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Der Pechvogel

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VI.
Attila

—–

Der Fremde welcher die graphischen Verrichtungen der beiden Maurer leitete, war ein Mann von Fünfunddreißig bis vierzig Jahren. Sein Anzug verkündete den Stadtherrn und zugleich den Arbeiter. Sein Rock mit bauschigen Aermeln und steifem, bis über den Hinterkopf hinaufstehendem Kragen hatte sein Datum wie eine Medaille: dieses Datum ging auf volle fünfzehn Jahre zurück. Gleichwohl war er – nemlich der Rock – auch so frisch und glänzend, als wäre er erst gestern aus den Händen des Kleiderkünstlers hervorgegangen. Zwei stark ausgesprochene Falten zwischen den beiden Schultern erklärten diese außerordentliche Erhaltung, indem sie bewiesen daß dieses Kleidungsstück nur selten auf dem Rücken seines Eigenthümers erschien, und daß es den größeren Theil seiner Existenz sorgfältig eingehüllt und geschützt gegen die Unbilden des Staubes in einem Schrank zugebracht hatte.

Die Beinkleider dagegen verkündeten ausgezeichnete Dienste. Sie waren grau oder aschblond gewesen; sodann hatte man sie schwarz gefärbt, und jetzt gab der Gebrauch ihnen ihre Urfarbe zurück, indem er sie bis zur Fadenscheinigkeit abschabte. Allerdings gab er ihnen auf die eine Art zurück was er auf die andere genommen hatte. An den Hüften, den Knieen, kurz an allen Orten wo die Hände auflegen, waren große Platten dicht beschmiert, und auf diesem Schmeer hatten der Staub der Werkstätten und das Feilicht der Metalle einen Ueberzug abgesetzt, der sich damit gänzlich vermengte, gewisse Theile so glanzhell machte wie die Schabrake eines Husarenpferdes und ihnen noch überdieß die Zähigkeit von Leder verlieh.

Dieser Mann war von mittlerem Wuchs und vollsaftig ohne dick zu sein. Bei ihm herrschte das Lymphensystem vor und trieb das Fleisch auf. Man sah ihm die Leere unter seiner Haut an. Sein Gesicht glich einer halb mit Luft angefüllten, da und dort gerunzelten Blase, hatte auch diese gelblichen und erdfahlen Farben. Es hielt schwer einen Gedanken in seinen Augen zu überraschen, wovon das eine starr und wie gläsern war, das andere aber unaufhörlich mit schwindelnder Schnelligkeit blinzelte. Seine eingekniffene Lippe, sowie seine Gewohnheit beständig hineinzubeißen, verkündete eine Schlauheit die beinahe unaufhörlich mit den geringfügigsten Einzelheiten des Lebens im Kampfe lag. Seine Haltung war gemein, und seine Schultern rundeten sich, wie man dieß bei Leuten findet deren Wirbelbeine lange Jahre hindurch über einen Schraubstock hingebeugt sind.

Dieser Bursche hieß Attila Unité Quartidi Batifol, ein klarer Beweis daß er mitten in geboren, und daß sein Vater einer der feurigsten Anhänger des revolutionären Kalenders gewesen war.

Wie wir gleich Anfangs aus seinem Costüme geschlossen, gehörte er vermöge seiner Profession dem Herrn- und dem Arbeiterstande zugleich an. In der Innung der Bronzeciselirer nahm er die Stellung eines Faconmachers ein.

Der Faconmacher ist der Unternehmer welchem der Fabricant einen Theil der Arbeiten anvertraut die dieser gegen eine gewisse Summe auf eigene Gefahr ausführen läßt.

Attila Batifol (der Faconmacher hatte seit langer Zeit auf seine andern Vornamen verzichtet) war von Haus aus zänkisch, neidisch, tückisch und lügnerisch, wie man einäugig, hinkend, säbelbeinig oder buckelig auf die Welt kommt.

