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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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CXXXII
Hinter dem Vorhang

Am Abend, zur verabredeten Stunde, erschien Dumouriez mit den vier Deputirten; Grave und Cahier von Gerville waren schon da und erwarteten den König.

Als ob der König, um zu erscheinen, nur den Eintritt von Dumouriez abgewartet hätte, trat, nachdem dieser durch eine Thüre eingetreten war, Ludwig XVI. durch die andere ein.

Die zwei Minister erhoben sich rasch; Dumouriez stand noch und brauchte sich nur zu verbeugen, der König grüßte mit dem Kopfe nickend.

Dann nahm er ein Fauteuil, setzte sich mitten an den Tisch und sprach:

»Meine Herren, setzen Sie sich.«

Da schien es Dumouriez, die Thüre, durch welche der König eingetreten, sei offen geblieben, und der Vorhang bewege sich.

War das der Wind? war es die Berührung einer Person, welche durch diesen Schleier horchte, der, wenn auch den Blick hemmend, doch den Ton durchdringen ließ?

Die drei Minister setzten sich.

»Haben Sie Ihre Depechen, mein Herr?« fragte der König Dumouriez.

»Ja, Sire,« erwiederte der General.

Und er zog die vier Briefe aus seiner Tasche.

»An welche Mächte sind sie gerichtet?«

»An Spanien, Oesterreich, Preußen und England.«

»Lesen Sie.«

Dumouriez warf einen zweiten Blick nach dem Vorhange und wurde durch seine Bewegung überzeugt, daß Jemand horchte.

Er begann die Lesung der Depechen mit einer festen Stimme.

Der Minister sprach im Namen des Königs, aber im Sinne der Constitution, – ohne Drohung, aber auch ohne Schwäche.

Er erörterte die wahren Interessen jeder Macht hinsichtlich der französischen Revolution.

Da jede Macht sich ihrerseits über jacobinische Pamphlete beklagte, so schob er diese verächtlichen Injurien auf jene Preßfreiheit, deren Sonne so viel giftiges Gewürm auskriechen macht, zugleich aber auch so reiche Ernten zur Reife bringt.

Er verlangte endlich den Frieden im Namen einer freien Nation, deren erblicher Repräsentant der König sei.

Der König hörte, bei jeder Depeche seine Aufmerksamkeit verdoppelnd, zu.

»Ah!« sagte er, als Dumouriez geendigt hatte, »nie habe ich Aehnliches gehört, General.«

»So müßten die Minister immer im Namen der Könige reden und schreiben,« fügte Cahier von Gerville bei.

»Nun,« sprach der König, »geben Sie mir diese Depechen, sie werden heute abgehen.«

»Sire, die Couriere sind bereit und warten im Hofe der Tuilerien.«

»Ich hätte ein Duplicat zu behalten gewünscht, um der Königin mitzutheilen,« versetzte der König mit einer gewissen Verlegenheit.

»Ich habe den Wunsch Eurer Majestät vorhergesehen,« erwiederte Dumouriez; »hier sind vier von mir beglaubigte, gleichlautende Abschriften.«

»Lassen Sie also Ihre Briefe abgehen,« sagte der König.

Dumouriez ging bis an die Thüre, durch welche er eingetreten war; ein Adjutant wartete: er übergab ihm die Briefe.

Einen Augenblick nachher hörte man den Galopp mehrerer Pferde, die sich gleichzeitig aus dem Hofe der Tuilerien entfernten.

»Wohlan!« sprach der König, seinen eigenen Gedanken beantwortend, als dieses bezeichnende Getöse erloschen war; »und nun wollen wir Ihr Ministerium sehen.«

»Sire,« sagte Dumouriez, »ich wünschte vor Allem, Eure Majestät würde Herrn Cahier von Gerville bitten, er möge Einer der Unsern bleiben.«

»Ich habe ihn schon darum gebeten,« erwiederte der König.

»Und ich mußte zu meinem Bedauern bei meiner Weigerung beharren: meine Gesundheit zerrüttet sich von Tag zu Tag mehr, und ich bedarf der Ruhe.«

»Sie hören ihn, mein Herr?« fragte der König, sich gegen Dumouriez umwendend.

