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Die Mohicaner von Paris

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LVIII
Ein sehr pressanter Brief

Es war gerade, wenn man sich erinnert, die Stunde, zu der, – nachdem der Streit in der Freischenke beschwichtigt, – die drei jungen Leute, die wir am Eingange dieser Geschichte gefunden, und ihr Geheimnisvoller Retter sich Abendbrod servieren ließen.

Sie haben nicht vergessen, lieber Leser, daß Salvator und Jean Robert, als sie ans der Rue Aubry-le-Boucher weggingen, ihre zwei Gefährten Petrus und Ludovic, auf dem Tische eingeschlafen, unter der Obhut des Kellners zurückließen, der auf die Empfehlung von Salvator für sie haftete.

Dann gingen der Commissionär und der Dichter noch der Rue Saint-Jacques wo sie der Ton des Violoncells zu Justin führt sie hörten die Erzählung des Schulmeisters und waren im Augenblicke der durch den Brief von Mina herbeigeführten Entwickelung da. Salvator lief nach der Polizei, um über des entführte Mädchen Erkundigungen einzuziehen; Jean Robert holte ein Pferd, und Justin folgte Babolin zur Brocante, wo Jean Robert und Salvator wieder mit ihm zusammentrafen.

Mit der neuen Auskunft, die er von der alten Zauberin erhalten, und der Ermahnung von Salvator, es zu verhindern daß Jemand in das Zimmer von Mina oder in den Garten der Pension eintrete, jagte der Schulmeister sodann mit verhängten Zügeln nach Versailles.

Salvator und Jean Robert aber erwarteten Herrn Jackal auf dem Pont-Neuf; hier nahm sie der Polizeimann in seinem Wagen auf, wo er ihnen auf eine gedrängte Weise das Abenteuer erzählte, das wir im Gegentheile in seiner ganzen düsteren Ausdehnung dem Leser vor Augen gelegt haben.

Lassen wir Justin nach Versailles reiten, lassen wir Jean Robert, Salvator und Herrn Jackal nach dem Bas-Meudon fahren und lehren wir zu Ludovic und Petrus zurück, welche auf dem Tische der Freischenke schlafen.

Der Erste, der erwachte, war Ludovic, und er erwachte bei dem Lärmen, den eine lustige Gesellschaft machte, um sich ihrerseits dieses vierten Stockes zu bemächtigen, dessen Eroberung den drei Freunden so viel Mühe gekostet hatte.

Getreu der Einschärfung von Salvator, wollte der Kellner nicht einmal erlauben, daß man in das Zimmer eintrete, wo Petrus und Ludovic schliefen.

Der Lärm, den die Gesellschaft, auf ihrem Verlangen bestehend, machte, hatte den jungen Doktor seinem Schlafe entzogen.

Er schlug die Augen auf und horchte.

Sein erster Gedanke, als er sich dessen, was vorgefallen, erinnerte, war, er werde, nachdem er die Stadt im Sturme genommen, genötigt sein, die Belagerung auszuhalten: diesmal griffen aber die Belagerer mit so munterem Gelächter an, dieses Gelächter schien aus so jungen und so frischen Kehlen hervorzukommen, daß Ludovic dachte, es sei vielleicht ein Vergnügen dabei zu gewinnen, daß man sich von solchen Gegnern gefangen nehmen lasse.

Dem zu Folge öffnete er selbst die Thüre.

Auf der Stelle brach ein Trupp von Pierrots und Pierretten, von Malins und Poissarden mit einem solchen Geräusche, mit so schallendem Gelächter ins Zimmer ein, daß Petrus ganz erschrocken aufsprang und Feuer« schrie.

Petrus träumte von einem Brande .

