, »Bei meiner Treue, mein lieber Herr Salvator, Sie sind fast so stark, als Einer vom Handwerk.«

»Ich bringe auch in der That einen Theil meines Lebens mit dem Beobachten zu,« erwiderte Salvator.

»Helfen Sie mir nun der Spur der Tritte bis zum Fenster folgen.«

»Oh! das wird nicht schwierig sein,« sagte Salvator.

Und das Aufdrücken der Schuhe und der Stiefel führte Salvator und Herr Jackal gerade zum Fenster.

Justin folgte ihnen, ihre Blicke auffangend, ihre Worte verschlingend.

Der arme junge Mann glich einem Geizigen, welchem man einen Schatz gestohlen, den er seit zehn Jahren mit den Augen gehütet, und der nachdem er beinahe die Hoffnung verloren, ihn selbst wiederzufinden, Freunde, verständiger als er, die Spur seiner Diebe entdecken sieht.

Was Madame Desmarets betrifft, so war sie ganz niedergeschlagen, und schaute maschinenmäßig, das Auge starr, die Arme träge herabhängend.

Am Fenster angelangt, drückten sich die Tritte mit noch mehr Energie in den Boden ein, als irgend anderswo.

»Wer hat mir gesagt, Sie, Madame Desmarets oder Sie, Herr Justin, haben die Thüre von Mademoiselle Mina zu öffnen gesucht?« fragte Herr Jackal.

Beide antworteten gleichzeitig:

»Wir, mein Herr.«

»Und Sie fanden sie mit dem Riegel geschlossen?«

»Es war die Gewohnheit von Mina, sich alle Abende einzuschließen,« sagte Madame Desmarets.

»Man ist also durch das Fenster hineingekommen?« fragte Herr Jackal.

»Hm!« bemerkte Salvator, »der Laden scheint mir ziemlich fest geschlossen zu sein.«

»Oh! es ist nicht schwer, einen Laden wieder zuzuschlagen,« sagte Herr Jackal.

Er versuchte es, ihn zu öffnen.

»Ah! Ah!« rief er, »der Laden ist nicht nur zugeschlagen, sondern auch von innen und mit dem Haken geschlossen.

»Mir scheint, das ist weniger leicht?« fragte Salvator.

»Sie sind sicher, daß die Thüre mit dem Riegel geschlossen war?« fragte der Polizeimann Justin.

»Oh! mein Herr, ich habe mit meiner ganzen Kraft gedrückt.«

»Sie war vielleicht nur mit dem Schlüssel geschlossen.«

»Die Thüre lag sowohl oben, als in der Mitte fest an der Einfassung an.«

»Ti ti ti ti ti!« trällerte Herr Jackal, »soll sich der Laden mit dem Haken, die Thüre mit dem Riegel geschlossen finden, so müssen die Leute, welche hierher gekommen sind, wirklich sehr geschickt gewesen sein.«

Er rüttelte aufs Neue am Laden.

»Ich kenne nur zwei Menschen, welche im Stande sind, durch eine geschlossene Thüre und ein geschlossenen Fenster hinauszugehen, und wäre der Eine nicht in Brest und der Andere in Toulon, so würde ich sagen: ›Es ist entweder Robichon oder Gibassier, der den Streich ausgeführt hat.‹

 

»Es ist also möglich, durch eine geschlossene Thüre hinauszugehen?« fragte Salvator.

»Ei! mein lieber Herr, es gibt sogar Mittel, aus einem Orte wegzugehen, der keine Thüre hat, wie das einer meiner Vorgänger, der selige Herr Latude bewiesen; glücklicher Weise sind aber diese Mittel nicht ins Bereiche von Jedermann.«

Sodann, nachdem er seine Nase wieder mit Tabak vollgestopft, sagte Herr Jackal:

»Gehen wir in’s Haus zurück, Madame.«

Und das Beispiel gebend, ging er, ohne sich darum zu bekümmern, ob die Höflichkeit gebot, daß man die Andern vor sich gehen ließ, zuerst, blieb dann vor der Thüre von Mina stehen und sagte:

»Sie müssen einen doppelten Schlüssel von jedem Zimmer haben, Madame?«

»Ja; doch das wird unnütz sein, wenn die Thüre von innen verschlossen ist.«

»Gleichviel, liebe Madame; gehen Sie immerhin.«

Madame Desmarets verschwand einen Augenblick, und kam mit dem verlangten Schlüssel zurück.