»Ja, Sire.«

»Nun also, Ihre Minister, mein Herr?«

»Wir haben Herrn von Grave, der uns bleiben will.«

Herr von Grave streckte die Hand aus und sagte:

»Sire, die Sprache von Herrn Dumouriez hat Sie so eben durch ihre Offenherzigkeit in Erstaunen gesetzt; die meine wird Sie noch viel mehr durch ihre Demuth in Erstaunen setzen.«

»Sprechen Sie, mein Herr,« erwiederte der König.

»Sire,« sagte Herr von Grave, indem er ein Papier aus seiner Tasche zog, »hier ist eine etwas strenge, aber ziemlich gerechte Werthbestimmung, welche von mir eine Frau von viel Geist macht: haben Sie die Güte, dieselbe zu lesen.«

Der König nahm das Papier und las:

»»Grave ist Kriegsminister; das ist ein kleiner Mann in jeder Hinsicht: die Natur hat ihn sanft und schüchtern gemacht; seine Vorurtheile gebieten ihm den Stolz, während ihm sein Herz liebenswürdig zu sein eingibt. Darau s geht hervor, daß er in seiner Verlegenheit, Alles auszugleichen, in Wahrheit nichts ist. Mir scheint, ich sehe ihn als Höfling hinter dem König gehen, den Kopf hoch auf seinem schwachen Körper, das Weiße seiner blauen Augen zeigend, die er nach dem Mahle nur mit Hilfe von drei bis vier Tassen Kaffee offen halten kann; wenig sprechend wie aus Zurückhaltung, in Wirklichkeit aber, weil es ihm an Ideen fehlt, und so sehr den Kopf unter den Geschäften seines Departements verlierend, daß er früher oder später seine Entlassung fordern wird.««

»In der That,« sprich Ludwig XVI., der bis zum, Ende zu lesen angestanden und dies nur auf die Aufforderung von Herrn von Grave selbst gethan hatte, »das ist eine Frauenschätzung. Wäre sie von Frau von Staël?«

»Nein, das ist von Stärkerem, es ist von Madame Roland, Sire.«

»Und Sie sagten, Herr von Grave, dies sei Ihre Ansicht über Sie selbst?«

»In vielen Punkten, Sire. Ich werde also im Ministerium bleiben bis zu dem Augenblick, wo ich meinen Nachfolger auf das Laufende gebracht habe, wonach ich Eure Majestät meine Entlassung anzunehmen bitten werde.«

»Sie haben Recht, mein Herr, das ist eine Sprache, welche noch viel wunderbarer, als die von Herrn Dumouriez. Gern würde ich, wenn Sie sich durchaus zurückziehen wollen, einen Nachfolger von Ihrer Hand empfangen.«

»Ich wollte Eure Majestät bitten, mir zu erlauben, ihr Herrn Servan vorzuschlagen, – einen redlichen Mann in der vollen Bedeutung des Wortes, von solidem Schlage, von reinen Sitten, mit der ganzen Strenge eines Philosophen und der Herzensgüte eines Weibes; überdies, Sire, erleuchteter Patriot, tapferer Soldat, wachsamer Minister!«

»Es bleibe bei Herrn Servan! Wir haben nun also drei Minister: Herr Dumouriez, auswärtige Angelegenheiten, Herr Servan, Krieg, Herr Lacoste, Marine. Wem werden wir die Finanzen geben?«

»Herrn Clavières, Sire, wenn es Ihnen beliebt. Das ist ein Mann, der große Kenntnisse im Finanzwesen und eine außerordentliche Geschicklichkeit in der Verwaltung des Geldes hat.«

»Ja, in der That,« sprach der König, »man sagt, er sei thätig, ein großer Arbeiter, aber jähzornig, halsstarrig, krittelig und häkelig in der Discussion.«

»Das sind Fehler, welche alle Cabinetsmänner mit einander gemein haben, Sire.«

»Wir wollen über die Fehler von Herrn Clavières weggehen; Herr Clavières also Finanzminister. Nun die Justiz, wem geben wir sie?«

»Sire, man empfiehlt mir einen Advocaten von Bordeaux, Herrn Duranthon.«

»Die Gironde, wohl verstanden?«

»Ja, Sire; das ist ein ziemlich erleuchteter Mann, sehr rechtlich, ein sehr guter Bürger, aber schwach und langsam; wir werden ihm Feuer unter den Leib machen und stark für ihn sein.«

»Dann bleibt das Innere.«

»Es ist die einstimmige Meinung, Sire, daß dieses Ministerium Herrn Roland gebührt.«

