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Die Dame von Monsoreau

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Drittes Kapitel
Der Prinz und der Freund

Chicot hatte erwähnter Maßen vergebens den Herzog von Anjou während des Abends der Ligue in den Straßen von Paris gesucht.

Der Herzog von Guise hatte, wie man sich erinnert, den Prinzen aufgefordert, auszugehen; diese Aufforderung beunruhigte die argwöhnische Hoheit. Franz überlegte, und nach einer Überlegung übertraf Franz an Vorsicht die Schlange.

Da es indessen sein Interesse erheischte, dass er mit eigenen Augen ansah, was an diesem Abend vorging, so beschloss er, der Aufforderung zu entsprechen, fasste aber zugleich den Entschluss, nur mit gehöriger Begleitung den Fuß aus seinem Palaste zu setzen.

Wie jeder Mensch, der fürchtet, eine Lieblingswaffe zu Hilfe ruft, so suchte der Herzog seinen Degen auf, der Bussy d'Amboise war.

Die Furcht musste den Herzog bedeutend anspornen, dass er sich zu diesem Schritte entschied. Seitdem er in Beziehung auf Herrn von Monsoreau getäuscht worden war, grollte Bussy, und Franz gestand sich selbst, dass er an der Stelle von Bussy und vorausgesetzt, er hätte dessen Stelle einnehmend auch seinen Mut bekommen, mehr als Ärger gegen den Prinzen, der ihn auf eine so grausame Weise verraten, kundgegeben haben würde.

Bussy, wie alle auserwählte Naturen, fühlte übrigens viel lebhafter den Schmerz, als das Vergnügen: es kommt selten vor, dass ein in der Gefahr unerschütterlicher, dem Eisen und dem Feuer gegenüber kalter und ruhiger Mann nicht leichter als ein Feiger den Gemütsbewegungen des Verdrusses unterliegt. Diejenigen, welche die Frauen am leichtesten weinen machen, sind von den Männern am meisten zu fürchten.

Bussy schlummerte gleichsam in seinem Schmerze; er hatte Diana bei Hofe empfangen, als Gräfin von Monsoreau anerkennen, von der Königin Louise in den Rang ihrer Hofdamen aufnehmen sehen; er hatte tausend neugierige Blicke diese unvergleichliche Schönheit, die er gleichsam entdeckt und aus dem Grabe gezogen, verschlingen sehen. Er hatte einen ganzen Abend hindurch seine glühenden Blicke auf die junge Frau, die ihre bedrückten Augen nicht aufschlug, unter dem Glanz dieses Festes geheftet. Ungerecht wie jeder Mensch, der wahrhaft liebt, die Vergangenheit vergessend, und selbst in seinem Geiste alle Glücksphantome, welche diese Vergangenheit darin erzeugt, zerstörend, hatte sich Bussy nicht gefragt, wie viel Diana, ihre Augen so gesenkt haltend, leiden müsste, sie, die sich gegenüber ein durch eine mitfühlende Traurigkeit verschleiertes Antlitz mitten unter diesen gleichgültigen oder albern neugierigen Gesichtern gewahren konnte.

»Oh!« sagte Bussy zu sich selbst, als er sah, dass er vergebens auf einen Blick wartete, »die Frauen besitzen nur Gewandtheit und Kühnheit, wenn es sich darum handelt, einen Vormund, einen Gatten oder eine Mutter zu täuschen; sie sind linkisch, sie sind feig, wenn sie eine Schuld einfacher Dankbarkeit abtragen sollen; sie fürchten sich dergestalt, liebend zu erscheinen, sie setzen einen solchen übertriebenen Preis auf ihre geringste Gunstbezeigung, dass sie, um denjenigen, der nach ihnen strebt, in Verzweiflung zu bringen, ihn nicht anschauen, wenn es gerade ihre Laune ist, und würde ihm das Herz darüber brechen. Diana konnte mir ganz offenherzig sagen: Ich danke, Herr von Bussy, für das, was Ihr für mich getan habt; doch ich liebe Euch nicht. Ich wäre an dem Schlage gestorben, oder geheilt worden. Doch nein! sie zieht mich vor, sie lässt mich lieben und vergebens lieben; aber sie hat nichts dabei gewonnen, denn ich liebe sie nicht mehr, ich verachte sie.«

Und er entfernte sich aus dem königlichen Kreise, Wut im Herzen.

In diesem Augenblick war es nicht mehr das edle Antlitz, das alle Frauen mit Liebe und alle Männer mit Schrecken anschauten; es war eine matte Stirne, ein falsches Auge, ein schiefes Lächeln.

Bussy sah sich, als er wegging, in einem großen venezianischen Spiegel und fand seinen Anblick selbst unerträglich.

