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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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CLXXX
Die Legende vom Märtyrer-König

Der Tag des 26. kam und fand den König zu Allem vorbereitet, selbst zum Tode.

Er hatte sein Testament am Abend vorher gemacht; er befürchtete, man weiß nicht warum, am andern Tage, nach dem Convente gehend, ermordet zu werden.

Die Königin war davon unterrichtet, daß sich der König zum zweiten Male in den Nationalconvent begab. Die Truppenbewegung, der Lärm der Trommeln hätten sie übermäßig erschrecken können, hätte Cléry nicht Mittel gefunden, sie mit der Ursache bekannt zu machen.

Morgens um zehn Uhr ging Ludwig XVI. unter der Bewachung von Chambon und Santerre ab.

Im Convente angekommen, mußte er eine Stunde warten; das Volk rächte sich dafür, daß es fünf Jahrhunderte im Louvre, in den Tuilerien und in Versailles antichambrirt hatte.

Es hatte eine Discussion stattgefunden, der der König nicht anwohnen konnte; ein von ihm am 12. Cléry übergebener Schlüssel war in den Händen von diesem ergriffen worden; man war auf den Gedanken gekommen, diesen Schlüssel am eisernen Schranke zu probiren, und er hatte denselben geöffnet.

Dieser Schlüssel war dem König gezeigt worden.

»Ich erkenne ihn nicht,« hatte er geantwortet.

Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er ihn selbst geschmiedet.

Bei solchen Details fehlte es dem König ganz und gar an Größe.

Nachdem die Discussion beendigt war, zeigte der Präsident der Versammlung an, der Angeklagte und seine Vertheidiger seien bereit, vor den Schranken zu erscheinen.

Der König erschien in Begleitung von Malesherbes, Trouchet und Desèze.

»Ludwig,« sprach der Präsident, »der Convent hat beschlossen, Sie sollen heute gehört werden.«

»Mein Rechtsrath wird Ihnen meine Vertheidigung vorlesen,« antwortete der König.

Es trat eine tiefe Stille ein; die ganze Versammlung begriff, man könne wohl einige Stunden diesem König lassen, dessen Königthum man brach, diesem Menschen, dessen Leben man abschnitt.

Sodann erwartete vielleicht die Versammlung, von der einige Mitglieder das Maß eines so erhabenen Geistes gegeben hatten, eine große Discussion hervorspringen zu sehen; bereit, sich in sein blutiges Grab zu legen, schon in sein Leichentuch gehüllt, würde vielleicht das Königthum sich plötzlich erbeben, mit der Majestät der Sterbenden erscheinen, und einige von jenen Worten sagen, welche sie Geschichte einregistriert, und die die Jahrhunderte wiederholen.

Es war dem nicht so: die Rede des Advocaten Desèze blieb eine ächte Advocatenrede.

Und es war doch eine schöne Sache zum Vertheidigen, die dieses Erben von so vielen Königen, den das Verhängniß vor das Volk führte, nicht nur zu Sühnung seiner eigenen Verbrechen, sondern auch zu Sühnung der Verbrechen und Vergehen eines ganzen Geschlechtes.

Es scheint uns, wir würden bei dieser Gelegenheit, hätten wir die Ehre gehabt, Herr Desèze zu sein, nicht im Namen von Herrn Desèze gesprochen hoben.

Das Wort kam dem heiligen Ludwig und Heinrich IV. zu; es war an diesen zwei großen Geschlechtshäuptern, Ludwig XVI, von den Schwächen Ludwigs XIII. Von den Verschwendungen Ludwigs XIV., von den Ausschweifungen Ludwigs XV. rein zu waschen.

Wir wiederholen, das geschah nicht.

Desèze war Krittler, wenn er hätte hinreißend sein sollen; es handelte sich nicht darum, bündig zu sein, sondern poetisch; man mußte sich an das Herz wenden, und nicht an die Vernunft.

Vielleicht aber würde, wenn diese flache Rede beendigt wäre, Ludwig XVI. das Wort nehmen, und da er sich zu veitheidigen eingewilligt, so würde er sich als König vertheidigen, – würdig, groß, edel.