»Madame Roland, wollen Sie sagen?«

»Herrn und Madame Roland.«

»Sie kennen Beide?«

»Nein, Sire, doch wie man mir versichert, gleicht der Eine einem Manne von Plutarch, die Andere einer Frau von Livius.«

»Wissen Sie, wie man Ihr Ministerium nennen wird, Herr Dumouriez, oder wie man es vielmehr schon nennt?«

»Nein, Sire.«

»Das Ministerium ohne Hose

»Ich nehme die Benennung an, Sire; man wird um so besser sehen, daß wir Männer sind.«

»Und alle Ihre Collegen sind bereit?«

»Kaum die Hälfte von ihnen ist unterrichtet.«

»Sie werden annehmen?«

»Ich bin dessen sicher.«

»Nun so gehen Sie, mein Herr, und übermorgen der erste Ministerrath.«

»Uebermorgen, Sire.«

»Meine Herren,« sagte der König, indem er sich an Cahier von Gerville und Grave wandte, »Sie haben bis übermorgen Zeit, zu überlegen.«

»Sire, wir haben überlegt, und wir werden übermorgen nur kommen, um unsere Nachfolger einzuführen.«

Die drei Minister entfernten sich.

Ehe sie aber die große Treppe erreicht hatten, holte sie ein Kammerdiener ein; dieser sprach zu Dumouriez:

»Herr General, der König bittet Sie, mir zu folgen; er hat Ihnen etwas zu sagen.«

Dumouriez grüßte seine Collegen, blieb zurück und fragte:

»Der König oder die Königin?«

»Die Königin, mein Herr; doch sie hat es für unnöthig erachtet, diese Herren damit bekannt zu machen, daß sie nach Ihnen verlange.«

Dumouriez schüttelte den Kopf.

»Oh! das befürchtete ich!« murmelte er.

»Sie wollen nicht?« fragte der Kammerdiener, der kein Anderer war, als Weber.

»Nein, ich folge Ihnen.«

»Kommen Sie.«

Der Kammerdiener führte durch nothdürftig erleuchtete Gänge Dumouriez nach dem Gemache der Königin.

Dann sagte er, ohne den General mit seinem Namen zu melden:

»Hier ist die Person, nach der Eure Majestät verlangt hat.«

Nie, in dem Augenblick, wo er einen Angriff vollführt oder eine Bresche erstiegen, hatte sein Herz so gewaltig geklopft.

Das war so, weil er wohl begriff, daß er nie eine solche Gefahr gelaufen.

Der Weg, den man ihm geöffnet, war mit todten oder lebendigen Leichnamen besäet, und er hatte darauf an die Leiber von Calonne, von Necker, von Mirabeau, von Barnave und von Lafayette stoßen können.

Die Königin ging mit großen Schritten auf und ab; sie war sehr roth, Dumouriez blieb auf der Schwelle der Thüre stehen, die sich hinter ihm schloß.

 

Die Königin trat mit einer majestätischen, gereizten Miene auf ihn zu und sprach, die Frage mit ihrer gewöhnlichen Lebhaftigkeit in Angriff nehmend:

»Mein Herr, Sie sind in diesem Augenblicke allmächtig, doch durch die Gunst des Volkes, und das Volk zerbricht schnell seine Götzen. Sie sollen viel Talent haben; haben Sie vor Allem das, einzusehen, daß weder der König, noch ich alle diese Neuerungen dulden können. Ihre Constitution ist eine Luftpumpe: das Königthum erstickt darunter aus Mangel an Luft; ich habe Sie also holen lassen, um Ihnen zu sagen, ehe Sie weiter gehen, Sie mögen Ihren Entschluß fassen und zwischen uns und den Jacobinern wählen.«

»Madame,« erwiederte Dumouriez, »ich bin trostlos über das peinliche Geständniß, das mir Eure Majestät macht; da ich aber die Königin hinter dem Vorhange, wo sie verborgen war, errathen habe, so erwartete ich das, was mir begegnet.«

»Dann haben Sie eine Antwort vorbereitet?« sagte die Königin.