»Doch ich bin ein Narr,« sagte er, »warum sollte ich mich für eine Einzige, die mich verachtet, bei hundert verhasst machen, die mich lieben! Aber warum verachtet sie mich, oder vielmehr, wessen wegen verachtet sie mich?

»Etwa wegen des langen Skeletts mit dem leichenbleichen Gesichte, das, stets zehn Schritte von ihr aufgepflanzt, sie unablässig mit seinem eifersüchtigen Blicke bewacht und sich auch stellt, als sähe es mich nicht? Und wenn ich bedenke, dass ich diesen Menschen, sobald ich wollte, in einer Viertelstunde stumm und kalt, mit zehn Zoll von meinem Degen im Herzen, unter meinem Knie halten könnte; wenn ich bedenke, dass ich auf dieses weiße Kleid das Blut desjenigen, der die Blumen darauf geheftet, schleudern könnte; wenn ich bedenke, dass ich, da ich nicht geliebt werden kann, wenigstens furchtbar und gehasst wäre!

»Oh! ihren Haß, ihren Haß, eher als ihre Gleichgültigkeit.

»Ja, doch das wäre alltäglich und gemein; das würden ein Quélus oder ein Maugiron tun, wenn ein Quélus oder ein Maugiron zu lieben wüssten. Es ist besser, dem von mir so sehr bewunderten Helden des Plutarch, dem jungen Antiochus zu gleichen, der vor Liebe starb, ohne dass er ein Geständnis wagte, ohne dass eine Klage über seine Lippen kam. Ja, ich werde mich töten! Ja, ich, der ich Leib an Leib mit allen furchtbaren Männern dieses Jahrhunderts gekämpft, ich, der ich Crillon, den braven Crillon selbst entwaffnet vor mir gesehen und sein Leben in der Hand gehabt habe, ja, ich werde meinen Schmerz auslöschen, ich werde ihn in meiner Seele ersticken, wie es Hercules mit dem Riesen Antäos getan hat, ohne ihn ein einziges Mal mit dem Fuße die Erde, seine Mutter, berühren zu lassen. Nein, nichts ist mir, Bussy, unmöglich, mir, den man wie Crillon, den Tapferen nannte, und Alles, was die Helden getan haben, werde ich auch tun.«

Bei diesen Worten entfaltete er die krampfhafte Hand, mit der er seine Brust zerriss, wischte er den Schweiß von der Stirne und schritt langsam auf die Türe zu; seine Faust wollte heftig an die Tapete schlagen: er befahl sich Geduld und Sanftmut, und ging hinaus, ein Lächeln auf den Lippen, die Ruhe auf der Stirne und einen Vulkan im Herzen.

Als er auf dem Wege dem Herzog von Anjou begegnete, wandte er allerdings den Kopf ab, denn er fühlte, alle Festigkeit seines Gemüts könnte nicht so weit gehen, dass er lächeln und sogar den Prinzen grüßen würde, der ihn seinen Freund nannte und auf eine so schändliche Weise verriet.

Der Prinz sprach im Vorübergehen den Namen Bussy aus, Bussy aber wandte sich nicht um.

Bussy kehrte nach Hause zurück. Er legte seinen Degen auf den Tisch, nahm seinen Dolch aus der Schelle, häkelte selbst Wamms und Mantel auf, und setzte sich in ein großes Fauteuil, den Kopf an sein Wappenschild stützend, das die Rücklehne bildete.

Seine Leute sahen ihn in Gedanken versunken; sie glaubten, er wollte ruhen, und entfernten sich. Bussy schlief nicht, er träumte.

Auf diese Art brachte er mehrere Stunden zu, ohne zu bemerken, dass am andern Ende des Zimmers ein Mann saß, der ihn neugierig beobachtete, keine Gebärde machte, kein Wort sprach, und ohne Zweifel auf eine Gelegenheit wartete, um durch ein Wort oder durch eine Gebärde von Bussy eine Verbindung anzuknüpfen.

Endlich lief ein eisiger Schauer über die Schultern von Bussy herab und machte seine Augen schwanken; der Beobachter rührte sich nicht.

Bald klapperten die Zähne des Grafen auf einander, seine Arme wurden steif, sein schwerer Kopf glitt an der Lehne des Stuhles herab und fiel auf seine Schulter.

In diesem Augenblick stand der Mann, der ihn forschend anschaute, einen Seufzer ausstoßend auf, näherte sich ihm und sprach: »Herr Graf, Ihr habt das Fieber.«

Der Graf hob seine von der Hitze des Anfalls mit Purpur übergossene Stirne in die Höhe und erwiderte:

»Ah! Du bist es, Remy.«

»Ja, Herr Graf, ich erwartete Euch hier.«

»Hier, und warum?«

»Weil man da, wo man leidet, nicht lange bleibt.«

»Ich danke, mein Freund,« sprach Bussy, den jungen Mann bei der Hand fassend.