»Meine Herrn,« sprach er, »man hat Ihnen meine Vertheidigungsmittel auseinandergesetzt; ich werde sie Ihnen nicht wiederholen, indem ich vielleicht zum letzten Male zu Ihnen spreche. Ich erkläre Ihnen, daß mir mein Gewissen nichts vorwirft, und daß Ihnen meine Vertheidiger nur die Wahrheit gesagt haben.

»Ich habe nie bange davor gehabt, daß mein Benehmen öffentlich untersucht werde; doch mein Herz ist zerrissen, daß ich in der Anklageacte die Bezichtigung gefunden, ich habe das Blut des Volkes vergießen wollen, und besonders daß die Mißgeschicke des 10. Augusts mir zugeschrieben werden.

»Ich gestehe, die vielfachen Proben, die ich jeder Zeit von meiner Liebe für das Volk gegeben, und die Art, wie ich mich benommen, schienen mir als Beweis dafür, daß ich mich wenig fürchte, mich auszusetzen, um sein Blut zu sparen, dienend für immer von mir eine solche Bezichtigung fern halten zu müssen.«

Begreifen Sie den Nachfolger von sechzig Königen, den Enkel vom heiligen Ludwig, von Heinrich IV. und von Ludwig XIV., der nur dies seinen Anklägern zu antworten findet?

Doch je ungerechter die Anklage aus Ihrem Gesichtspunkte war, Sire, desto mehr mußte Sie die Entrüstung beredt machen. Sie mußten der Nachwelt etwas hinterlassen, und war es nur ein erhabener Fluch für Ihre Henker!

Der Convent fragte auch erstaunt:

»Sie haben Ihrer Vertheidigung nichts Anderes beizufügen?«

»Nein,« antwortete der König.

»Sie können sich zurückziehen.«

Ludwig zog sich zurück.

Er wurde in einen der anstoßenden Säle geführt. Hier nahm er Herrn Desèze in seine Arme und drückte ihn an sein Herz; sodann, da Herr Desèze vom Schweiße tropfnaß war, mehr noch in Folge der Gemüthsbewegung, als der Anstrengung, drang Ludwig XVI. in ihn, daß er seine Wäsche wechsle, und wärmte ihm selbst das Hemd, das der Advocat anzog.

Um fünf Uhr Abends kehrte er in den Tempel zurück.

Eine Stunde nachher traten seine Vertheidiger in dem Augenblicke bei ihm ein, wo er von Tische aufstand.

Er bot ihnen einige Erfrischungen an; nur Herr Desèze nahm es an.

Während dieser aß, sagte Ludwig XVI. zu Herrn von Malesherbes:

»Sie sehen nun, daß ich mich von Anfang an nicht getäuscht hatte, und daß meine Verurtheilung ausgesprochen war, ehe man mich gehört hatte.«

»Sire,« antwortete Herr von Malesherbes, »als ich aus der Versammlung wegging, wurde ich von einer Menge guter Bürger umringt, die mir versicherten, Sie werden nicht sterben, oder Sie werden wenigstens nach ihnen und ihren guten Freunden sterben.«

»Kennen Sie dieselben, mein Herr?« fragte lebhaft der König.

»Ich kenne sie nicht persönlich; ich würde sie aber sicherlich an ihrem Gesichte wiedererkennen.«

»Nun wohl,« erwiederte der König, »suchen Sie schleunigst Einige davon aufzufinden, und sagen Sie ihnen, ich könnte mir nie vergeben, wenn ein einziger Tropfen Blutes um meinetwillen vergossen würde! Ich wollte nicht, daß vergossen werde, als dieses Blut vielleicht meinen Thron und mein Leben erhalten hätte, – um so mehr zu dieser Stunde, da ich den einen und das andere zum Opser gebracht habe.«

Herr von Malesherbes verließ in der That den König frühzeitig, in der Absicht, dem ihm ertheilten Befehle zu gehorchen.

Es kam der 1. Januar 1793.

Im strengsten Gewahrsam gehalten, hatte Ludwig XVI, nur noch einen einzigen Diener bei sich.

Er dachte mit Betrübnis, an diese Vereinzelung an einem solchen Tage, als sich Cléry seinem Bette näherte.

