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Der Pechvogel

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VII.
Der Einfall der Barbaren

—–

Herr Batifol ließ sein Haus aufführen, und im Namen des Gesetzes wurde Franz Guichard aufgefordert das Fenster zu verstopfen das auf das benachbarte Gut schaute.

Er tobte, raste, fluchte, aber er hatte einmal mit dem Gesetz zu schaffen gehabt; er wußte also was eine Widersetzlichkeit kostete.

Er gehorchte.

Man hatte Anfangs den Ciselirer verspottet, der auf den Brachfeldern Absteckpfähle eingeschlagen, Grundlagen geworfen, macadamisirt und Straßen gezeichnet hatte, denen für den Augenblick nur noch die Hauptsache fehlte, nemlich die Häuser; aber bald traten die Lacher auf seine Seite.

Der Mensch gleicht dem Affen, mehr noch moralisch als physisch, indem er ein wesentlich nachahmendes Geschöpf ist. Es gibt seit der Erschaffung der Welt vielleicht nicht eine einzige Dummheit die ohne ihr Seitenstück geblieben wäre, und um so mehr ist diese selbe Welt geneigt ihren Instincten zu gehorchen, wenn das Beispiel allen Anschein einer vernünftigen Handlung hat.

Der Anstoß war gegeben, die Schaafe Panurgs setzten sich in Bewegung, allmählig und in unglaublich kurzer Zeit bevölkerte sich die Einsamkeit, die Felder verwandelten sich in Garten, die Gebüsche in Mauern.

Das Beispiel Batifols hatte die Käufer dieser Grundstücke electrisirt. Ihm wollte es Jeder jetzt gleichthun. Immer mehr steinerne Stockwerte erhoben sich die Marne entlang, immer größer wurde die Bewegung. Die Pariser Handelswelt, vom Chateletplaz an bis zur Barriere tu Trone, gerieth in Gährung; das unermeßliche Verlangen das alle Menschen treibt einen kleinen Winkel dieser Erde zu besitzen, welcher Groß und Klein den Thon zurückgeben muß den er von ihr entlehnt hat, wurde jetzt geschickt ausgebeutet, man versprach es so billig zu befriedigen, man stellte es als eine so unschuldige und wohlfeile Liebhaberei dar, daß die besonnensten Leute sich diesem Villegiaturfieber hingaben, und eine Anzahl Privilegirter die über ein kleines – Capital verfügen konnten, von den Enttäuschungen aber die aller Schöpfer warten ganz und gar keine Ahnung hatten, begann architectonische Meisterwerte auf der Insel auszuführen.

Der eine, sentimental und bescheiden, beschloß seine Liebe unter dem Strohdach einer Hütte zu schützen und wählte das Ländlichste was die Kunst seit Evander bis auf uns in diesem Genre geleistet hat; ein anderer, ein Weinreisender der nach einem zur Verherrlichung des zertifizierten Weingeistes unternommenen Ausflug ins Berner Oberland frisch vom Genfer See her kam, hatte eine unüberwindliche Vorliebe für die Sennhütten mitgebracht. Diese Vorliebe verkörperte sich durch ein hölzernes Haus mit grünen Sommerläden, ausgezackten Balconen und gepflastertem Dach, um den Lawinen widerstehen zu können; die weißen Mauern die sein Gärtchen verdecktem sollten die Schneefelder des Montblanc und der Jungfrau vorstellen. Ein Anderer sah seine Lust an einer plattdachigen italienischen Villa, mit terassenförmiger Balustrade. Ein Vierter endlich verstieg sich bis zu einem griechischen Tempel.

Aber was die Bewunderung der eifersüchtigen Nachbarn ganz besonders erregte, das war die pittoreske Idee welche ein Müzenfabricant in der Rue Saint-Denis gehabt hatte, sich ein Wohnhaus nach dem Muster seines eigenen Schildes zu machen, zu welchem selbst er hinwiederum durch eine vom Ambigutheater entlehnte Dekoration aus dem Drama Barbarossa begeistert worden war.

