Za darmo

Die Mohicaner von Paris

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

›Mein Herr, entweder habe ich einen Fehler begangen oder ich bin unschuldig. Habe ich einen Fehler begangen, so sind Sie befugt, mich wegzujagen, und ich habe kein Recht auf eine Entschädigung; bin ich aber unschuldig, so haben Sie Unrecht, daß Sie verlangen, ich soll gehen, und keine Entschädigung ist Ersatz für den Schmerz, den Sie mir bereiten.‹

»Und mir den Rücken zuwendend:

›Leben Sie wohl, Herr! Sie werden Ihre schlimme Handlung bereuen!‹

»Ich kehrte ins Schloß zurück, und während ich zurückkehrte, hörte ich den Greis murmeln:

»O meine armen-Kinder! . . . ‹

»Nun,‹ sagte ich zu Orsola, ›man hab Ihnen gehorcht.‹

›Mir? Welche Befehle habe ich denn gegeben?‹ fragte sie.

»Sie haben den Befehl gegeben, den Gärtner wegzujagen.‹

›Gut!‹ versetzte sie lachend, ›gebe ich Befehle hier?‹

»Ich zuckte die Achseln, denn ihre Laune war mir unbegreiflich.

›Und was hat er gesagt?‹ fragte sie.

›Er hat gesagt,‹ antwortete ich mit bebender Stimme, »er hat gesagt: »O meine armen Kinder!‹

›So? . . . ‹

›So daß ich zum ersten Male etwas fühle, was den Gewissensbissen gleicht.‹

›Fühlen Sie das, mein Freund, Sie, der Sie einen so richtigen Geist und ein so gutes Herz haben, so ist es so, weil Sie in der That auf meinen Antrieb eine schlimme Handlung begangen haben.‹

»Und da ich in einem Lehnstuhle, den Kopf in meinen Händen haltend, saß und bei den Worten, die sie gesprochen, den Kopf aufrichtete, sah ich sie aus mich zukommen, sich auf meinen Schooß setzen, und sie sagte mit ihrer süßesten Stimme, in der Sprache der Heimath, die einen so wunderbaren Einfluß auf mich übte:

›Mein Freund, ich bitte Dich um Verzeihung wegen meiner Boshaftigkeit! . . . Ich hätte Dich vorhin beinahe zurückgerufen, doch Du warst schon zu fern.‹

»Es erfaßte mich der größte Stolz.

›Nein, Orsola,‹ erwiderte ich, ›Sie sind nicht böse!««

»Doch beharrlich sprach sie:

›Hätte ich gewußt, der Abgang dieses Gärtners könnte Ihnen wahren Kummer verursachen, so hätte ich ihn nie verlangt.‹

›Sie wurden also einwilligen, daß ich ihn zurückrufe?‹ fragte ich lebhaft.

›Ei! Gewiß, da ich Ihnen sage, sein Abgang mache mir nun so viel Kummer als Ihnen.‹

›Oh!‹ rief ich, ›wie gut bist Du, Orsola!‹

»Und ich stand auf, um dem Greise nachzulaufen.

›Nein, ich bin die Ursache der Verzweiflung dieses braven Mannes, es ist an mir, das Böse, was ich gethan, wieder gut zu machen.‹

»Und sie zwang mich, im Zimmer zu bleiben, und lief dem Vater Vincent nach, um ihm zu verkündigen, er sei wieder in Gnaden bei mir aufgenommen. Das war Alles, was sie wollte: wohlverstanden, der gute Mann glaubte immer, ich habe seine Entlassung beschlossen, und Orsola habe seine Begnadigung erwirkt.

»Drei bis vier Monate lang blieb Alles in status qou; nur wurden diese drei bis vier Monate zu einer wunderbaren Arbeit verwendet, über die ich erst später Klarheit erlangte.