»Vernehmen Sie diese, Madame: Ich bin zwischen dem König und der Nation; doch vor Allem gehöre ich dem Vaterlande.«

»Dem Vaterlande? dem Vaterlande?« wiederholte die Königin; »der König ist also nichts mehr, daß nun alle Welt dem Vaterlande gehört, und Niemand ihm?«

»Doch, Madame, der König ist immer der König! er hat aber der Constitution den Eid geleistet, und von dem Tage an, wo dieser Eid ausgesprochen war, muß der König einer der ersten Sklaven der Constitution sein.«

»Ein gezwungener Eid, mein Herr! ein ungültiger Eid!«

Dumouriez blieb einen Augenblick stumm, und, ein geschickter Schauspieler, betrachtete er die Königin während dieses Augenblicks mit einem tiefen Mitleid.

»Madame,« sagte er endlich, »erlauben Sie mir, Ihnen zu bemerken, daß Ihr Heil, das des Königs, das Ihrer erhabenen Kinder an diese Constitution geknüpft sind, welche Sie verachten, und die Sie retten wird, wenn Sie von Ihr gerettet sein wollen . . . Ich würde Ihnen schlecht dienen, Madame, und ich würde dem König schlecht dienen, spräche ich anders.«

Die Königin unterbrach ihn aber mit einer gebieterischen Geberde und entgegnete:

»Oh! mein Herr, ich versichere Ihnen, Sie schlagen einen falschen Weg ein,«

Und mit einem unbeschreiblichen Ausdrucke der Drohung fügte sie bei:

»Nehmen Sie sich in Acht!«

»Madame,« erwiederte Dumouriez mit vollkommen ruhigem Tone, »ich bin über fünfzig Jahre alt; mein Leben ist durch viele Gefahren gegangen, und als ich das Ministerium übernahm, sagte ich mir, die ministerielle Verantwortlichkeit sei nicht die geringste der Gefahren, die ich laufe.«

»Oh!« rief die Königin, indem sie ihre Hände aneinander schlug, »es blieb Ihnen nichts mehr Anderes zu thun, als mich zu verleumden, mein Herr.«

»Sie verleumden, Madame?«

»Ja ., . .Soll ich Ihnen den Sinn der Worte, die Sie so eben ausgesprochen, erklären?«

»Thun Sie es, Madame.«

»Wohl denn, Sie haben gesagt, ich sei im Stande, Sie ermorden zu lassen . . . Oh! oh! mein Herr!« rief die Königin.

Und zwei große Thränen entstürzten ihren Augen.

Dumouriez war so weit als möglich gegangen; er wußte, was er wissen wollte: ob noch eine empfindliche Fiber im Grunde dieses vertrockneten Herzens sei.

»Gott behüte mich, daß ich der Königin eine solche Beleidigung anthue!« sprach er; »der Charakter Eurer Majestät ist zu groß, zu edel, um dem Grausamsten ihrer Feinde einen solchen Verdacht einzuflößen; sie hat Beweise von Heldenmuth gegeben, die ich bewundert, und die mich zu ihr hingezogen.«

»Sprechen Sie die Wahrheit, mein Herr?« fragte die Königin mit einer Stimme, in der die Gemüthsbewegung allein noch bestand.

»Oh! Madame, ich schwöre es Ihnen bei meiner Ehre!«

»Dann entschuldigen Sie mich, und geben Sie mir Ihren Arm,« sagte die Königin; »ich bin so schwach, daß es Augenblicke gibt, wo ich mich dem Fallen nahe fühle.«

Und sie warf in der That erbleichend den Kopf zurück.

War das eine Wirklichkeit? war es eines von den erschrecklichen Spielen, in denen die verführerische Medea so geschickt?

Dumouriez, so gewandt er selbst war, ließ sich dadurch einnehmen, oder, noch gewandter als die Königin, stellte er sich vielleicht, als ließe er sich einnehmen.

»Madame,« sagte er, »glauben Sie mir, ich habe kein Interesse, Sie zu täuschen: ich verabscheue eben so sehr als Sie die Anarchie und die Verbrechen; glauben Sie mir, ich habe Erfahrung; ich bin besser gestellt, als Eure Majestät, um die Ereignisse zu beurtheilen; was vorgeht, ist keine Intrigue von Herrn von Orleans, wie man Ihnen hat zu verstehen gegeben; es ist nicht die Wirkung des Hasses von Herrn Pitt, wie Sie vermuthen; es ist nicht einmal eine augenblickliche Volksbewegung; es ist der fast einhellige Aufstand einer großen Nation gegen eingewurzelte Vorurtheile. Bei Allem dem, ich weiß es wohl, herrschen gewaltige Leidenschaften des Hasses, die den Brand schüren. Lassen wir die Schurken und die Narren beiseit; behalten wir bei der Revolution, welche in Erfüllung geht, nur den König und die Nation im Auge; Alles, was darauf abzielt, sie zu trennen, zielt auf ihren gegenseitigen Ruin ab. Ich, Madame, ich bin gekommen, um mit meiner ganzen Macht für ihre Vereinigung zu arbeiten; helfen Sie mir, statt mir entgegenzutreten. Sie mißtrauen mir? Bin ich ein Hinderniß bei Ihren contrerevolutionären Projecten? Sagen Sie es mir: ich bringe auf der Stelle dem König mein Entlassungsgesuch, und ich gehe, um in einem Winkel über das Schicksal meines Vaterlands und das Ihre zu seufzen!«