Die Erziehung die er empfangen hatte konnte keine der ungesunden Hervorragungen seines Gehirns hineinzwängen oder verschwinden machen. Schon mit zehn Jahren war er Lehrling in einer Bronzewerkstatt, und hier wurde er von seinem Meister sowie von den älteren Arbeitern schlecht genug behandelt um aus diesen Widerwärtigkeiten seiner Jugend einen tiefen Haß gegen Seinesgleichen zu schöpfen.

Mit zwölf Jahren dachte der kleine Batifol bereits an die Zukunft, und, was noch weit seltsamen ist, die Zukunft hatte für diesen jungen Träumer weder rubinengeschmückte Mitren, noch dickquastige Epauletten, noch funkelnde Gespanne, noch Ordensbänder; es war eine prosaische, spießbürgerliche Zukunft, so wie die frühreifen Phantasien sie selten sich vorstellen. Die Zukunft bestand für ihn darin daß er mit der Zeit ebenfalls Principal zu werden, Andern das empfangene Böse mit Wucher heimzugeben und zu gleicher Zeit auch Genüsse zu kosten hoffte nach denen seine dicke Lippe eine starke Lüsternheit in Aussicht stellte.

Batifol hatte sich nicht so bald seine Gedanken gemacht, so ging er auch schon ans Werk und beschäftigte sich damit diese Zukunft auf den zuverläßigsten aller Grundlagen, Ordnung und Sparsamkeit, sicher zu stellen. Er scharrte aufs Gewissenhafteste die groben Soustücke zusammen die er als Trinkgelder erhielt, er vertraute sie einem alten Strumpfe an, versteckte den alten Strumpf in einen Strohsack und versenkte sich in der Betrachtung seiner Schätze, die einzige Befriedigung die er von ihnen anzusprechen sich erlaubte.

Batifol besaß noch mehr Ordnungssinn als Sparsamkeit.

Er ließ Nichts ungenutzt. Der Metallstaub der Werkstatt gehört den Lehrlingen, welche ihn jeden Monat zu ihrem eigenen Vortheil verkaufen.

Da nun Batifol drei Cameraden hatte, so fiel der Antheil für den Einzelnen gering aus; er dachte also darauf den seinigen zu vergrößern und fegte mit einem Eifer welcher die Hausfrau in Erstaunen setzte und ihm ihre Sympathien erwarb. Sicherlich jedoch wäre die Gute weniger enthusiastisch gewesen, wenn sie erfahren hätte daß dieser Liebhaber der Sauberkeit nie anders als seine Taschen voll mit den schwersten Abfällen die Werkstatt verließ.

Er speculirte auf die gebratenen Erdbirnen die er den Gesellen zum Frühstück holen mußte. Aus zehn Tuten verstand er es zwölf zu machen, so daß er seinen Schatz um zwei Saus vermehrte und überdieß sein Frühstück unentgeltlich hatte.

Als er Geselle wurde, trank er zwar nach Herzenslust aus dem Brunnen, gönnte sich aber in Bezug auf Nahrung nur das Allernothwendigste um nicht zu verhungern; natürlich gestattete er sich niemals eine jener kleinen wöchentlichen Orgien welche die Arbeiter eine noce nennen, und deren die besten unter ihnen zuweilen bedürfen um neue Kräfte zu sammeln. Ebenso mied er die Gesangvereine die damals sehr im Schwung waren; die Fluthen Weins welche dort aus purer Begeisterung für Desaugiers und Beranger strömten, erfüllten ihn mit Entsetzen, wenn er bedachte was sie kosten mußten. Am allerwenigsten. betheiligte er sich bei politischen Gesellschaften; die Märtyrersrolle sagte seinen positiven Neigungen nicht zu.

Er lebte demüthig, freudlos, mürrisch, einsam dahin, füllte seinen Strumpf bis zum Bersten, ließ seine Matratze hervorstehen als läge sie über Alpenhügeln, und schlief auf seinen Pfirsichkernen, oder vielmehr Kupfer- und Silberstücken, so selig als wäre sein Strohsack mit Eiderdunen gefüllt, was, mit gütiger Erlaubniß des Herrn Guatimozin, den Rosen weitaus vorzuziehen ist.

