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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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»Mein Herr,« erwiederte dieser Mensch, der Mennier hieß, »ich komme hierher, um das, was Sie thun, zu überwachen, und nicht, damit Sie sich um das bekümmern, was ich thue.«

Hiernach drückte er seinen Hut in den Kopf näherte sich dem König und fügte bei:

»Niemand, und Sie weniger als irgend Jemand, hat das Recht, sich darein zu mischen.«

Einmal wagte es die Königin auch, ein Wort an einen Municipal zu richten.

»Welches Quartier bewohnen Sie?« fragte sie einen von den Männern, die bei ihrem Mittagsmahle anwesend waren.

»Das Vaterland!« antwortete dieser stolz.

»Mir scheint, das Vaterland ist Frankreich?« entgegnete die Königin.

»Außer dem von dem Feinde, den Sie dahin gerufen, besetzten Theile.«

Einige von den Commissären sprachen nie mit dem König, der Königin, den Prinzessinnen, ohne ein obszönes Epitheton oder einen groben Fluch beizufügen.

Eines Tages sagte ein Municipal, Namens Turlot zu Cléry laut genug, daß der König nicht ein Wort von dieser Drohung verlor:

»Würde der Henker diese verfluchte Familie nicht guillotiniren, so würde ich sie selbst guillotiniren!«

Wenn sie sich auf die Promenade begaben, mußten der König und die königliche Familie an einer großen Anzahl Schildwachen vorübergehen, von denen mehrere sogar in das Innere des Thurmes gestellt waren. Gingen die Legionschefs und die Municipale vorbei, so präsentierten die Schildwachen das Gewehr, kam aber der König vorüber, so setzten sie das Gewehr bei Fuß oder drehte ihm den Rücken zu.

Dasselbe war der Fall bei den Wachen vom äußeren Dienste, welche unter dem Thurme standen; passierte der König, so bedeckten und setzten sie sich; kaum waren aber die Gefangenen vorüber, so standen sie auf und entblößten sich.

Die Beschimpfer gingen weiter: nicht damit zufrieden, daß sie das Gewehr vor den Municipalbeamten und den Officieren präsentierten und es vor dem König nicht präsentierten, schrieb eine Schildwache an die innere Seite der Thüre des Gefängnisses:

»Die Guillotine ist permanent und erwartet den Tyrannen Ludwig XVI.«

Das war eine neue Erfindung, welche großen Succeß erhielt, die Schildwache fand auch Nachahmer bald waren alle Wände des Tempels, und besonders die der Treppe, welche die königliche Familie auf und abstieg, bedeckt mit Inschriften in der Art von folgenden:

»Madame Veto wird daran müssen!«

»Wir werden das dicke Schwein auf Diät zu setzen wissen!«

»Nieder mit dem rohen Bande! man muß die kleinen Wölfe erwürgen!«

Andere Inschriften sowie eine Schrift unter einer Gravure bezeichneten eine bedrohliche Absicht.

Eine von diesen Zeichnungen stellte einen Mann unter einem Galgen vor; darunter waren die geschrieben:

Ludwig ein Luftbad nehmend.«

Doch die zwei grimmigsten Quäler waren zwei Mitbewohner des Tempels: der Eine der Schuster Simon, der Andere der Sapeur Rocher.

Simon cumulirte: er war nicht nur Schuster sondern auch Municipal, nicht nur Municipal, sondern auch einer von den sechs Commissären, welche beauftragt waren, die Arbeiten und die Appartinentien des Tempels zu beaufsichtigen. Unter diesem dreifachen Titel verließ er den Thurn nicht.

Dieser Mensch, den seine an dem königlichen Kinde verübten Grausamkeiten berühmt gemacht haben, war die personificierte Beschimpfung: so oft er vor den Gefangenen erschien, geschah es, um ihnen einen neuen Schimpf anzuthun.

Forderte der Kammerdiener etwas im Namen des Königs, so sagte er:

»Nun, Capet verlange auf ein Mal Alles, was er braucht, ich habe nicht Lust, mir für ihn die Mühe zu machen, ein zweites Mal hinaufzusteigen.«

Rocher bildete ein Seitenstück; das war indessen kein böser Mensch; am 10. August hatte er vor der Thüre der Nationalversammlung den jungen Dauphin in seine Arme genommen, und ihn sodann auf das Bureau des Präsidenten gesetzt. Rocher wurde vom Sattler, was er war, Officier beim Heere von Sauterre, sodann Portier vom Thurme des Tempels, er trug gewöhnlich die Uniform eines Sapeur, mit langem Barte, eine schwarze Bärenmütze auf dem Kopf, einen breiten Säbel an der Seite, und um den Leib einen Gürtel, an dem ein Schlüsselbund hing.