»Hier,« sagte sie.

Herr Jackal steckte den Schlüssel in’s Schloß und versuchte es, ihn sich drehen zu machen.

»Der andere Schlüssel ist innen,« sagte er; Joch das Schloß ist nicht doppelt geschlossen.«

Sodann wie zu sich selbst:

»Ein Beweis, daß die Thüre von außen geschlossen worden ist.«

»Wenn aber der Riegel vorgeschoben ist,« fragte Salvator, »wie konnten die Entführer, da sie außen waren, den Riegel innen vorschieben?«

»Man wird-Ihnen das sogleich zeigen, junger Manne das ist eine Erfindung von Gibassier, eine Erfindung, der es der Bursche zu verdanken hatte, daß er nur zu fünf Jahren Galeeren verurtheilt wurde, statt zu zehn: es war Rückfall, doch es war kein Einbruch. Lassen Sie mir einen Schlosser holen.«

Man ließ einen Schlosser holen; dieser kam mit seinem Brecheisen und hob die Thüre auf.

Die Thüre gab dem Drucke nach.

Alle wollten in’s Zimmer stürzen.

Herr Jackal hielt sie jedoch die Arme ausstreckend zurück.

»Sachte! sachte!« sagte er; »Alles hängt von einer ersten Untersuchung ab; unsere Entdeckung schwebt an einem Faden,« fügte er lächelnd bei, als hätten diese letzten Worte einen Scherz enthalten.

Dann trat er allein ein, und untersuchte das Schloß und den Riegel.

Diese erste Untersuchung schien ihn nicht zu befriedigen.

Er nahen seine Brille, welche das einzige Hinderniß dagegen, daß sein Gesicht die Schärfe eines Luchses erlangte, zu sein schien, ganz ab; alsbald trat ein Lächeln des Triumphes auf seinen Lippen hervor, und mit dem Daumen und dem Zeigefinger ergriff er einen fast unsichtbaren Gegenstand, den er an sich zog und dann in die Luft emporhob.

»Ah! ah!« rief er mit einer freudigen Miene, »ich sagte Ihnen doch, unsere Entdeckung schwebe an einem Faden; nun hier ist dieser Faden!«

Und die Zuschauer erblickten in der That ein Stückchen von einem seidenen Faden, ungefähr fünfzehn Centimeter lang, das zwischen dem Eisen des Riegels und dem Holze der Thüre hängen geblieben war.

»Hiermit hat man die Thüre geschlossen?« fragte Salvator.

»Ja,« antwortete Herr Jackal; »nur war der Faden ein halben Mètre lang; was wir hier sehen, ist ein Stück, das abgerissen ist, und um das man sich nicht bekümmert hat.«

Der Schlosser schaute Herrn Jackal mit Verwunderung an.

»Gut!« sagte er, »ich glaubte, ich kenne alle Mittel, die Thüren zu öffnen und zu schließen; es scheint, ich war nur ein Kind.«

»Ich fühle mich glücklich, Sie etwas zu lehren, mein Freund,« erwiderte Herr Jackal; »Sie sollen sehen, wie das gemacht wird. Man nimmt den Kropf des Riegels in einen entzweigebogenen Faden; der Faden muß lang genug sein, daß, wenn die Thüre geschlossen ist, die zwei Enden außen hervorgehen; Sie schließen die Thüre, Sie ziehen den Faden an, Ihr Faden zieht den Riegel an, und der Streich ist gespielt. Nur zerreißt zuweilen der Faden, hängt sich an, bleibt am Riegel, und dann kommt Herr Jackal und sagt: ›Wäre dieser Teufels-Gibassier nicht auf der Wiese29, so wollte ich wetten, daß er den Streich vollführt hat.‹

»Herr Jackal,« fragte Justin, »der nur ein sehr secundäres Interesse an der Erklärung nahm, so kostbar sie aus dem Gesichtspunkte der Fortschritte der Wissenschaft war, »können wir eintreten?«

»Ja, lieber Herr Justin,« antwortete der Polizeimann.

