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Die beiden Dianen

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XIV.
Arnauld du Thill macht abermals seine kleinen Geschäfte

Im ersten Augenblick wütheten Plünderung und Schlächterei in der Stadt. Doch Philibert gab seine strengen Befehle, machte der Verwirrung ein Ende, und als der Admiral Coligny vor ihn geführt wurde, sagte er ihm laut seine Complimente.

»Ich vermag den Muth nicht zu bestrafen,« sprach er, »und die Stadt Saint-Quentin soll nicht härter behandelt werden, als wenn sie sich am ersten Tage, wo wir ihre Mauern zu belagern angefangen, ergeben hätte.«

Und eben so edel als der Besiegte, ließ der Sieger den Admiral die Bedingungen mit sich debattieren, die er hätte auferlegen können.

Saint-Quentin wurde natürlich zu einer spanischen Stadt erklärt; doch diejenigen, welche die fremde Herrschaft nicht annehmen wollten, könnten abziehen, wobei sie jedoch auf das Eigenthum ihrer Häuser zu verzichten hätten. Soldaten und Bürger sollten übrigens sogleich frei sein, und Philibert würde nur fünfzig Gefangene jedes Alters, jedes Geschlechts und jedes Standes nach seiner und seiner Kapitäne Wahl behalten, um Lösegeld zu bekommen und damit den rückständigen Sold der Truppen bezahlen zu können. Die Personen und die Güter der Andern sollten unversehrt bleiben, und Philibert würde bemüht sein, jeder Unordnung zu begegnen. Von Coligny, der alle seine persönlichen Mittel bei dieser Belagerung erschöpft hatte, war er so artig, kein Geld zu fordern. Dem Admiral sollte es freistehen, sich am andern Tag zu seinem Oheim, dem Connétable von Montmorency, nach Paris zu begeben; dieser hatte nach Saint-Laurent keine so uneigennützigen Sieger gefunden und war genöthigt gewesen, ein gutes Lösegeld zu liefern, das übrigens, wohl verstanden, Frankreich auf die eine oder die andere Weise bezahlen mußte. Doch Emanuel Philibert war an der Ehre gelegen, der Freund von Gaspard zu werden, und er wollte keinen Preis auf seine Freiheit setzen. Seine vornehmsten Lieutenants und die reichsten Bürger sollten die Kriegskosten decken.

Diese Entscheidungen, welche gewiß von mehr Milde zeugten, als man hätte erwarten sollen, wurden von Coligny mit Unterwerfung und von den Einwohnern mit einer Freude hingenommen, in welche sich einigermaßen Bangigkeit mischte. Auf wen sollte die furchtbare Wahl von Emanuel Philibert und den Seinigen fallen? Das würde der nächste Tag lehren, und an diesem Tag machten sich die Stolzesten sehr demüthig und die Reichsten sprachen sehr laut von ihrer Armuth.

Eben so thätig, als geistreich handelnd, brachte Arnauld du Thill die Nacht damit hin, daß er an seine Geschäfte dachte, und er fand eine Combination, welche äußerst einträglich für ihn werden konnte. Er kleidete sich so prächtig als möglich an und ging vom frühen Morgen stolz in den Straßen umher, welche schon mit Siegern aller Sprachen, mit Deutschen, Engländern, Spaniern gefüllt waren.

»Welch ein babylonischer Thurm!« sagte Arnauld zu sich selbst, als er nichts als fremde Sylben an seine Ohren klingen hörte. »Mit den paar Worten Englisch, die ich weiß, werde ich mich nie mit einem von diesen Kauderwälschen verständigen.«Die Einen sagen: »Carajo!« die Andern: »Goddam!« Die Dritten: Tausend Sapperment!« und nicht Einer . . .«

»Lunge und Leber! willst Du wohl stehen bleiben, Strauchdieb!« rief in diesem Augenblick eine gewaltige Stimme hinter Arnauld.

Arnauld wandte sich hastig gegen denjenigen um, welcher trotz eines scharfen englischen Accents doch die Feinheiten der französischen Sprache gründlich zu kennen schien.

Es war ein großer Bursche mit bleicher Gesichtsfarbe und rothen Haaren, der sehr listig als Handelsmann und sehr dumm als Mensch zu sein schien. Arnauld erkannte in ihm mit dem ersten Blick einen Engländer.

