Za darmo

Der Pechvogel

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

VIII.
Am Herd

—–

Als sie am Herd beisammen standen, stellte Pechvogel den Schemel den er umgeworfen hatte wieder auf seine drei Füße, setzte sich darauf, nahm Huberte bei beiden Händen, zog sie an sich und sagte: – Meine Tochter, deine Mutter und deine Großmutter sind gestorben ohne je gelogen zu haben.

Ein schwerer Seufzer welchen Huberte begonnen hatte, endete mit einem Schluchzen und war ihre ganze Antwort.

– Nun, nun, Du mußt nicht weinen, sagte Pechvogel, indem er sie auf seinen Schoß nahm, während das junge Mädchen ihren Kopf am Kittel des Alten verbarg. Du mußt nicht weinen, Blonde. Du würdest mir Zweifel an Dir selbst erregen; und doch, beim Andenken an die Todten die uns hören, bin ich bereit jeden Augenblick einen heiligen Eid zu thun daß Du Dir nichts vorzuwerfen hast. Komm, sag mir die Wahrheit; dieser Lump von einem Stadtherrn hat Dich verfolgt? beschimpft vielleicht? Gesteh' es nur, ich bin überzeugt. Als Du ausgingst, Du magst’s nun glauben oder nicht, da war ich unruhig, aufgeregt; etwas in meinem Innern sagte mir daß eine Gefahr Dich bedrohen komm, sprich! Er wird Dir irgend eine Galanterie gesagt haben? der Halunke! Ich hatte es wohl bemerkt daß er Dich mit Augen ansah die nicht natürlich waren. Aber um Gotteswillen, antworte mir doch! drängte der Greis, als er sah daß seine Enkelin in ihrem Schweigen beharrte. Du schweigst aus Freundschaft gegen mich, ich weiß es wohl; Du fürchtest den armen alten Mann zu verbittern, welcher Dein einziger Vertheidiger auf der Erde ist; aber sei ohne Sorgen, Blonde; das Herz wird nicht grau wie die Haare oder runzlich wie die Stirne, und obschon ich heute nicht mehr bin was ich vor dreißig Jahren war, so mache ich mir doch aus diesem albernen Gesellen so wenig als aus einem Weißfischchen.

– Großvater, wagte die Blonde zu sagen, nehmt Euch in Acht, Ihr werdet mit diesem Manne Streit bekommen.

– Ah, der Halunke! versetzte Franz Guichard, als er sah, daß sein Argwohn ihn nicht getäuscht hatte; ha, diese Hechtsschnauze! Er wird mir in die Hände kommen, ich sage weiter nichts als das. Es ist bald ein Jahr daß ich mich gedulde, daß ich alle seine Niederträchtigkeiten ertrage, daß ich stumm bleibe wie ein Karpfen, wenn man mir meine Luft und meine Aussicht stiehlt, wenn man mir meine Netze durchsucht, sie zerreißt und zu Grunde richtet durch den Haken den sie im Fluß herumschleppen, weil sie in ihrer Dummheit nicht damit umzugehen wissen. Nun wohl, er soll mir das Alles büßen; er ist Schuld daran daß man das ganze Land verderbt, daß eine sonst friedliche und ehrliche Gegend jetzt einer Räuberhöhle gleicht, und er möchte mir auch noch meine Tochter rauben. Er tastet mir mein Kind, meine Huberte an; aber Millionendonnerwetter, ich müßte so wenig ein Herz haben wie ein Weißfischchen, wenn er mir nicht meine Fischerstange bis ans Heft verschlingen sollte; laß mich nur machen, Blonde, Du s sollst schon sehen.

So sprechend suchte Pechvogel Huberte aufzuheben und aus den Boden zu stellen um hernach seine Drohungen auszuführen; aber das junge Mädchen umschlang ihn noch heftiger, drückte ihre frischen Lippen auf die verwitterten Wangen des Alten und sagte:

– O nein, Großvater, bleibet ruhig, ich bitt' Euch darum.

– Nein laß mich los, Blonde; ich muß ihn sogleich züchtigen, sonst fängt er morgen von Neuem an, der Tagedieb!

– Ich soll Schuld sein daß Euch etwas Schlimmes passirt, daß Ihr das Opfer seiner Brutalitäten werdet? Nie! rief Huberte, indem sie ungeduldig auf den Boden stampfte; ich will Euch erzählen was vorgefallen ist, und Ihr werdet sehen, Großvater, daß Ihr nichts Besseres thun könnt als die Reden eines solchen Menschen zu verachten und über seine Grimassen zu lachen, wie ich bis auf den heutigen Tag gethan habe und auch in Zukunft zu thun verspreche.