Er war von Manuel dahin gesetzt worden, eher um über den König und die Königin zu wachen, eher um es zu verhüten, daß man ihnen Böses anthue, als um ihnen selbst Böses anzuthun; er glich einem Kinde, dem man einen Käfich mit Vögeln zu bewachen gibt, mit der Ermahnung, dafür besorgt zu sein, daß man sie nicht plage, das ihnen aber, um sich zu zerstreuen, selbst die Federn ausreißt.

Verlangte der König hinabzugehen, so war es Rocher, der vor der Thüre erschien; doch er öffnete erst, nachdem der König lange gewartet hatte, und rasselte mit einem großen Schlüsselbunde, während der König wartete; dann zog er die Riegel mit Geräusche; waren die Riegel gezogen, die Thüre geöffnet, so stieg er hastig hinab und stellte sich mit einer Pfeife im Munde an das letzte Pförtchen; hier blies er jeder Person von der königlichen, besonders den Frauen, eine Tabakswolke unter die Nase.

Diese Niederträchtigkeiten hatten zu Zeugen die Nationalgarden, welche, statt den Plackereien entgegenzutreten, häufig Stühle nahmen und sich wie Zuschauer vor ein Theater setzten.

Das ermuthigte Rocher; er ging überall umher und sagte:

»Marie Antoinette spielte die Stolze, doch ich habe sie wohl gezwungen, sich zu demüthigen! Elisabeth und die Kleine machen mir unwillkürlich einen Knicks: der Einlaß ist so nieder, daß sie sich wohl vor mir blickt müssen!«

Dann fügte er bei:

»Jeden Tag flankiere ich den Einen oder den Andern eine Wolke von meiner Pfeife an die Nase. Die Schwester fragte kürzlich unsere Commissäre: »Warum raucht der Rocher immer?« »Offenbar, weil es ihm gut fällt,« antworteten sie.

Es gibt bei allen großen Sühnungen, außer der Strafe, welche über die Missethäter verhängt wird, den Menschen, der den Verurtheilten die Hefe und die Galle trinken läßt: – für Ludwig XVI. heißt er Rocher oder Simon; für Napoleon heißt er Hudson Lowe. Doch wenn der Verurtheilte seine Strafe erlitten, wenn der Missethäter mit dem Leben geendigt hat, dann sind es die Menschen, die seine Strafe poetisiren, die einen Tod heiligen! Wäre St. Helena St. Helena ohne den Kerkermeister mit dem rothen Rocke? Wäre der Tempel der Tempel ohne seinen Sapeur und seinen Schuster? Das sind die wahren Personen der Legende; sie gehören mit Recht zu den langen, düstern Volkserzählungen.

So unglücklich aber auch die Gefangenen sein mochten, es blieb ihnen ein ungeheurer Trost: sie waren vereinigt.

Die Commune beschloß, den König von seiner Familie zu trennen.

Am 26. September, fünf Tage nach der Proclamation der Republik, erfuhr Cléry durch einen Municipalbeamten, die Wohnung, die man für den König in großen Thurme bestimme, werde bald bereit sein.

Von Schmerz durchdrungen, theilte Cléry diese traurige Nachricht seinem Herrn mit; der König sagte aber mit seinem gewöhnlichen Muthe:

»Suchen Sie zum Voraus den Tag dieser peinlichen Trennung zu erfahren, um mich davon zu unterrichten.«

Zum Unglücke erfuhr Cléry nichts, und er konnte dem König nichts mehr sagen.

Am 29., Morgens um zehn Uhr, traten sechs Municipale ins Zimmer der Königin in dem Augenblicke ein, wo die ganze Familie hier versammelt war; sie kamen, Inhaber eines Beschlusses der Commune, um den Gefangenen Papier, Tinte, Federn und Bleistifte zu nehmen. Es wurde eine Durchsuchung nicht nur in den Zimmern, sondern selbst an den Personen der Gefangenen vorgenommen.

»Braucht Ihr etwas,« sagte derjenige, welcher das Wort führte und den man Charbonnier nannte, »so wird Euer Kammerdiener hinabgehen und Eure Gesuche in ein Register einschreiben, das im Zimmer des Rathes bleiben soll.«

Weder der König, noch die Königin machten eine Bemerkung; sie durchstörten sich und gaben Alles, was sie bei sich hatten; die Prinzessinnen und die Damen folgten ihrem Beispiele.