Er genoß allerdings in der Erwartung; er labte sich zum Voraus an der Zukunft welche er sich bereitete. Im Uebrigen war ihm seine Sparsamkeit wohl bekommen; die Natur ist weit billiger als es scheint: sie stellt in der Regel eine sehr weise Ausgleichung zwischen unsern Vorzügen und Mängeln her; die Anhäufungen von Tugenden sind selten; die Leute von Geschmack und Talent haben gewöhnlich einen Ueberfluß von Lebenssaft, der sie verhindert einen allzu bedeutenden materiellen Nutzen aus diesen Vortheilen zu ziehen; sie hatte dieselben klüglich Batifol verweigert, der hundert Procent aus ihnen herausgeschunden hätte.

Wie es nun kommen mochte, mit fünfundzwanzig Jahren besaß er zehntausend Franken, und nun dachte er daß es Zeit sei den ersten Grund zu seinem künftigen Vermögen zu legen. Aber seine Capitalien schienen ihm für sein Unternehmen nicht auszureichen und das Warten begann ihm lang zu erscheinen.

Sein damaliger Patron hatte von einem Cameraden sehr wichtige politische Papiere, die nicht blos seinen Freund, sondern auch den gefälligen Hehler blosstellen konnten, zur Aufbewahrung erhalten. Diese Papiere waren in einem alten Koffer über seinem Secretär verborgen; er hatte ihn mit Feilspänen und Kupferabfällen aufgefüllt.

Eines Tags, während die Arbeiter beschäftigt waren, drang die Polizei in die Werkstatt; sie verlor ihre Zeit nicht mit unnützen Haussuchungen, sondern ging geradewegs auf den Koffer zu, schüttelte seinen Inhalt auf den Boden aus, ließ die Feilspäne liegen und nahm die Papiere; dann führte sie den unvorsichtigen Ciselirer mit sich fort, der sich auf solche Art in die Verschwörung des Generals Berton, von welchem er nie ein Wort gehört hatte, verwickelt sah und zu dreijährigem Gefängniß verurtheilt wurde.

Um mit diesem unvorsichtigen Freund fertig zu werden, wollen wir sogleich sagen daß seine Gesundheit dem Freiheitsverlust und Kummer nicht widerstand, und daß er nach Verfluß von achtzehn Monaten in der Force starb.

Die Polizeiagenten hatten sich kaum entfernt, als Batifol, während seine Cameraden über das Geschehene plauderten, kaltblütig die Feilspäne und Kupfertrümmer in den Koffer zurücklegte, der das ihm anvertraute Geheimnis so schlecht bewahrt hatte. Batifol war außer Stands seinen Gewohnheiten untreu zu werden.

Die Arbeiter des eingesperrten Ciselirers warfen, so groß auch das Mißtrauen sein mag das sie gewöhnlich kennzeichnet, auf Niemand einen Verdacht daß er den armen Teufel verrathen habe. Gleichwohl überraschte einer von ihnen, der heller sah als die andern, einige zärtliche Blicke die zwischen der Principalin und Batifol ausgetauscht wurden; auch bemerkte er daß Attila, seit der Entfernung des Gemahls, Principalshaltungen annahm die ihm eigenthümlich erschienen.

Aber er war so häßlich, er schien so wenig geschaffen einer Frau auch nur das mindeste Gefühl einzuflößen das Aehnlichkeit mit Liebe hatte, daß kein einziger von denen welchen der hellblickende Arbeiter seine Vermuthungen mittheilte daran glauben wollte.

Die Zukunft übernahm es ihm Recht zu geben.

 

Drei Monate nach dem Tod des armen Gefangenen war das Aufgebot der Wittwe und ihres Arbeiters in der Mairie des neunten Bezirks angeschlagen.