Mitten unter diesem Einbruche aber fühlte Ludovic, zwei hübsche Arme sich um seinen Hals schlingen, während ein Mund, – von dem jeder Hauch den Bart des Wolfes, dessen Sammet ihm den oberen Theil des Gesichtes verbarg, flattern machte, —ihm mit den weißesten Zähnen und den rosigsten Lippen, die er je gesehen, sagte:

»Du bist es also, Studiosus meines Herzens, der sich den Luxus erlaubt, Zimmer für sich ganz allein zu nehmen?«

»Ei!« erwiderte Ludovic, »wenn Du Dir die Mühe gegeben hättest, umherzuschauen, Pierrette, mein Liebchen, so würdest Du gesehen haben, daß ich nicht allein bin.«

»Ah! Ja, ja, versetzte die Pierrette, »hier ist in der That Meister Raphael in Person! Soll man Dir etwa für das Bein der Frau beim Brande des Dorfes stehen, Du, der Du Feuer schriest, als wir eintraten?«

Und das Mädchen hob seine Hose auf und zeigte, unter einem feinen seidenen Strumpfe, eines von den Beinen, wie sie die Maler suchen, und die Cardinäle finden.

»Ah! ich kenne dieses Bein, Prinzessin!« Sagte Petrus.

»Chante-Lilas!« rief Ludovic gleichzeitig.

»Da ich erkannt bin, so lege ich meine Maske ab,« sprach die schöne Wäscherin; »überdies trinkt man schlecht, wenn das Gesicht nicht entblößt ist . . . Zu trinken! ich sterbe vor Durst!«

Und die ganze Gesellschaft, welche aus fünf bis sechs Wäscherinnen von Vanvres und drei bis vier Gärtnerinnen von Meudon in Begleitung ihr Liebhaber bestand, wiederholte im Chor:

»Zu trinken! zu trinken!«

»Stille!« sagte Ludovic; »das Zimmer gehört mir: es ist also an mir, die Honneurs desselben zu machen. Kellner, sechs Flaschen Champagner für mich!«

»Und sechs für mich!« rief Petrus.

»So ist es gut,« sprach die Prinzessin, »und man wird das anerkennen, indem man Jedem eine Wange vorbehält.«

»Gerade oder ungerade?« sagte Petrus, während er eine Hand voll Münze aus seiner Tasche zog.

»Was machen Sie, Seigneur Raphael?« fragte Chante-Lilas.

»Ich spiele mit Ludovic um seine Wange gegen die meine,« erwiderte Petrus.

»Gerade für das Paar!« antwortete Ludovic in derselben Sprache, in der sein Freund mit ihm sprach.

»Ah! wir brennen also immer nach Petarden ab,« sagte die Prinzessin, zu ihrer gewöhnlichen Redensart zurückkehrend. »Piff! Paff! Es fehlt uns nur Camille: er würde das Bouquet abbrennen.«

In diesem Augenblicke trat der Kellner mit den zwölf Flaschen Champagner ein. »Hier ist das Bouquet!« rief er, indem er den Pfropf von zwei Flaschen, deren Draht er auf der Treppe abgeschnitten, springen ließ.

Gewonnen,! rief Ludovic, der Chante-Lilas auf beide Wangen küßte. »Ich entführe dich, Sabinerin!«

Und er nahm die Prinzessin den Vanvres in seine Arme, wie er es mit einem Kinde gethan hätte, und trug sie an einen Tisch, wo er sie, nachdem er sich selbst gesetzt hatte, auf seinen Schooß setzte.

Nach einer Stunde waren die zwölf Flaschen getrunken, und ebenso zwölf weitere, welche die Gesellschaft, um nicht im Rückstande zu sein hatte kommen lassen.

»Nun müssen wir aber nach Vanvres zurückehren,« sagte die Prinzessin. »Hier ist Nanette: sie versprach ihrer Gebieterin um elf Uhr nach Hause zu kommen, und sie hat ihr einen Brief zu geben. Es ist nun drei Uhr Morgens: zum Glücke ist der Brief pressant.«

»Vier Uhr Prinzessin!« versetzte Petrus.