Nun erst erfuhr Cléry durch ein paar Worte, die er bei einem Municipal erlauschte, der König werde noch an demselben Abend in den großen Thurm versetzt werden; er sagte es Madame Elisabeth, welche es dem König mittheilte.

Nichts Neues ereignete sich bis zum Abend. Bei jedem Geräusche, bei jeder Thüre, die man öffnete, zuckten die Herzen der Gefangenen, und ihre ausgestreckten Hände verbanden sich in einem angstvollen Drucke.

Der König blieb länger als gewöhnlich im Zimmer der Königin, doch er mußte sie verlassen.

Endlich öffnete sich die Thüre: die sechs Municipale, welche am Morgen gekommen waren, kehrten mit einem neuen Beschlusse der Commune zurück, den sie dem König vorlasen: es war der offizielle Befehl seiner Versetzung in den großen Thurm.

Diesmal verließ den König seine Unempfindlichkeit, Wohin sollte ihn dieser neue Schritt auf dem entsetzliche finsteren Wege führen? Es war das Geheimnißvolle, das Unbekannte, was man betrat; man betrat es auch mit Schauern und mit Thränen.

Der Abschied war lang und schmerzlich. Endlich sah sich der König genöthigt, den Municipalen zu folgen. Nie hatte die Thüre, sich hinter ihm schließend, einen grauenvollen Ton von sich zu geben geschienen.

Man hatte sich so sehr beeilt, den Gefangenen diesen neuen Schmerz aufzulegen, daß die Wohnung, in die man den König führte, noch nicht fertig war, es befanden sich nur ein Bett und zwei Stühle darin ganz frisch, gaben die Malerei und das Ankleben der Wohnung einen unerträglichen Geruch.

Der König setzte sich nieder, ohne sich zu beklagen. Cléry brachte die Nacht auf einem Stuhle bei ihm zu.

Cléry stand auf und kleidete den König nach seine Gewohnheit an; dann wollte er sich in den kleinen Thurn begeben, um den Dauphin anzukleiden: man widersetzt sich, und einer der Municipale, Namens Véron, sagt zu ihm:

»Ihr werdet keinen Verkehr mehr mit den anderen Gefangenen haben; der König wird seine Kinder mit mehr sehen.«

 

Diesmal hatte Cléry nicht den Muth, die unselig Kunde seinen Herrn mitzutheilen.

Um neun Uhr verlangte der König, der nicht von der Strenge des Beschlusses wußte, zu einer Familie geführt zu werden.

»Wir haben keinen Befehl in dieser Beziehung,« sagten die Commissäre.

Der König beharrte bei seinem Verlangen, doch sie antworteten nicht und zogen sich zurück.

Der König blieb allein mit Cléry; der König sitzend Cléry an die Wand angelehnt; Beide waren niedergeschlagen,

Eine halbe Stunde nachher traten zwei Municipale ein; ein Kellner aus einem Kaffeehause folgte ihnen und brachte dem König ein Stück Brod und eine Limonade.

»Meine Herren,« fragte der König, »könnte ich nicht mit meiner Familie zu Mittag speisen?«

»Wir werden die Befehle der Commune einholen,« antwortete Einer von ihnen.

»Aber wenn ich nicht hinabgehen kann, so kann doch mein Kammerdiener hinabgehen? Er trägt Sorge für meinen Sohn, und es gibt hoffentlich kein Hinderniß, daß er ihn zu bedienen fortfahre?«

Der König verlangte die Sache so einfach und so wenig leidenschaftlich, daß diese Menschen, ganz erstaunt, nicht wußten, was sie antworten sollten; dieser Ton, diese Manieren, dieser resignirte Schmerz waren so fern von dem, was sie erwarteten, daß sich eine Art von Blendung ihrer bemächtigte.

Sie beschränkten sich darauf, daß sie antworteten, das hänge nicht von ihnen ab, und entfernten sich.

Cléry war unbeweglich, seinen Herrn mit einer tiefen Bangigkeit betrachtend, bei der Thüre geblieben; er sah den König das Brod nehmen, das man ihm gebracht hatte, und es entzwei brechen. Der König bot ihm sodann die Hälfte davon an und sagte:

»Mein lieber Cléry, es scheint, sie haben Ihr Frühstück vergessen; nehmen Sie die Hälfte von meinem Brode; ich werde an der andern Hälfte genug haben.«

Cléry weigerte sich; als aber der König in ihn drang, nahm er es an; nur konnte er sich, während er es nahm, des Schluchzens nicht erwehren. Selbst der König weinte.