Man schwatzte viel im Stadtviertel. Einige wollten in der Sache ein ebenso geschicktes als ruchloses Complot erblicken womit der abscheuliche Batifol seinen ehemaligen Herrn eingesponnen, und als Liebhaber der Frau habe er sich des Mannes entledigt. Batifol spottete aller Nachreden. Ohne einen Sou auszugeben, wurde er Eigenthümer einer ansehnlichen Fabrik, und die Freude über diesen unverhofften Erfolg verdrängte alle unangenehmen Gedanken.

Die Reue ist eines jener starken und mächtigen Gefühle die sich nur bei großen Seelen entwickeln. Die Batifolschen Eheleute empfanden Nichts von dieser Art. Wenn sie einen Kummer hatten, so bestand er darin daß der Verstorbene seine Zeit nicht besser angewandt, ihnen keinen bedeutenderen Wohlstand hinterlassen hatte, aber das war auch Alles. Für einen kleinen Thaler hätten sie über seiner Asche einen Galopp getanzt.

Damit ist deutlich genug gesagt daß Frau Batifol für ihren neuen Mann wie geschaffen war. Als Batifol das Ziel all seiner geheimen Wünsche erreicht hatte, ließ er seine Maske der Demuth und mitleidigen Ergebung fallen, vermehrte die Ziffer seiner Geschäfte um ein Bedeutendes und rächte sich bei jeder Gelegenheit an denjenigen die ihn bisher mißhandelt hatten, jetzt aber durch Zufall oder Noth unter seine Botmäßigkeit gerathen waren. Wir sagen Noth, denn nach einiger Zeit galt das Haus Batifol als eine Galeere, wohin sich nur Leute verleiten ließen die der Hunger zwang auf ihren verfluchten Bänken zu rudern; aber der Hunger ist ein furchtbarer Bundesgenosse, und wer mit ihm eine Allianz schließt, kann und muß zu seinem Ziele gelangen.

Er lieh denjenigen die bedürftig waren Geld: in einem alten Rauchfaß das in einer Ecke der Werkstatt stand legte er eine kleine Summe nieder; wer Etwas brauchte, der holte es dort und schrieb seinen Namen auf eine daneben festgenagelte Schiefertafel. Nie quälte Herr Batifol seine Beute um die Heimbezahlung dieser Vorschüsse; aber freilich machte er täglich einen Strich hinter den betreffenden Namen, und dieser Strich bedeutete daß der Schuldner täglich für jeden Franken den er bekommen einen weiteren Sou als Zins zu bezahlen hatte.

Das hieß den Hirsch mit Haut und Haar auffressen.

Während Attila Batifol nach besten Kräften seinen Nebenmenschen niederdrückte, erlaubte er sich selbst noch immer kein Vergnügen; die Stunde schien ihm noch nicht gekommen um diesen zweiten Theil seines Programms zu halten. Um die in seiner Kindheit gehegten Pläne zu Lebenslust und Freude auszuführen, wollte er warten bis sein Vermögen vollkommen festgestellt und gegen jene Anfälle gesichert wäre vor welchen man sich in der Handelswelt selbst bei der größten Umsicht nicht zu wahren vermag. Der Geiz der sich in Batifols Seele tief eingefressen, würde ihm diesen Entschluß leicht gemacht haben, selbst wenn er Leidenschaften zu überwinden gehabt hätte; aber Batifol hatte keine Leidenschaften, sondern blos flüchtige Launen.

Da indeß die Gesellschaft seiner Frau zu Hause am Sonntag keine genügende Zerstreuung war, so erlaubte er sich nach reiflichen Erwägungen zuletzt die Angelfischerei, eine Erholung die den doppelten Vortheil hatte, daß sie ihn für einige Stunden von seiner Hälfte trennte und ein wohlfeiles Vergnügen ist, welches immer mehr einzudringen verspricht als es kostet.

Die Angelfischerei war es die ihn nach Varenne geführt hatte, und während er hier seine Angeln anköderte und seine Gründlinge herauszog, hatte er bemerkt wie die bevölkerte Vorstadt von Paris sich mit entschiedener Vorliebe dieser Richtung zukehrte.