Remy behielt diese furchtbare Hand, welche schwächer geworden war, als die eines Kindes, in der seinigen und drückte sie voll Liebe und Ehrfurcht an sein Herz.

»Lasst hören,« sagte er, »wir müssen nun wissen, Herr Graf, ob Ihr so bleiben wollt. Soll Euch das Fieber packen und niederwerfen, so bleibt auf; wollt Ihr es bezähmen, so legt Euch zu Bette und lasst Euch irgend ein schönes Buch vorlesen, aus dem Ihr ein Beispiel nehmen und Kraft schöpfen könnt.«

Der Graf hatte nichts mehr in der Welt zu tun, als zu gehorchen; er gehorchte.

Es fanden ihn also in seinem Bette alle die Freunde, die ihn besuchten.

Während des ganzen folgenden Tages verließ Remy das Lager des Grafen nicht; er hatte das doppelte Amt eines Arztes für den Körper und eines Arztes für die Seele; er besaß erfrischende Getränke für den einen und sanfte Worte für die andere.

Doch am nächsten Tage, an dem Tage, an welchem Herr von Guise in den Louvre kam, schaute Bussy umher und Remy war nicht da.

»Er wird müde geworden sein,« dachte Bussy, »und das ist ganz natürlich! Der arme Junge muss so sehr der Luft, der Sonne, des Frühlings bedürfen; und dann erwartete ihn ohne Zweifel Gertrude; Gertrude ist nur eine Kammerfrau, doch sie liebt ihn … eine Kammerfrau, welche liebt, ist mehr wert, als eine Königin, welche Nicht liebt.«

So verging der Tag, Remy erschien nicht wieder. Gerade weil er abwesend war, sehnte sich Bussy nach ihm; er hatte furchtbare Regungen der Ungeduld gegen den armen Jungen und murmelte wiederholt:

»Oh! ich glaubte noch an Dankbarkeit und Freundschaft! Nun aber will ich an nichts mehr glauben.«

Gegen Abend, als die Straßen sich mit Menschen und Geräusch zu füllen anfingen, als der bereits verschwundene Tag die Gegenstände im Zimmer nicht mehr zu unterscheiden gestattete, hörte Bussy sehr laute und sehr zahlreiche Stimmen im Vorgemach.

 

Ein Diener lief ganz bestürzt herbei und meldete: »Monseigneur, der Herzog von Anjou.«

»Lasst ihn eintreten,« erwiderte Bussy, die Stirne faltend bei dem Gedanken, dass sich sein Gebieter um ihn bekümmerte, dieser Gebieter, den er bis auf seine Höflichkeit verachtete.

Der Herzog trat ein. Das Zimmer von Bussy war ohne Licht. Kranke Herzen lieben die Dunkelheit, denn sie bevölkern dieselbe mit Gespenstern.

»Es ist sehr düster bei Dir, Bussy,« sagte der Herzog, »das muss Dich verdrießlich machen.«

Bussy schwieg; der Widerwille schloss ihm den Mund.

»Bist Du denn ernstlich krank, dass Du mir nicht antwortest?« fuhr der Herzog fort.

»Ich bin in der Tat sehr krank, Monseigneur,« murmelte Bussy.

»Deshalb habe ich Dich seit zwei Tagen nicht bei mir gesehen?«

»Ja, Monseigneur.«

Ärgerlich über dieses lakonische Wesen, machte der Prinz ein paar Gänge durch das Zimmer, beschaute die im Schatten sich hervorhebenden Bildhauereien und befühlte die Stoffe.

»Du wohnst gut, Bussy, wie mir scheint,« sagte der Herzog.

Bussy antwortete nicht.

»Meine Herren, bleibt im Nebenzimmer,« sprach der Herzog zu seinen Edelleuten, »mein armer Bussy ist offenbar sehr krank. Warum hat man nicht Miron davon benachrichtigt? Der Arzt eines Königs ist nicht zu gut für Bussy.«

Ein Diener von Bussy schüttelte den Kopf; der Herzog bemerkte diese Bewegung.

»Sprich, Bussy, hast Du Kummer?' fragte der Prinz in beinahe untertänigem Tone.

»Ich weiß es nicht,« antwortete der Graf.

Der Herzog näherte sich ihm, jenen Liebenden ähnlich, welche man zurückstößt, und die, je mehr man sie zurückstößt, desto geschmeidiger und gefälliger werden.

»Auf, Bussy, sprich doch mit mir!« rief er.