– Wer über sich selbst lacht, der gibt seinem Nächsten Gelegenheit zu lachen, sagte Pechvogel ernsthaft, indem er seinen Kopf aufwarf. Hättest Du mich, gleich am ersten Tage wo dieser Spießbürger sich erfrechte Dich schief anzusehen, davon in Kenntniß gesetzt, so brauchtest Du jetzt nicht um mich in Angst zu sein. Noch einmal, halte mich nicht zurück, Huberte, und zwing mich nicht zum ersten mal zu Dir zu sagen: Ich will.

Der Vorwurf den Pechvogel seiner Enkelin machte, war richtig. Er lähmte auch ihre ganze Entschlossenheit. Sie glitt vom Schoße ihres Großvaters hinab, kauerte sich vor dem Schemel zusammen und lehnte ihren Kopf daran, indem sie mit einer kläglichen Stimme, deren Gewalt über liebende Herzen die Weiber in allen Lebenslagen kennen, murmelte:

– Mein Gott! mein Gott! wie unglücklich bin ich!

– Franz Guichard, der auf die Thüre zuschritt, blieb stehen, warf auf Huberte einen Blick voll unaussprechlichen Mitleids, setzte aber nichtsdestoweniger seinen Weg fort.

Das Mädchen sprang auf, lief an die Thüre und stellte sich vor dieselbe.

– Nein, Großvater, sagte sie, ich lasse Euch nicht hinausgehen. Ihr habt Recht, ich bin ein einfältiges Ding gewesen, daß ich mich an den Dummheiten dieses alten Narren, an den lächerlichen Grimassen womit er mich anschaute ergötzte. Ich habe Unrecht, ich gebe es zu; aber seht, Großvater, wir haben wenig Zerstreuung im Hause, und ich hielt es nicht für sehr gefährlich wenn ich mich über diesen garstigen buckeligen Kerl lustig machte. Auch ist das Unglück bis jetzt nicht groß, aber ich könnte mich über meinen Leichtsinn nicht trösten wenn er Euch ein Unglück oder eine Beleidigung zuzöge; Ihr verlanget doch nicht daß ich einen Augenblick der Unvorsichtigkeit mein ganzes Leben hindurch beweinen soll?

Dann, als sie sah daß sie Boden gewann und daß Pechvogel bedenklich wurde, fuhr Huberte fort:

– Wenn Ihr Euch wegen einiger ungezogener Worte die dieser Dummkopf zu mir sagte einen Streit zuzöget, so würde ich Euch noch immer lieben, denn seht Ihr, es wäre mir unmöglich Euch nicht zu lieben; aber ich würde Euch nicht mehr sagen aß ich Euch liebe, ich würde nicht mehr mit Euch sprechen, und Ihr müßtet jeden Abend ins Bett gehen ohne Eure sechs Küsse empfangen zu haben, Ihr wißt ja, zwei für Eure Frau, zwei für meine Mutter und zwei für mich.

Der lebhafter gewordene Widerschein vom Herde beglänzte in diesem Augenblick Hubertens Gesicht, welches die Rührung mit Purpur übergoß, während noch immer Thränen ihren Augen entströmten. Nun waren ihre Thränen, das wußte sie, allmächtig über das Herz des Fischers, und der Eindruck welchen der Schmerz seiner Enkelin auf ihn machte, ließ sich ohne Mühe aus seiner unschlüssigen Haltung errathen.

– Ei warum nicht gar? begann Huberte wieder, das wäre viel zu viel Ehre für diesen Herrn Batifol, wenn Ihr Euch ernstlich über ihn erzürnen wolltet. Seht, Großvater fuhr sie fort, indem sie ihn mit einer leichten Anstrengung zu seinem Schemel zurückführte und ganz unaufgefordert ihre erste Haltung auf seinem Schoße wieder einnahm, wir wollen uns über ihn lustig machen, das ist alles was er verdient. Er hat mich zweimal am Ufer angeredet, nicht wahr? Nun wohl, ich habe kein Wort von Allem behalten was er sagte, aber ich habe auch keine Falte in seinem Gesichte vergessen. Er wollte lächeln als er zu mir sprach; wißt Ihr wem er da gleich sah, Großvaters Dem Hanswurst den Ihr mir geschenkt als ich klein war, und der zwischen seiner Nase und seinem Kinn Nüsse zerknackte.

Und Huberte versuchte mit noch thränenfeuchten Augen die groteske Pantomime Batifols nachzuahmen, aber Pechvogel blieb ernsthaft, obschon er die reine Stirne und hie blonden Haare des jungen Mädchens, das sich auf der Höhe seiner Lippen befand, mit Küssen bedeckte.