Um zehn Uhr brachte ein Municipal die Handwerksleute, welche an der Wohnung arbeiteten; da näherte sich dieser Municipal dem König mit einem gewissen Mitleiden und sprach:

»Mein Herr, ich habe dem Frühstücke Ihrer Familie angewohnt, und ich bin beauftragt, Ihnen zu sagen, daß sich Jedermann wohl befindet.«

Da fühlte der König, wie es ihm linder und leichter ums Herz wurde; das Mitleid dieses Mannes hat ihn wohl.

»Ich danke Ihnen,« erwiederte er, »und ich bitte Sie, hiergegen meiner Familie Nachricht von mir geben und ihr zu sagen, ich befinde mich auch wohl. Könnte ich nun nicht einige Bücher haben, mein Herr, die ich im Zimmer der Königin gelassen? In diesen Falle würden Sie mir das Vergnügen machen, sie mit zu schicken.«

Der Municipal war ganz hiermit einverstanden; doch er fühlte sich sehr in Verlegenheit, da er nicht lesen konnte. Endlich gestand er seine Verlegenheit Cléry und bat denselben, ihn zu begleiten, damit er selbst die Bücher erkenne, die der König zu haben, wünschte.

Cléry war überglücklich: das bot ihm ein Mittel, der Königin Nachricht von ihrem Gemahl zu bringen.

Ludwig XVI. machte ihm ein Zeichen mit den Augen; dieses Zeichen enthielt eine ganze Welt von Empfehlungen.

Cléry fand die Königin in ihrem Zimmer mit Madame Elisabeth und ihren Kindern.

Die Frauen weinten; – der kleine Dauphin hatte auch angefangen zu weinen, doch die Thränen versiegelt rasch in den Augen der Kinder.

Als sie Cléry eintreten sahen, standen die Königin, Madame Elisabeth und Madame Royal auf und befragten ihn, nicht mit der Stimme, sondern mit der Geberde.

Der kleine Dauphin lief auf ihn zu und sagte:

»Da ist mein guter Cléry!«

Leider konnte Cléry nur behutsam ein paar Worte sagen; zwei Municipale, die ihn begleitet, waren mit ihm im Zimmer.

Die Königin aber vermochte nicht mehr an sich zu halten, sie wandte sich unmittelbar an die Municipale und rief:

»Oh! meine Herren, gestatten Sie, daß wir mit dem König zusammen sein können, und wäre es nur einige Augenblicke am Tage und zur Stunde des Mahles.«

Die anderen Frauen sagten nichts, aber sie falteten die Hände.

»Meine Herren,« sprach der Dauphin, »haben Sie die Gefälligkeit, meinen Vater zu uns zurückkommen zu lassen, und ich werde zum guten Gotte für Sie beten.«

Die Municipale schauten sich an, ohne zu antworten; dieses Stillschweigen machte Schluchzen und Geschrei aus der Brust der Frauen hervorbrechen.

»Ah! bei meiner Treue mir gleichviel!« sagte derjenige, welcher mit dem König gesprochen hatte; »sie werden heute noch miteinander zu Mittag essen.«

»Aber morgen?« fragte die Königin.

»Madame,« antwortete der Municipal, »unser Verfahren ist den Beschlüssen der Commune untergeordnet. Morgen werden wir thun, was die Commune befiehlt. Ist das auch Deine Ansicht, Bürger?« fragte der Municipal seinen Collegen.

Dieser machte mit dem Kopfe ein Zeichen der Beistimmung.

Die Königin und die Prinzessinnen, welche auf dieses Zeichen mit Bangigkeit warteten, gaben einen Freudenschrei von sich. Marie Antoinette nahm ihre beiden Kinder in ihre Arme und preßte sie an ihr Herz; Madame Elisabeth erhob die Hände zum Himmel und dankte Gott. Diese Freude, die so unerwartet, daß sie ihnen Schreie und Thränen entriß, hatte fast das Ansehen eines Schmerzes.

Einer von den Municipalen konnte seine Thränen nicht zurückhalten, und Simon, der gegenwärtig war, rief:

»Ich glaube, diese Halunkenweiber wollen mich weinen machen!«

Dann wandte er sich an die Königin und sagte: »Ihr weintet nicht so, als Ihr das Volk am l0. August ermordetet!«

»Oh! mein Herr,« erwiederte die Königin, »das Volk ist über unsere Gefühle sehr getäuscht! Wenn es uns besser kennete, würde es thun wie dieser Herr: es würde über uns weinen!«

Cléry nahm die vom König verlangten Bücher und ging wieder hinauf; es drängte ihn, dem König die frohe Nachricht zu verkündigen; doch die Municipale hatten fast eben so große Eile als er; – es ist so gut, gut zu sein.«

Man servirte das Mittagsmahl beim König; die ganze Familie wurde dahin geführt: man hätte denken sollen, es sei ein Festmahl; einen Tag gewinnend, glaubte man Alles gewonnen zu haben.