»Nein! nein!« rief die Königin, »bleiben Sie und entschuldigen Sie mich!«

»Ich! Sie entschuldigen, Madame? Oh! ich bitte Sie inständig, demüthigen Sie sich nicht so!«

»Warum mich nicht demüthigen? Bin ich noch eine Königin? Bin ich nur noch eine Frau?«

Sie ging an das Fenster und öffnete es, trotz der Kälte des Abends; der Mond versilberte den entlaubten Gipfel der Bäume der Tuilerien.

»Nicht wahr, Jedermann hat ein Recht ans Licht und Sonne? Nun, mir allein sind die Sonne und die Luft versagt; ich wage es weder auf der Seite des Hofes, noch auf der Seite des Gartens ans Fenster zu stehen; vorgestern stelle ich mich daran auf der Seite des Hofes; ein Kanonier von der Wache schleudert mir eine plumpe Beleidigung zu und fügt bei: »»Oh! welches Vergnügen würde es mir machen, Deinen Kopf auf der Spitze meines Bajonnets zu tragen!«« Gestern öffne ich das Fenster, das nach dem Garten geht; auf der einen Seite sehe ich einen Mann, der auf einem Stuhle steht und Gräuel gegen uns vorliest; auf der andern einen Priester, den man nach einem Bassin schleppt und dabei mit Schmähungen und Schlägen überhäuft; und zu gleicher Zeit, als lägen diese Scenen im gewöhnlichen Laufe der Dinge, bemerke ich Leute, welche, ohne sich darum zu bekümmern, Ball schlagen oder ruhig spazieren gehen . . . Welche Zeit, mein Herr! welch ein Aufenthalt! welch ein Volk! Und Sie wollen, daß ich mich noch für eine Königin halte, daß ich mich noch für eine Frau halte?« rief die Königin.

Und sie warf sich auf ein Canapé und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen.

Dumouriez setzte ein Knie auf die Erde, nahm ehrerbietig den Saum ihres Kleides und küßte ihn.

»Madame,« sprach er, »von dem Augenblicke, wo ich mich anheischig mache, den Kampf auszuhalten, werden Sie wieder die glückliche Frau, werden Sie wieder die mächtige Königin, oder ich lasse dabei mein Leben!«

Und er stand auf, verbeugte sich vor der Königin und ging eiligst hinaus.

Die Königin schaute ihm mit einem verzweifelten Blicke nach.

»Die mächtige Königin!« wiederholte sie. »Vielleicht ist das durch Dein Schwert noch möglich, doch die glückliche Frau, nie! nie! nie!«

Und sie ließ den Kopf zwischen die Kissen des Canapé sinken und murmelte einen Namen, der ihr jeden Tag theurer und schmerzlicher wurde: den Namen Charny.

CXXXIII
Die rothe Mütze

Dumouriez hatte sich, wie wir gesehen, rasch, entfernt, vor Allem, weil ihm die Verzweiflung der Königin peinlich: ziemlich wenig gerührt durch die Ideen, war dies Dumouriez sehr durch die Menschen; er hatte kein Gefühl des Politischen Gewissens, doch er war sehr eimpfänglich für das menschliche Mitleid; sodann erwartete ihn Brissot, um ihn bei den Jacobinern einzuführen, und Dumouriez wollte nicht säumen, dem furchtbaren Clubb seine Ehrfurcht zu bezeigen.

Was die legislative Versammlung betrifft, – er bekümmerte sich wenig um sie, sobald er der Mann von Pétion, Gensonné, Brissot und der Gironde war.

Doch er war nicht der Mann von Robespierre, von Collot-d’Herbois und von Couthon, und es waren Collot-d’Herbois, Couthon und Robespierre die Männer, welche die Jacobiner lenkten.