– Höre, Blonde, sagte er in ernstem, aber sanftem Tone zu ihr, ich will Dir keinen Vorwurf machen; ich will Dich bloß vors Dir selbst warnen. Du lachst gern: das Vergnügen lockt Dich wie der Köder den Weißfisch. Daran ist nichts Böses, mein Kind. Sieh, Deine arme Großmutter z.B. die sang vom frühen Morgen bis zum Abend, gerade wie eine Lerche. Es verging kein Decadi ohne daß sie auf den Ball von Chennevière ging. Nun wohl, Gott kann mir noch heute bezeugen daß sie immer tugendhaft war. Aber die Zeiten haben sich sehr geändert, siehst Du, Blonde. Wir Bauern lebten damals unter uns, und die öffentliche Verachtung strafte denjenigen der ein Mädchen zu Schaden gebracht hatte. Jetzt kommen die jungen Mädchen mit den Parisern zusammen, von denen man nicht weiß woher sie kommen und wohin sie gehen. Die Brachsen, Schleien und Karpfen sind gescheidter; sie ziehen truppenweise aus und mischen sich nicht unter die Barsche und Hechte, für welche sie nur ein Bissen wären. Mache es wie sie, Huberte; es ist nicht lustig mit einem Greis zusammenzuleben, der immer nur von den Dingen und Leuten spricht die nicht mehr sind, den ganzen Tag hart zu arbeiten, den Wind, die Kälte und die Nässe auszuhalten; das kann Dich drücken, Blonde, ich begreife es. Nun wohl, fügte der Alte mit einem Seufzer hinzu. Du mußt einen braven Burschen wählen und zum Manne nehmen. Ich hatte gehofft Dich mit einem vom Fach verheirathen und euch beiden den Strich abtreten zu können. Er ist gut, der Strich, und wenn man sein Garn gehörig zu legen weiß, wenn man nicht den Krampf in den Händen hat und wenn man das Gras herauszureißen versteht, so kann man auf schöne Züge hoffen. Aber auch das Handwerk geht zu Schanden wie alles Uebrige, wie die Wälder, die Felder und die Wiesen; der Pariser reißt heut zu Tage Alles an sich, und ich begreife daß ein junger Mann von Herz sich nicht entschließen kann, mitten unter den Orgien und dem Teufelslärm den man Tag und Nacht hört, auf dem Wasser zu arbeiten.

Diese letzten Worte hatte Franz Guichard mit einer erstickten Stimme gesprochen, wobei ihn weit mehr der Gedanke an eine Trennung von seiner Enkelin als die Betrachtung über die traurige Lage seines Berufs betrübte.

– Großvater, versetzte Huberte in kosendem Tone, welcher dem wahren Gedanken des Alten entsprach, man kann ein wenig leichtsinnig sein und doch in der Welt noch nie etwas anderes gewünscht haben als immer bei Euch zu bleiben. Ich versichere Euch, der schönste Pariser von der Welt (Ihr begreift daß hier nicht von Herrn Batifol die Rede ist) könnte mich nie einen Augenblick denjenigen vergessen machen dessen Liebkosungen dem Herzen so wohl thun.

 

– Es ist gleich, erwiderte der Alte, ich werde dafür sorgen daß es nicht gar zu lange daure: und Du, Blonde, sorge Du Deinerseits dafür daß ich unsern beiden Vorangegangenen, wenn ich sie droben wieder finde, sagen kann, ich habe unser Kind als ein rechtschaffenes Mädchen und im Begriff ein rechtschaffenes Weib zu werden zurückgelassen. Mein Gott! mein Gott! wenn es sich anders verhielte, was sollte aus mir werden? rief der Greis mit unaussprechlicher Seelenqual, wie wenn seine Vermuthung irgend eine Begründung gehabt hätte, und als stände er plötzlich vor dem Richterstuhl der beiden Mütter.

Huberte entfernte die Hände womit der Großvater sein Gesicht verhüllt hatte. Sie küßte ihn bedeckte ihn mit Schmeicheleien, machte ihm ihr lustigstes Gesicht, und endlich gelang es ihr wenigstens für den Augenblick seine Traurigkeit zu verscheuchen.

Ihre gewöhnliche Stunde des Schlafengehens , war längst vorüber. Franz Guichard hüllte sich in seine grünen Sarschevorhänge und ging zu Bette, während Huberte vor einem an der Wand hängenden hölzernen Crucifix niederkniete und ihr Gebet verrichtete.