»Wie alle Südländer, war ich von Natur nüchtern; der Hunger und der Durst waren für mich bis zum Alter von vierzig Jahren ein Bedürfniß und nicht ein zu befriedigendes Vergnügen gewesen; allmählich aber durch den Mißbrauch der Genüsse der Wollust zur Ermattung gebracht, konnte ich Orsola nicht widerstehen, die mich antrieb, von der Trunkenheit ihre entnervenden Aufregungen zu fordern. Wie man es bei den wilden Thieren thut, die man auf den Schaubühnen zeigt, und deren Kräfte ihre Herren mittelst seltsamen nur ihnen allein bekannter Geheimnisse schwächen, so rief -Orsola, um mich vollends zu unterwerfen, die verderblichsten specifischen Mittel, die betäubendsten Getränke zu Hilfe. Der Absinth und das Kirschenwasser, diese zwei entsetzlichen Gifte, in einer gewissen Dose genommen, wurden meine Lieblingsgetränke, und man konnte am Morgen an meinen blöden Augen, an meinen stieren Blicken erkennen, bei welcher schmählichen Orgie ich einen Theil der Nacht zugebracht hatte. Am Morgen blieb mir nur eine unbestimmte Erinnerung an die Träume, in welchen der Sensualismns bis zum Schmerze getrieben worden war; dann schien es mir immer, als hätte, während der Schlafsucht des Rausches, eine Stimme von Geheimnisvollen, erschrecklichen Wünschen zu mir gesprochen! Der Umstand, dessen ich mich besonders entsann, war, daß Orsola sich beständig über die Gouvernante der zwei Kinder beklagte, wie sie sich über den Gärtner beklagt hatte; was in mir am Morgen wiederkehrte, war, daß ich in solchen Augenblicken, wo mir nicht mehr die Kraft blieb, einen eigenen Willen zu haben, die Entlassung der armen Frau versprochen hattet beim Erwachen verflog aber dieses in der Nacht gegebene Versprechen wie ein Dunst unter den anderen Dünsten des Rausches. Eines Morgens nahm indessen Orsola diese seltsame Frage in Angriff und sagte:

›Sie versprechen mir schon lange, Sie wollen Gertrud wegschicken, und Sie thun es nicht. Was bindet Sie denn so sonderbar an diese Frau?‹

»Ich war ganz verblüfft, denn ich erinnerte mich kaum, dieses Versprechen gegeben zu haben; ich hatte kein Motiv um Gertrud, eine Frau von äußerst harmlosem Charakter, zu entlassen, welche einst Amme meiner Schwägerin, deren Kinder anbetete und von ihnen angebetet wurde . . . Diesmal schlug ich es rund ab. Ich hätte mich geschämt, diesen armen kleinen Wesen, – mit denen ich mich kaum beschäftigte, die ich ganz der Pflege dieser guten Frau überließ, – die zarte Fürsorge zu entziehen, der sie in ihrem Alter so sehr bedürften.

»Da begannen dieselben Verfolgungen, welche in Betreff des Gärtners stattgefunden hatten, noch unablässiger und erschrecklicher.

»Dem unseligen Einflusse des Dämons, der mich besaß, unterworfen, versprach ich jede Nacht die Entlassung von Gertrud für den andern Tage jeden Morgen kam ich von meinem Versprechen zurück und weigerte mich.

»Orsola schloß sich ein, wie sie es bei unsern Diskussionen hinsichtlich des Gärtners gethan hatte; doch ich hielt die Probe aus. Ich gestehe, daß ich noch nicht so sehr alle Schaum abgelegt hatte, um den Vorwürfen von Herrn Sarranti zu trotzen und die Thränen der Kinder zu ertragen . . . Diesmal war es Orsola, welche zuerst wiederkehrte. Sie hatte diese Laune bereut und kam, um mich um Verzeihung zu bitten. Sie errathen, mein Vater, mit welcher Freude diese Verzeihung bewilligt wurde.

»Diese Rückkehr von Orsola zu mir traf mit zwei Umständen zusammen, die mir damals von geringer Bedeutung zu sein schienen, deren unselige Folgen ich aber später beurtheilen konnte. Am Tage vorher hatte Jean um einen Urlaub von achtundvierzig Stunden gebeten, um in Joigny eine kleine Erbschaftsangelegenheit in Ordnung zu bringen, und am Morgen hatte uns Herr Sarranti mitgetheilt, es sei seine Anwesenheit in Paris auf ein paar Tage nothwendig. Nachdem sich Jean und Herr Sarranti entfernt hatten, waren die einzigen Personen, welche im Schlosse blieben, die zwei Kinder, Gertrud, Orsola und ich. Ich machte gegen Orsola hierüber eine Bemerkung.

›Bin ich nicht Ihre Dienerin bei Tisch und Bette?‹ erwiderte sie.

»Und sie begleitete diese Antwort mit einem Blicke, der mir eine Idee von der doppelten Trunkenheit gab, die mich erwartete.