»Was steht zu Dienst?« fragte er.

»Ich mache Euch zum Gefangenen, das steht mir zu Dienst,« antwortete der Kriegsmann, der seine Sprache mit englischen Vocabeln verzierte, was Arnauld nachzuahmen suchte, um sich dem Andern verständlich zu machen.

»Warum macht Ihr eher mich, als einen Andern um Gefangenen?« versetzte er. »Warum zum Beispiel nicht eher diesen Webermeister, der hier vorübergeht?«

»Weil Ihr besser geputzt seid, als der Weber,« erwiderte der Engländer.

»Alle Wetter!« rief Arnauld, »und mit welchem Rechte verhaftet Ihr mich, wenns beliebt . . . Ihr, ein einfacher Bogenschütze, wie mir scheint?«

»Oh! ich handle nicht für meine eigene Rechnung, sondern im Namen meines Herrn, des Lord Grey, der in der That die englischen Bogenschützen befehligt, und dem der Herzog Emanuel Philibert für seinen Antheil und für seine Bemühungen drei Gefangene, zwei Adelige und einen Bürger, mit dem Lösegeld, das er daraus beziehen kann, zugeschieden hat. Mein Herr aber, der weiß, daß ich weder lahm, noch blind bin, hat mich beauftragt, auf die Jagd zu gehen und ihm drei Gefangene von Werth einzuliefern. Ihr seid das beste Wildbret, das ich noch getroffen habe, und ich nehme Euch am Kragen, mein Herr Bürger.«

»Das ist viel Ehre für einen armen Stallmeister,« erwiderte Arnauld bescheiden. »Wird mich Euer Herr gut füttern?«

»Schurke! glaubst Du, er werde Dich lange füttern?«

»Ich denke so lange, bis es ihm gefällt, mir die Freiheit zu schenken! Er wird mich sicherlich nicht Hungers sterben lassen.«

»Hm!« machte der Bogenschütze, »sollte ich wirklich einen armen abgehaarten Wolf für einen Fuchs mit prächtigem Pelz genommen haben?«

»Ich befürchte es, Herr Bogenschütze, und wenn Euch Lord Grey, Euer Gebieter, eine Commissionsgebühr bei den Fängen, die Ihr ihm macht, versprochen hat, so glaube ich, daß zwanzig bis dreißig Stockstreiche der einzige Nutzen sein werden, den Ihr von dem Meinigen zieht. Uebrigens sage ich das nicht, um Euch meine Person zu entleiben, und ich rathe Euch, den Versuch zu machen.«

»Bursche, Du kannst wohl Recht haben!« erwiderte der Engländer, indem er den boshaften Blick von Arnauld näher prüfte, »ich würde mit Dir verlieren, was mir Lord Grey versprochen hat; ein Pfund von hundert Pfund, die er durch meine Fänge gewinnt.«

»Das ist mein Mann!« dachte Arnauld. »Holla!« sprach er laut, »wenn ich Euch eine reiche Beute in die Hände schaffen würde, einen Gefangenen zum Beispiel, der zehntausend Livres werth wäre, sprecht, wäret Ihr der Mann, Euch ein wenig dankbar gegen mich zu zeigen?«

»Zehn tausend Livres!« rief der Engländer, »die Gefangenen von diesem Werth sind in der That ziemlich selten. Es würden mir hundert Livres zufallen, wahrlich ein schöner Theil!«

»Ja, doch Ihr müßtet fünfzig dem Freund geben, der Euch den Weg gezeigt hätte. Nicht wahr, das ist billig?«

»Wohlan, es sei!« sprach der Bogenschütze von Lord Grey, nachdem er eine Minute gezögert, »doch führt mich auf der Stelle zu dem Mann und nennt ihn mir.«

»Wir werden nicht weit gehen, um ihn zu finden; machen wir ein paar Schritte nach dieser Seite. Wartet, ich will mich nicht mit Euch auf dem Marktplatz zeigen; Gestattet, daß ich mich hinter dieser Ecke verberge. Ihr geht vor. Seht Ihr auf dem Balcon des Rathhauses einen Edelmanm der mit einem Bürger plaudert?«

»Ich sehe ihn,« antwortete der Engländer, »ist das mein Mann?«

»Es ist unser Mann.«

»Er heißt?«

»Vicomte d’Ermès.«

»Ah! wahrhaftig, das ist der Vicomte d’Ermès! Man hat im Lager viel von ihm gesprochen. Ist er eben so reich als tapfer?«

»Dafür stehe ich.«

»Ihr kennt ihn also genau?«

»Bei Gott! ich bin sein Stallmeister.«

»Ah! Judas!« rief unwillkürlich der Engländer.