Als sie geendet hatte und sich nun ebenfalls niederlegen wollte, bemerkte sie daß der Greis in großer Aufregung sich beständig in seinem Bette hin und her wälzte.

Huberte näherte sich ihm und hob den Sarschevorhang in die Höhe.

– Großvater, sagte sie, ich habe meine Beichte noch nicht vollendet.

– Ach, barmherziger Gott! rief Pechvogel, indem er auf seiner Matratze empor fuhr.

– Ich habe mich, fuhr das junge Mädchen fort, soeben bei Gott wegen einer Sache angeklagt die ich für eine schwere Sünde halte; aber ich glaube daß ich nicht ruhig schlafen könnte, wenn ich Euch nicht dasselbe Geständniß ablegte.

– Nun so sprich, sprich doch, unglückliches Kind! sagte der Greis, dessen Gesicht in Schweiß gebadet war.

– Großvater, ich habe meine Aufwallung gehabt wie Ihr die Eurige hattet; nur habe ich mich, da ich kein verständiges kleines Mädchen bei mir hatte das mich daran verhinderte, von meinem Zorn hinreißen lassen: ich habe einen Menschen geschlagen.

Hubertens Physiognomie drückte eine so komische Zerknirschung aus, daß jeder Andere als Pechvogel nicht hätte ernsthaft bleiben können.

Ein Lächeln versuchte sich auf die Lippen des Alten zu stehlen, aber sie hatten diese Gewohnheit verloren und ihre Zusammenziehung brachte nur eine Grimasse zu Stande.

– Ha, ha! Und wer war dieser Mensch? fragte er.

– Nun, natürlich Herr Batifol, antwortete Huberte.

– Also?

– Ich habe ihm eine Ohrfeige gegeben!

– Ha! Aber doch gewiß eine aus dem Ff?

– Ich glaube wohl, die Hand thut mir noch weh davon, ich glaube daß ich mir die Faust ausgerenkt habe; werdet Ihr mir verzeihen?

Statt aller Antwort schloß Franz Guichard sein Kind in seine Arme und entschlief ganz selig in dem Bewußtsein daß der an seiner Tochter begangene Schimpf nicht ungerächt geblieben sei.

Der arme Alte hatte keine Ahnung von dem Sturm welchen diese unglückselige Ohrfeige über sein Haupt herbeiführen sollte.

IX.
Die Wiedereröffnung

—–

Herr Batifol hatte schlechterdings keinen Grund an Tugend zu glauben; er war vollständig und ganz aufrichtig überzeugt daß die Tochter des armen Fischers sichs zur größten Ehre schätzen würde Gegenstand der Bevorzugung eines Mannes zu sein der sich selbst den reichsten Bürger von Varenne genannt hatte.

Er hatte sich mit dem erhabenen Selbstvertrauen der Dummheit ans Werk gemacht.

Die Enttäuschung war schrecklich.

Wenn Hubertens zierliche Hand das Gesicht des galanten Ciselirers nicht stark beschädigt hatte, so hatte sie dagegen seiner Eigenliebe eine tiefe Wunde geschlagen.

Die Eigenliebe vertritt die Stelle des Herzens bei den Leuten die keines haben. Während also Pechvogel friedlich ruhte, brütete sein reicher Nachbar über den schrecklichsten Racheplänen.

Die Arbeit seines Geistes war um so mühsamen als die Rache, um in Herrn Batifols Augen zur Götterwonne zu werden, eine wesentliche Bedingung zu erfüllen hatte.

Sie mußte möglichst wenig Kosten verursachen.

Leute dieser Art haben, so wenig sie auch der liebe Gott nach dem Muster des Antinous zugeschnitten hat, die Anmaßung um ihrer selbst willen geliebt werden zu wollen; man darf daher auch nicht erwarten daß sie sich bei Befriedigung eines Grolles als Verschwender zeigen.

Nach zehnstündiger Schlaflosigkeit glaubte der Ciselirer gefunden zu haben was er suchte; er stand auf sobald es Tag wurde und ging zu Herrn Padeloup.

Herr Padeloup war die ganze Woche über ein Fayencehändler der Place royale; am Sonntag wurde er enthusiastischer Liebhaber der Pomologie. Obschon es kaum sechs Uhr war, befand er sich bereits in seinem Garten und betrachtete mit Wonnegefühl die langen dünnen Reifer seiner Birnbäume, deren rosenfarbige Perlen aus ihren gelblichen Schalen hervorzukommen anfingen.