»Es kam die Nacht: das Abendbrod war wie gewöhnlich im Zimmer von Orsola serviert . . . Wir schlossen uns gegen zehn Uhr ein . . . Nie trieb eine Bacchantin ihren Liebhaber zur Berauschung mit glühenderen Verführungen an: mir schien, als tränke ich statt Wein eine am Blitze ihrer Augen entzündete Flamme! Gegen elf Uhr glaubte ich ein Getöne von Klagen zu hören.

›Was ist das?‹ fragte ich Orsola.

›Ich weiß es nicht . . . Sehen Sie nach, wer klagt.‹

»Ich versuchte es von meinem Stuhle aufzustehen, doch ich hatte nicht drei Schritte gemacht, als ich in ein Fauteuil zurückfiel.

›Nun,‹ sprach sie, ›trinken Sie dieses letzte Glas Wein, während ich statt Ihrer gehe.‹

»Es kam ein Augenblick, wo ich nur das zu thun vermochte, was Orsola sagte. Ich leerte das Glas bis aus den letzten Tropfen. Dann stand sie auf und ging hinaus.

»Ich weiß nicht, wie lange sie außer dem Zimmer blieb: ich war in die Schlafsucht versunken, die den Menschen ganz von dem was ihn umgibt, isoliert. Dieser Schlafsucht wurde ich entzogen durch die Berührung eines Glases, das man an meine Lippen hielt. Ich öffnete die Augen und erkannte Orsola.

›Nun?‹ fragte ich, da mir eine unbestimmte Erinnerung an die Klagen, die ich gehört hatte, geblieben war.

›Oh!‹ erwiderte sie, ›es ist Gertrud, welche sehr krank geworden.‹

›Gertrud . . . krank?‹ stammelte ich.

›Ja,‹ antwortete Orsola; ›sie beklagt sich über Magenkrämpfe, und will nichts von meiner Hand nehmen. Sie müßten hinabgehen und sie bewegen, etwas zu trinken, und wäre es nur ein Glas Zuckerwasser.‹

›Führe mich,‹ sagte ich zu Orsola.

»Ich erinnere mich, daß ich nun die Treppe hinabging, daß Orsola mich in ein Vorzimmer führte, daß sie mich in ein Glas Wasser gepülverten Zucker mischen ließ, daß sie mich in das Zimmer der Kranken schob und zu mir sprach:.

»Gehen Sie, bringen Sie ihr dies, und geben Sie sich Mühe, sie nicht sehen zu lassen, daß Sie betrunken sind.‹

»Ich schämte mich in der That des Zustandes, in dem ich mich befand, strengte mich an, wieder zur Vernunft zu gelangen, ging mit ziemlich festem Schritte auf das Bett von Gertrud zu und sagte zu ihr:

›Hier, meine gute Gertrud, trinken Sie dieses Glas Wasser: das wird Ihnen wohl thun!‹

»Gertrud raffte sich zusammen, streckte den Arm aus und leerte das Glas.

›Oh! Herr,‹ sagte sie, ›immer derselbe Geschmack! . . . Herr, Herr, einen Arzt! . . . Herr, ich bin sicherlich vergiftet!‹

›Vergiftet!‹ wiederholte ich, mit Schrecken umherschauend.

›Oh! Herr, um des Himmels willen! Herr, im Namen Ihres armen Bruders, einen Arzt! einen Arzt!‹

»Ich ging ganz bestürzt hinaus.

›Du hörst,›sagte ich zu Orsola, ›sie glaubt sie sei vergiftet, und sie verlangt einen Arzt.‹

 

›Nun, so eilen Sie nach Morsang und bringen Sie Herrn Ronsin mit.‹

»Das war ein alter Arzt, der zuweilen mit uns zu Mittag speiste, wenn ihn seine Gänge in die Nähe, des Schlosses führten.

›Noch ein letztes Glas Wein,‹ sagte Orsola: »es ist kalt, und Sie haben zwei Meilen zu machen.‹

»Und sie reichte mir ein Getränke, das mich, so sehr ich an die stärksten Liqueurs gewöhnt war, im Magen brannte, als ob ich Vitriol verschluckt hätte! . . . Ich ging hinaus, ich durchschritt den Garten, und erreichte ganz stolpernd die Thüre, durch die man nach dem Felde gelangte; doch kaum hatte ich zweihundert Schritte auf der Straße nach Morsang gemacht, als ich die Bäume sich drehen sah, als mir der Himmel feuerfarben erschien, die Erde unter meinen Füßen schwand, und ich am Rande des Weges niederfiel.