»Und man trat ins Zimmer ein.

»Ab!« sagte Herr Jackal, »eine Spur von Tritten, von der Thüre zum Bette und vorn Bette zum Fenster.«

Einen Blick auf das Bett und den daran anstoßenden Tisch werfend, fügte er sodann bei:

»Gut! die Kleine hat sich zu Bette gelegt; sie hat Briefe gelesen.«

»Ah! meine Briefe!« rief Justin; »theure Mina!«

»Dann hat sie ihr Licht ausgelöscht,« fuhr Herr Jackal fort; »bis dahin ging Alles gut.«

»Woran erkennen Sie, daß sie ihr Licht ausgelöscht hat?« fragte Salvator.

»Sehen Sie, der Docht ist noch gebogen vom Hauche, und der Hauch kam, nach der Biegung des Dochtes zu urtheilen, von der Seite des Bettes . . . Kehren wir zu den Tritten zurück, wenn es Ihnen beliebt, Herr Salvator; betrachten Sie das mit Ihren Jägeraugen.«

Salvator verbeugte sich.

»Ah! ah!« rief er »etwas Neues ein Frauenfuß!«

»Was sagte ich, mein lieber Herr Salvator? ›Suchet die Frau!«« Nun, hatte ich Recht? . . . Wir sagen also, es sei hier ein Frauenfuß . . . Ja, und zwar der Fuß einer entschlossenen Frau, nicht nur auf der Zehe gehend, sondern die Fläche der Sohle und den Absatz aufdrückend.

»Fügen Sie bei,« sagte Salvator, »daß die Frau coquette ist, denn sie ist den Alleen des Gartens gefolgt, aus Angst, ihre Stiefelchen zu beschmutzen. Sie sehen, daß die Spur in gelbem Sande, ohne irgend eine Mischung von Koth, gezeichnet ist.«

»Herr Salvator! Herr Salvator!« rief der Polizeimann, »welch’ ein Unglück, daß Sie den Stand gewählt haben, dem Sie angehören. Ich mache Sie, wann Sie wollen, zu meinem Adjudanten. Rühren Sie sich nicht von der Stelle.«

Herr Jackal verließ das Zimmer, begab sich in den Garten, ging durch die mit Sand überfahrene Allee bis zum Fuße der Leiter und kam zurück.

Es ist so,« sagte er, »die Frau kommt vom Inneren des Hauses, sie gebt hinaus, sie folgt der Allee, sie bleibt am Fuße der Mauer stehen, und kehrt auf demselben Wege, den sie genommen, ins Haue zurück. Nun will ich Ihnen erzählen, mir sich die Sache zugetragen hat: hätte ich es gesehen, ich wäre hierüber nicht sicherer.«

Jedermann horchte.

»Mademoiselle Mina ist zur gewöhnlichen Stunde sehr traurig, aber ruhig in ihr Zimmer zurückgekommen: sie hat sich zu Bette gelegt: – sehen Sie, das Bett ist kaum aus der Form gebracht! – sie hat die Briefe gelesen und, dieselben lesend, gemeint: – hier ist ihr Taschentuch – es ist zerknittert wie das Taschentuch einer Person, welche weint.«

»Oh! geben Sie, geben Sie!« rief Justin.

Und ohne abzuwarten, daß ihm Herr Jackal das Taschentuch gab, nahm er es und drückte es an seine Lippen.

»Sie hat sich also zu Bette gelegt,« fuhr Herr Jackal fort, »sie hat also gelesen, sie hat also geweint; da man aber weder immer beten, noch immer weinen kann, so fühlte sie das Bedürfniß, zu schlafen, und sie blies ihr Licht aus . . . hat sie geschlafen? hat sie nicht geschlafen? das ist von keiner Bedeutung . . . Nur geschah, als das Licht ausgeblasen war, Folgendes; Man klopfte an die Thüre . . . «

»Wer, mein, Herr,« fragte Madame Desmarets.