Herr Padeloup ließ Herrn Batifol keine Zeit das Wort zu ergreifen; er erfaßte seine Hand und rief auf seinen Baum deutend:

– Da sehen Sie, mein Herr, welche Pflanzung! Wenn man bedenkt daß dieses Ding just ein Jahr hat! Aber welche Verheißungen, sehen Sie doch, Herr Batifol, welche Verheißungen! Ich habe die Knospen nummeriert, mein Herr, und ich darf wohl sagen, diese Arbeit hat mir einige Mühe gemacht; es sind ihrer siebzehn an diesem einzigen Büschel. Begreifen Sie das, Batifol? Siebzehn Birnen wovon die kleinste größer wird als ein Kindskopf, wie der Gärtner mich versichert hat!

Herr Batifol machte ein Hm das der enthusiastische Baumzüchter für einen Ausruf der Bewunderung nehmen konnte; und während dieser sodann in seiner Einbildungskraft die köstlichsten Früchte sich munden ließ deren Erstlinge er discontirte, brachen beide zugleich in Lobeserhebungen über den Grund und Boden aus der solche Wunder zu Tage fördern sollte.

Um sich sodann von seinem Gast nicht überflügeln zu lassen, gerieth er in Extase vor einem jungen Besenstiele er, laut der Etikette an einem seiner Zweige, die stolze Absicht hatte mit der Zeit ein Pflaumenbaum zu werden. Herr Batifol wußte aus Erfahrung daß keine Schmeichelei dem Herzen seines Nachbars so wohl thun konnte, und er hörte, mit einer Geduld welche den Maßstab für das ganze Interesse gab das er hatte ihm zu gefallen, Alles an was Herr Padeloup nicht bloß über die voraussichtlichen Vorzüge seiner Bäume, sondern auch über den Preis den er dafür bezahlt, sowie über all die merkwürdigen Umstände welche ihren Anlauf, ihre Pflanzung und ihren ersten Trieb bezeichnet hatten, zu erzählen beliebte.

So legten sie zwei Drittel des Gartens zurück und kamen an einen Ort wo er enger wurde und wo die Mauer einen Winkel machte.

Herr Padeloup war ein zu großer Enthusiast für die harmonischen Verhältnisse der geraden Linie, als daß er seinem Gehege freiwillig diese Form gegeben hätte. Das Ende des Gartens von Franz Guichard war es wodurch das von dem Fayencefabricanten erworbene Terrain entzwei getheilt und sein Ensemble zerstört wurde.

Als pfiffiger Unterhändler hatte Herr Batifol seinem Freund, als dieser den Wunsch ausgesprochen Grundbesitzer in Varenne zu werden, eingeredet daß der Fischer sich nie weigern würde die wenigen Meter Grund und Boden abzutreten die zur Ausführung einer beabsichtigten Mauer nöthig wären.

Aber die Sache hatte sich ganz anders gestaltet.

Pechvogel liebte die Pariser und ihre Mauern viel wenig um zur Erbauung der letzten beizutragen und den ersten angenehm sein zu wollen. Er wies hartnäckig alles zurück was der Fayencefabricant ihm bieten ließ.

Diese unvollendete Mauer war die Verzweiflung des Herrn Padeloup, sein Alp. Er verbrachte ganze Stunden, in schmerzliche Betrachtung versunken, vor dieser so unangenehmen Form seiner Mauer; er träumte jede Nacht davon.

Gleichwohl entsagte er, wie alle Leute die ein Steckenpferd haben, der Hoffnung noch nicht eines Tags das seinige besteigen zu können; er schmeichelte sich mit dem Gedanken, irgend ein Ereigniß würde sein Geländer zu Ehren bringen und das was er als eine schreiende Ungerechtigkeit des Schicksals ansah gut machen; er ließ daher in einer solchen Voraussicht die am Fuß dieser Mauer gelegenen Rabatten unangebaut und unbepflanzt.

Herr Batifol kannte diese Schwäche; auf sie gedachte er zu speculiren.

Er deutete mit dem Finger auf diese breite, weiße Fläche an welcher sich zwei magere Weinreben hinaufkrümmten.

– Wie Schade! sagte er im Tone tiefen Mitleids.

Herr Padeloup machte Echo mit einem schweren Seufzer.

– Wie Schädel wiederholte Herr Batifol.

– Ach ja, fügte der Fayencefabricant hinzu, indem er auf einmal über seinen Freund hinausschritt. Uebrigens, bemerkte er noch mit einem gewissen Aerger, übrigens sind Sie selbst daran Schuld, Herr Batifol!

– Ich! rief der Ciselirer mit schmerzlichem Erstaunen.