»Nein,« erwiderte Arnauld ruhig, »denn Judas hat sich gehängt, und ich werde mich nicht hängen.«

»Man wird Euch vielleicht die Mühe ersparen!« versetzte der Engländer der zu seinen Stunden scherzhaft war.

»Doch hört, genug der Worte!« sagte Arnauld, »werdet Ihr unsern Handel halten, ja oder nein?«

»Ich halte ihn und führe Euren Herrn zu Mylord. Ihr bezeichnet mir sodann einen andern Adeligen und irgend einen reichen Bürger, wenn Ihr solche kennt.«

»Ich kenne von demselben Werthe gegen die Hälfte Eures Nutzens.«

»Topp! Lieferant des Teufels.«

»Ich bin der Eurige,« sprach Arnauld. »Ah! wenigstens nur keine Betrügereien! Unter Schelmen muß man sich verstehen. Uebrigens würde ich Euch zu treffen wissen. Bezahlt Euer Herr baar?«

»Baar und zum Voraus; Ihr kommt mit uns zu Mylord unter dem Vorwand, Euren Vicomte d’Ermès zu begleiten: ich erhebe meine Summe und gebe Euch auf der Stelle Euren Antheil. Doch Ihr seid, wie es sich versteht, sehr dankbar und helft mir meinen zweiten und dritten Fang finden, nicht wahr?«

»Wir wollen sehen, beschäftigen wir uns vor Allem mit dem ersten.«

»Das wird schnell geschehen sein!« erwiderte der Bogenschütze, »Euer Herr ist zu rauh in Kriegszeiten, um nicht im Frieden sanft zu sein . . . wir kennen das; geht zwei Minuten vor mir voraus und stellt Euch hinter ihn, Ihr werdet sehen daß man sein Handwerk versteht.«

Arnauld verließ in der That seinen würdigen Kumpan, trat in das Rathhaus, ging mit seinem zweifach doppelten Gesicht in das Zimmer, wo Gabriel mit Jean Peuquoy plauderte, und fragte ihn, ob er seiner Dienste nicht bedürfte. Er sprach noch, als der Bogenschütze mit einer gewichtigen Miene eintrat. Der Engländer ging gerade auf den Vicomte zu, der ihn erstaunt anschaute, verbeugte sich tief vor ihm, und fragte mit der Rücksicht, die jeder Handelsmann seiner Waare schuldig ist:

»Habe ich die Ehre, mit dem erlauchten Herrn Vicomte d’Ermès zu sprechen?«

»Ich bin in der That der Vicomte d’Ermès,« antwortete Gabriel immer mehr erstaunt, »was willst Du von mir?«

»Euren Degen, gnädigster Herr,« sprach der Bogenschütze, sich bis auf die Erde bückend.

»Du!« rief Gabriel, indem er mit einer unbeschreiblichen Gebärde der Verachtung zurückwich.

»Im Namen von Lord Grey, meinem Herrn, gnädigster Herr,« erwiderte der Bogenschütze, »der nicht stolz war. »Ihr seid also einer von den fünfzig Gefangenen bezeichnet, welche der Herr Admiral den Siegern übergeben muß. Grollt also mir, dem Gebrechlichen, dem Schwachen nicht, daß ich genöthigt bin, Euch diese unangenehme Nachricht zu verkündigen.«

 

»Dir grollen! nein,« versetzte Gabriel, »doch Lord Grey, ein Edelmann! hätte sich die Mühe nehmen können, meinen Degen selbst von mir zu verlangen. Ihm will ich ihn übergeben, verstehst Du?«

»Wie es dem gnädigen Herrn beliebt.«

»Ich will glauben, daß mich Dein Herr gegen Lösegeld empfängt.«

»Oh! glaubt es, glaubt es, gnädigster Herr,« erwiderte hastig der Bogenschütze.

»Ich folge Dir,« sagte Gabriel.