Seit geraumer Zeit, als der zwanzigste Theil des jetzigen Paris noch aus leeren Bauplätzen bestand, hatte dieser interessirte Speculant eine Ahnung gefaßt daß es hier dereinst Millionen mit Grund und Boden zu verdienen geben würde; aber seine Auvergnatenklugheit erlaubte ihm nicht Besitzungen aufzukaufen die möglicher Weise noch lange Zeit nichts eintragen konnten.

Wenn dieser Knauser nicht Manns genug war sich in eine so große Operation hineinzuwerfen, so besaß er doch Eigenliebe genug um an seine Idee nicht gänzlich zu verzichten; nur lavirte er.

Statt sich bei der Madeleine, hinter der Rue de la Chaussee d'Antin, den Faubourgs Poissonnière und Saint-Denis anzukaufen, ließ er sich einige tausend Meter Grund und Boden in Varenne zuschreiben.

Zwar ließ sich nur ein unbedeutender Vortheil hoffen, aber dafür wagte er auch wenig. Diejenigen denen er, wie nun der Mensch einmal das Bedürfniß nach Beistimmung und Aufmunterung empfindet, sein Plänchen anvertraute, verspotteten und verhöhnten ihn dermaßen, daß Batifol sich von ihren Gründen überzeugen ließ, der Hoffnung auf stoßen Gewinn entsagte und sich zuletzt sehr glücklich schätzte wenn ihm vom Verkauf seiner Güter der freie Besitz eines Landhauses übrig blieb.

Kaum hatte er sich diese ländliche Prämie als Ziel vorgesteckt, so umfaßte er sein Werk mit der Hartnäckigkeit die wir bereits an ihm gesehen haben: er verbrachte seine Zeit in Paris damit daß er den Plan zu seiner künftigen Wohnung mit Kreide auf seinen Werktisch zeichnete; er schuf in seiner Einbildungskraft Gärten mit Obst- und Gemüsegarten wovon man bei Chevet Nichts wußte, und daneben arbeitete er wirksamer auf die Ausführung seines Wunsches los. Er besuchte die Cafes und hielt vier Stunden lang am Abend, mittelst einer einzigen, bescheidenen Ausgabe die er sich erlaubte, eine ewige Abhandlung über die Zauber von Varenne und Saint-Maux; er glaubte diesen Orten sehr wenig Ehre zu erweisen wenn er sie mit dem irdischen Paradies verglich, und er versicherte dreist daß die von der Maine umschlossene Halbinsel der Schauplatz des Fehltrittes unserer Stammmutter gewesen sei.

Dieses System, verbunden mit systematischen Anzeigen in etlichen Journalen, hatte einen außerordentlichen Erfolg. In weniger als sechs Monaten war Batifol den Grund und Boden los dessen Besitz ihn ein wenig erschreckt hatte; es blieben ihm noch etwa zehntausend Franken Gewinn und überdieß fünfzehnhundert Meter am Ufer.

Als der letzte Vertrag unterzeichnet war, führte der Ciselirer schon am folgenden Tag Arbeiter an Ort und Stelle und begann die Grundlagen seiner künftigen Wohnung festzustellen. Seine Pläne und Zeichnungen sollten sich endlich in Bau- und Ziegelsteinen verkörpern. Batifol hatte noch überdieß alle möglichen andern Gründe um sich zu beeilen.

Er sah den Augenblick herankommen wo er endlich seinen Entwürfen freien Aufschwung gestatten durfte, und da Madame Batifol, in demselben Maß wie die Villeggiaturneigungen sich bei ihrem Gemahl entwickeltem immer deutlicher ihren Widerwillen kund gab, so versprach dieses Haus dem emancipirten Ciselirer nur um so mehr Reiz.

Batifol hatte mehrere Male den alten Pechvogel über das Wasser fahren gesehen; mehrere Male hatte er ihn auch angeredet, ohne daß der Fischer ihm einen Vorwand gestattete die Unterhaltung zu verlängern. Diese Einsilbigkeit, die sich leicht als Verachtung auslegen ließ, hatte Batifol, den fünfzehn Jahre fortwährenden Glückes zu einem kleinen Wütherich umgeschaffen, so bald es sich um seine Wünsche handelte, schwer beleidigt.