»Sire,« sagte leise der Kammerdiener, »ich bitte um Erlaubniß, Ihnen meine heißesten Wünsche für das Ende Ihres Mißgeschicks ausdrücken zu dürfen.«

»Ich nehme Ihre Wünsche an,« erwiederte der König, indem er ihm die Hand reichte.

Cléry ergriff diese Hand, die man ihm reichte, küßte sie und bedeckte sie mit Thränen; dann half er seinem Herrn sich ankleiden.

In diesem Augenblicke traten die Municipale ein.

Ludwig schaute sie Einen um den Andern an, und als er Einen sah, dessen Gesicht ein wenig Mitleid verriet, näherte er sich ihm und sagte:

»Oh! mein Herr, thun Sie mir einen großen Gefallen!«

»Welchen?« fragte der Mann.

»Ich bitte, erkundigen Sie sich in meinem Auftrage nach meiner Familie, und bringen Sie ihr meine Glückwünsche zum beginnenden Jahre.«

»Ich gehe,« antwortete der Municipal sichtbar gerührt.

»Meinen Dank!« sprach Ludwig XVI. »Gott wird Ihnen hoffentlich wiedervergelten, was Sie für mich thun.«

»Aber,« sagte zu Cléry einer von den andern Municipalen, »aber warum verlangt der Gefangene nicht seine Familie zu sehen? Nun, da die Verhöre beendigt sind, würde das sicherlich keine Schwierigkeit finden.«

»An wen müßte man sich zu diesem Ende wenden?« fragte Cléry.

»An den Convent.«

Einen Augenblick nachher kam der Municipal, der bei der Königin gewesen war, zurück.

»Mein Herr,« sagte er, »Ihre Familie dankt Ihnen für Ihre Wünsche, und läßt Ihnen die Ihrigen ausdrücken.«

Der König lächelte traurig.

»Was für ein Neujahrstag!« sprach er.

Am Abend theilte ihm Cléry mit, was ihm der Municipal über die Möglichkeit, die es für den König habe, seine Familie zu sehen, gesagt hatte.

Der König überlegte einen Moment und schien zu zögern.

»Nein,« erwiederte er endlich, »in ein paar Tagen werden sie mir diesen Trost nicht verweigern: wir müssen warten.«

Die katholische Religion hat entsetzliche Kreuzigungen des Herzens, die sie ihren Auserwählten auferlegt!

Am 16. sollte das Urtheil gesprochen werden.

Herr von Malesherbes blieb am Morgen ziemlich lange beim König; gegen Mittag ging er weg und sagte, er werde wiederkommen und ihm über die Namenausrufung berichten, sobald diese beendigt sei.

Die Abstimmung sollte über drei erschrecklich einfache Fragen stattfinden:

1) Ist Ludwig schuldig?

2) Wird man vom Urtheile des Convents an das Urtheil des Volkes appelliren?

3) Was wird die Strafe sein?

Damit die Zukunft sehe, wenn man nicht ohne Haß stimme, stimme man wenigstens ohne Furcht, mußte die Abstimmung öffentlich sein.

Ein Girondist Namens Birotteau verlangte, daß Jeder die Tribüne besteige und laut sein Urtheil sage.

 

Ein Montagnard, Léonard Bourdon, ging weiter: er veranlaßte den Beschluß, daß die Abstimmungen unterzeichnet werden müssen.

Einer von der Rechten verlangte endlich, daß die Listen der Abwesenden durch Commission erwähnen, und daß die Abwesenden ohne Commission einen Tadel erhalten, und daß man ihre Namen den Departements zusende.

Da begann die große, erschreckliche Sitzung, welche zweiundsiebzig Stunden dauern sollte.

Der Saal bot einen seltsamen Anblick, der wenig mit dem, was vorgeben sollte, harmonirte.

Was vorgehen sollte, war traurig, düster: der Anblick des Saales bot keine Idee vom Drama.

Der Hintergrund war in Logen verwandelt worden, wo die schönsten Frauen von Paris, in ihrem Winterputze, mit Sammet und Pelzen bedeckt, Orangen aßen und Gefrorenes zu sich nahmen.