»Was soll ich Euch sagen, Monseigneur?«

»Du bist gegen mich aufgebracht, wie?« fügte der Herzog mit leiser Stimme bei.

»Ich, aufgebracht, worüber? Auch erzürnt man sich nicht gegen Fürsten. Wozu sollte dies nützen?«

Der Herzog schwieg.

»Doch wir verlieren die Zeit in Umschweifen,« sagte Bussy.

»Kommen wir zur Sache, Monseigneur.«

Der Herzog schaute Bussy an.

»Nicht wahr, Ihr bedürft meiner?« sprach dieser mit einer unglaublichen Härte.

»Oh! Herr von Bussy!«

»Ei! allerdings, Ihr bedürft meiner; ich wiederhole es; glaubt Ihr, ich denke, Ihr besucht mich aus Freundschaft? Nein, bei Gott, denn Ihr liebt Niemand.«

»Oh! Bussy, Du sagst mir solche Dinge!«

»Lasst uns zum Ziele kommen, sprecht, Monseigneur, was braucht Ihr? Wenn man einem Fürsten gehört und dieser Fürst sich so verstellt, dass er uns Freund nennt, nun, so müssen wir ihm für diese Verstellung Dank wissen und ihm Alles zum Opfer bringen, selbst das Leben. Sprecht.«

Der Herzog errötete, da er aber im Schatten war, so sah diese Röte Niemand.

»Ich wollte nichts von Dir, Bussy, und Du täuschest Dich, wenn Du glaubst, mein Besuch sei eigennützig gewesen,« sagte der Herzog. »Ich wünsche nur, da diesen Abend das Wetter so schön und ganz Paris wegen der Unterzeichnung der Ligue in Bewegung ist, Dich in meiner Gesellschaft zu haben, um ein wenig durch die Straßen der Stadt zu laufen.«

Bussy schaute den Herzog an und erwiderte: »Habt Ihr nicht Aurilly?«

»Einen Lautenspieler!«

»Oh! Monseigneur, Ihr gebt ihm nicht alle seine Eigenschaften; ich glaubte, er versehe noch andere Funktionen bei Euch, und außer Aurilly habt Ihr überdies noch zehn bis zwölf Edelleute, deren Degen ich an dem Tafelwerk meines Vorzimmers klirren höre.«

Der Türvorhang hob sich langsam auf.

»Wer ist da?« fragte hochmütig der Herzog, »wer tritt in ein Zimmer, in welchem ich bin, ohne sich melden zu lassen?«

»Ich, Remy,« antwortete der Haudouin majestätisch und keines Wegs verlegen eintretend.

»Wer ist Remy?« fragte der Herzog.

»Remy, Monseigneur, ist der Arzt,« antwortete der junge Mann.«

»Remy ist mehr als der Arzt, Monseigneur, es ist der Freund,« sprach Bussy.

»Ah!« machte der Herzog.

»Du hast gehört, was Monseigneur wünscht?« fragte Bussy, indem er das Bett zu verlassen sich anschickte.

»Ja, Ihr sollt ihn begleiten, doch …«

»Was doch …« versetzte der Herzog.

»Doch Ihr werdet ihn nicht begleiten, gnädiger Herr,« antwortete der Haudouin.

»Warum dies?« rief Franz.

»Weil es außen zu kalt ist, Monseigneur.«

»Zu kalt?« versetzte der Herzog, erstaunt, dass man ihm zu widerstehen wagte.

»Ja, zu kalt. Ich, der ich für die Gesundheit von Herrn von Bussy gegen seine Freunde und besonders gegen mich verantwortlich bin, verbiete ihm folglich, auszugehen.«

Bussy wollte nichtsdestoweniger aus dem Bette springen, doch die Hand von Remy begegnete der seinigen und drückte sie auf eine bezeichnende Weise.

»Es ist gut,« sagte der Herzog, »da er so große Gefahr laufen würde, wenn er ausginge, so wird er zu Hause bleiben.«

Und über die Maßen gereizt, machte Seine Hoheit zwei Schritte gegen die Türe.

Bussy rührte sich nicht.

Der Herzog wandte sich wieder gegen das Bett um und fragte:

»Es ist also entschieden, Du wagst es nicht?«

»Ihr seht, Monseigneur, der Arzt verbietet es mir.«

»Du solltest Miron rufen, Bussy, er ist ein großer Doktor.«

»Monseigneur, ich liebe einen befreundeten Arzt mehr, als einen gelehrten,« sprach Bussy.

»Dann Gott befohlen!«

»Lebt wohl, Monseigneur.«

Und der Herzog entfernte sich mit großem Geräusch.