Als Huberte, mit ihrem Bund von Netzen, den ihre weißen runden Arme aufrecht hielten, auf dem Kopfe aus der Hütte trat, erkannte Batifol das junge, Mädchen, das der alte Fischer begleitete. Aber zum ersten Mal und kraft seiner neuen Stellung erlaubte er sich zu bemerken daß sie schön war. Er biß sich in die Lippen, so daß das Blut hervorsprang; sein lebendiges Auge beschleunigte seine schwingende Bewegung, sein erschlafftes Auge schleuderte einen Funken, und mit dem Ende des Maßstabes den er in feiner Hand hielt berührte er leicht das Genick des jungen Mädchens.

Huberte drehte sich um, und beim Anblick dieser seltsamen Physiognomie, dieser blinzelnden Wimper, während das andere Auge gleich einem zinnernen Ventilator in Wirthshausfenstern beständig umherrollte, warf sie einen Spottrefrain in den Wind und begleitete ihn mit einem lauten Gelächter.

Aber Pechvogel, der einige Schritte von seiner Enkelin entfernt war, konnte diese vermeintliche Beschimpfung nicht ertragen: er riß dem Fabrikanten seinen Maßstab aus der Hand, zerbrach ihn in tausend Stücke und warf ihm die Trümmer vor die Füße.

Herrn Batifols erste Regung war gewesen daß er sich diesem Vandalismus, wofür er es ansah, zu widersetzen suchte; als die Trümmer seines Geräthes zu seinen Füßen niederfielen, hob er sie auf, sah im Nu daß das Unheil ein für allemal geschehen war, und rief mit einem schrecklichen Fluch:

– Ihr habt meinen Maßstab zerbrochen, Ihr werdet mir dafür bezahlen, hört Ihr?

– Ich habe Eueren Maßstab zerbrochen weil er unverschämt war, und so alt ich bin, so werde ich Euch selbst ganz ebenso behandeln, wenn Ihr fortfaret.

– Ach, laßt es doch, Großvater, sagte Huberte dazwischentretend. Ihr müßt solche Dummheiten nicht beachten. Unverschämt! er möchte es allerdings sein, aber er ist viel zu häßlich; sein Aussehen verbietet es ihm; er gibt uns zu lachen wie ein Affe, und das ist Alles. Kommt doch, Großvater, und laßt ihn seine Grimassen an seine Maurer schneiden.

– Ja, Du hast Recht, Blonde, Du hast wohl gethan mich zurückzuhalten, denn sonst hätte ich ein Unglück angerichtet. Hat diese Lumpenhunde von Parisern.

Dieser letzte Ausruf drang ans Ohr des Herrn Batifol.

– Ihr seid Alle dieselben! rief er; ihr schimpfet über diejenigen denen ihr eueren Lebensunterhalt verdanken ihr Hundepack! Aber wir wollen schon sehen, und zum guten Anfang sollst Du, da Du Dich so trotzig anstellst, mir jetzt antworten. Du wohnst da drinnen?

– Ja, und was weiter? sagte Franz Guichard mit herausfordernder Miene.

– Nun, Du wirft die Gefälligkeit haben binnen vierundzwanzig Stunden dieses Fenster da zu vermauern, das auf mein Eigenthum sieht ohne die gesetzlichen Bedingungen einzuhalten. Verstehst Du das?

– Nun wohl, versuchet's einmal es nur zu berühren! erwiderte Pechvogel, indem er mit drohender Geberde sein Ruder schwang; rühret mein Fenster nur einmal an!

– Ich werde es nicht anrühren, sondern der Gerichtsbote den ich Dir morgen schicken werde, und der Dich ganz gewiß dazu bestimmen wird.

Seit seinem letzten Abenteuer war der alte Fischer in Bezug aus Alles was mit der Justiz zusammenhing sehr ängstlich geworden; er widerstand der Blonden, die ihn fortzuziehen suchte.