– Zum Henker, hätten Sie mir voraus gesagt daß ich es nicht mit einem Menschen zu thun haben würde, sondern mit einem Holzklotz, so widerspenstig wie das Holz aus dem man sein Schiff gemacht hat, dann hätte ich mich noch einmal besonnen und mein Haus zehn Schritte weiter hinweg gestellt.

Batifol zuckte die Achseln.

– Aber nun will dieser Kerl weder für Silber noch für Gold verkaufen, heulte Padeloup, dessen Schmerz mit erneuter Bitterkeit erwachte.

– Ei« wenn er einmal todt ist, so wird seine Tochter dieses Häuschen nicht behalten wollen, das ihr Nichts eintragen würde, während sie vom Erlöse daraus leben könnte.

– Aber er kann noch zehn« noch fünfzehn Jahre leben, dieser alte Froschhändler; der Kerl ist aus Ouaderstein gebaut; er kann mich begraben, mein Herr, ich kann sterben ehe ich dieser Mauer die Form geben konnte zu welcher sie, wie mich dünkt, wohl berechtigt ist.

– Bah! Weil Sie weder Thatkraft noch Gewandtheit besitzen!

Herr Padeloup täuschte sich über die Absicht seines Freundes.

– Herr, versetzte er mit einer Entrüstung die seine dicken Backen auftrieb und sein dreifaches Kinn in Bewegung setzte, ich bin ein ehrlicher Mann; ich verabscheue den alten Guichard, das ist wohl wahr; er hatte mir so viel Leid zugefügt, daß ich mich berechtigt glaube nicht zu weinen wenn der Vergifter meines Glückes einmal sterben wird, aber diesen Tag durch ein Verbrechen um eine Stunde oder auch nur um eine Minute schneller herbeizuführen, dessen bin ich unfähig.

– Wer sagt Ihnen von einem Verbrechen? Ob er stirbt oder die Gegend verläßt, das kommt für Sie aufs Gleiche heraus, denn im einen wie im andern Falle ist er genöthigt das Grundstück wegzugeben dessen Sie bedürfen.

– Allerdings! Nun wohl?

– Nun wohl?

Wenn ich Padeloup hieße, wenn dieser Winkel mir am Herzen läge, so hätte Franz Guichard mir schon vor sechs Monaten den Platz überlassen müssen.

– Wie so?

– Dieser Mann hat keine andern Subsistenzmittel als sein Häuschen das ihm nichts einträgt, und ein Stück Weinberg das nicht genug abwirft um zwei Personen zu ernähren. Ueberdieß ist der Fischfang für ihn eben sowohl eine Liebhaberei, ein Bedürfniß als ein Gelderwerb. Nehmen Sie ihm den Fischfang, so ist er genöthigt mischen dem Elend, seiner Leidenschaft und seiner Anhänglichkeit an diese Barake zu wählen; seine Wahl kann nicht zweifelhaft sein, und dann können Sie Ihre Mauer aufführen.

– Aber wie zum Teufel kann ich ihm das Fischen verwehren? sagte Herr Padeloup, indem er sich verzweiflungsvoll vor die Stirne schlug.

– Indem Sie es selbst treiben.

– Ich! Ich! Ich weiß ja nicht einmal ob eine Angel den Fisch an der Schnauze oder am Schwanze packt.

– Seien Sie ruhig, um Ihnen dieses Recht zu geben, wird man Sie kein Examen bestehen lassen; wenn Sie nur den Pachtpreis bezahlen, so verlangt die Regierung weiter nichts von Ihnen.

Herr Batifol erklärte jetzt seinem Nachbar und Freund daß der Staat als Eigenthümer der Flüsse und Bäche die Erzeugnisse derselben an den Meistbietenden und Zuletzt draufschlagenden verpachte; daß Franz Guichard in der Marne nur in Folge der Duldung des gegenwärtigen Pächters fische, der ein durch die Zeit geheiligtes Recht in ihm respectire; daß aber die Zeit desselben demnächst zu Ende gehe, und daher ein neuer Zuschlag erfolgen müsse. Er solle also mit ihm bei dem Aufstreich anstehen; wenn sie einmal Herren des Pachts seien, so stehe es ihnen frei diese althergebrachte Milde abzulegen, die er nun ohne alles Weitere als mißbräuchlich und unmoralisch erklärte, und das Land von diesem Verwüster des süßen Wassers zu befreien.

 

Herr Padeloup erschrack ein wenig über den Macchiavelismus des Plans der sich vor seinen Augen entrollte, aber er war bei seinem Gelingen zu sehr interessirt als daß er ihn nicht sogleich hätte begreifen und nach Gebühr würdigen sollen.