»Und die Patronin sieht um fünf Uhr auf!« rief Chante-Lilas »Vorwärts, die ganze Gesellschaft!«

»Bah!« entgegnete hie Gräfin vom Battoir, »sie wird sich auch lustig gemacht haben, die Patronin, und sie steht heute sicherlich erst um sechs Uhr auf.«

»Prinzessin,« fragte Ludovic, »wann Ihre erste Reise nach Paris?«

»Oh!« versetzte Chante-Lilas, »als ab Sie sich nach um das bekümmerten!«

»Gewiß bekümmere ich mich darum, besonders wenn ich keine Wäsche mehr habe.«

»Ei! wie kleinlich ist das!« sagte Chante-Lilas. »Nun wohl, Sie werden Ihre Wäsche bekommen, wenn Sie sie selbst holen.«

»Chante-Lilas! keine Dummheiten! die Wache war hart für die weißen Hemden, und ich kann meine Kranken nicht in einem Spitzenhemde besuchen.«

»Kommen Sie und holen Sie Ihre Wäsche.«

»Oh! wenn es sich nur hierum handelt, und wenn in Ihrem Wagen Platz ist, Prinzessin, hier bin ich.«

»Ohne Spaß?«

»Es ist; wie ich Eurer Hoheit zu sagen die Ehre habe.«

»Bravo! Bravo! wir werden Milch in der Mühle den Vanvres trinken! . . . Gehen Sie mit, Seigneur Raphael?«

»Gehst Du mit, Petrus? Bah! die längsten Tollheiten sind die besten!«

»Beim Teufel! es fehlt mir nicht am guten Willens unglücklicher Weise habe ich eine erste Sitzung.«

»Nun, so verschiebe diese Sitzung.«

»Unmöglich!« erwiderte Petrus; »ich habe mein Wort gegeben.«

»Ah! das ist heilig.« versetzte Chante-Lilas; »und die Fornarina gibt Raphael Urlaub . . . Komm König der Malins!«

Hiernach reichte sie Ludovic den Arm; entschlossen, den Carneval lustig zu begraben, bezahlte dieser seine Rechnung und die von Petrus, sprang die Treppe zu vier und vier hinab und stieg in die riesige Tapissière, welche die ganze Gesellschaft von Vanvres nach Paris gebracht hatte.

Petrus, der in der Rue de l’Quest wohnte, nahm Abschied von seinem Freunde, wünschte ihm viel Vergnügen, und antwortete noch, trotz der Entfernung und der Finsternis, auf die geräuschvollen Adieux, die ihm die lustige Gesellschaft zusandte.

»Nun, fragte Ludovic, »wohin des Teufels gehen wir denn so? Mir scheint, wir schlagen den Weg nach Versailles und nicht den nach Vanvres ein?«

»Hätte uns Raphael nicht verlassen, König der Malins,« antwortete Chante-Lilas, »er würde Eurer Majestät sagen; jeder Weg führe nach Rom.«

»Ich verstehe nicht,« entgegnete Ludovic.

»Schau Nanette, die schöne Gärtnerin, an!«

»Ich schaue sie an.«

»Wie findest Du sie?«

»Hübsch . . . Nun?«

»Nun, sie ist unter der Bedingung mitgegangen, daß ich sie vor ihrer Thüre absetze.«

»Gut! und warum dies?«

»Ei!« erwiderte die Gräfin vom Battoir. »man sagt Ihnen ja, sie habe einen sehr pressanten Brief.«

»Warum hat sie ihren Brief nicht abgegeben, ehe sie weggegangen ist?« .

Weil sie am Ende des Dorfes war, als sie dem Briefträger begegnete, weil wir zwischen Vanvres und dem Bas-Meudon warteten, und dies für sie eine halbe Stunde Verzug gemacht hätte.«

»Gut! das ist eine Erklärung.«

»Oh!« sagte Chante-Lilas, »und dann, da der Brief schon sechsundzwanzig Tage unter Weges war, denn er kommt von den Colonien, so sind einige Stunden mehr oder weniger . . . «

»Nicht der Tod eines Menschen,« fiel die Gräfin vom Battoir ein.