»Am andern Tage befand ich mich in meinem Bette; mir war, als erwachte ich von einem entsetzlichen Alpe.

»Ich klingelte: Orsola eilte herbei.

›Ist es wahr, daß Gertrud gestorben ist, oder habe ich geträumt?‹ fragte ich.

›Es ist wahr,‹ antwortete sie.

›Aber,‹ fügte ich zögernd bei, ›an einem Gifte gestorben?‹

›Das ist möglich!‹

›Wie, es ist möglich?‹ rief ich.

›Ja,‹ erwiderte Orsola; nur hüten Sie sich davon zu sprechen, in Betracht, daß man, da sie nur von meiner Hand oder der Ihrigen etwas genommen hat, sagen könnte, wir haben sie vergiftet.««

›Und warum würde man das sagen?‹

›Ei! Die Welt ist böse!‹ erwiderte Orsola ruhig.

›Man müßte aber einen Grund für diesen Verbrechen angeben,« versetzte ich ganz erschrocken.

›Man würde einen finden.‹

›Welchen?‹

›Man würde sagen, Sie haben Reh zuerst der Gouvernante entledigt, um sich sodann leichter der Kinder zu entledigen, die Sie beerben sollen.‹

»Ich stieß einen Schrei aus und verbarg meinen Kopf unter meinen Bettüchern . . . «

»Ah! die Unglückliche!« murmelte der Mönch.

»Warten Sie, warten Sie!« sprach der Sterbende, »Sie sind noch nicht beim Ende . . . nur unterbrechen Sie mich nicht, denn ich fühle mich sehr schwach!«

Bruder Dominique horchte mit keuchender Brust und beklommenem Herzen.

LXVII
Wo die Spinne ihr Netz ausspannt

Herr Gèrard fuhr fort:

»Der Tod von Gertrud erregte keinen Verdacht; er verursachte nur einen großen Schmerz. Die Kinder waren untröstlich. Orsola; wollte Gertrud bei ihnen ersetzen; doch sie hatten ein Grauen vor ihr; die kleine Leonie besonders konnte sie nicht sehen.

»Ich verfiel in eine tiefe Schwermuth; vier bis fünf Tage lang war ich es, der sich in sein Zimmer eingeschlossen hielt.

»Herr Sarranti kam zurück; er suchte mich über dieses Ereigniß zu trösten. Er begriff, daß ich den Verlust einer guten treuen Dienerin beklagte; er begriff aber den Kummer nicht, der fast einem Gewissensbissen glich. Er machte mir den Vorschlag, eine andere Frau zu nehmen, um die Kinder zu pflegen; doch die Kinder wollten nichts davon wissen, und, die Opposition von Orsola befürchtend, stützte ich mich auf ihren Widerwillen, um die arme Gertrud nicht zu ersetzen.

»Orsola führte fortwährend das Hauswesen, als ob nichts vorgefallen wäre, blieb in der Entfernung, die ihr ihre Stellung vorschrieb, und bekümmerte sich nicht um mich, – sicher ohne Zweifel, ich könne ihr nicht entgehen.

»Eines Tags begegnete ich ihr in einem Gange.

›Was würden Sie denn thun,‹ fragte sie mich im Vorübergehen, »wenn statt Gertrud ich gestorben wäre?‹

›Oh! wenn Du es wärest,‹ antwortete ich, in ihrem Blicke die Flamme wiederfindend, die mich leben machte, indem sie mich verzehrte, ›wenn Du es wärest, Orsola, so wäre ich ebenfalls gestorben.‹

›Nun denn, da ich es nicht bin, so lassen Sie uns leben!‹ sprach sie.