– Mein Fenster berühren! erwiderte er; ha! ich werde den Richtern sagen warum Ihr wünschet daß ich es schließen soll. Darum weil ich von dort auf den Fluß abwärts übersehe, und weil Ihr, so lange ich Euch im Auge behalte, unmöglich die Geräthschaften und Fische des armen Mannes stehlen könnt, wie Ihr es im Brauche habt, Ihr Taugenichtse von Parisern! Nein, nein, die Justiz ist zu gerecht, um mich dazu zu zwingen; seid unbesorgt.

– Gleichwohl ist er in seinem Recht, Vater Pechvogel, sagte einer der Maurer der näher getreten war; laßt es nicht auf einen Proceß ankommen, Ihr würdet verlieren.

– In seinem Recht! Wer gibt ihm das Recht einem armen Christenmenschen Luft und Licht wegzuschnappen, wer gibt ihm das Recht mir das zu rauben was der liebe Gott uns schenkt?

– Das ist noch nicht Alles, sagte Attila Batifol mit einer Stimme welcher der Zorn etwas Vibrirendes gab; gehört dieser Birnbaum da Dir? Wohl! da sind Zweige die auf meinen Boden hereinhängen. Nieder mit den Zweigen! Ich werde eine Mauer dahin bauen! Ich denke mirs wohl daß Du zu lumpig bist um auf halbpart mit mir anzustehen. Laß Dirs ja nicht einfallen eine Nelke in meine Mauer zu pflanzen, eine Winde hinüberlaufen zu lassen, einen Pflock daran anzulehnen; sonst gibt es Processe, verstehst Du mich? Ich werde Dich aufs Schärfste beobachten, lieber Nachbar, hörst Du? und wenn Du Dir den geringsten Eingriff in meine Rechte erlaubst, so sollst Du Dein Häuschen, Dein Schiff, all Dein Hab und Gut einbrocken müssen! Vergiß meine Drohung nicht. Und ihr – fügte er gegen die Arbeiter hinzu – sputet euch: ich möchte das Haus gerne bald dastehen sehen, um diesem Manne da mein Versprechen halten zu können. Vorwärts, vorwärts, an die Arbeit; auch ihr seid weiter Nichts als Landfaullenzer; ich will euch zeigen wie ihr euch abschinden müßt. Munter daraus los, schaffet mir das weg.

Der Fabrikant entfernte sich. Pechvogel blieb einige Augenblicke stumm, unbeweglich, wie vorn Blitze getroffen, stehen.

Er konnte sich nicht darein ergeben daß er seinen Fluß, wie er ihn nannte, in fremder Gewalt sehen sollte: aber jetzt stand es noch schlimmer. Unter all den Uebeln welche die Erscheinung der Pariser in Varenne ihm in Aussicht stellte, hatte er niemals an dasjenige gedacht das aus einer solchen Nachbarschaft für ihn entstehen mußte. Er hatte niemals daran gedacht daß ein Haus sich neben dem seinigen aufpflanzen, daß man von ihm die Aufopferung der Weißdornhecke verlangen könnte die im Frühling so liebliche Wohlgerüche gab und im Sommer einen grünen Rahmen um das Gütchen bildete, einen Rahmen voll von Vögeln, lustigen Musikanten deren Concert die ganze Umgegend erheiterte, während der Alte und seine Enkelin im Schatten des Laubwerks saßen und ihre Netze flickten.

 

Alle Wunden seiner Seele öffneten sich und bluteten von Neuem; er weinte und fühlte sich so muthlos, daß er ins Haus zurückgehen und für heute auf die Arbeit verzichten wollte.

Huberte, welche einsah daß die Zerstreuung dem Alten nothwendiger war als je, wußte ihn zu einer Fahrt auf dem Flusse zu bestimmen, aber was sie auch beginnen mochte, weder mit ihren lustigsten Liedern, noch mit den seltsamsten Grimassen wodurch sie die confiscirte Physiognomie ihres künftigen Nachbars nachzubilden versuchte, wollte es ihr gelingen das Gesicht ihres Großvaters zu entrunzeln.