Man hatte in der That Alles gewonnen, denn man hörte nichts mehr von dem Beschlusse der Commune, und fortwährend, wie vorher, sah der König seine Familie am Tage und nahm seine Mahle mit ihr ein.

CLXXVI
Wo Meister Gamain wiedererscheint

Am Morgen desselben Tages, wo diese Dinge im Tempel vorgingen, erschien ein Mann, bekleidet mit einer Carmagnole und einer rothen Mütze, gestützt auf eine Krücke, die ihm in seinem Gange Beistand leistete, im Justizministerium.

Roland war sehr zugänglich; doch so zugänglich er war, er sah sich genöthigt, – als ob er Minister einer Monarchie gewesen wäre, statt Minister einer Republik zu sein, – er sah sich genöthigt, Huissiers in seinem Vorzimmer zu haben.

Der Mann mit der Krücke, der Carmagnole und der rothen Mütze mußte also im Vorzimmer anhalten vor dem Huissier, der ihm den Weg versperrte und ihn fragte:

»Was wünschen Sie, Bürger?«

»Ich wünsche mit dem Bürger Minister zu sprechen,« antwortete der Mann mit der Carmagnole.

Seit vierzehn Tagen war der Titel Bürger und Bürgerin der Benennung Herr und Madame substituirt worden.

Die Huissier sind immer Huissiers, das heißt sehr unverschämte Personen: wir meinen hier die Huissiers der Ministerien.

Der Huissier erwiederte mit einem Protectorstone:

»Mein Freund, erfahren Sie Eines: daß man nicht nur so den Bürger Minister spricht.«

»Und wie spricht man denn den Bürger Minister, Bürger Huissier?«

»Man spricht ihn, wenn man einen Audienzbrief hat.«

»Ich glaubte, es sei so, wie Sie sagen, unter der Regierung des Tyrannen gegangen, doch unter der Republik, in einer Zeit, wo sich alle Menschen gleich sind, sei man weniger aristokratisch.«

Diese Bemerkung machte den Huissier nachdenken.

»Sehen Sie,« fuhr der Mann mit der rothen Mütze, der Carmagnole und der Krücke fort, »sehen Sie, es ist nicht belustigend, von Versailles zu kommen, um einem Minister einen Dienst zu thun, und nicht von ihm empfangen zu werden.«

»Sie kommen, um dem Bürger Roland einen Dienst zu thun?«

»Ein wenig.«

»Und welche Art von Dienst wollen Sie ihm thun?«

»Ich will ihm eine Verschwörung anzeigen.«

»Gut! wir haben Verschwörungen bis über die Ohren.«

»Ah!«

»Sie kommen deshalb von Versailles?«

»Ja.«

»Nun, Sie können nach Versailles zurückkehren.«

»Wohl, ich werde zurückkehren; doch Ihr Minister wird es bereuen, mich nicht empfangen zu haben.«

»Ei! das ist der Befehl ., . Schreiben Sie ihm und kommen Sie mit einem Audienzbriefe wieder; dann wird das von selbst gehen.«

»Ist das Ihr letztes Wort?«

»Es ist mein letztes Wort.«

»Wie es scheint, ist es schwieriger, zum Bürger Roland hineinzukommen, als es war, zu Seiner Majestät König Ludwig XVI. zu kommen!«

»Wie so?«

»Ich sage, was ich sage.«

»Nun, was sagen Sie?«

»Ich sag’, daß es eine Zeit gab, wo ich beim König eintrat, wie ich wollte.«

»Sie?«

»Und ich brauchte zu diesem Ende nur meinen Namen zu nennen.«

»Wie heißen Sie denn? König Friedrich Wilhelm oder Kaiser Franz?«

»Nein, ich bin kein Tyrann, kein Sklavenhändler, kein Aristokrat; ich bin ganz einfach Nicolas Claude Gamain, Meister über Meister, Meister über Alle.«

»Meister in was?«

»In der Schlosserei. Sie kennen Nicolas Claude Gamain, den ehemaligen Schlossermeister von Herrn Capet, nicht?«

»Ah! wie! Sie sind es Bürger, der . . .?«

»Nicolas Claude Gamain.«

»Schlosser des Exkönigs?«

»Das heißt, sein Meister in der Schlosserei, verstehen Sie wohl, Bürger?«

»Das will ich sagen.«

»Ich bin es in Fleisch und Knochen.«

Der Huissier schaute seine Kameraden an, als wollte er sie befragen; diese antworteten durch ein bejahendes Zeichen.