Kaum war er weggegangen, als Remy, der ihm mit den Augen folgte, bis er das Hotel verlassen hatte, an das Bett des Kranken eilte und ihm zurief:

»Auf! gnädiger Herr, erhebt Euch, und zwar sogleich, wenn es Euch beliebt.«

»Warum aufstehen?«

»Um einen Gang mit mir zu machen, es ist zu warm in diesem Zimmer.«

»Aber Du sagtest doch so eben zu dem Herzog, es wäre zu kalt außen.«

»Seitdem er weggegangen ist, hat sich die Temperatur verändert.«

»Somit …« sprach Bussy sich neugierig erhebend.

»Somit bin ich in diesem Augenblick überzeugt, dass Euch die Luft gut tun würde.«

»Ich verstehe nicht …«

»Versteht Ihr etwas von den Tränken, die ich Euch gebe? Und dennoch verschluckt Ihr sie. Vorwärts, aufgestanden! Ein Spaziergang mit dem Herrn Herzog von Anjou war gefährlich, mit dem Arzt ist er heilsam; das sage ich Euch; habt Ihr denn kein Vertrauen mehr zu mir? dann müsst Ihr mich wegschicken.«

»Auf denn! da Du es willst.«

»Es muss sein.«

Bussy stand bleich und zitternd auf.

»Die interessante Blässe! der schöne Kranke!« rief Remy.

»Doch wohin gehen wir?«

»In ein Quartier, dessen Luft ich erst heute analysiert habe.«

»Und diese Luft?«

»Ist vortrefflich für Eure Krankheit, edler Herr.«

Bussy kleidete sich an.

»Meinen Hut und meinen Degen,« sagte er.

Er setzte den einen auf und gürtet den andern um.

Dann gingen Beide weg.

Viertes Kapitel
Etymologie der Rue de la Jussienne

Remy nahm seinen Kranken unter dem Arm, wandte sich links, wählte die Rue Coquillière und folgte ihr bis zum Wall.

»Das ist sonderbar,« sagte Bussy, »Du führst mich in die Gegend der Sümpfe, der Grange-Batelière, und behauptest, dieses Quartier sei gesund.«

»O Herr!« erwiderte Remy, »ein wenig Geduld, wir wenden uns um die Rue Pagevin, lassen die Rue Breneuse rechts, und kommen in die Rue Montmartre; Ihr werdet sehen, was für eine schöne Straße das ist.«

»Glaubst Du, ich kenne sie nicht?«

»Nun, wenn Ihr sie kennt, desto besser! ich verliere die Zeit nicht damit, dass ich Euch die Schönheiten derselben zeige, und führe Euch sogleich in ein hübsches, kleines Haus. Kommt immerhin, ich sage Euch nur dieses.«

In der Tat, nachdem er die Porte Montmartre links gelassen und ungefähr zweihundert Schritte in der Straße gemacht hatte, wandte sich Remy rechts.

»Ah! ah! Du thust es, wie es scheint, absichtlich,« rief Bussy, »wir kehren dahin zurück, wo wir hergekommen sind.«

»Dieses,« antwortete Bussy, »dieses ist die Rue de la Gypecienne oder de l'Egyptienne, wie Ihr wollt, eine Straße, die das Volk bereits Rue de la Gyssienne zu nennen anfängt, und binnen Kurzem die Rue de la Jussienne nennen wird, weil es weicher ist und der Geist der Sprache immer stärker dahin strebt, je mehr man gegen Süden vorrückt, die Vokale zu vermehren. Ihr müsst das wissen gnädigster Herr, da Ihr in Polen gewesen seid. Stehen diese Bursche nicht noch bei ihren vier Consonanten hinter einander, weshalb sie, wenn sie sprechen, aussehen, als zermalmten sie Kieselsteine und als fluchten sie während des Zermalmens.«

»Das ist ganz richtig, doch da wir, glaube ich, nicht hierher gekommen sind, um einen Cursus in der Philologie zu machen, so sprich, wohin gehen wir?«

»Seht Ihr jene kleine Kirche?« erwiderte Remy ohne etwas Anderes auf das, was Bussy sagte, zu antworten.

»Schaut doch, Herr, wie stolz sie gelegen ist, mit ihrer Fassade nach der Straße und mit ihrem Chor nach dem Garten der Gemeinde! Ich wette, Ihr habt sie bis auf diesen Tag noch nie wahrgenommen?«

»In der Tat, ich kannte sie nicht.«

Bussy war nicht der einzige vornehme Mann, der nie in die Kirche Sainte-Marie-l'Egyptienne gekommen war, eine ganz volkstümliche Kirche, welche die Gläubigen, die sie zu besuchen pflegen, auch unter dem Namen der Quoqhéron-Capelle kannten.