Die Anlage der Gärten war noch wechselreicher als das architektonische Bild des neuen Dorfes; sie war im Allgemeinen pittoresk: es ist schwer die Blumen ins Gemeine zu ziehen und die Baume lächerlich zu machen. Der Eine begnügte sich mit einem Blumenbeet das er, in bescheidener Verbindung des Nützlichen mit dem Angenehmen, durch ein Spinat- und ein Lattich-Beet bereicherte; ein Anderer warf sich mit seinen zwanzig Quadratmetern geradewegs auf den Getreidebau, und nachdem er sechsundsechzig Körner Roggen ausgesäet, studierte er auf eine Denkschrift an die Academie der Wissenschaften über den Brand und Mehlthau, welche diese Pflanze heimsuchen, wie die Blattern vor der philanthropischen Entdeckung Jenners die Menschheit heimsuchten.

Ein Dritter versuchte es mit allen Culturent vermählte die Kartoffel mit der Maßliebe, die Artischoke mit der Dahlie, mengte unter seine Kohlbeete kleine Rabatten wo Nachtschatten, Balsaminen und Stiefmütterchen unter einander aufblühten, und wo die Sonnen, eine von den improvisirten Gärtnern wegen ihrer majestätischen Haltung sehr geschätzte Blume, majestätisch emporschossen; ein Vierter endlich, der seine Klempnerbude vernachlässigte, träumte, das Kinn in seine Hand gestützt, von der einsichtsvollen Speculation ob er sein Gauchheil, das ganz allein wuchs, das weder Samen noch Bewässerung kostete, überdieß von den Vögeln ungemein geschätzt wurde, ausreißen solle, um Gemüse zu pflanzen oder zu säen die Mist, Wasser und doppeltes Hacken erforderten, bis sie zu einem rauschigen Wachsthum und einem wässerigen oder bitterem aber jedenfalls ungenießbaren Saft gelangten, je nachdem es die Natur des Bodens mit sich brachte.

Im Uebrigen bewies die commercielle Bewegung diese neue Existenz von Varenne.

In weniger als sechs Monaten hatten ein halb Dutzend Weinwirthe dem Fährmann Mathias Concurrenz gemacht und ihm das Monopol auf öffentliche Erfrischungen das er so lange Zeit ausgeübt hatte entrissen.

Die verschiedenen andern Bedürfnisse des Magens konnten, so gut wie der Durst, im Orte befriedigt werden.

Am Sonntag begann das Ufer von gebratenen Coteletten und gerösteten Blutwürsten zu duften, während, einem orientalischen Parfüm gleich, der Cafe den man vor den Häusern röstete sein Aroma in alle Luftströmungen Marne auf und Marne ab ergoß.

Dann sah man neben den sechs oder sieben Wirthen die den Wein von Chennevière für Joigny und den Absinthe aus der Rue des Lombards für schweizerischen verzapftem rasch hinter einander einen Metzger, einen Bäcker, einen Gewürzkrämer, ja sogar eine Putzmacherin sich aufthun.

Das ist noch nicht Alles; zu gleicher Zeit wo die Ebene ein Dorf wurde, schuf sich das Ufer zu einem Hafen um. Gegen zwanzig Nachen, Kahne und Fähren lagen der Reihe nach am Ufer festgebunden wo das Fahrzeug des Vaters Pechvogel so viele Jahre einsam verlebt hatte. Dieses Ufer selbst war vor der allgemeinen Umwälzung nicht sicher; man erhöhte, man ebnete, man modelte es hier als jähen Abhang, dort als unmerkliche Böschung; man rottete sorgfältig die Binsen mit den langen lanzenförmigen Stielen aus, ebenso die Rohre deren leichte Samenkronen sich mit sanftem Gemurmel im Winde wiegten, den mit Purpur und Smaragd geschmückten wilden Sauerampfer, die Schmalzwurz mit den breiten Blättern und den weißen oder violetten Glöckchen, kurz Alles was einen pittoresken oder wilden Character hatte. Die Regelmäßigkeit wurde der einzige Schmuck der Ufer, und die gelbliche Farbe des als Glacis zugehauenen Lehmbodens ersetzte nach einer gewissen Zeit den grünen, feinen, dichten Grasteppich der sonst darüber ausgebreitet gelegen.