»Das ist etwas Anderes,« sagte der Huissier.

»Was verstehen Sie unter dem: das ist etwas Anderes

»Ich verstehe darunter, Sie haben Ihren Namen auf ein Stück Papier zu schreiben, und ich werde diesen Namen dem Bürger Minister vorlegen.«

»Schreiben? Ab! ja wohl, schreiben! das war schon nicht meine Stärke, ehe mich diese Schurken vergiftet hatten; nun aber ist es noch schlimmer! Sehen Sie, wie mich der Arsenik zugerichtet hat!« fügte Gamain bei.

Und er zeigte seine verdrehten Beine, seinen verkrümmten Rückgrath und seine wie eine Klaue zusammengezogene Hand.

»Wie! sie haben Sie so zugerichtet, mein armer Mann?«

»Sie selbst! und das ist es, was ich dem Bürger Minister anzeigen will, und noch viel Anderes. – Da man ihm seinen Proceß machen soll, diesem Schufte Capet, so wird das, was ich zu sagen habe, unter den Umständen, in denen man sich befindet, vielleicht für die Nation nicht verloren sein.«

»Nun, so setzen Sie sich und warten Sie, Bürger; ich will Ihren Namen dem Bürger Minister zukommen lassen.«

Und der Huissier schrieb auf ein Stück Papier: »Claude Nicolas Gamain, ehemaliger Schlossermeister des Königs, bittet den Bürger Minister um eine unmittelbare Audienz wegen einer wichtigen Offenbarung.«

Dann übergab er das Papier einem seiner Kameraden, dessen specieller Auftrag es war, zu melden.

Nach fünf Minuten kam der Kamerad zurück und sagte:

»Folgen Sie mir, Bürger.«

Gamain machte eine Anstrengung, die ihm einen Schmerzensschrei entriß, stand auf und folgte dem Huissier.

Der Huissier führte Gamain nicht in das Cabinet des officiellen Ministers, des Bürgers Roland, sondern in das Cabinet des wirklichen Ministers, der Bürgerin Roland.

Das war ein sehr einfaches kleines Zimmer, mit einer grünen Tapete ausgeschlagen und nur erleuchtet durch ein einziges Fenster, in dessen Vertiefung, an einem Tischchen sitzend, Madame Roland arbeitete.

Roland stand am Kamine.

Der Huissier meldete den Bürger Nicolas Claude Gamain, und der Bürger Nicolas Claude Gamain erschien an der Thüre.

Der Schlossermeister hatte nie, selbst in, der Zeit seiner bessern Gesundheit und seines höchsten Glückes, ein sehr vortheilhaftes Aeußere gehabt; doch die Krankheit, der er preisgegeben, und die nichts Anderes war, als ein Gliederfluß, hatte seine Glieder verkrümmend und sein Gesicht verzerrend, wie man leicht begreift, den Annehmlichkeiten seiner Physiognomie nichts beigefügt.

So kam es, daß, als der Huissier die Thüre wieder hinter ihm geschlossen, nie ein ehrlicher Mann, – und man muß sagen, Niemand verdiente mehr als Roland den Titel eines ehrlichen Mannes – so kam es, sagen wir, daß nie ein ehrlicher Mann mit ruhigem, heiterem Gesichte sich einem Schufte mit gemeinerem, abscheulicherem Gesichte gegenüber befunden hatte.

 

Das erste Gefühl, das den Minister ergriff, war das eines tiefen Widerwillens. Er betrachtete den Bürger Gamain vom Kopfe bis zu den Füßen, und als er sah, daß er auf seiner Krücke zitterte, da machte ein Gefühl des Mitleids für das Ungemach von seines Gleichen, – angenommen, der Bürger Gamain sei des Ministers Gleichen beizuzählen gewesen, – ein Gefühl des Mitleids machte, daß das erste Wort, welches der Minister an den Schlosser richtete, war:

»Setzen Sie sich, Bürger, Sie scheinen leidend zu sein.«

»Ich glaube wohl, daß ich leidend bin!« erwiederte Gamain, während er sich setzte; »das ist so, seitdem die Oesterreicherin mich vergiftet hat.«

Bei diesen Worten zog ein Ausdruck tiefen Ekels über das Gesicht des Ministers, und er wechselte einen Blick mit seiner Frau, welche in der Fenstervertiefung fast verborgen war.