Wenn er nicht augenblicklich seine Zustimmung ertheilte, so geschah es nicht weil etwa die Idee einem armen Mann sein Brod rauben zu helfen in der Seele dieses starren Beobachters der Gesetze den mindesten Skrupel erregt hätte; nein, er antwortete bloß darum nicht sogleich, weil die Principien der Ordnung und Sparsamkeit in seinem Herzen mit seiner zärtlichen Vorliebe für die Regelmäßigkeit der Linien kämpften.

Herr Batifol machte dem Fayencefabrieanten den Vorschlag noch eine dritte Person für dieses schöne Werk zu interessieren; er versprach Herrn Berlingard hierfür zu bestimmen, einen bis zum Aberwitz leidenschaftlichen Fischer, der nothwendig die Antipathie theilen mußte welche Vater Guichard bei allen denjenigen erregte die einige Ansprüche auf Benutzung des Flusses hatten.

Vierzehn Tage nach dieser Scene wurde Herr Batifol, im Namen seiner beiden Freunde und als Bürge für dieselben, in Besitz der Jagd- und Fischereirechte aus dem ganzen Flußarm gesetzt der sich von Joinville bis Charenton ausdehnte.

Dieß Ereigniß machte einigen Lärm in dem neuen Dorfe, es erhöhte die Hochachtung welche man einem Manne widmete der reich genug war um eine so bedeutende Summe auf seine Vergnügungen zu verwenden. Derjenige der sich am wenigsten darum belämmerte, war der am stärksten Bedrohte. Was lag Pechvogel daran wer der Besitzer eines Privilegiums war das er als imaginär betrachtete?

Der fünfzehnte Juni, aus welchen die Eröffnung des Fischfanges festgesetzt war, brach heran.

Die Wilddiebstraditionen der Familie Guichard hatten sich um ein Starkes vermindert, als sie auf ihren letzten Vertreter kamen. Der alte Fischer huldigte dem Erhaltungsprinzip, und obschon die Milde womit das Gesetz gehandhabt wurde ihm in dieser Beziehung jede Freiheit ließ, so enthielt er sich doch sorgfältig aller ernsten Fischerei während der Zeit welche der Wiedererzeugung des Fisches gewidmet war. Aber der Tag wo er zum ersten mal ohne Zwang wieder seinen Beruf ausüben konnte, der Tag der Wiedereröffnung des Fischfanges war für ihn ein Festtag.

An diesem Tag bestieg er sein Schiff in seinem saubersten Kittel und in seinem Sonntagshut, ein Möbel das in die zwanzig Jahre zählte und nur bei dieser einzigen Veranlassung jährlich zum Vorschein kam.

Ueberdieß verlangte er daß Huberte an diesem Tag ein wenig Toilette machte. Das Land hatte seine Gestalt und sein Ansehen verändern können, aber Pechvogel hatte an seinen Gewohnheiten nichts umgemodelt.

Am vierzehnten Abends, bei einem dichten Nebel, machte er sich an das Geschäft seine Reusen zu legen, seine Wurfgarne auszuspannen, seine Angeln auszuwerfen, und am fünfzehnten in der Früh verließ er sein Haus im erwähnten Festornat.

Es war eine ungewöhnliche Volksmenge auf dem Ufer versammelt. Die Herren Batifol, Padeloup und Berlingard bildeten eine Gruppe; Mathias der Fährmann, die Weinwirthe, seine Collegen, sämmtliche Bewohner des sogenannten Hafens standen vor ihren Thüren. Augenscheinlich warteten all diese Leute auf ein großes Ereigniß.

Der Ciselirer zeigte sich seit seiner Zudringlichkeit gegen Huberte heute zum erste nmal vor den Bewohnern des Häuschens; Herr Batifol und Huberte waren einander mit gleicher Sorgfalt ausgewichen.

Wenn Pechvogel an seinem reichen Nachbar vorüberging, runzelte er seine dicken Brauen und murmelte einige drohende Worte. Um den Sturm abzuwenden den ihr Großvater unvermeidlich über sein Haupt herbeiführte, beeiferte sich die Blonde seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie rieb sich schalkhaft die Wange und trällerte leise ein Liedchen dessen Refrain: giroflé, girofla lautete, eine Anspielung auf das was zwischen ihr und Herrn Batifol vorgefallen war.

In diesem Augenblick erzählte Herr Berlingard seinen beiden Freunden seine Unglücksfälle. Er hatte Tags zuvor einen Aal gefangen, ihn in den Kasten seines Schiffes geworfen und, nachdem er ihn auf solche Art in gebührenden Gewahrsam gebracht, ihm seine Stelle in einer beabsichtigten Matelote anweisen zu dürfen geglaubt; aber der schlaue Fisch hatte eine Spalte in den Brettern seines Gefängnisses zur Flucht benützt, nachdem er alle Mitbewohner seines Kastens aufgefressen.