»Ah! Sie wollen mehr wissen, als ich selbst weiß, liebe Madame! Wer? Vielleicht werde ich es Ihnen sogleich sagen. Die Frau in jedem Falle.

»Die Frau?« murmelte Madame Desmarets.

»Die Frau, die Tochter, die Mutter; unter dem Namen Frau bezeichne ich hier nicht das Individuum, sondern die Gattung. Die Frau klopfte also an die Thüre; Mina stand auf und öffnete.«

»Wie soll aber Mina geöffnet haben, ohne zu wissen, wer klopfte?« sagte Madame Desmarets.

»Wer sagt Ihnen, Sie habe das nicht gewußt?«

»Sie hätte einer Feindin nicht geöffnet.«

»Nein, aber einer Freundin . . . Ah! Madame Desmarets, werde sich so glücklich sein, Sie davon zu unterrichten, daß wir in der Pension Freundinnen haben, welche furchtbare Feindinnen sind? Sie öffnete also ihrer Freundin, hinter der Freundin kam der junge Mann mit den kleinen Stiefeln und den Sporen; hinter dem Manne mit den kleinen Stiefeln und den-Sporen der Mann mit den im Dreiecke genagelten Schuhen . . . Wie legte sich die kleine Mina zu Bette?« .

»Ich verstehe nicht,« erwiderte Madame Desmarets, an welche die Frage gerichtet war.

»Ich frage, was für Kleider sie getragen habe.«

»Im Winter das Hemd und ein großes Nachtgewand.«

»Gut! man hat ihr ein Sacktuch um den Mund gebunden, man hat sie in einen Shawl oder in eine Decke gehüllt, – sehen Sie am Fuße ihres Bettes ihre Strümpfe und ihre Schuhe, auf diesem Stuhle ihr Kleid und ihre Unterröcke; – und man hat sie durch das Fenster weggeschleppt, wie sie war.«

»Durch das Fenster?« fragte Justin; »warum nicht durch die Thür?«

»Weil man den Flurgang durchschreiten mußte, weil das Geräusch gehört werden konnte, und es überdies viel einfacher war, daß die zwei Männer, die sich im Zimmer befanden, das Kind zu dem Manne trugen, der im Garten wartete. Und dann,« fuhr Herr Jackal fort, »so gut das Fenster und der Laden auch geschlossen sind, es findet sich der Beweis, daß die Kleine hier durch passiert ist, und sogar, daß sie nicht freiwillig passiert ist.«

Herr Jackal zeigte ein weites Loch am Mousselinevorhang; die Hand, die sich daran angeklammert, hatte das fehlende Stück herausgerissen.

»Die Kleine wurde also durch das Fenster und über die Mauer weggetragen; hiernach brachte die im Hause gebliebene Person die Leiter wieder unter den Schoppen; sie kehrte dann zurück, schloß dort innen den Laden und das Fenster, schlang einen seidenen Faden um den Knauf des Riegels, zog die Thüre zuerst an, den Faden sodann, und ging ruhig wieder hinauf, um sich zu Bette zu legen.

»Sie mußte aber in den Schlafsaal zurückkehrend, oder aus demselben weggehen,gesehen werden?«

Sind in Ihrem Hause keine andere Pensionnaires, die ihr besonderen Zimmer haben, wie Mademoiselle Mina das ihre hatte?«

Eine Einzige.«

»Dann hat diese die Sache gemacht! Mein lieber Herr Salvator, die Frau ist gefunden.«

»Wie, Sie nehmen an, die Freundin von Mina sei die Ursache dieser Entführung?«

»Ich sage nicht die Ursache, ich sage die Mitschuldige; ich nehme nicht an, ich versichere.«

»Susanne!« rief Madame Desmarets.