»Und mit einem dämonischen Lächeln setzte sie in ihrem Patois hinzu:

›Ich werde Dich heute Nacht erwarten.‹

›Oh! nein, gewiß nicht,‹ sagte ich zu mir selbst, ›nein, ich werde nicht gehen!‹

»Mein Vater, die Naturforscher sprechen von der Zaubermacht einiger Thiere und, unter Anderem, der Schlange, welche von Zweig zu Zweig den Vogel vom Baume herab in ihren aufgesperrten Rachen zu fallen zwingt; mein Vater, der böse Geist hatte diese Frau mit einer ähnlichen Macht begabt; denn nachdem ich bis elf Uhr widerstanden, fühlte ich mich unüberwindlich nach ihrem Zimmer fortgezogen, und unwillkürlich, während ich noch widerstand, durchschritt ich den Corridor und stieg Stufe für Stufe die verhängnisvolle Treppe hinauf, auf der sie mich oben erwartete . . . Ich gestand Ihnen, daß ich am andern Tage nach solchen in Orgien zugebrachten Nächten nur eine verworrene Idee von dem, was ich gethan und gesagt, und von dem was man vor mir gethan, oder von dem – was man mir gesagt, behielt. Mir schien am andern Tage nach dieser Nacht-, es sei zwischen Orsola und mir nur von den Genüssen die Rede gewesen, die man sich mit einem Vermögen von zwei bis drei Millionen verschaffen könne. Indem ich mich, obschon auf eine unbestimmte Art, dieses Gespräches erinnerte, schauerte ich, denn ich konnte nur durch den Tod der Kinder meines Bruders in den Besitz dieses ungeheuren Vermögens gesetzt werden. Und welche Wahrscheinlichkeit war vorhanden, Gott werde diese zwei schönen Kinder zu sich rufen; diese Kinder, welche so duftend und frisch wie die Blumen und die Früchte, unter denen sie spielten? . . . Allerdings erschreckte mich der plötzliche Tod von Gertrud! Fühlte ich mein Herz von solchen Ideen beklommen, so suchte ich Herrn Sarranti auf; ich sprach mit ihm zuerst von gleichgültigen Dingen, dann brachte ich das Gespräch auf die Kinder, und ich verließ ihn nur, indem ich ihm empfahl, wohl über sie zu wachen. Und er, der sie von ganzer Seele liebte,antwortete mir:

›Seien Sie unbesorgt, ich werde sie nie verlassen, sind nicht die Umstände mächtiger als mein Wille . . . ‹

»Und dann verdüsterte sich seine Stirne; und man hätte glauben sollen; er errathe, welches finstere Mißtrauen, nicht gegen mich, sondern gegen Andere, mich antreibe, ihm zu sagen, er möge wohl über die zwei kleinen Wesen wachen, die ihm anvertraut waren.

»Mein Vater, soll ich Ihnen nun erzählen, durch welche Reihenfolge von schändlichen Verführungsmitteln, durch welche Eingebung von monstruösen Begierden es Orsola gelang, mich an den Gedanken zu gewöhnen, es könne sich eines Tags ein Unfall ereignen, der mich zum Eigenthümer des großen Vermögens mache, von dem ich zu glauben anfing, es sei nothwendig für mein Glück, weil mir Orsola jede Nacht wiederholte, es sei nothwendig für das ihrige? . . . Uebrigens, seltsamer Weise! obschon nie wirklich die Rede von einer Heirath zwischen dieser Frau und mir gewesen war, wußte doch Jeder so wohl, auf welchem Punkte wir standen, daß alle Leute von niedriger Stufe, um Orsola den Hof zu machen, sie Madame Gèrard nannten! Selbst die Kinder hatten diese Gewohnheit angenommene sie wiederholten das, was sie sagen hörte. Es war wohl, dessen bin ich sicher, ihre Absicht, eines Tags Madame Gèrard zu werden; ohne Zweifel aber wollte sie zu diesem Ende warten, bis mein Leben mit dem ihrigen durch die Ketten einer entsetzlichen Schuldgenossenschaft verbunden wäre.

»Zuweilen, am Tage, schauerte ich, ganz nahe daran, einen Schreckensschrei auszustoßen: blutige Gedanken hatten sich, Gespenstern ähnlich, vor mir erhoben! Dann lief ich, bis ich Jemand getroffen hatte. Traf ich die Kinder, so floh ich auf die Seite der entgegengesetzt, wo ich sie sah; begegnete ich Herrn Sarranti, so wiederholte ich ihm die Empfehlung, wohl über seine Zöglinge zu wachen, und ich fügte bei:

›Ich liebe sie so sehr, diese armen Kinder meines guten Jacques.‹

»So beruhigte ich mich, so gab ich mir selbst Kräfte durch diese laut ausgesprochenen Worte der Zärtlichkeit.