Zu gleicher Zeit wurden auch die Sitten geselliger. Das Schäferleben und die ländlichen Neigungen der wackern Pioniere aus dem Faubourg währten gewöhnlich vom Samstag bis zum Sonntagabend oder Montagmorgen. Wer an diesen braven Stadtleuten in ihren Holzschuhen, ihren Blousen, mit ihren Stohhüten, Alles von übertriebener Einfachheit, vorbeigegangen oder ihnen begegnet wäre, wer ihnen zugesehen hätte wie sie hackten, gruben, schaufelten, jäteten, putzten, Steine auf ihrem Rücken oder Gölten auf ihren Armen trugen; wer ihnen zugehört hätte wie sie von Gartencultur, Fischfang und Jagd schwatzten, wie sie die wichtigen Fragen von Propfreisern, Setzlingen, Knollen und Weinfächsern debattirten, der hätte sich gewiß mitten in einer Ackerbaucolonie geglaubt; aber wenn man vierundzwanzig Stunden der unschuldigen Comödie geweiht hatte woran Jeder sich ergötzte, so erschien der Ueberdruß, ein bleiches Gespenst mit herabhängenden Armen und grämlich verzogenem Munde; man gähnte ein wenig, dann gewannen die Vergnügungen welche der Gebrauch zum Bedürfniß erhoben hatte all ihren Zauber und Reiz wieder.

Jetzt war es nicht mehr das Land das in der Stadt, sondern die Stadt die in dem Lande aufgegangen war; die Legion von Wirthen sah ihre Kunden sich ins Unendliche vermehren, man trank, nicht blos in den dem Bacchusdienst geweihten Räumen, wie die Liederdichter des Caveau sagten, die um diese Zeit blühten, sondern auch noch auf der ganzen Uferlinie. Es gab weit und breit kein Stück Holz das einem Stuhl, Tisch oder einer Bank gleichsah und nicht einem Betrunkenen zum Fußgestell dienen mußte wenn dieser saß, oder einer Flasche blauen Weins wenn der Betrunkene auf dem Boden lag. Die Fässer leerten sich unter Begleitung von Trinkliedern oder Faustschlägen; die Idylle vom Morgen hatte sich am Abend in eine Saturnalie verwandelt, und damit sie vollständig wurde, fand man bei den zum Ball herbeigekommenen Bauernmädchen die Sitten, die Sprache, die choregraphischen Haltungen der Barrièrennymphen wieder, welche sie sich, mit einem Assimilationstalent das ihrem Verstand und der Geschmeidigkeit ihrer Taille die größte Ehre machte, in weniger als zwei Monaten angeeignet hatten.

Diese gründliche Umwälzung der alten Varenne hatte auf Franz Guichard die Wirkung hervorgebracht die man natürlich von ihr erwarten mußte; es gibt ein Alter wo die zu ihrer Reife gelangten Ideen sich gegen jede Aenderung sträuben, und wo man nicht mehr mit Gewohnheiten bricht denen die Zeit ihre Weihe ausgedrückt hat. Vierzig Jahre friedlichen und unangefochtenen Genusses von Wasser und Land hatten für Pechvogel eine Art von Besitzthum begründet worin er eine solche Störung nie erwartet hatte. Er betrachtete daher die neuen Ankömmlinge, so berechtigt auch ihre Ansprüche sein mochten, als Barbaren, als hereinbrechende Fremde, als Feinde, hundertmal schlimmer als einst die Preußen die unter den Mauern von Mainz gegen ihn gefochten hatten.

 

Sein angeborner Haß gegen die Pariser war durch das unartige Benehmen des Herrn Batifol und die Verwüstung seiner theuren Einsiedelei noch gesteigert worden, als er die weiße Mauer des Nachbars sein Gärtchen umschließen sah, als die Maurer, ihrem Brodherrn zu gefallen, sich den Spaß machten die hübsche Weißdornhecke die sich im Frühjahr mit so schönen weißen und rothen Blüthen bedeckte mit Mörtel und Kalt zu bewerfen. Huberte mußte sich dem Alten zu Füßen werfen, damit er sich nicht thätlich an den Arbeitern vergriff die ihre Herausforderungen mit Spöttereien begleiteten.