»Das ist ein unwürdiges Verfahren!« rief Jean Peuquoy. »Ihr habt Unrecht, daß Ihr so nachgebt, Gnädiger Herr. Widersteht, Ihr seid nicht von Saint-Quentin! Ihr seid nicht von dieser Stadt!«

»Meister Jean Peuquoy hat Recht,« sagte Arnauld du Thill voll Eifer, während er zugleich durch ein verstohlenes Zeichen dem Bogenschützen den Bürger denunzierte. »Ja, Meister Jean Peuquoy hat die gerade Wahrheit gesprochen, der gnädigste Herr ist nicht von Saint-Quentin und Meister Jean Peuquoy muß das verstehen! Meister Jean Peuquoy kennt seine ganze Stadt. Er ist seit vierzig Jahren Bürger derselben und Altmeister seiner Zunft! und Hauptmann der Schützencompagnie! Was sagt Ihr dazu, Herr Engländer?«

»Ich sage dazu,« erwiderte der Engländer, welcher begriffen hatte, »ich sage, daß ich, wenn dies der Meister Jean Peuquoy ist, Befehl habe, ihn auch zu verhaften, und daß er auf meiner Liste steht.«

»Ich!« rief der würdige Bürger.

»Ihr selbst, mein Meister,« antwortete der Bogenschütze.

Peuquoy schaute Gabriel fragend an.

»Ach! Messire Jean,« sagte der Vicomte Ermès unwillkührlich seufzend, »ich glaube, nachdem wir unsere Soldatenpflicht in der Schlacht gethan haben, ist es das Beste, wenn wir nach beendigtem Kampfe uns dem Rechte des Siegers unterziehen. Fügen wir uns, Meister Jean Peuquoy.«

»Diesem Menschen zu folgen?« fragte Peuquoy.

»Gewiß, mein würdiger Freund. Ich fühle mich noch glücklich, bei dieser Prüfung nicht von Euch getrennt zu werden.«

»Das ist richtig!« sprach Jean Peuquoy gerührt, »Ihr seid sehr gut, und da ein großer tapferer Kapitän wie Ihr sein Loos hinnimmt, darf ein unglücklicher Bürger wie ich murren? Vorwärts, Schelm,« fügte er sich an den Bogenschützen wendend bei, »ich bin Dein Gefangener oder vielmehr der Deines Herrn.«

»Und Ihr folgt mir zu Lord Grey, wo Ihr bleibt, bis Ihr ein gutes Lösegeld geliefert habt?« sagte der Bogenschütze.

»Wo ich immer bleiben werde, Teufelsbraten!« rief Jean Peuquoy. »Eher sterbe ich, als daß Dein Herr je die Farbe meiner Thaler kennen lernt; er muß mich, wenn er ein Christ ist, bis zu meinem letzten Tage füttern, und ich habe einen gesegneten Appetit, das sage ich Dir zum Voraus.«

Der Bogenschütze warf einen Blick des Schreckens auf Arnauld du Thill, doch dieser beruhigte ihn durch ein Zeichen und deutete auf Gabriel, der über das Aufbrausen seines Freundes lachte. Der Engländer verstand den Scherz und lachte ebenfalls wohlwollend.

»Nun also,« sagte er, »gnädigster Herr und Ihr, Messire, ich will Euch fort . . .«

»Ihr werdet bis zur Wohnung von Lord Grey vorangehen,« unterbrach ihn Gabriel mit stolzem Tone, »und wir treffen dann über unsere Angelegenheit eine Uebereinkunft mit Eurem Gebieter.«

»Noch dem Belieben des gnädigen Herrn,« erwiderte demüthig der Bogenschütze.

Und ihnen voranschreitend, wobei er zugleich bemüht war, etwas auf der Seite zu gehen, führte er zu Lord Grey den Edelmann und den Bürger, denen Arnauld du Thill in einiger Entfernung folgte.

Lord Grey war ein phlegmatischer und bedächtlicher, langweiliger und gelangweilter Soldat; den Krieg betrieb er als ein Handelsgeschäft, und es versetzte ihn in sehr schlechte Laune, daß er mit seiner Truppe nur mit dem Lösegeld von drei unglücklichen Gefangenen bezahlt werden sollte.