»Dann kamen die Nächte, und die schändliche Penelope zerstörte durch ihre Küsse, durch ihre seltsamen Begierden unerhörter Wollust die fromme und barmherzige Arbeit, die mein Gewissen am Tage von Neuem gemacht hatte! Doch ich muß gestehen, so wie die Zeit verlief, hatte das Werk der Nacht weniger Mühe, die Arbeit vom Tage zu zerstören. Kurz, obwohl ich nur in einer fernen Zukunft die Verwirklichung dieser erschrecklichen Hoffnung sah, gewöhnte ich mich doch allmählich daran, die Habe meiner Neffen als meine Habe, ihr Vermögen als mein Vermögen zu betrachten, und einmal geschah es mir, daß ich vor Orsola sagte:

›Wenn ich einst reich bin, kaufe ich das benachbarte Gut.‹

»Man konnte mich aber reich machen? Ein Zufall! – Orsola nannte die Sache so; – ein Zufall, der mich zum Erben der Kinder meinen verstorbenen Bruders machen würde . . . Doch, mein Vater,« sagte der Sterbende den Kopf schüttelnd, »wer unter solchen Umständen auf den Zufall rechnet, ist sehr nahe daraus ihm zu Hilfe zu kommen! . . . «

Als Herr Gèrard diesen Theil seiner Beichte erreicht hatte, war sein Gesicht so sehr entstellt, daß ihn der Mönch unterbrechen zu müssen glaubte, wie groß auch seine Neugierde, und welchen Interesse er auch hatte, die Folge der Ereignisse kennen zu lernen, deren Scenerie sich vor ihm entrollte, – mehr und mehr sich verdüsternd, so wie sie sich entrollte.

Der Sterbende schwieg in der That einen Augenblick, doch nur um alle seine Kräfte zu sammeln. Bei diesem Punkte seiner Erzählung schien er eben so begierig, sie zu vollenden, als er Anfange furchtsam gewesen, sie zu beginnen.

Und dennoch fand unter dieser leichenfarbigen Maske, auf die der Dominicaner seinen bangen Blick heftete, ein heftiger Kampf statt; denn der Kranke setzte seine Erzählung mit einer so schwachen Stimme fort, daß Dominique, um zu verstehen, was er sagte, beinahe genötigt war, das Ohr an seine Lippen zu halten.

»Mittlerweile,« sprach Herr Gèrard, »ereignete sich ein Zwischenfall, den ich nicht mit Stillschweigen übergehen darf. Meine Nichte Leonie war ein Mädchen von einer großen Herzensgüte, zugleich aber von einem bei einem Kinde von ihrem Alter außerordentlichen Stolze. In Brasilien, welchen Land sie mit kaum vier Jahren verlassen hatte, von zwanzig Domestiquen von passiver Botmäßigkeit, von absoluter Unterwürfigkeit bedient, hatte sie sich daran gewöhnt, mit einem Worte zu befehlen und auf einen Wink Gehorsam zu finden. Oft, seit dem Tode von Gertrud, hatte sie sich über Orsola zu beklagen, welche den Haß nicht verbarg, den ihr die Kleine einflößte, und bei der Sorge, die ihr für sie zu tragen oblag, mit einer Nachläßigkeit oder mit einer Brutalität zu Werke ging, die von Leonie wahrgenommen wurde. Sie beklagte sich deshalb einige Male bei mir; da sie aber sah, daß dies nichts an den Manieren von Orsola gegen sie änderte, so sprach sie hierüber mit Herrn Sarranti, und dieser machte mir mit aller möglichen Zartheit begreiflich, meine persönliche Nachsicht gegen Orsola könne diese nicht berechtigen, zu vergessen, daß Viktor und Leonie die wahren Gebieter des Hauses seien.

»Eines Morgens, als sich die Kinder damit belustigten, daß sie ins Bassin Steine warfen, die Brasil untertauchend daraus holte, beklagte sich Orsola über Kopfweh, daß ihr das Bellen des Hundes verursache. Dem zu Folge rief sie aus dem Fenster den Kindern zu, sie sollen ihre Spiele unterlassen oder wenigstens einen wählen, welchen nicht so das Gebell von Brasil errege. Die Kinder schauten; von wem ihnen dieser Befehl zukam, und als sie sahen, daß er von Orsola kam, spielten sie fort.

›Nimm Dieb in Acht, Leonie!‹ rief Orsola dem; Mädchen zu, das sie ganz besonders haßte.