»Nun,« sagte Remy, »da Ihr wisst, wie diese Kirche heißt, Monseigneur, und das Äußere hinreichend betrachtet habt, so lasst uns eintreten, und Ihr werdet die Glasmalereien des Schiffes sehen: sie sind sehr merkwürdig.«

Bussy schaute den Haudouin an und gewahrte auf dem Antlitz des jungen Mannes ein so sanftes Lächeln, dass er begriff, der Doktor hätte, indem er ihn in die Kirche eintreten ließ, einen andern Zweck, als ihm Glasmalereien zu zeigen, die man jetzt nicht sehen konnte, insofern es Nacht war.

Doch es gab noch Etwas, was man sehen konnte, denn das Innere der Kirche war für den Abendgottesdienst beleuchtet; es waren dies die naiven Malereien des sechzehnten Jahrhunderts, von denen Italien bei seinem schönen Clima noch viele aufbewahrt, während bei uns die Feuchtigkeit einerseits und der Vandalismus andererseits so viel als nur immer möglich an den Wänden diese Überlieferungen aus einer vergangenen Zeit, diese Beweise eines Glaubens, der nicht mehr besteht, verwischt haben. Der Künstler hatte wirklich al fresco für Franz I. und auf Befehl dieses Königs das Leben der heiligen Maria der Ägypterin gemalt; unter der Zahl der merkwürdigsten Gegenstände dieses Lebens hatte der Künstler, ein naiver Bilderkrämer und großer Freund der Wahrheit, wenn nicht der anatomischen, doch, wenigstens der geschichtlichen, an der am meisten in die Augen fallenden Stelle der Capelle den schwierigen Moment angebracht, wo die heilige Maria, welche kein Geld hat, um den Fährmann zu bezahlen, sich selbst als Lohn für ihre Überfahrt anbietet.

Es ist billig, hier zu bemerken, dass trotz der Verehrung der Gläubigen für Maria, die bekehrte Ägypterin, viele ehrenhafte Frauen des Quartiers meinten, der Maler hätte diesen Gegenstand weglassen oder ihn wenigstens auf eine minder naive Weise behandeln können, und der Grund, den sie angaben, oder vielmehr nicht angaben, war, dass gewisse Einzelheiten der Freske zu häufig den Blick der jungen Ladendiener ablenkten, welche die Tuchhändler, ihre Herren, an Sonn- und Feiertagen in die Kirche mitbrachten.

Bussy schaute den Haudouin an, der, für eine Minute Ladendiener geworden, mit großer Aufmerksamkeit dieses Gemälde betrachtete.

»Ist es Deine Absicht,« sagte er zu ihm, »anakreontische Gedanken mit Deiner Kapelle der ägyptischen Maria in mir entstehen zu lassen? Wenn dem so ist, so täuschst Du Dich in der Gattung. Du musst Mönche und Studenten hierher führen.«

»Gott soll mich behüten: Omnis cogitatio libidinosa cerebrum inficit

»Nun?«

Hört, man kann sich doch nicht die Augen aushöhlen, wenn man hierher kommt.«

»Sprich, nicht wahr, Du hattest einen andern, da Du mich in diese Kirche führtest, als mich die Kniee der ägyptischen Maria sehen zu lassen?«

»Meiner Treue, nein.»

»So habe ich genug, laß uns gehen.«

»Geduld! der Gottesdienst geht zu Ende. Wenn wir uns jetzt entfernen, so stören wir die Gläubigen.«

Und hierbei hielt der Haudouin Bussy beim Arm zurück.

»Ah! nun entfernen sich Alle,« sprach Remy.

»Wir wollen es machen, wie die Anderen, wenn es Euch beliebt.«

Bussy wandte sich nach der Türe mit sichtbarer Gleichgültigkeit und Zerstreuung.

»Wie!« sagte der Haudouin, »Ihr wollt weggehen, ohne Weihwasser zu nehmen. Wo Teufels habt Ihr denn den Kopf?«

 

Bussy gehorchte wie ein Kind und schritt auf die Säule zu, an der der Weihkessel befestigt war.

Der Haudouin benützte diese Bewegung, um ein Zeichen des Einverständnisses einer Frau zu machen, welche auf das Zeichen des jungen Doktors ebenfalls auf die Säule zuging, nach der Bussy strebte.

In dem Augenblick, wo der Graf die Hand nach dem muschelförmigen Weihkessel ausstreckte, den zwei Ägypter von schwarzem Marmor trugen, streckte sich auch eine etwas plumpe, etwas rothe Hand, welche jedoch eine Frauenhand war, nach der seinigen aus und befeuchtete ihre Finger mit dem Reinigungswasser.