»Ah! es ist der Vicomte d’Ermès, den ich zum Gefangenen zu bekommen so glücklich bin.« sagte er, indem er Gabriel neugierig anschaute. »Ihr habt uns sehr in Verlegenheit gebracht, mein Herr, und wenn ich als Lösegeld das forderte, was König Philipp II. durch Euch verloren hat, so würde das Reich von Eurem König Heinrich wohl drauf gehen.«

»Ich habe mein Möglichstes gethan,« erwiderte Gabriel einfach.

»Euer Möglichstes ist gut, und ich wünsche Euch Glück dazu. Doch es handelt sich nicht um dieses. Das Geschick des Krieges, obgleich Ihr Wunder vollbrachtet, um es abzuwenden, hat Euch in meine Gewalt gegeben Euch und Euern tapfern Degen . . . Doch was könnt Ihr opfern, um das Recht, Euch desselben zu bedienen, wiederzuerkaufen? Ordnen wir das. Ich weiß, daß Muth und Reichthum leider nicht immer Hand in Hand gehen. Alles kann ich jedoch nicht verlieren. Scheinen Euch fünf tausend Thaler ein entsprechender Preis für Eure Freiheit?«

»Nein, Mylord.«

»Nein? Ihr findet das zu theuer?« versetzte Lord Grey. »Ah! verfluchter Krieg! armseliger Feldzug! Viertausend Thaler ist nicht zu viel, Gott soll mich verdammen!«

»Das ist nicht genug, Mylord,« erwiderte Gabriel mit kaltem Tone.

»Wie, mein Herr, was sagt Ihr?« rief der Engländer.

»Ich sage, daß Ihr Euch in meinen Worten getäuscht habt. Ihr habt mich gefragt, ob mir fünftausend Thaler ein entsprechendes Lösegeld schienen, und ich antwortete nein; denn meiner Schätzung nach bin ich das Doppelte werth, Mylord.«

»Das ist gut! ich glaube in der That, Euer König wird, diese Summe wohl geben können, um sich einen Tapfern Eurer Art zu erhalten.«

»Ich brauche hoffentlich meine Zuflucht nicht zum König zu nehmen, und mein persönliches Vermögen wird mir, wie ich glaube, erlauben, diese unvorhergesehene Ausgabe zu bestreiten und mich unmittelbar meiner Verbindlichkeit gegen Euch zu entledigen.«

»Es steht also Alles aufs Beste,« sagte Lord Grey, etwas erstaunt. »Ihr werdet mir nach dem Stande der Dinge zehn tausend Thaler zu bezahlen haben; und, verzeiht, wann die Bezahlung?«

»Ihr begreift, daß ich diese Summe nicht in eine belagerte Stadt mitgebracht habe; andererseits sind die Mittel von Herrn von Coligny und seinen Freunden hier sehr beschränkt, wie ich denke, und ich will sie nicht belästigen. Doch wenn Ihr mir etwas Zeit bewilligt so kann ich, von Paris kommen lassen . . .«

»Sehr gut! und im Falle der Noth begnüge ich mich mit, Eurem Wort, das Gold werth ist. Doch da Geschäfte Geschäfte sind, und die Uneinigkeit zwischen unseren Truppen und denen Spaniens mich vielleicht nöthigen wird, nach England zurückzukehren, so werdet Ihr Euch nicht beklagen, wenn ich Euch bis zu gänzlicher Bezahlung der verabredeten Summe, nicht in dieser spanischen Stadt Saint-Quentin, aus der ich mich entferne, sondern in Calais, einer englischen Stadt, wo mein Schwager, Lord Wentworth Gouverneur ist, zurückhalten lasse. Sagt Euch diese Anordnung zu?«

»Vortrefflich,« antwortete Gabriel, über dessen bleiche Lippen ein bitteres Lächeln schwebte, »ich bitte Euch nur um Erlaubniß, meinen Stallmeister, um Geld zu holen, nach Paris schicken zu dürfen damit meine Gefangenschaft und Euer Vertrauen nicht unter einer zu langen Zögerung zu leiden haben.«

»Nichts kann billiger sein, und seid überzeugt, daß Ihr, in Erwartung der Rückkehr Eures Vertrauten, mit aller Euch gebührenden Rücksicht von meinem Schwager behandelt werdet. Ihr sollt in Calais jede mögliche Freiheit haben, um so mehr, als die Stadt befestigt und geschlossen ist: Ihr werdet bei Lord Wentworth gut speisen, denn er liebt die Tafel und das Schwelgen mehr, als er sollte. Doch das ist seine Sache, und seine Frau, meine Schwester, ist todt. Ich wollte Euch nur sagen, Ihr werdet Euch nicht zu sehr langweilen.«

Gabriel verbeugte sich, ohne zu antworten.