Seine Gegenwart war nicht vorhergesehen; zu den Jacobinern kommen, das war ein für einen Minister des Königs zu verwegener Streich; man hatte auch kaum seinen Namen ausgesprochen, als sich Aller Augen gegen ihn wandten.

Was würde Robespierre bei diesem Anblicke thun?

Robespierre wandte sich um wie die Andern und horchte auf den Namen, der von Mund zu Mund flog; dann faltete er die Stirne, wurde kalt und schweigsam.

Eine eisige Stille verbreitete sich alsbald im Saale.

Dumouriez begriff, daß er seine Schiffe verbrennen mußte.

Die Jacobiner hatten als Zeichen der Gleichheit die rothe Mütze angenommen; nur drei bis vier Mitglieder hatten ohne Zweifel gedacht, ihr Patriotismus sei hinlänglich bekannt, daß es für sie nicht nöthig, einen solchen Beweis davon zu geben.

Robespierre gehörte zu dieser Zahl.

Dumouriez zögert nicht: er wirft seinen Hut fern von sich, nimmt vom Kopfe des Patrioten, neben dem er sitzt, dessen rothe Mütze, drückt sie sich bis auf die Ohren ein und besteigt, das Zeichen der Gleichheit aufpflanzend, die Tribüne.

Der ganze Saal brach in einen Beifallssturm aus.

Etwas dem Zischen einer Viper Aehnliches schlängelte sich mitten durch diesen Beifallssturm und löschte ihn plötzlich aus.

Das war ein St! das von den dünnen Lippen von Robespierre kam.

Dumouriez gestand mehr als einmal seitdem, nie habe ihn das Pfeifen der Kanonenkugeln, welche auf einen Fuß über seinem Kopfe hingeflogen, schauern gemacht, wie das Zischen dieses von den Lippen des Exdeputirten von Arras kommenden St!

Dumouriez war aber ein gewaltiger Kämpe, General und Redner zugleich, schwer auf dem Schlachtfelde wie auf der Tribnne aus dem Sattel zu heben.

Er wartete, bis die eisige Stille völlig wiederhergestellt war, und sprach dann mit vibrirender Stimme:

»Brüder und Freunde, alle Augenblicke meines Lebens sollen fortan Dem geweiht sein, daß ich den Willen des Volkes thue und das Vertrauen des constitutionellen Königs rechtfertige; ich werde in meine Unterhandlungen mit dem Auslande alle Kräfte eines freien Volkes legen, und diese Unterhandlungen werden entweder einen dauerhaften Frieden oder einen entscheidenden Krieg herbeiführen!«

Hier brach trotz des St! von Robespierre der Beifall aufs Neue los.

»Haben wir diesen Krieg, »fuhr der Redner fort, »so werde ich meine politische Feder zerbrechen und meinen Rang im Heere einnehmen, um zu siegen oder frei mit meinen Brüdern zu sterben! Eine große Bürde lastet auf meinen Schultern: Brüder, helft mir sie tragen; ich bedarf der Rathschläge: laßt mir sie durch Eure Journale zukommen; sagt mir die Wahrheit, die reinste Wahrheit, stoßt aber die Verleumdung zurück und nicht einen Bürger, den Ihr als aufrichtig und unerschrocken kennt, und der sich der Sache der Revolution weiht.«

Dumouriez hatte geendigt. Er stieg unter Beifallklatschen herab: dieses Beifallklatschen ärgerte Collot-d’Herbois, den so oft ausgezischten, so selten beklatschten Schauspieler.

»Warum dieses Beifallklatschen?« rief er von seinem Platze aus.

»Kommt Dumouriez als Minister hierher, so ist ihm nichts zu antworten; kommt er als Mitglied und als Bruder, so thut er nur seine Pflicht und stellt sich auf das Niveau seiner Meinungen; wir haben ihm also nur eine Antwort zu geben: er handle, wie er gesprochen hat!«

Dumouriez machte mit der Hand ein Zeichen, welches besagen wollte: »So habe ich es verstanden!«

Da erhob sich Robespierre mit seinem strengen Lächeln; man begriff, daß er nach der Tribüne gehen wollte, und trat auf die Seite, daß er sprechen wollte, und schwieg.

Nur war dieses Stillschweigen im Vergleiche mit dem, welches Dumouriez empfangen hatte, sanft und sammetartig.