Bussy konnte nicht umhin, seine Augen von der plumpen, roten Hand nach dem Gesicht der Frau zu richten, doch in demselben Augenblick wich er plötzlich erbleichend zurück, denn er hatte in der Eigentümerin dieser Hand Gertrude, halb verborgen unter einem schwarzen, wollenen Schleier, erkannt.

Bussy blieb mit ausgestrecktem Arme, ohne dass er daran dachte, das Zeichen des Kreuzes zu machen, während Gertrude, ihn grüßend, vorbeiging und ihre hohe Gestalt unter dem Gewölbe der kleinen Kirche von der Seite zeigte.

Zwei Schritte hinter Gertrude, deren kräftige Arme Platz machten, kam eine Frau, sorgfältig in einen seidenen Mantel gehüllt, eine Frau, deren zierliche, junge Formen, deren reizender Fuß, deren zarter Wuchs Bussy denken ließen, es gebe nur einen solchen Wuchs, einen solchen Fuß, eine solche Form auf dieser Welt.

Remy hatte ihm nichts zu sagen, er schaute ihn nur an; Bussy begriff nun, warum ihn der junge Mann in die Rue Sainte-Marie-l'Egyptienne geführt und in die Kirche hatte eintreten lassen.

Bussy folgte dieser Frau, der Haudouin folgte Bussy.

Es wäre etwas Belustigendes gewesen, diese Prozession von vier Gestalten, welche sich mit gleichmäßigem Schritte folgten, hätten nicht die Traurigkeit und Blässe von Zweien derselben grausame Leiden geoffenbart.

Stets voraus marschierend, drehte sich Gertrude um die Ecke der Rue Montmartre, ging einige Schritte in dieser Straße und warf sich dann plötzlich in eine Gasse ohne Ausgang, nach der sich eine Türe öffnete.

Bussy zögerte.

»Nun, Herr Graf,« fragte Remy, »wollt Ihr, dass ich Euch auf die Fersen trete?«

Bussy ging weiter.

Gertrude, welche beständig voraus marschierte, zog einen Schlüssel aus der Tasche und ließ ihre Gebieterin eintreten, welche an ihr vorbeiging, ohne den Kopf umzudrehen.

Der Haudouin sagte zwei Worte zu der Kammerfrau, trat auf die Seite und ließ Bussy vorüber; dann trat er mit Gertrude ein, sie verschlossen die Türe wieder und die Gasse war abermals verödet.

Es mochte ungefähr halb acht Uhr Abends sein. Man hatte den Anfang des Mais erreicht. Bei der lauen Luft, welche den ersten Atem des Frühlings verkündigte, begannen sich die Blätter im Schoße ihrer gesprungenen Hüllen zu entwickeln.

Bussy schaute umher und fand sich in einem kleinen Garten von ungefähr fünfzig Fuß im Gevierte; dieser Garten war umgeben von sehr hohen Mauern, auf deren Oberfläche die Jungfernrebe und der Epheu, ihre neuen Schösslinge ausbreitend, von Zeit zu Zeit einige kleine Teilchen Kalk abspringen machten und dem Winde den scharfen, kräftigen Wohlgeruch zuwarfen, den die Frische des Abends ihren Blättern entreißt.

Lange Nelken schossen freudig aus den Spalten des alten Kirchengemäuers hervor und zeigten ihre zierlichen kupferroten Knospen.

In der Morgensonne erschlossen, erschütterte endlich der erste Flieder mit seinen süßen Ausströmungen das noch schwankende Gehirn des jungen Mannes, der sich fragte, ob so viel Wohlgeruch, Wärme und Leben ihm, der noch vor einer Stunde so allein, so schwach, so verlassen gewesen, nur einzig von der Gegenwart einer so zärtlich geliebtem Frau zukämen.

Unter einer Laube von Jasmin und Waldreben, auf einer hölzernen an die Mauer der Kirche angelehnten Bank saß Diana, die Stirne gesenkt, die Hände träge an ihren Seiten herabfallend, und man sah sie zwischen ihren Fingern eine zerknitterte Nelke entblättern, die sie zerbrach und deren Blüten sie auf dem Sande ausstreute, ohne nur zu denken, was sie tat.

In diesem Augenblick begann eine Nachtigall, in einem benachbarten Kastanienbaum verborgen, ihren langen, schwermütigen Gesangs den sie von Zeit zu Zeit mit schallenden Noten wie mit Raketen schmückte.

Bussy befand sich allein in diesem Garten mit Frau von Monsoreau, denn Remy und Gertrude hielten sich in der Entfernung; er näherte sich ihr: Diana hob das Haupt.