»Nun ist die Reihe an Euch, Meister,« sagte Lord Grey, indem er sich an Jean Peuquoy wandte, der während der vorhergehenden Scene mehr als einmal vor Bewunderung die Achseln gezuckt hatte. »Ihr seid, wie ich sehe, der Bürger, der mir mit zwei Edelleuten bewilligt worden ist?«

»Ich bin Jean Peuquoy.«

»Nun, Jean Peuquoy, welches Lösegeld kann man von Euch verlangen?«

»Ich werde handeln, gnädiger Herr. Kaufmann gegen Kaufmann, wie man sagt. Ihr mögt immer die Stirne falten, ich bin nicht stolz, Mylord und mein Werth beträgt meiner Meinung nach nicht zehn Livres.«

»Gut!« versetzte Lord Grey verächtlich. »Ihr werdet hundert Livres bezahlen, so viel habe ich ungefähr dem Bogenschützen versprochen, der Euch hierher gebracht.«

»Hundert Livres, es sei, da Ihr mich so hoch schätzt.« erwiderte der boshafte Schützenkapitän. »Doch nicht hundert Livres baar, nicht wahr?«

»Wie! habt Ihr nicht einmal diese elende Summe?« rief Lord Grey.

»Ich hatte sie, Mylord, doch ich habe während der Belagerung Alles den Armen und Kranken gegeben.«

»Ihr habt wenigstens Freunde, Verwandte vielleicht?«

»Freunde? man darf nicht zu sehr auf sie zählen; Verwandte? nein, ich habe keine. »Meine Frau ist gestorben, ohne mir Kinder zu hinterlassen, und ich hatte keinen Bruder; es bleibt mir nur ein Vetter . . .«

»Nun! dieser Vetter?« versetzte Lord Grey ungeduldig.

»Dieser Vetter, der mir, wie ich gar nicht zweifle die Summe vorstrecken wird, wohnt gerade in Calais.«

»Ah! potz tausend!« sagte Lord Grey mit einigem Mißtrauen.

»Mein Gott, ja, Mylord,« erwiderte Jean Peuquoy mit einer Miene unverwerflicher Aufrichtigkeit, »mein Vetter heißt Pierre Peuquoy, ist seit mehr als dreißig Jahren Waffenschmied seines Handwerks in der Rue du Martroi und hat den Gott Mars zum Schild.«

»Und er ist Euch ergeben?« fragte Lord Grey.

»Ich glaube wohl, Mylord! ich bin der letzte der Peuquoy von meiner Linie, und er verehrt mich. Vor mehr als zwei Jahrhunderten hatte ein Peuquoy, einer unserer Vorfahren, zwei Söhne; einer wurde Weber und ließ sich in Saint-Quentin nieder, der andere wurde Waffenschmied und nahm seinen Wohnsitz in Calais. Seit jener Zeit weben die Peuquoy von Saint-Quentin und schmieden die Peuquoy von Calais. Doch obgleich getrennt, lieben sie einander aus der Ferne und stehen sich bei, wie es sich für gute Verwandte und Bürger vom alten Schrot und Korn geziemt. Pierre wird mir leihen, was ich brauche, um mich loszukaufen, dessen bin ich sicher, obwohl ich diesen braven Vetter seit zehn Jahren nicht gesehen habe, denn Ihr Engländer gestattet uns Franzosen nicht leicht den Eintritt in Eure befestigten Städte.«

»Ja,« sprach Lord Grey wohlgefällig, »Eure Peuquoy von Calais sind jetzt gerade zwei hundert Jahre Engländer.«

»Oh!« rief Jean voll Wärme, »die Peuquoy . . .«

Dann unterbrach er sich plötzlich.