Er bestieg die Tribüne und sprach mit seiner gewöhnlichen Feierlichkeit:

»Ich gehöre nicht zu denjenigen, welche es für durchaus unmöglich halten, daß ein Minister Patriot ist, und ich nehme sogar mit Vergnügen die Vorzeichen an, die uns Herr Dumouriez gibt. Wird er diese Vorzeichen erfüllt, wird er die gegen uns durch seine Vorgänger und die Verschworenen, die noch heute die Regierung leiten, trotz der Austreibung einiger Minister, bewaffneten Feinde gebändigt haben, dann werde ich erst geneigt sein, ihm Lobspenden zuzuerkennen; aber selbst dann werde ich nicht denken, jeder gute Bürger dieser Gesellschaft sei nicht seines Gleichen: das Volk allein ist groß, ist allein verehrungswürdig in meinen Augen; die Klappern der ministeriellen Macht verschwinden vor ihm. Aus Achtung vor dem Volke, vor dem Minister selbst, verlange ich, daß man seinen Eintritt hier nicht durch Huldigungen bezeichne, welche vom Verfalle des öffentlichen Geistes zeugen würden. Er fordert von uns Rathschläge: ich verspreche für meinen Theil, ihm Rathschläge zu geben, welche ihm und der öffentlichen Sache nützlich sein werden. So lange Herr Dumouriez durch augenscheinliche Proben von Patriotismus und besonders durch dem Vaterlande geleistete wirkliche Dienste beweisen wird, daß er der Bruder der guten Bürger und der Vertheidiger des Volkes ist, wird er hier nur Stützen haben; ich fürchte nicht für diese Gesellschaft die Gegenwart eines Ministers, doch ich erkläre, daß ich in dem Augenblick, wo ein Minister hier mehr Gewicht hätte, als ein Bürger, seine Vertreibung verlangen würde. Es wird nie so sein!«

 

Und unter allgemeinem Beifallklatschen stieg der herbe Redner von der Tribüne; doch eine Falle harrte seiner auf der ersten Stufe.

Begeisterung heuchelnd, war Dumouriez mit offenen Armen da.

»Tugendhafter Robespierre!« rief er, »unbestechlicher Bürger, erlaube, daß ich Dich umarme.«

Und trotz der Gegenanstrengungen des Exdeputirten von Arras drückte er diesen an sein Herz.

Man sah nur den Act, der in Erfüllung ging, und nicht den Widerwillen, mit dem ihn Robespierre in Erfüllung gehen ließ.

Der ganze Saal brach aufs Neue in einen Beifallssturm aus.

»Komm,« sagte leise Dumouriez zu Brissot, »die Komödie ist gespielt! Ich habe die rothe Mütze aufgesetzt und Robespierre umarmt: ich bin für heilig und unverletzlich erklärt.«

Und er erreichte wirklich unter den Hurrahs des Saales und der Tribünen die Thüre.

An der Thüre wechselte ein junger Mann, bekleidet mit der Würde eines Huissier, mit dem Minister einen raschen Blick und einen noch rascheren Händedruck.

Dieser junge Mann war der Herzog von Chartres.

Es hatte elf Uhr Abends geschlagen. Brissot führte Dumouriez. Beide begaben sich mit hastigem Schritte zu der Roland.

Die Roland wohnten immer noch in der Rue Guénégaud.

Sie waren am Tage vorher von Brissot davon unterrichtet worden, daß Dumouriez, auf die Eingebung von Gensonné und ihm, Brissot, dem König Roland zum Minister des Innern vorschlagen sollte.

Brissot hatte sodann Roland gefragt, ob er sich stark genug für eine solche Bürde fühle, und Roland hatte, einfach diesmal wie immer, geantwortet, er glaube es.

Dumouriez kam, um ihm zu eröffnen, die Sache sei gemacht.

Roland und Dumouriez kannten sich nur dem Namen nach; sie hatten sich noch nie gesehen.

Man begreift die Neugierde, mit der sich die zukünftigen Collegen betrachteten.

Nach den üblichen Complimenten, wobei Dumouriez Roland seine besondere Freude darüber aussprach, daß er zur Regierung einen erleuchteten und tugendhaften Patrioten wie ihn berufen sehe, fiel das Gespräch natürlich auf den König.

»Von dort wird das Hinderniß kommen,« sagte Roland mit einem Lächeln.