Die Männer gingen zu ihnen, begrüßten sie, plauderten mit ihnen, kamen an ihre Plätze zurück, wechselten Zeichen; man hätte glauben sollen, man sei in einem Schauspielhause in Italien.

Die Seite der Montagne besonders machte sich durch ihre Eleganz bemerkbar. Unter den Montagnards saßen auch die Millionäre: der Herzog von Orleans, Lepelletier de Saint-Fargeau, Herault de Sechelles, Anacharfis Clootz, der Marquis von Chateauneuf. Alle diese Herren hatten vorbehaltene Tribünen für ihre Maitressen; sie kamen mit dreifarbigen Bändern geschmückt, versehen mit besonderen Karten oder Empfehlungsbriefen an die Huissiers, welche die Rolle von Logenöffnern spielten.

Die oberen dem Volke geöffneten Tribünen wurden während der drei Tage nicht leer; man trank hier wie in den Schenkstuben, man aß wie bei den Restaurants, man peroxirte wie in den Clubbs.

Auf die erste Frage: Ist Ludwig schuldig? antworteten sechshundert dreiundachtzig Stimmen: Ja.

Auf die zweite Frage: Wird die Entscheidung des Convents der Ratification des Volkes unterworfen werden? stimmten zweihundert einundachtzig für die Appellation an das Volk; vierhundert dreiundzwanzig dagegen.

Dann kam die dritte Frage, die ernste Frage, die bedeutungsvollste Frage: Was wird die Strafe sein? Als man dahin gelangte, war es acht Uhr Abends am dritten Tage, einem traurigen, regnerischen, kalten Januartage: man war verdrießlich, ungeduldig, ermüdet: die menschliche Stärke unterlag bei den Schauspielern wie bei den Zuschauern fünfundvierzig Stunden Permanenz.

Jeder Deputirte bestieg die Tribüne und sprach eines von den vier Urtheilen: die Gefangenschaft, – die Deportation, – den Tod mit Frist und Appellation an das Volk, den Tod.

Alle Zeichen der Billigung oder Mißbilligung waren verboten worden, und dennoch, wenn die Volkstribunen etwas Anderes hörten, als: Den Tod! – murrten sie.

Einmal indessen, als man diese zwei Worte hörte, folgten darauf Murren, Zischen und Pfeifen; das war, als Philipp Egalité die Tribüne bestieg und sagte:

»Einzig und allein auf die Erfüllung meiner Pflicht bedacht, überzeugt, daß alle diejenigen, welche Eingriffe in die Souverainetät des Volkes gemacht haben oder in Zukunft machen werden, den Tod verdienen, stimme ich für den Tod.«

Mitten unter diesem entsetzlichen Acte ließ sich ein kranker Abgeordneter, Namens Duchatel, in den Convent, mit seiner Nachtmütze auf dem Kopfe und in seinen Schlafrock gehüllt, tragen. Er kam, um für die Verbannung zu stimmen; ein Votum, das angenommen wurde, weil es auf die Milde abzielte.

Vergniaud, der Präsident vom 10. August, war abermals Präsident am 19. Januar; nachdem er die Absetzung proclamirt hatte, sollte er den Tod proclamiren.

»Bürger,« sagte er, »Ihr habt einen großen Act der Gerechtigkeit geübt. Ich hoffe, die Humanität wird Euch bestimmen, ein religiöses Stillschweigen zu beobachten; hat die Gerechtigkeit gesprochen, dann muß die Humanität sich hörbar machen.«

Und er las das Resultat der Abstimmung.

Von siebenhundert einundzwanzig Votanten hatten dreihundert vierunddreißig für die Verbannung oder das Gefängniß gestimmt, und dreihundert siebenundachtzig für den Tod, die Einen ohne Frist, die Anderen mit Aufschub.

Es waren also für den Tod dreiundfünfzig Stimmen mehr als für die Verbannung.

Nur, wenn man von diesen dreiundfünfzig Stimmen die sechsundvierzig abrechnet, welche für den Tod mit Aufschub votirt hatten, blieb im Ganzen für den unmittelbaren Tod eine Majorität von sieben Stimmen.