»Und selbst im Falle des Todes eines Menschen,« sagte Chante-Lilas, »haben wir nicht den Doktor bei uns? . . . Nun, er schläft, der Doktor!«

 

»Oh! bei meiner Treue ja,« sprach Ludovic. »Erlaube, daß ich mich zu Deinen Füßen setze, Prinzessin, und meinen Kopf auf Deinen Schooß lege. Du wirst mir das Leben retten.«

»Schön!« versetzte das Mädchen, »hätte ich gewußt, man nehme den Herrn zum Schlafen mit, so würde man ihn auf einen Gemüsewagen gelegt haben, und er wäre dort so gut gewesen als hier.«

»Ah! Prinzessin,« versetzte Ludovic halb eingeschlafen, »Du lässest Dir nicht Gerechtigkeit widerfahren: kein Kohl ist so weich, kein Salat ist so zart wie Du.«

»Mein Gott!« sprach Chante-Lilas mit einem Ausdrucke tiefere Mitleids, »wie dumm ist ein Mensch von Geist, wenn er zu schlafen Lust hat.«

Es schlug fünf Uhr Morgens, als wen in Bellevue ankam. allmählich hatte das schallende Gelächter aufgehört, war das lustige Geschrei erloschen; das Unbehagen und die Kälte, von der Rückkehr am Morgen, besonders im Winter, unzertrennlich, lasteten auf der halbentschlummerten Maskengesellschaft; Jeden drängte es seine Stube, sein Feuer, sein Bett wiederzufinden.

Die Tapissière hielt vor der Thüre des von Colombau und Carmelite bewohnten Hauses an; Nanette sprang aus dem Wagen, zog den Schlüssel aus ihrer Tasche und trat ein.

Gut,« sagte sie, als sie durch die Thüre des offen gebliebenen und auf den Garten gehenden Corridors das Licht sah, das im Cabinet von Colombau glänzte, »der junge Mann wacht noch und soll sogleich seinen Brief haben.

»Gute Nacht, die ganze Gesellschaft!«

Und sie schloß die Thüre.

Einiges dumpfe Schnarchen antwortete aus dem Innern des Wagens, der nach Vanvres weiter fuhr.

Kaum hatte er aber hundert Schritte gemacht, als der Rufe »Zu Hilfe! zu Hilfe! Herr Ludovic! Herr Ludovic!« von der Seite erscholl, wo man Nanette abgesetzt hattet.

Der Wagen hielt an.

»Was gibt es?« fragte Ludovic, plötzlich aufgeweckt.

»Ich weiß es nicht, doch man ruft Sie,« antwortete Chante-Lilas. »Ich glaube die Stimme von Nanette zu erkennen.«

»Es wird ein Unglück geschehen sein!«

Ludovic sprang aus dem Wagen und erblickte in der That Nanette; diese lief ganz erschrocken herbei und schrie:

»Zu Hilfe! zu Hilfe!«

LIX
Die Erstickten

Er eilte auf sie zu.

»Ih! kommen Sie geschwind, Herr Ludovic! kommen Sie schnell! kommt Alle! sie sind todt!«

»Wer ist todt?« fragte Ludovic.

»Mademoiselle Carmelite und Herr Colombau.«

»Colombau?« rief Ludovic; »Colombau von Penhoël«

»Ja, Herr Colombau von Penhoël und Mademoiselle Carmelite Gervais. Mein Gott! welch ein Unglück! So jung, so schön, so artig!«

Ludovic eilte auf der Stelle gegen das Haus fort und machte, da er den Gang offen fand, nur einen Sprung von der Straße nach dem Pavillon im Garten.