»Und um mir diese Vergiftung anzuzeigen, sind Sie gekommen?« sagte Roland.

»Um Ihnen dies und Anderes anzuzeigen.«

»Bringen Sie den Beweis für Ihre Anzeigen?«

»Ah! was das betrifft, . . . Sie brauchen nur mit mir in die Tuilerien zu kommen, und Sie werden den Schrank sehen.«

»Welchen Schrank?«

»Den Schrank, in dem dieser Schurke seinen Schatz verbarg . . . Oh! ich hätte es vermuthen müssen, als die Oesterreicherin, nachdem die Arbeit beendigt war, mit ihrem duckmäuserischen Tone zu mir sagte: »»Gamain, Sie haben warm; trinken Sie dieses Glas Wein: es wird Ihnen wohl thun!«« Ich hätte vermuthen müssen, daß es vergiftet war!«

»Vergiftet?«

»Ja. Ich wußte doch,« sprach Gamain mit dem Ausdrucke finsteren Hasses, »ich wußte doch, daß die Menschen, welche Königen Schätze verbergen helfen, nicht lange leben.«

Roland näherte sich seiner Frau und befragte sie mit den Augen.

»Es ist etwas im Grunde von Allem dem,« sagte sie; »ich erinnere mich nun des Namens von diesem Menschen: es ist der Schlossermeister des Königs.«

»Und dieser Schrank?«

»Nun, fragen Sie ihn, wie es mit diesem Schranke sei.«

»Wie es mit diesem Schranke sei?« versetzte Gamain, der gehört hatte. »Ah! ich will es Ihnen sagen! Das ist ein eiserner Schrank mit einem ’Schlosse, das auf zwei Seiten zu öffnen ist, und in diesem Schranke verbarg der Bürger Capet sein Geld und seine Papiere.«

»Und woher kennen Sie die Existenz dieses Schrankes?«

»Dadurch, daß er mich und meinen Gesellen in Versailles holen ließ, um ihm ein Schloß in den Gang zu bringen, das er selbst gemacht hatte, und das nicht ging.«

»Dieser Schrank wird aber am 10. August geöffnet zerbrochen, geplündert worden sein.«

»Oh! da ist keine Gefahr!«

»Wie, da ist keine Gefahr?«

»Nein;., . ich fordere wohl Jeden in der Welt, wer es auch sein mag, ihn und mich ausgenommen, auf, den Schrank zu finden und besonders zu öffnen.«

»Sie sind Ihrer Sache gewiß?«

»Gewiß und sicher! Wie er gewesen ist zur Stunde, wo ich die Tuilerien verlassen habe, so ist er heute noch.«

»Und zu welcher Zeit haben Sie dem König Ludwig XVI. diesen Schrank schließen helfen?«

»Ah! ich kann das nicht genau sagen; doch es war drei oder vier Monate vor der Abreise nach Varennes.«

»Und wie hat sich das zugetragen? Entschuldigen Sie, mein Freund, die Sache scheint mir so außerordentlich, daß ich, ehe ich eine Nachforschung nach diesem Schranke unternehme, Sie über einige Einzelheiten befragen muß.«

»Oh! diese Einzelheiten sind leicht zu geben, Bürger Minister, und es wird nicht daran fehlen. Capet ließ mich in Versailles holen; meine Frau wollte nicht dulden, daß ich gehe, die arme Frau! Sie hatte eine Ahnung; sie sagte zu mir: »»Der König ist in einer schlimmen Lage; Du wirst Dich für ihn compromittiren.««

»»Ei!«« antwortete ich, »»da er mich in einer Angelegenheit, die mein Handwerk betrifft, holen läßt, und er mein Schüler ist,,so muß ich wohl gehen.«« »»Gut!«« versetzte sie, »»dahinter steckt Politik: er hat in diesem Augenblicke etwas Anderes zu thun, als Schlösser zu machen!««

»Fassen wir es kurz, mein Freund . . . Sie sind also gegen die Warnung ihrer Frau gegangen.?«

»Ja, ich hätte besser daran gethan, auf ihre Warnung zu hören: ich wäre nicht in dem Zustande, in dem ich mich befinde. Doch sie werden es mir bezahlen, die Giftmischer.«

»Sodann?«

»Ah! um auf den Schrank zurückzukommen . . . «.

»Ja, mein Freund, und suchen wir nicht hiervon abzuspringen, nicht wahr? Meine ganze Zeit gehört der Republik, und ich habe sehr wenig Zeit.«

»Da zeigte er mir ein Benardeschloß, das nicht ging! er hatte es selbst gemacht, was mir beweist, daß er mich, wenn es gegangen wäre, nicht hätte holen lassen, der Verräther!«

»Er zeigte Ihnen ein Benardeschloß, das nicht ging?« sagte der Minister, um Gamain bei der Frage festzuhalten.