Die Folge davon war daß seine neue Veränderung in dem Character des Fischers vorging. Von diesem Tag an verschwand seine Melancholie, um einer Wuth Platz zu machen welche die ganze Woche hindurch still und verschlossen blieb, d. h. so lange das neue Dorf gleich einem Prachtmöbel unter seinen Ueberzügen vergraben und verdeckt, so lange die Thüren und Läden an jedem Hause verschlossen, die Gärten stumm und verödet waren, kurz so lange Varenne noch eine Ähnlichkeit mit Pompeji oder Herculanum darbot; dagegen ließ diese Wuth keine Gelegenheit unbenutzt um sich in tobsüchtigen Ausrufungen und heftigen Drohungen zu ergießen, wenn der Samstagabend die wöchentliche Bevölkerung zurückführte und in diesen Leichnam von Ziegeln und Bausteinen wieder Leben brachte, wenn an jedem Fenster ein Licht funkelte, wenn die Kahne den Lauf der Marne in allen Richtungen durchfurchten, wenn endlich Geschrei aller Art, Gesänge, sowie das Getön von Klapphörnern, Geigen und Klarinetten die Echos des Hügels von Chennevière wachriefen. Dieser Zorn hatte eine Gewalt welche weder die kindliche Zärtlichkeit noch die freundliche Heiterkeit Hubertens besessen; er zwang den Großvater das Land der Schatten zu verlassen um in die Wirklichkeit zurückzukehren; er entfernte von seinen Gedanken die theuern Todten; bei denen er so gerne lebte; kurz er grub ihn so zu sagen aus, und in Folge einer natürlichen Erscheinung gab er ihm seine Kräfte und seine Jugend wieder. Von der Leidenschaft gepeitscht, begann sein Blut sich blau in dem Netz seiner Adern zu zeichnen, seinem braunen Teint einen wärmern Ton zu geben und sich in seinen Adern durch Blitze zu offenbaren.

Im Uebrigen waren die Gewohnheiten und Arbeiten Pechvogels und der Blonden sich gleich geblieben. So lange die Sonne am Horizonte stand, blieben sie auf dem Fluß, wo fünf oder sechs Wochentage lang die auf dem Land vorgenommene Revolution noch nicht sichtbar war. Wenn während dieser Zeit irgend ein Neugieriger, ein Liebhaber, kurz irgend ein lästiger Kerl – und für Franz Guichard waren Neugierige und Liebhaber nichts Anderes als lästige aufdringliche Menschen – sich der Fähre des alten Fischers näherte, so stellte dieser seine Arbeit ein und wartete, bevor er sie wieder aufnahm, bis der Fremde sich entfernt hatte. Sein Mißtrauen als Wasserwilderer hatte sich bis ins Absurde gesteigert: man hatte ihm seine Ruhe gestohlen, man hatte die Erinnerungen die sein ganzes Leben waren mit Füßen getreten, und in seinem misanthropischen Aerger hatte er sich zuletzt eingebildet, jeder Mensch der ihm begegne sei sein Feind und wolle ihm seine Geheimnisse, d. h. die Plätze wo er seine Netze aufspannte, bloß ablauschen um ihm seine Fische zu stehlen.

Am Sonntag blieb er daher unabänderlich in seinem Hause eingeschlossen; vergebens flehte die Blonde deren Character keineswegs die düstere Misanthropie ihres Großvaters angenommen hatte, aufgereizt durch die fröhliche Musik die bis zu ihr drang, er Alte möchte ihr erlauben sich auf eine Rasenbank unter den hohen Pappeln zu setzen die ihre Zweige über die Hütte ausbreiteten: Franz Guichard gestattete es niemals, und eines Tages als sie mit einer Aufmerksamkeit die nicht ohne Gemüthsbewegung war, durch das Fenster hindurch einem Contretanz zugesehen den einige junge Leute am Ufer aufführten, sagte er ihr die einzigen etwas harten Worte die er ihr in seinem Leben gegeben hatte.