Das von Colombau geöffnete und von ihm schlecht wiedergeschlossene Fenster des Cabinets war abermals von Nanette geöffnet worden, welche es, nachdem sie vergebens gerufen, wagte, durch das Fenster zu steigen, um an die Thüre des Zimmers zu klopfen.

Als sie sah, daß man ihr nicht antwortete, öffnete sie die Thüre; sogleich machte sie aber drei Schritte rückwärts und fiel beinahe zu Boden. Eine furchtbare Strömung von Kohlensäure umhüllte sie wie mit einer tödtlichen Wolke. Von da an begriff sie Alles, und da sie dachte, sie werde den Wagen leicht einholen, so eilte sie hinweg, um ihn zu verfolgen.

Ihr Geschrei wurde gehört, der Wagen hielt an. Ludovic stürzte in den Pavillon durch das Fenster des Cahinets und versuchte es, ins Zimmer einzutreten, wurde aber selbst durch den verpesteten Dampf zurückgeworfen.

Er wandle sich gegen die Luft um und athmete sie mit voller Lunge ein.

In diesem Augenblicke liefen alle Leute herbei.

»Zerbrecht die Fenster! sprengt die Thüren!« rief Ludovic; »Luftströme! Sie haben sich mit Kohlendampf erstickt!«

Man versuchte es die Läden zu öffnen: sie waren von innen geschlossen.

Mit ein paar Fußtritten sprengte man die Thüre.

Doch diejenigen, welche auf der Schwelle erschienen, waren genötigt, zurückzuweichen.

»Man halte Essig und Salzwasser bereite man wecke den Apotheker auf, wenn einer im Dorfe ist, und man nehme bei ihm englisches Salz und Ammoniak. Nanette, zündet Sie irgendwo Feuer an, und lassen Sie Servietten heiß machen.«

Dann, wie der Bergmann in den Schlund hinabsteigt, wie der Matrose in das Meer taucht, stürzte Ludovic ins Zimmer.

Die lustige Maske hatte dem Manne der Wissenschaft Platz gemachte der Arzt wollte nun alle Hilfsmittel seiner Kunst anwenden.

Ludovic erreichte umhertappend das Fenster; die Kerze war erloschen, das Feuer des Kantine ebenso; der Rechaud hatte weder Flamme, noch Rauch mehr.

Die Vorhänge fielen am Fenster herab und verhinderten ihn, den Drehriegel zu finden.

Ludovic umwickelte sich seine Hand mit seinem Taschentuche und zerschmetterte mit zwei Faustschlägen zwei Scheiben.

Ein Luftzug fing an sich zu bilden; es war Zeit: er selbst schwankte und mußte sich am Klavier festhalten. Dann ergriff er die Vorhänge mit vollen Händen, riß sie von ihren Stangen herab, und so gelang es ihm, das Fenster zu öffnen.

Die durch den Sauerstoff und den Kohlenstoff gebildete Kohlensäure machte nach und nach der athembaren Luft Platz, welche nun durch drei Oeffnungen eindrang.

»Tretet ein!« rief Ludovic; »tretet eint es ist keine Gefahr mehre tretet ein und erleuchtet das Zimmer.«

Man steckte die zweite Kerze an, und jeder Gegenstand wurde sichtbar.

Die zwei jungen Leute lagen, eines in den Armen des andern, auf dem Bette, als ob sie so eben eingeschlafen wären.

»Ist ein Arzt hier,« fragte Ludovic, »ein Barbier, gleichviel! ein Mensch, der mir helfen kann?«

»Es ist Heer Pilloy hier, ein alter Wandarzt von der Garde, ein sehr geschickter Mann,« antwortete eine Stimme.

»So lauft zu Herrn Pilloy,« sagte Ludovic; »läutet bis er aufsteht; zieht an ihm, bis er kommt.«

Dann ging er auf das Bett zu und sprach den Kopf schüttelnd:

»Ah! ich glaube, wir kommen zu spät!«

Die Lippen des jungen Mannes waren in der That schwärzlich.