›Wovor?‹ fragte das Kind.

›Daß ich nicht hinabkomme; denn wenn Du machst, daß ich hinabkomme, so peitsche ich Dich!‹

›Ah! Ja wohl, kommen Sie doch!‹ erwiderte das Mädchen.

›Du trotzest mir?‹ rief Orsola. ›Warte ein wenig: ich komme.‹

»Und sie stürzte in den Garten, durchlief den Raum, der die Freitreppe vom Teiche trennte, und streckte die Hand aus, um das Kind zu ergreifen, das, als es sie kommen sah, ruhig wartete, ohne einen Schritt rückwärts zu thun; doch in dem Augenblicke, wo sie des Kind ergreifen wollte, sprang der Hund auf sie los und packte sie selbst beim Arme. Orsola stieß einen entsetzlichen Schrei aus, weniger aus Schmerz, als aus Zorn. Dieser Schrei machte, daß von zwei verschiedenen Seiten zwei Personen herbeieilten: Herr Sarranti, der die Kinder wegführte, und der Gärtner, der den Hund lozulassen nötigte.

»Orsola kaut zurück und zeigte mir ihren blutigen Arm.

›Ich hoffe, Sie werden Ihre Nichte bestrafen und den Hund umbringen.‹ sagte sie.

Vielleicht hätte ich nach ihrem Verlangen gethan, doch Herr Sarranti trat dazwischen und verhinderte mich daran: er hatte Altes gesehen und Alles gehört, und seiner Ansicht nach war Leonie unschuldig, was Brasil betrifft, so hatte er, mit seinem Instincte eines ergebenen Dieners, seine kleine Herrin vertheidigt, und er verdiente deshalb nicht den Tod. Ich beschränkte mich also darauf, daß ich den Kindern verbot, fortan nur Rande des Teichen zu spielen, und befahl, daß Brasil in seiner Nische angekettet bleibe. – Orsola gab übrigens ihren doppelten Rachegedanken mit einer Leichtigkeit auf, die mich in Erstaunen setzte und zugleich erschreckte. Ich fing an sie zu kennen und einzusehen, daß sie nicht die Frau war, die verzieh.

 

»Um diese Zeit bot ein Ereigniß, das im Hause vorfiel, Orsola verhängnisvoller Weise Gelegenheit, den unseligen Plan, auf den sie längst sann, zu vollführen.

»Es war nur die Mitte des Monate August 1820. Seit ungefähr drei Wochen hatte Herr Sarranti plötzlich mit allen seinen Gewohnheiten gebrochen: sein die dahin streng regelmäßiges Leben war zu meiner großen Verwunderung eine Reihe von Excentricitäten geworden, welche die Aufmerksamkeit der friedlichen Bewohner des Dorfes, und besonders die der Leute vorn Schlosse zu erregen anfingen.

»Man holte ihn mitten in der Nacht, und auf der Stelle mit denjenigen, welche ihn holten, abgehend, verschwand er auf ganze Tage und hinterließ nur für mich bei Jean, aus dem er seinen vertrauten Diener gemacht hatte, eine Zeile, durch die er mir seine Abwesenheit anzeigte, ohne sie zu motivieren oder ihre Dauer zu bestimmen.

»An andern Tagen hielt er um frühsten Morgen Berathungen mit Freunden von Paris, schloß sich mit ihnen in ein Zimmer oder in den Pavillon vom Parke ein, verweilte hier lange und schlug es aus, zum Frühstück und manchmal sogar zum Mittagessen zu kommen.

»Man traf ihn in der Abenddämmerung mit decorirten Männern redend, welche in lange, bis ans Kinn zugeknöpfte blaue Ueberröcke gekleidet waren und in allen ihren Manieren sich als Militäre verriethen.