Pechvogel fürchtete diese Panduren für seine Tochter noch mehr als er sie für feine Fische fürchtete. Es versteht sich von selbst daß Franz Guichard die architektonischen Wunder die zwei Schritte von ihm aufgeführt wurden nie der geringsten Aufmerksamkeit würdigte.

Herr Batifol war, das müssen wir sagen, äußerst empfindlich über die Verachtung seines Nachbars, und diese Verachtung trug nicht wenig dazu bei seinen Aerger gegen denselben zu verbittern. Wie alle Glückspilze die plötzlich und unverhofft zu ihrem Vermögen gekommen sind, war er selbst über seinen Reichthum noch mehr erstaunt als irgend ein anderer. Wenn er seine plattgedachte Villa, seine Balcone mit gebogenen Ziegeln betrachtete, so fragte er sich ob es denn möglich sei daß es ihm wirklich als volles Eigenthum angehöre. Er streichelte seine grauen Tapeten mit Goldfädchen und seine mit Zizen überzogenen Möbel mit der bewunderungsvollen Zärtlichkeit welche eine Mutter der Frucht ihres Leibes widmet. Er beäugelte sich in seinem Werk, wie ein Zierbengel in seinem Spiegel. Er begriff kaum wie man vor seinem Hause das er sein Monument nannte vorübergehen konnte ohne seinen Hut abzuziehen.

Ganz besonders war im Innern dieses Palastes ein Speisesaal worin der Maler die Muster aller entdeckten und noch zu entdeckenden Holz- und Marmorarten verschwendet hatte, und den er als die Säulen des Hercules im Reiche des Schönen betrachtete. Er ließ daher bei jedem Wochenbesuch die Fenster desselben offen um ihn der öffentlichen Bewunderung preiszugeben, und wenn der alte Fischer seine Mütze bis über die Augen hereingezogen, dann vorbeiging ohne sich nur darnach umzuschauen, so empfand Attila Batifol ganz denselben Zorn den sein greiser Nachbar bei jedem neuen Baustein der in den Boden gesetzt wurde verschlucken mußte.

Aber Herr Batifol hatte gegen Pechvogel einen andern vielleicht noch stärkern Beschwerdegrund als diese Gleichgültigkeit die er in Bezug auf sein Haus zur Schau trug. Dieß war der Handwerksneid. Der Ciselirer hatte sich allmählig an der Angel verfangen die er für die Bewohner der Marne bestimmte. Was Anfangs nur eine Zerstreuung für ihn gewesen, war eine Manie geworden, und diese Manie hatte zuletzt die Höhe der Leidenschaft erreicht, ohne Zweifel weil sie unglücklich war.

Und wirklich hatte Herr Batifol es vergebens mit allen Instrumenten versucht. Sein Mißgeschick im Fischfang war auf zwei Meilen in die Runde sprichwörtlich geworden; selbst die unbedeutendsten Gründlinge, die geringfügigsten Weißfische schlugen unverschämt und unbestraft mit ihren Schwänzen an den Köder woran er sie zu fangen glaubte. Diese offenkundige Unterlegenheit erbitterte Batifol und hatte nicht wenig dazu beigetragen daß er den erfahrungsreichen Fischer, dessen Heldenthaten die Fama noch vergrößerte, aufs Korn nahm.

Gleichwohl schien Herr Batifol, nachdem er seiner übeln Laune eine Zeitlang ihren Lauf gelassen, auf einmal mildere Saiten ausziehen zu wollen.

Mehrere male suchte er, ohne sich durch die Grobheiten abschrecken zu lassen womit sein Entgegenkommen gewöhnlich erwidert wurde, ein gleichgültiges Gespräch mit dem alten Fischer über Regen, über schönes Wetter, über sein Mißgeschick auf dem Wasser, über die Hoffnungen und endlich über die Wirklichkeiten des Fischfanges einzuleiten, zugleich aber geberdete er sich ungemein freundlich gegen Huberte.