Dies war für Herrn Berlingard der Gegenstand einer Dichtung welche den Umfang einer Ilias zu gewinnen drohte.

– Sehen Sie, sagte er hochweise zu seinen beiden Zuhörern, Sie haben einen Hund, Sie verlieren ihn, er kommt zurück; eine Katze sucht ihr Haus, ein Vogel zuweilen seinen Käfig, aber der Fisch, sehen Sie, der hat keinen Character. Wenn man bedenkt daß dieser Aal mir mehr als zweihundert Grundeln und noch andere Fische aufgefressen hat und daß er nicht zurückgekehrt ist!

Trotz seines Schmerzes hatte Herr Berlingard die Geberde der Blonden und den Blick den sie im Vorbeikommen dem Ciselirer zugeworfen wohl bemerkt.

Herr Berlingard war was man in gewissen Gesellschaftskreisen einen liebenswürdigen Mann nennt, d. h. ein Einfaltspinsel der sich das Vorrecht anmaßt die Leute dadurch zum Lachen zu bringen, daß er die Dummheit der Gesellschaft im Allgemeinen und seine eigene insbesondere ans Tageslicht stellt.

– Oh, oh, sagte er, indem er die Hälfte seines Gesichtes verzog um ihm einen boshaften Ausdruck zu geben, dieses Dirnchen da sieht mir gerade aus, als wenn es wichtige Geschäfte mit unserm Freund Batifol hätte.

– Was wollen Sie damit sagen?

– Daß ich zu der Vermuthung komme daß Du nicht unsere Fischerei vertheidigen willst, Batifol, sondern vielmehr Deiner geheimen Flamme zum Siege zu verhelfen gedenkst, Du Hauptspitzbube!

– Ich begreife nicht.

– Du willst Deinem Freund ein X für ein U vormachen, Batifol, so viel ist gewiß. Nach der Art wie die Kleine Dich im Vorbeikommen angelacht hat, wollte ich schwören daß es zwischen Dir und ihr etwas gibt. Debureau hat mich in die Geheimnisse der Pantomime eingeweiht, und ich habe begriffen, obschon die Kleine sich ihrer Hand bedient hat statt ihres Fußes, was ich vorgezogen hätte, weil sie dadurch den Traditionen treuer geblieben wäre. Du hast ihr Herz begehrt, liebenswürdiger Spitzbube, und sie hat Dir geantwortet was Pierrot dem Cassander antwortet, wenn dieser seinen Finger in den Confitürentopf steckt: da hast Du eins.

– Ich schwöre Ihnen, mein lieber Berlingard.

– Schwöre nicht und besonders erröthe nicht, tugendhafter Batifol; Du bist Franzose, Du hast das Recht, ja noch mehr, Du hast die Verpflichtung galant zu sein. Ist es nicht wahr, Padeloup?

– Herr Berlingard klopfte Herrn Padeloup auf den Bauch und zerschnitt damit ein beifälliges Lächeln das dieser angefangen hatte.

– Ich billige also Deine Leidenschaft, o Batifol! Nur werde ich dem hier anwesenden Padeloup den Vorschlag machen daß man Dir die Leitung unserer gemeinschaftlichen Interessen entzieht. Du hoffst, o ich habe Dich wohl durchschaut, Männchen, Du hoffst die Tochter zur Zärtlichkeit zu stimmen, indem Du den Vater quälst. Aber wer sagt uns daß Du Dich nicht selbst durch die Thränen des Mädchens erweichen lassen wirst, und dann Adieu Grundeln, adieu Fischfang Dieser alte Seetiger wird nach Herzenslust unsere Geräthschaften zerstören und nach wie vor seinen Kasten auf unsere Kosten füllen, bloß weil sein Mädchen zwei hübsche Augen hat; ich danke schön, da thue ich nicht mehr mit.

– Ihr werdet sehen, rief Batifol, daß ich mit diesem Lumpen da ganz rücksichtslos verfahre.

Mathias der Fährmann hatte sich genähert; trotz der Erkaltung Pechvogels gegen ihn hatte er dem alten Fischer die ganze Neigung bewahrt deren ein von den Kümmernissen des arbeitsamen Lebens bestürmtes Herz fähig ist; das allgemein verbreitete Gerücht hatte ihm gesagt was diese Herren im Schilde führten, und er war entschlossen zu Gunsten seines Freundes einzuschreiten.