»Madame,« sprach Justin, »glauben Sie mir, das muß so sein.«

»Was kann Ihnen aber einen solchen Gedanken eingeben, mein Herr?«

»Die Antipathie, die ich gegen die junge Person das erste Mal, da ich sie sah, empfunden. Oh! Madame, es war mir eine Ahnung, sie werde an einem großen Unglück, das mich treffe, Schuld sein. Sobald dieser Herr von einer Frau sprach,« fuhr Justin auf Herrn Jackal deutend fort, »denke ich an Fräulein Susanne; ich hätte es nicht gewagt, sie anzuklagen, doch ich hatte sie im Verdachte. Um den Himmels willen, mein Herr, lassen Sie diese junge Person kommen, und bringen Sie sie zum Geständnis.«

»Nein,« erwiderte Herr Jackal, »lassen wir sie nicht kommen; gehen mir vielmehr zu ihr . . . Madame, wollen Sie uns in die Wohnung dieses Fräuleins führen.«

Madame Desmarets hatte Herrn Jackal gegenüber jede Widerstandsvelleität verloren; sie machte auch nicht die geringste Bemerkung, ging voran und bezeichnete den Weg.

Das Zimmer von Fräulein Susanne lag im ersten Stocke, am Ende des Flurganges.

»Klopfen Sie an, Madame,« sagte leise Herr Jackal.

Madame Desmarets klopfte an, doch es antwortete Niemand.

»Sie ist vielleicht in der Elf-Uhr-Recreation,« sprach Madame Desmarets. »Soll ich sie rufen?«

»Nein,« antwortete Herr Jackal; »treten wir zuerst in das Zimmer ein.«

»Der Schlüssel steckt nicht in der Thüre.«

»Sie haben aber, wie Sie und sagten, einen zweiten Schlüssel von allen Zimmern?«

»Ja, mein Herr.«

»Nun wohl, Madame, so holen Sie den zweiten Schlüssel vom Zimmer von Fräulein Susanne, und begegnen Sie dieser jungen Person, kein Wort von dem, was man von ihr will.«

Madame Desmarets bedeutete durch ein Zeichen, man könne auf ihre Discretion zählen, und ging die Treppe hinab.

Nach einigen Secunden kam sie mit dem Schlüssel wieder herauf und übergab ihn Herrn Jackal.

 

Die Thüre öffnete sich.

»Meine Herren,« sagte Herr Jackal, »erwarten Sie mich im Corridor; es genügt, daß Madame Desmarets und ich eintreten.«

Der Polizeimann und die Vorsteherin der Pension traten allein ein.

»Wohin stellt Fräulein Susanne ihre Fußbekleidung?« fragte Herr Jackal.

»Dahin,« antwortete Madame Desmarets ein Cabinet bezeichnend.

Herr Jackal trat in das Cabinet ein, nahm von einem Brette ein paar Stiefelchen von saphirblauen Lasting und betrachtete die Sohle.

Die Sohle hatte in ihrer ganzen Länge den gelben Sand der Allee an sich behalten.

»Kommen die Pensionnaire in den Obstgarten?« fragte Herr Jackal Madame Desmarets.

»Nein, mein Herr,« erwiderte diese: »der Obstgarten, der auf das öde Gäßchen geht, ist zwar nicht sorgfältig verschlossen, aber den Pensionnaires streng verboten.

»Es ist gut,« sagte Herr Jackal, während er die Stiefelchen wieder an ihren Platz stellte; »ich weiß, was ich wissen wollte. Wo denken Sie nun, daß Fräulein Susanne sei?«

»Aller Wahrscheinlichkeit nach im Recreationshofe.«

»Welches Zimmer Ihrer Anstalt geht auf den Hof?«

»Der Salon.«

»Gehen wir in den Solon, Madame.«

Und er entfernte sich aus dem Zimmer von Susanne und überließ Madame Desmarets die Sorge, die Thüre zu schließen.

»Nun?« fragten gleichzeitig Salvator und Justin.

»Nun,« antwortete Herr Jackal, eine colossale Prise Tabak in seine Nase stopfend, »ich glaube, wir haben die Frau!«

29Im Bagno.