Anfangs hatte er sich, wenn er sie auf der Schwelle ihres Häuschens erscheinen sah, damit begnügt daß er seine ungleichen Augen telegraphisch schweifen ließ, um seine Bewunderung für die hübsche Nachbarin sowie die verliebte Sympathie auszudrücken die er ihr widmete. Das Lächeln das seine Anlockungen auf die kirschrothen Lippen der Blonden riefen, machte Herrn Batifol kühn. Die Dummheit geht stets Hand in Hand mit ihrer Schwester, der Eitelkeit.

Herr Batifol, der feine Bewerbungen angenommen glaubte, richtete feinen gekrümmten Rückgrat in die Höhe, steckte sein spiziges Kinn tiefer in die Cravate, neigte wohlgefällig seinen Kopf hin und her und fuhr vergnügter als je mit der Hand über seine Möbel. Eines Tags endlich, als die Blonde ausging um die Geschäfte des kleinen Haushalts zu besorgen, folgte er ihr und redete sie an. Was er sagen konnte, erräth man ohne daß man es zu wiederholen brauchte; aber was wir nicht mit Stillschweigen übergehen können, ist die Thatsache daß die Gefühle welche Herr Batifol ausdrückte so grell gegen sein eigenes Gesicht und seine Paviansfigur abstachen, daß die Blonde ein Gelächter aufschlug woran sie beinahe erstickte.

Mit der Unklugheit der Jugend konnte sie sich das Vergnügen das der galante Ciselirer ihr verschaffte nicht versagen. Man darf der Blonden diese kurze Verirrung nicht verübeln, denn seit Herr Batifol sich in den Kopf gesetzt an Ufern der Marne eine Stadt zu gründen, waren dieß die einzigen heitern Augenblicke welche die Enkelin des Fischers gekannt hatte.

Aber die Heiterkeit des jungen Mädchens, die Herr Batifol für eine Aufmunterung nahm, hatte zur Folge daß er sich beinahe gerade hielt, die Mütze schief aufs Ohr setzte, die Arme schlenkerte und ein Vaudevilleliedchen trällerte wenn er spazieren ging.

Es war klar daß er unternehmend werden sollte.

Eines Abends war Huberte ausgegangen. Obschon man sich in der schönsten Frühlingszeit befand, war doch der Tag kalt und feucht gewesen, und Pechvogel, der vom frühen Morgen bis in die späte Nacht auf der Marne geblieben, trocknete sein Wams an einem Feuer von Strauchwerk das er gesammelt hatte; eine am Herd hängende Lampe beschien die rauchigen Wände des Zimmers so schwach, daß man die Möbel, die Geräthschaften und die beiden Betten mit den grünen Sarschebaldachinen nur dann zu erkennen vermochte, wenn das Feuer irgend ein trockenes an den Zweigen gebliebenes Blatt ergriff und im Herd aufflammte.

Der Alte, der beide Hände über dem Herd liegen hatte, schien träumerisch und war es auch in der That, als auf einmal ein Getöse von hastigen Tritten die von außen kamen ihn aufschauen machte. In demselben Augenblicke meinte er einen erstickten Schrei zu hören und darin die Stimme seiner Enkelin zu erkennen.

Offenbar war Huberte irgend ein Unfall zugestoßen.

Den Alten überfuhr es eiskalt. Er sprang mit solcher Hast auf, daß er den Schemel worauf er saß umwarf, und lief nach der Thüre. Aber kaum hatte er zwei Schritte gethan als die Thüre sich öffnete und Huberte eintrat.

Sie schien sehr aufgeregt; augenscheinlich hatte sie sich vor Angst außer Athem gelaufen. Einmal im Zimmer, stieß sie den Riegel der Thüre mit einer eigenthümlichen Lebhaftigkeit vor und warf sich ihrem Großvater in die Arme.

– Was hast Du, Blonde?. . . Was ist geschehen? . . . Was hat man Dir gethan? sagte der Alte mit der ganzen Angst die diese ungewohnte Pantomime bei ihm hervorrief.