Ludovic hab die Augenlider auf.

Das Auge von Colombau war angeschwollen, glasig; das Auge nun Carmelite trübe, von Blut unterlaufen.

Kein Athem lebte mehr, weder in dem Einen, noch in dem Andern.

»Zu spät! zu spät!« wiederholte Ludovic in Verzweiflung. Gleichviel, thun wir immerhin, was zu thun ist. Ihr Frauen, übernehmet das Mädchen,« fuhr er fort; »ich übernehme den Mann.«

»Was müssen wir thun?« fragte Chante-Lilas.

»So gut als nur immer möglich ausführen, was ich Dir sagen werde: vor Allem das Mädchen ans Fenster tragen . . . «

»Kommt!« sprach Chante-Lilas zu ihren Freundinnen.

»Und wir?« fragten die Männer.

»Suchet das Feuer wieder anzuzünden . . . ein großes Holzfeuer; erwärmet Servietten; zieht ihm die Stiefel aus . . . Ich werde es versuchen, ihm am Fuße zur Ader zu lassen . . . Ah! zu spät! zu spät!«

Ludovic gab diesen Ausruf der Verzweiflung von sich, während er Colombau vorn Bette zum Fenster trug.

»Hier ist Essig, hier ist Salzwasser,« sagte Nanette.

»Gieße den Essig in einen Teller, daß man Taschentücher darein tauchen und damit die Schläfe der Erstickten reiben kann; – Du hörst, Chante-Lilas?«

»Ja, ja,« erwiderte das Mädchen.

»Schneidet eine Feder wie ich es thue, seht . . . drückt die Zähne auseinander, wenn Ihr könnt, und blast ihr Luft in die Lunge ein.«

Man gehorchte Ludovic, wie man in einer Schlacht einem Heerführer gehorcht.

Carmelite hatte die Zähne fest an einander gepreßt; doch mit Hilfe eines eisenbeinernen Messers gelang es Chante-Lilas, ihr die Kiefer auseinander zu drücken und die Feder zwischen die Zähne zu schieben.

»Nun?« fragte Ludovic.

»Die Feder ist eingeschoben.«

»So blase . . . Ich kann es nicht zu Stande bringen, er hat eiserne Zähne! . . . Hast Ihr ihm seine Stiefel und seine Strümpfe ausgezogen?

»Ja.«

»Reibt ihm die Schläfe mit Essig; sprengt ihm frisches Wasser ins Gesicht, drückt ihm die Zähne auseinander, und müßtet Ihr sie zerbrechen. Ich will es versuchen, ihm am Fuße zur Ader zu lassen.«

Ludovic öffnete sein Etui, nahm eine Lancette heraus, stach zweimal die Ader am Fuße, doch vergebens. Das Blut kam nicht.

»Nehmt ihm seine Halsbinde ah; reißt ihm die Weste, das Hemd, reißt ihm Alles vom Leibe.«

»Hier sind glühendheiße Servietten,« sagte eine Stimme.

»Gebet Chante-Lilas davon und reibet die Brust mit den Servitten; – Du hörst, Chante-Lilas? mache es ebenso! – Ah! hier ist ein Messer.«

Es gelang Ludovic ein Messer zwischen die zwei Kiefer von Colombau zu drücken; auf die Hoffnung eine Federspule in einen so engen Raum zu schieben, verzichtend, hielt er sodann seine Lippen an die Lippen des jungen Mannes und versuchte es, ihm Luft in die Lunge einzublasen.

Die Kehle war geschlossen; die Luft ging nicht durch den Schlund.

»Zu spät! zu spät!« murmelte Ludovic. »Versuchen wir es mit der Drosselader.«

Er nahm wieder seine Lancette und öffnete mit einer wunderbaren Sicherheit die Ader am Halse. Doch es kaut ebenso wenig Blut als am Fuße.