»Nun»versetzte Lord Grey erstaunt, »die Peuquoy?«

»Die Peuquoy, Mylord,« antwortete Jean, indem er verlegen seine Mütze in den Händen hin und herdrehte, »die Peuquoy kümmern sich nicht um Politik, das wollte ich sagen. Mögen sie Engländer oder Franzosen sein, wenn sie nur ihr Brod erwerben, jene mit dem Amboß, diese mit dem Schiffchen, so sind sie zufrieden.«

»Nun, wer weiß?« rief Lord Grey heiter. »Ihr laßt Euch vielleicht als Weber in Calais nieder und werdet auch ein Unterthan der Königin Maria, und die Peuquoy sind endlich nach so vielen Jahren wiedervereinigt.«

»Meiner Treue! das kann wohl sein!« erwiderte Jean Peuquoy treuherzig.

Gabriel konnte sich von seinem Erstaunen nicht erholen, als er den tapfern Bürger, der seine Stadt so heldenmüthig vertheidigt hatte, davon, daß er Engländer werden könnte, so ruhig sprechen hörte, als handelte es sich darum, seine Kasake zu wechseln. Doch ein Blinzeln mit den Augen, während ihn Lord Grey nicht sehen konnte, beruhigte Gabriel über die Vaterlandsliebe seines Freundes, und lehrte ihn, es sei ein Geheimniß im Spiele.

Lord Grey entließ bald den Einen und den Andern.

»Wir werden morgen mit einander von Saint-Quentin nach Calais abreisen,« sagte er zu ihnen. »Bis dahin könnt Ihr Eure Vorkehrungen treffen und in der Stadt Abschied nehmen. Ich lasse Euch auf Ehrenwort frei, um so mehr,« fügte er mit der Zartheit, die ihn auszeichnete, bei, »um so mehr, als Ihr an den Thoren consignirt seid und Niemand ohne Erlaubniß des Gouverneurs hinaus darf.«

Gabriel erwiderte den Gruß von Lord Grey, ohne zu antworten, und entfernte sich aus dem Hause des Engländers, ohne zu bemerken, daß sein Stallmeister Martin-Guerre zurückblieb, statt ihm zu folgen.

»Was ist denn Eure Absicht, Freund?« sagte er zu Peuquoy, als sie außen waren. »Ist es möglich, daß Ihr keine hundert Thaler besitzt, um Euch auf der Stelle loszukaufen? Warum liegt Euch daran, die Reise nach Calais zu machen? Lebt wirklich dieser Vetter Waffenschmied? Welcher seltsame Beweggrund treibt Euch zu dem Allen an?«

 

»Stille!« erwiderte Jean Peuquoy mit geheimnißvoller Miene, »in dieser spanischen Atmosphäre wage ich es kaum, ein Wort zu sprechen. Ich glaube Ihr könnt auf Euren Stallmeister Martin-Guerre zählen?«

»Ich stehe für ihn; trotz einiger Vergeßlichkeiten und Nachlässigkeiten ist er das treuste Herz der Welt.«

»Gut!« sprach Jean Peuquoy. »Ihr müßt ihn nicht unmitttelbar von hier nach Paris schicken, wo er Euer Lösegeld holen soll, sondern mit Euch nach Calais nehmen und von dort aus abgehen lassen. Wir dürften nicht zu viel Augen haben.«

»Was bedeuten diese Vorsichtsmaßregeln?« fragte Gabriel. »Ich sehe, Ihr habt in Calais durchaus keinen Verwandten.«

»Doch!« versetzte Peuquoy lebhaft, »Pierre Peuquoy lebt, so wahr als er sein altes Vaterland Frankreich zu lieben, zu beklagen erzogen worden ist, und gleich mir im Falle der Noth einen guten Handstreich thun wird, wenn Ihr zufällig dort einen heldenmüthigen Plan faßt, wie Ihr hier so viele ausgeführt habt.«

»Edler Freund, ich errate Dich,« sprach Gabriel, dem Bürger die Hand drückend, »doch Du schätzest mich zu hoch und missest mich nach Deinem Maße; Du weißt nicht, wie viel Selbstsucht in diesem angeblichen Heldenmuth lag; Du weißt nicht, daß für die Zukunft eine heilige Pflicht, heiliger noch, wenn es möglich ist, als der Ruhm des Vaterlandes, mich vor Allem und ganz und gar in Anspruch nimmt.«

»Nun wohl!« erwiderte Jean Peuquoy. »Ihr werdet diese Pflicht erfüllen wie alle die anderen! Und unter den anderen,« fügte er die Stimme dampfend bei, »ist es vielleicht eine für Euch, wenn sich die Gelegenheit bietet. Calais als Entschädigung für Saint-Quentin zu nehmen.«