Dann aber schien ihm plötzlich ein Licht aufzugehen, und ohne die Antwort des jungen Mädchens abzuwarten, gleich als hätte er geahnt daß sie einem Schimpf ausgesetzt gewesen sei, rannte er mit jugendlicher Lebhaftigkeit ans Ufer hinaus.

Das Ufer war verlassen; der Wind pfiff und warf die Wogen des Flusses empor, die im Schatten flimmerten, während die bewegliche Silhouette der Bäume sich bog und wieder emporrichten.

– Ach kommt doch ins Haus zurück, Großvater! sagte Huberte, die dem Greise gefolgt war und ihn sanft am Kittel zapfte; was wollt Ihr in dieser Stunde und bei einem solchem Wetter da außen suchen?

– Ha, wenn ich den Kerl finde den ich suche! murmelte der Fischer, indem er mit drohender Miene die düstere Masse des Batifolschen Hauses betrachtete, bis zu welchem er vorangegangen war. Wenn ich ihn finde, so zerreiße ich ihn, so wahr der heilige Franciscus mein Schutzpatron ist. Siehst du, diese Hand da – und er zeigte seine linke Hand – genügt um den Hund zu zermalmen.

Dann fuhr er mit gesteigerter Stimme fort:

– Aber wo verbirgt er sich denn, der Elende? Sprich, sagte er rasch, indem er sich gegen seine Enkelin wandte, warum hast Du so eben geschrieen? Warum bist Du ganz angstvoll heimgekommen?

Huberte zögerte, Franz Guichard, welchen die Verlegenheit des Mädchens in seinem Argwohn bestärkte, näherte sich der Batifolschen Hausthüre und erschütterte sie mit einem so furchtbaren Faustschlag, daß das junge Mädchen plötzlich den Muth zu lügen fand, der ihr bisher gefehlt hatte.

– Vater, sagte sie, ich habe mir in meiner Dummheit selbst Angst gemacht.

– Angst? . . . Du Angst?. . . Du, die du ganze Nächte zu meinen Füßen im Boote geschlafen hast.?

– Ei warum hätte ich denn sonst Angst haben sollen, da Niemand auf der Straße ist?

– Ach ja, ja, ich seh es wohl daß Niemand da ist; der Schlingel ist heimgegangen und hat sich hinter seinen vier Wänden verkrochen. Ha! aber ich werde ihn schon aus seinem Dachsbau herauszubringen wissen, und wenn ich das Haus Stein für Stein einreißen müßte.

 

– Aber es sind ja eben so wenig Bewohner in dem Hause als Leute auf der Straße sind; man sieht an keinem Fenster ein Licht.

– Schon gut. Als wir vor kaum einer Stunde nach Haus kamen, glänzten alle diese Fenster wie St. Johannisfeuer.

– Das ist möglich, aber seit einer Stunde wird Herr Batifol nach Paris zurückgereist sein.

Dann schien sie sich zu schämen daß sie auf die Unterstellung des Alten einging, und fügte hinzu:

– Aber was könnt Ihr denn denken, Großvater?

Pechvogels Antwort bestand darin daß er einen Stein suchte um damit Batifols Thüre einzuschlagen.

Diese Demonstration erschreckte Huberten.

– Großvater, rief sie, Großvater, was macht Ihr? Ich schwöre Euch. . .

Der Greis schaute das Mädchen an.

Huberte hielt inne.

Nun wohl, Blonde, sagte er, ich warte darauf daß Du mir sagst was Du mir schwören willst.

Und die Sanftmuth mit der er diese Worte aussprach, contrastirte seltsam mit der Heftigkeit auf welche sie folgte.

Das Mädchen schlug die Augen nieder und blieb stumm.

Pechvogel schüttelte den Kopf und ließ seinen Stein fallen.

Dann nahm er Huberte bei der Hand und zog sie in die Hütte, nachdem er gegen das Haus Batifols, wie wenn die Steine und Ziegel ihn hätten hören und gleich dem Schilfrohr des Königs Midas die Worte nachsprechen können, gerufen hatte.

– Du sollst beim Warten nichts verlieren, Halunke!