»Da ist englisches Satze und Alkali.« sagte der Bote, indem er Ludovic zwei Fläschchen darreichte.

»Hier, Chante-Lilas,« sprach Ludovic, »nimm das Fläschchen mit dem Satze und hatte es dem Mädchen unter die Nase. Ich nehme das Alkali.«

Gut!« erwiderte Chante-Lilas, die Hand ausstreckend.

»Und die Luft?« fragte Ludovic.

»Wie, die Luft?«

»Glaubst Du, sie sei in die Lunge eingedrungen?«

»Mir scheint, ja.«

»Dann guten Muth, mein Kind! guten Muth! Reibe die Schläfe mit Essig und laß sie das Salz einatmen.«

Der junge Doktor tauchte mittlerweile ein Tuch in alkalisirtes Wasser und umhüllte damit den Kopf von Colombau, – Colombau blieb jedoch unbewegliche kein Hauch kam ans seiner Brust, keiner konnte darein eindringen.

»Oh!« sagte Chante-Lilas, »mir scheint die Lippen erbleichen!«

»Muth! Muth! Chante-Lilas! das ist ein gutes Zeichen! . . . Oh! mein liebes Kind; sieh, welch ein Glück in Deinem Leben, wenn Du Dir sagen könntest, Du habest eine Frau gerettet.«

»Mir scheint, sie hat gestöhnt.« rief Chante-Lilas.

Hebe das Augenlid auf und schau das Auge an: ist es immer noch so trübe?«

»Oh!Herr Ludovic, mir scheint, es ist weniger trübe.«

»Herr Pilloy ist nicht zu Hause,« meldete zurückkehrend der Bote, den man zum Wundarzte geschickt hatte.

»Wo ist er?« fragte Ludovic.

»Bei Herrn Gèrard, bei dem es sehr schlecht geht.«

»Wo wohnt Herr Gèrard?«

»In Vanvres . . . Soll ich dahin gehen?«

»Unnütz! es ist zu weit.«

»Oh! es steht auch sehr schlimm bei dem armen Herrn Gèrard,« sagte eine Stimme.

»Herr Ludovic, Herr Ludovic, sie athmet!« rief Chante-Lilas.

»Bist Du dessen sicher, mein Kind?«

»Ich rieb ihr die Brust mit einer heißen Serviette: ich fühlte ihre Brust sich heben . . . Herr Ludovic, sie greift mit ihrer Hand nach ihrem Kopfe!«

»Wohl, so werden wir von zweien wenigstens eines retten! Traget sie rasch von hier weg, damit sie, wenn sie die Augen öffnet, nicht ihren todten Geliebten sieht.«

»In ihr Zimmer, in ihr Zimmer!« rief Nanette.

»Ja, in ihr Zimmer . . . Ihr werdet alle Fenster öffnen, und dort ein großes Feuer machen . . . Geht! Geht!«

Die Frauen trugen Carmelite weg.

Es fing an Tag zu werden.

»Du weißt, was zu thun ist, Chante-Lilas?« rief Ludovic der Gruppe der Frauen zu, welche Carmelite wegtrug.

»Nein; sagen Sie!«

»Was Du bis jetzt gethan hast, nichts Anderes.«

»Wenn sie aber fragt, was mit ihrem Geliebten geschehen sei?«

»Sie wird wahrscheinlich vor einer Stunde nicht sprechen, und erst in zwei bis drei Stunden wieder zu Sinnen kommen.« .

»Und dann werden entweder Colombau oder ich bei ihr sein.«

Hiernach kehrte Ludovic zu Colombau zurück und murmelte:

»Zu spät! zu spät! Armer Colombau! oder viel mehr arme Carmelite!«

Und er arbeitete wieder an dem jungen Manne mit der erhabenen Hartnäckigkeit des Arztes, der das Leben bis in den Armen des Todes verfolgt.