»Nun wohl, hierbei werden Sie an mir eine Naivetät erkennen, mit der man mich sicherlich nicht beehrt: ich halte den König für einen redlichen Mann und für einen aufrichtigen Patrioten.«

Als er sodann sah, daß Madame Roland nicht antwortete und sich nur auf ein Lächeln beschränkte, fragte Dumouriez:

»Das ist nicht die Ansicht von Madame Roland?«

»Sie haben den König gesehen?« sagte sie.

»Ja.«

»Haben Sie die Königin gesehen?«

Dumouriez antwortete seinerseits auch nicht und beschränkte sich ebenfalls auf ein Lächeln.

Man verabredete, am andern Tage um elf Uhr Morgens zusammenzukommen, um den Eid zu leisten.

Wenn man die Assemblée verließe, sollte man sich zum König begeben.

Es schlug halb zwölf Uhr; Dumouriez wäre wohl geblieben, doch es war zu spät für kleine Leute wie die Roland.

Warum wäre Dumouriez geblieben?

Ah! das ist es.

Bei dem raschen Blicke, den eintretend Dumouriez auf die Frau und den Mann geworfen, hatte er sogleich das Alter des Mannes, – Roland war zehn Jahre älter als Dumouriez, und Dumouriez schien zwanzig Jahre weniger als Roland zu zählen, – und den Reichthum der Formen der Frau bemerkt. Madame Roland, wie gesagt, die Tochter eines Graveur, hatte von ihren Kinderjahren an in der Werkstätte ihres Vaters und, Frau geworden, im Cabinet ihres Mannes gearbeitet; die Arbeit, dieser harte Beschützer, hatte die Jungfrau geschützt, wie er die Gattin schützen sollte.

Dumouriez gehörte zu jener Race von Männern, welche einen alten Ehemann nicht sehen können, ohne zu lachen, und eine junge Frau nicht, ohne nach ihr zu begehren.

Er mißfiel auch zugleich der Frau und dem Manne.

Darum bemerkten Beide Brissot und dem General, es sei spät.

Bristol und Dumouriez entfernten sich.

»Nun,« fragte Roland, als die Thüre wieder geschlossen war, »was denkst Du von unserem zukünftigen Collegen?«

Madame Roland lächelte.

»Es gibt Menschen,« sagte sie, »die man nicht zweimal zu sehen braucht, um sich eine Meinung über sie zu machen. Das ist ein verschmitzter Kopf, ein geschmeidiger Charakter, ein falscher Blick; er hat eine große Freude über die patriotische Wahl, die er Dir zu verkündigen beauftragt sei, ausgedrückt; es würde mich nicht wundern, wenn er dahin wirkte, daß man Dir früher oder später den Abschied gäbe.«

»Das ist Punkt für Punkt meine Ansicht,« sprach Roland.

Und Beide legten sich mit ihrer gewöhnlichen Ruhe zu Bette, ohne daß der Eine oder die Andere vermuthete, die eiserne Hand des Geschickes habe ihre zwei Namen mit Blutbuchstaben auf die Tabletten der Revolution geschrieben.

Am andern Morgen leistete der neue Minister der Nationalversammlung den Eid, dann begab er sich in die Tuilerien.

Roland hatte Schuhe mit Schnüren an, ohne Zweifel, weil er kein Geld besaß, um Schnallen zu kaufen; er trug einen runden Hut, da er nie einen andern getragen.

Er begab sich in seiner gewöhnlichen Tracht nach den Tuilerien; er war der Letzte in der Reihe seiner Collegen.

Der Ceremonienmeister, Herr von Brézé, ließ die fünf Ersten vorbeigehen, hielt aber Roland an.

Roland wußte nicht, warum man ihm den Eintritt verweigerte.

»Ich auch,« sagte er, »ich bin Minister wie die Andern; Minister des Innern sogar!«

Der Ceremonienmeister schien ganz und gar nicht überzeugt.

Dumouriez hörte den Streit und trat dazwischen.

»Warum verweigern Sie Herrn Roland den Eintritt?« fragte er.

»Ei! mein Herr,« rief der Ceremonienmeister, die Hände ringend, »ein runder Hut! und keine Schnallen!«

»Ah! mein Herr,« erwiederte Dumouriez mit der größten Kaltblütigkeit, »ein runder Hut und keine Schnallen; Alles ist verloren!«

Und er schob Roland in das Cabinet des Königs.