»Bürger,« sagte Vergniaud mit dem Ausdrucke eines tiefen Schmerzes, »ich erkläre im Namen des Convents, daß die Strafe, die dieser gegen Ludwig Capet ausspricht, der Tod ist.«

Am Abend vom Samstag dem 19. wurde der Tod votirt, doch erst am Sonntag dem 20., Morgens um drei Uhr, verkündigte Vergniaud den Spruch.

Jeder Verbindung mit außen beraubt, wußte mittlerweile Ludwig XVI. daß sein Loos sich entschied, und allein, fern von seiner Frau und seinen Kindern, – welche er zu sehen sich geweigert hatte, um seine Seele abzutödten, wie ein sündhafter Mönch sein Fleisch abtödtet, – legte er mit einer vollkommenen Gleichgültigkeit, scheinbar wenigstens, sein Leben und seinen Tod in die Hände Gottes.

Am Sonntag Morgen, am 20. Januar um sechs Uhr, trat Herr von Malesherbes beim König ein. Ludwig XVI. war schon aufgestanden; er saß da den Rücken einer auf dem Kamine stehenden Lampe zugewendet, die Ellenbogen auf den Tisch gestützt, das Gesicht mit seinen beiden Händen bedeckt.

Das Geräusch, das sein Vertheidiger eintretend machte, entzog ihn seiner Träumerei.

»Nun?« fragte er, als er ihn erblickte.

Herr von Malesherbes wagte es nicht, zu antworten; doch der Gefangene konnte an der Niedergeschlagenheit in seinem Gesicht wahrnehmen, daß alles vorbei war.

»Der Tod!« sagte Ludwig; »ich war dessen sicher.«

Da öffnete er die Arme und drückte Herrn von Malesherbes, ganz in Thränen zerfließend, an seine Brust.

Und er sprach:

»Herr von Malesherbes, seit zwei Tagen bin ich damit beschäftigt, daß ich suche, ob ich im Laufe meiner Regierung von meiner Regierung von meinen Unterthanen den kleinsten Vorwurf habe verdienen können; nun wohl! Ich schwöre Ihnen, in der vollen Aufrichtigkeit meines Herzens, als ein Mensch, der vor Gott erscheinen soll, daß ich immer das Wohl meines Volkes gewollt und nicht einen Wunsch gethan habe, der denselben entgegen gewesen wäre.«

Alles ging in Gegenwart von Cléry vor, der heiße Thränen weinte; der König hatte Mitleid mit diesem Schmerze: er führte Herren Malesherbes in sein Cabinet und schloß sich hier eine Stunde mit ihm ein; dann trat er heraus, umarmte seinen Vertheidiger noch einmal und bat ihn dringend, am Abend wiederzukommen.

»Dieser gute Greis hat mich tief gerührt,« sagte er zu Cléry, als er in sein Zimmer zurückkam. »doch Sie, was haben Sie?«

Diese Frage war motiviert durch allgemeines zittern, das sich des Kammerdiener bemächtigt hatte, seit Herr von Malesherbes, den er im Vorzimmer empfangen, ihm gesagt, der König sei zum Tode verurtheilt.

Da setzte Cléry, der so gut als möglich den Zustand, in dem er sich befand, verbergen wollte, alles in Bereitschaft, was der König brauchte, um sich zu rasieren.

Ludwig XVI. Rieb sich selbst mit Seife ein, und Cléry stand, das Becken in beiden Händen hallend, vor ihm.

Plötzlich zog eins große Blässe über die Wangen des Königs; seine Lippen und seine Ohren wurden weiß, Cléry, befürchtend, der König befinde sich übel, stellte das Becken auf einen Tisch und schickte sich an, ihn zu unterstützen; doch der König nahm seine beiden Hände und sagte:

»Auf und Muth!«

Und er rasirte sich mit Ruhe.

Gegen zwei Uhr kam, der Vollziehungsrath, um dem König das Urtheil zu eröffnen.

An der Spitze waren Garat, Justizminister, Lebrun, Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Grouvelle, Secretär des Rathes, der Präsident und der Generalprocurator Syndicus der Commune, der Präsident und der öffentliche Ankläger des Criminalgerichts.

Santerre schritt Allen voran.