»Mein Herr Graf,« sprach sie mit schüchterner Stimme, »jeder Umschweif wäre unserer unwürdig; wenn Ihr mich so eben in jener Kirche fandet, so war es nicht der Zufall, der Euch dahin führte.«

»Nein, Madame, der Haudouin veranlasste mich, auszugehen, ohne mir zu sagen, in welcher Absicht, und ich schwöre Euch, dass ich nicht wusste …«

»Ihr täuscht Euch im Sinne meiner Worte, mein Herr,« erwiderte Diana traurig.

»Ja, ich weiß wohl, dass Herr Remy Euch in die Kirche geführt hat, und zwar vielleicht mit Gewalt.«

»Madame, es war nicht Gewalt … ich wusste nicht, wen ich dort sehen sollte …«

»Das ist ein hartes Wort, Herr Graf,« sprach Diana den Kopf schüttelnd und einen feuchten Blick zu Bussy aufschlagend. »Beabsichtigt Ihr, mir begreiflich zu machen, wenn Ihr das Geheimnis von Remy gekannt hättet, so würdet Ihr ihm nicht gefolgt sein?«

»Oh! Madame …«

»Das ist natürlich, das ist billig, mein Herr, Ihr habt mir einen ausgezeichneten Dienst geleistet, und ich habe Euch für Eure Güte noch nicht gedankt; verzeiht und genehmigt den ganzen Ausdruck meiner Erkenntlichkeit.«

»Madame …«

Bussy hielt inne; er war so betäubt, dass er weder Worte, noch Gedanken zu seinen Diensten hatte.

»Doch ich wollte Euch beweisen,« fuhr Diana sich belebend fort, »ich wollte Euch beweisen, dass ich weder eine undankbare Frau, noch ein Herz ohne Gedächtnis bin. Ich habe Herrn Remy gebeten, mir die Ehre einer Unterredung mit Euch zu verschaffen; ich habe diese Zusammenkunft angegeben; verzeiht, wenn ich Euch missfiel.«

Bussy legte eine Hand auf sein Herz und erwiderte: »O Madame! Ihr glaubt das nicht.«

Die Gedanken kehrten allmählich zu diesem armen, gebrochenen Herzen zurück, und es kam ihm vor, als ob der sanfte Abendwind, der ihm so süße Wohlgerüche und so zärtliche Worte brachte, zugleich eine Wolke von den Augen nähme.

»Ich weiß,« fuhr Diana fort, welche die Stärkere war, denn sie hatte sich seit langer Zeit auf diese Zusammenkunft vorbereitet, »ich weiß, wie viel Schlimmes Ihr bei Vollziehung meines Auftrages gehabt habt. Ich kenne Euer ganzes Zartgefühl. Glaubt mir, ich kenne Euch und schätze Euch. Urteilt also, was ich bei dem Gedanken leiden musste, Ihr dürftet die Gefühle meines Herzens mißkennen.«

»Madame,« sprach Bussy, »ich bin seit drei Tagen krank.«

»Ja, ich weiß es,« antwortete Diana mit einer Röthe, welche ihre ganze Teilnahme an dieser Krankheit verriet, »ich weiß es und litt mehr als Ihr, denn Herr Remy, er täuschte mich ohne Zweifel, Herr Remy ließ mich glauben …«

»Eure Vergesslichkeit veranlasse mein Leiden. Oh! das ist wahr.«

»Ich musste also tun, was ich tue, Graf,« sprach Frau von Monsoreau. »Ich sehe Euch, ich danke Euch für Eure verbindliche Fürsorge und schwöre Euch eine ewige Dankbarkeit; … glaubt nun, dass ich aus dem Grunde meines Herzens spreche.«

Bussy schüttelte traurig den Kopf und antwortete nicht.

»Zweifelt Ihr an meinen Worten?« sagte Diana.

»Madame, die Menschen, welche Freundschaft für irgend Jemand haben, bezeigen diese Freundschaft, wie sie es vermögen; Ihr wusstet mich am Abend bei der Vorstellung am Hofe im Palast; Ihr wusstet, dass ich vor Euch stand; Ihr musstet meinen ganzen Blick auf Eurer Person lasten fühlen und habt nicht ein einziges Mal die Augen aufgeschlagen; Ihr habt mir nicht durch ein Wort, nicht durch eine Gebärde, nicht durch ein Zeichen begreiflich gemacht, meine Anwesenheit wäre Euch bekannt; am Ende habe ich Unrecht, Madame: vielleicht erkanntet Ihr mich nicht, denn Ihr hattet mich nur zweimal gesehen.«

Diana antwortete mit einem Blicke so traurigen Vorwurfs, dass Bussy dadurch bis in die Tiefe des Herzens erschüttert wurde.

»Verzeiht, Madame, verzeiht,« sagte er, »Ihr seid durchaus keine Frau, wie alle anderen, und dennoch handelt Ihr wie die gewöhnlichen Frauen; diese Heirat?«