»Orsola horchte mehrere Male an der Thüre seines Zimmers, seines Cabinets oder des Pavillon, und suchte das Geheimnis dieser langen, häufigen und mysteriösen Unterredungen zu ergattern. Die Worte ohne Folge, die sie hörte, konnten sie auf eine Spur bringen, doch der ich geringe Zusammenhang dieser Worte unter sich machte, daß die Spur bald verwischt war. Da indessen unter der Zahl der von ihr aufgefaßten Worte die Namen von König Ludwig XVIII. und von Kaiser Napoleon häufiger wiederkehrten, als irgend etwas Anderes, so hatte Orsola keine Mühe, zu errathen, es sei von einem militärischen Complotte die Rede, das den Umsturz der bestehenden Regierung und die Wiederherstellung des Kaiserreiches zum Zwecke habe. Ich erinnere mich der teuflischen Freude, mit der mir Orsola diese Entdeckung mittheilte. Sie haßte Ihren Vater, der bei allen Veranlassungen die Partei der Kinder nahm, und ich bezweifle nicht, sie würde ihn bei der Polizei angezeigt haben, hätte sie nicht ein Project von ganz anderer Art in Anspruch genommen, und hätte sie nicht mit ihrem erschrecklichen Scharfsinne etwas gesehen, was ihrem Plane in den Plänen Ihres Vaters dienen konnte.

»Sie erwartete also den Tag, die Stunde, den Augenblick, um zu handeln, wie der Jaguar, auf einen Ast gekauert, den Moment erwartet, um sich auf den; Wanderer zu stürzen. Es war zugleich von der Schlange und vom Tiger in dieser geduldigen und unversöhnlichen Creatur!

»Am 18. August hatte mich Herr Sarranti, der das Schloß in der Nacht verlassen, durch eine Zeile gebeten, selbst beim Notar von Corbeil die hunderttausend Thaler zurückzufordern, die er bei ihm deponiert hattet zur Erleichterung des Transportes sollte ich zu erlangen suchen, daß mir wenigstens ein Theil der Summe in Banquebillets zurückgegeben werde.

»Schon am Morgen ließ ich ein Pferd anspannen und fuhr nach Corbeil. Herr Henry hatte nur für eine geringe Summe Banquebillets. ich brachte also die hunderttausend Thaler mit; wie ich sie abgegeben hatte, – in Gold.

»Am Tage kam Herr Sarranti wieder, und er ließ mich fragen, ob er mich ein paar Augenblicke allein sprechen könne.

»Ich war bei Orsola.

›Ich werde hinabkommen,‹ sagte ich zu Jean.

›Warum lassen Sie nicht vielmehr Herrn Sarranti heraufkommen,« fragte sie; ›Sie wären besser hier, um zu reden.‹

›Sagen Sie Herrn Sarranti, er könne heraufkommen,‹ antwortete ich Jean.

»Als sodann Jean abgegangen war, sprach ich zu Orsola:

›Willst Du mich allein lassen?‹

›Sie haben also Geheimnisse für mich?‹ bemerkte sie.

›Nein, doch die Geheimnisse von Herrn Sarranti gehören ihm und nicht mir.‹

›Mit Ihrer Erlaubniß, Herr Gèrard, die Geheimnisse von Herrn Sarranti werden Ihnen gehören, oder er wird sie behalten.‹

»Und bei diesen Worten, statt abzugeben, trat sie in ein Ankleidecabinet, von dem aus man Alles, was in meinem Zimmer gesagt wurde, hören konnte, und schloß sich mit dem Schlüssel ein. Kaum war sie hier eingeschlossen, als die Thüre des Corridors sich öffnete und Ihr Vater eintrat. Ich hätte ihn in ein anderes Zimmer, in eine einsame Allee des Parkes, mitten auf eine Wiese führen können, müssen; doch ich hatte bange vor dem was zwischen Orsola und mir vorfallen würde, wenn wir uns wieder unter vier Augen fänden. Als mich Herr Sarranti fragte:

›Sind wir allein, und kann ich in vollem Vertrauen reden?‹

»Da antwortete ich auch ohne Zögern:

›Wir sind allein, mein Freund, und Sie können sprechen.‹

Ehe er fortfuhr, wandte sich Herr Gèrard gegen den Mönch um und fragte:

»Wissen Sie, was mir Ihr Vater zu sagen hatte, und soll ich es Ihnen wiederholen?«

»Ich weiß es nicht,« erwiderte Dominique. »Als mein Vater Frankreich verließ, war ich im Seminar; er hatte nicht Zeit, zu mir zu kommen, um von mir Abschied zu nehmen. Seitdem habe ich, von ihm einen Brief datiert von Lahore erhaltene doch sein einziger Zweck war, mich über seine Gesundheit zu beruhigen und mir eine Geldsumme zu schicken, von der er dachte, ich könnte sie nötig haben.«

»Ich will Ihnen also sagen, sprach der Sterbende, »was die Pläne Ihres Vaters waren, und in welches Complott er sich eingelassen hatte.