»Melden Sie den Vollziehungsrath!« sagte er zu Cléry.

Cléry schickte sich an, zu gehorchen; doch der König, der einen großen Lärm gehört hatte, ersparte ihm die Mühe! die Thüre öffnete sich, und er erschien im Corridor.

Mit dem Hute auf dem Kopfe, führte Garat sodann das Wort und sprach:

»Ludwig, der Nationalconvent hat den provisorischen Vollziehungsrath beauftragt, Ihnen die Beschlüsse vom 15., 16., 17., 18., 19. und 20. Januar zu eröffnen; der Secretär des Rathes wird Ihnen dieselben vorlesen.«

Worauf Grouvelle das Papier entfaltete und mit zitternder Stimme las:

Art. 1

»Der Nationalconvent erklärt Ludwig Capet, den letzten König der Franzosen, für schuldig der Verschwörung gegen die Freiheit der Nation und des Attentats gegen die allgemeine Sicherheit des Staates.

Art 2

»Der Nationalconvent beschließt, daß Ludwig Capet die Todesstrafe erleiden soll.

Art. 3

»Der Nationalconvent erklärt für nichtig die von Ludwig Capet durch seine Räthe vor die Schranke gebrachte und als Appellation an die Nation von dem gegen ihn durch den Nationalconvent gefällten Urtheile qualificirte Acte.

Art. 4

»Der Vollziehungsrath wird gegenwärtigen Beschluß am Tage Ludwig Capet kund thun, die nothwendigen Polizei- und Sicherheitsmaßregeln nehmen, um die Vollstreckung innerhalb vierundzwanzig Stunden von der Notification an zu sichern, und über Alles dem Nationalconvente unmittelbar nach der Vollstreckung Bericht erstatten.«

Während dieser Lesung blieb das Gesicht des Königs vollkommen ruhig; nur bezeichnete seine Physiognomie zwei vollkommen verschiedene Gefühle; bei den Worten schuldig der Verschwörung, zog ein Lächeln der Verachtung über seine Lippen, und bei denen: soll die Todesstrafe erleiden, erhob sich ein Blick, der den Verurtheilten mit Gott in Verbindung zu setzen dachten, zum Himmel.

Als die Lesung beendigt war, machte der König, einen Schritt gegen Grouvelle, nahm das Decret aus seinen Händen, faltete es zusammen, legte es in sein Portefeuille, zog ein anderes Papier heraus, reichte es dem Minister Garat und sagte:

»Herr Justizminister, ich bitte Sie, auf der Stelle diesen Brief dem Nationalconvente zu übergeben.«

Und da der Minister zu zögern schien, fügte der König bei:

»Ich will Ihnen denselben vorlesen.«

Und er las folgenden Brief mit einer Stimme, welche sehr mit der von Grouvelle contrastirte:

»Ich verlange einen Aufschub von drei Tagen, um mich vorzubereiten, vor Gott zu erscheinen; ich verlange hierfür die Ermächtigung, frei die Person zu sehen, die ich den Commissären der Commune bezeichnen werde, und diese Person sei geschützt vor jeder Furcht und jeder Besorgniß bei dem Liebeswerke, das sie bei mir vollbringen wird.

»Ich verlange, von der beständigen Beaufsichtigung befreit zu werden, die der Generalrath seit einigen Tagen festgesetzt hat.

»Ich verlange, in diesem Zwischenraume meine Familie, wann ich es begehren werde und ohne Zeugen, sehen zu dürfen! ich wünschte wohl, daß der Nationalconvent ohne, Verzug sich mit dem Loose meiner Familie beschäftigte, und ihr erlaubte, sich frei zurückzuziehen, wohin zu gehen sie es für schicklich erachten wird.

»Ich empfehle der Wohlthätigkeit der Nation alle Personen, die mir angehörten; es sind Viele darunter, die ihr ganzes Vermögen für ihre Stelle aufgewendet haben und, da sie keinen Gehalt mehr beziehen, in der Noth sein müssen; unter den Pensionären waren viele Kreise, Weiber und Kinder, welche, um zu leben, nur dies hatten.

»Geschehen im Thurme des Tempels, am 20. Januar 1793.