»Er fragte mich: »»Warum gebt das nicht, Gamain?«« Ich sagte: »»Sire, ich muß das Schloß untersuchen.«« Er sagte: »»Das ist ganz recht.«« Da untersuchte ich das Schloß, und ich sagte: »»Wissen Sie, warum das Schloß nicht geht?«« »»Nein.«« antwortete er mir, »»da ich das frage.«« »»Nun, es geht nicht, Sire (man nannte ihn damals noch Sire, den Schurken!) es geht nicht, Sire . . . das ist ganz einfach, es geht nicht . . . «« Folgen Sie wohl meinem Raisonnement; denn da Sie nicht so stark in der Schlosserei sind, als der König, so können Sie vielleicht nicht begreifen . . . Das heißt, nein, ich erinnere mich nun: es war kein Benardeschloß, es war ein Kassenschloß.«

»Das ist mir durchaus gleichgültig,« erwiederte Roland; »ich bin wie Sie errathen haben, nicht so stark als der König in der Schlosserei, und ich kenne den Unterschied zwischen einem Benardeschlosse und einem Kassenschlosse nicht.«

»Den Unterschied . . . ich will Sie denselben mit dem Finger berühren lassen . . . «

»Unnöthig, . . Sie erklärten dem König, sagten Sie . . . «

»Warum das Schloß nicht schließe . . . Soll ich Ihnen sagen, warum es nicht schließt?«

»Wenn Sie wollen,« antwortete Roland, der zu denken anfing, es wäre das Beste, Gamain seiner Weitschweifigkeit zu überlassen!

»Nun denn, es schloß nicht, verstehen Sie? weil der Reifen des Schlüssels wohl den großen Bart anhakte, weil der große Bart wohl die Hälfte seines Kreises beschrieb, aber hier angelangt, da er nicht schräge gearbeitet war, nicht allein durchschlüpfte, das ist die Sache! Sie begreifen nun, nicht wahr? Da der Lauf des Bartes sechs Linien betrug, so mußte die Schulterung eine Linie betragen. Sie begreifen?«

»Vortrefflich!« sagte Roland, der nicht ein Wort begriff.

»»Bei meiner Treue! das ist es!«« rief der König (man gab damals diesen Titel noch dem schändlichen Tyrannen!) »»nun wohl, Gamain, mache Du, was ich nicht habe machen können, mein Meister!«« »»Oh! nicht nur Ihr Meister, sondern auch Meister über Meister, Meister über Alle!««

»So daß?«

»So daß ich zur Arbeit schritt, während Herr Capet mit meinem Gesellen plauderte, den ich immer im Verdachte hatte, er sei ein verkleideter Aristokrat gewesen; nach zehn Minuten war das fertig. Da ging ich mit der eisernen Thüre, an der das Schloß angebracht war, hinab und sagte: »»Da ist es, Sire!«« »»Nun wohl, Gamain,«« sagte er, »»komm mit mir.«« Er ging voraus, ich folgte ihm: er führte mich zuerst in sein Schlafzimmer, sodann in einen dunklen Gang, durch den sein Alcoven mit dem Zimmer des Dauphin in Verbindung stand. Hier war es so finster, daß man eine Kerze anzünden mußte. Der König sagte zu mir: »»Halte diese Kerze, Gamain, und leuchte mir!«« (Er erlaubte sich, mich zu duzen, der Tyrann!) Dann hob er eine Füllung vom Tafelwerk auf, hinter der sich ein rundes Loch von zwei Fuß im Durchmesser an seiner Oeffnung fand; als er mein Erstaunen wahrnahm, sagte er: »»Ich habe dieses Versteck gemacht, um Geld darin zu verwahren? Du siehst nun, Gamain, man muß die Öffnung mit dieser eisernen Thüre schließen.«

»»Das »wird bald geschehen sein,«« antwortete: ich: »die Angeln sind daran, sowie der Riegel.«« Ich hing die Thüre ein und brauchte nur zu schieben: sie schloß sich von selbst; dann brachte man die Füllung wieder an ihren Platz, und gute Nacht! kein Schrank, keine Thüre, kein Schloß mehr!«

»Und Sie glauben, mein Freund, dieser Schrank habe keinen andern Zweck gehabt, als den, Geldkasten zu werden, und der König habe sich all diese Mühe gegeben, nur um Geld zu verbergen?«