Ludwig.«

Garat nahm den Brief.

»Mein Herr,« sagte er, »dieser Brief wird sogleich dem Convente übergeben werden.«

Da öffnete der König aufs Neue sein Portefeuille, zog ein Blättchen Papier heraus und sprach:

»Bewilligt mir der Convent meine Bitte in Betreff der Person, die ich zu haben wünschte, so ist hier ihre Adresse.«

Auf dem Papier stand wirklich folgende Adresse, ganz von der Handschrift von Madame Elisabeth:

»Herr Edgeworth von Firmont, Nr. 483, Rue du Bac.«

Sodann, da er weder mehr etwas zu sagen, noch etwas zu hören hatte, machte der König einen Schrill rückwärts, wie zur Zeit, wo er Audienz gebend durch diese Bewegung bezeichnete, die Audienz sei beendigt.

Die Minister und diejenigen, welche sie begleiteten, gingen ab.

»Cléry,« sprach der König zu seinem Kammerdiener, der, da er fühlte, daß seine Beine ihm den Dienst versagten, sich an die Wand angelehnt hatte, »Cléry, verlangen Sie mein Mittagessen.«

Cléry ging ins Speisezimmer, um dem Befehle des Königs zu gehorchen; er fand hier zwei Municipale: sie lasen ihm einen Beschluß vor, durch welchen es dem König verboten war, Messer und Gabeln zu gebrauchen, »Nur ein Messer sollte Cléry anvertraut werden, um das Brod und das Fleisch seines Herrn in Gegenwart von zwei Commissären zu schneiden.

 

Der Beschluß wurde dem König wiederholt, da es Cléry nicht hatte übernehmen wollen, ihm zu sagen, diese Maßregel sei getroffen worden.

Der König brach sein Brod mit seinen Fingern und schnitt sein Fleisch mit seinem Löffel; gegen seine Gewohnheit aß er wenig: das Mahl währte nur ein paar Minuten.

Um sechs Uhr meldete man den Justizminister.

Der König stand auf, um ihn zu empfangen.

»Mein Herr,« sagte Garat, »ich habe Ihren Brief dem Convente überbracht, und er hat mich beauftragt, Ihnen folgende Antwort zu eröffnen:

»Es steht Ludwig frei, den Geistlichen des Cultus, der ihm genehm sein wird, zu berufen, und seine Familie frei und ohne Zeugen zu sehen.

»Immer groß und immer gerecht, wird sich die Nation mit dem Loose seiner Familie beschäftigen.

»Es werden den Gläubigern seines Hauses gerechte Entschädigungen bewilligt werden.

In Betreff des Aufschubs ist der Nationalconvent zur Tagesordnung übergegangen.«

Der König machte eine Bewegung mit dem Kopfe, und der Minister entfernte sich.

»Bürger Minister,« fragten Garat die Municipale vom Dienste, »wie wird Ludwig seine Familie sehen dürfen?«

»Oh! allein,« antwortete Garat.

»Unmöglich! Nach einen, Beschlusse der Commune dürfen wir ihn weder bei Tage, noch bei Nacht, aus dem Gesichte verlieren.«

Die Sache hatte wirklich ihre Schwierigkeiten; man brachte aber Alles dadurch in Einklang, daß man beschloß, der König sollte seine Familie im Speisezimmer empfangen, so daß man ihn durch das Fensterwerk der Scheidewand sähe, während man zugleich die Thüre schlösse, damit er nicht gehört würde.

Mittlerweile sagte der König zu Cléry:

»Sehen Sie, ob der Justizminister noch da ist, und rufen Sie ihn zurück.«

Nach einem Augenblicke kam der Minister wieder.

»Mein Herr,« sagte zu ihm der König, »ich habe vergessen, Sie zu fragen, ob man Herrn Edgeworth von Firmont zu Hause gefunden hat, und wann ich ihn sehen könnte.«

»Ich habe ihn in meinem Wagen mitgebracht,« erwiederte Garat; »er ist im Rathssaale und wird heraufkommen.«

In der That, in dem Augenblicke, wo der Justizminister diese Worte sprach, erschien Herr Edgeworth von Firmont im Thürrahmen.