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Der Pastor von Ashbourn

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– Hier bin ich, sagte ich zu ihr, hier bin ich.

Und ich folgte ihr. O! mein Gott, warum nennt man diese Religion die reformirte Religion! Die Klöster der Katholiken sind weniger streng! Man schließt sich wenigstens in sie ein, um zu lieben.

Die Kälte zwischen einer Mutter und einer Tochter ist schlimmer als der Haß zwischen Fremden!

Ich weiß nicht, wie ich auf die Straße kam; ich fühlte nur die Thür, die mich hinausschob, und die sich hinter mir verschloß.

O verfluchtes Leichenhaus! Ist es möglich, daß eine Mutter Dir für fünfzehn Pfund Sterling jährlich ihre Tochter bei lebendigem Leibe überliefert?

Ich kehrte in mein Zimmer zurück, indem ich mir sagte:

– Unglückliche! kannst Du nicht Dienst als Magd nehmen, um Deine Tochter aus diesem Grabe zu retten?

III.
Was eine Frau leiden kann. Manuscript der Selbstmörderin. (Fortsetzung.)

– Ach! vergebens erkundigte ich mich, vergebens suchte ich, ich fand nichts.

Vierzehn Tage verflossen seit dieser Zusammenkunft, die so schmerzlich gewesen war, daß ich lieber mein Kind nicht wieder sah, als sie so zu sehen. Auch sie begriff das, denn sie bat mich in den beiden Briefen, die ich seitdem von ihr erhielt, nicht, sie zu besuchen. Man bemerkte wohl, daß diese Briefe die Censur der Madame Wells passirt hatten.

Eine Mutter, – war das glaublich, – eine Mutter stellte sich zwischen die Liebe einer Mutter und ihrer Tochter!

In jedem ihrer Briefe sagte sie mir, daß sie sich besser befände. Aber um an diese Versicherung zu glauben, hätten diese Briefe selbst lebendig sein müssen, während sie nur wahre Leichen von Briefen waren. Weit davon entfernt, mich zu beruhigen, betrübten sie mich daher nur. Wie jene Irrlichter, die man auf den Gräbern tanzen sieht, und von denen man fühlt, daß sie keine Flammen des Lebens, sondern Ausströmungen des Todes sind, schienen diese Briefe aus einer anderen, Welt auf diese herabzusteigen.

Drei Wochen verflossen, dann ein Monat, während dessen ich noch zwei andere Briefe erhielt, deren letzter schon seit zwei Tagen da war. ohne daß ich ihn aufgebrochen hatte. Wozu auch? . . .

Eines Morgens trat ein Unbekannter in mein Zimmer, als ich eben den Brief meines Kindes in der Hand hielt und im Begriffe war. ihn aufzubrechen. Ich sah die letzte Zeile durch den Umschlag; es mußte die sein, welche alle anderen Briefe schloß: Adieu, meine Mutter; ich befinde mich immer besser und bin sehr glücklich bei Herrn und Madame Wells.

Ein Unbekannter trat ein. wie ich gesagt habe.

– Sie sind die Mutter der Mademoiselle Elisabeth? sagte er.

– Ja, mein Herr.

– Von Mademoiselle Elisabeth, welche in Milfort in dem Hause Wells und Compagnie wohnt? fragte er.

– Ja, mein Herr, wiederholte ich ihm. Kommen Sie im Namen meiner Tochter?

– Nein, Madame, aber ich komme, um mit Ihnen über sie zu sprechen.

– O! mein Gott! rief ich erbleichend aus. sollte sie kränker sein?

Er antwortete nicht, sondern blickte um sich, wie um zu sehen, wie die Mittel des Hauses wären, in das er eintrat. Alles war mitten in der Armuth so sauber gehalten, daß man an einen gewissen Wohlstand glauben konnte.

– Madame, sagte endlich der Unbekannte, ich bin Arzt in Milfort.

– O! mein Herr, sagte ich bebend und indem ich ihm näher trat, was führt Sie her?

– Die Menschlichkeit, Madame.

– Setzen Sie sich, mein Herr,.und sprechen Sie gefälligst.

– Madame, ich bin zu Herrn Wells berufen worden. . .

– Wegen Elisabeth?

– Nein, Madame. . . wegen einer der Demoiselles Wells, welche von den Blattern befallen war.

– O! mein Gott! und meine arme Elisabeth ist von dieser schrecklichen Krankheit angesteckt?

– Nein, Madame. . . aber indem ich in das Haus kam. habe ich Gelegenheit gehabt, Ihre Tochter zu sehen. . .

– Nun? mein Herr.

– Ich glaube nicht, daß die Luft von Milfort gut für sie ist.

– Ach! mein Herr, flüsterte ich. glücklich sind die, welche die Lust wählen können, die sie einathmen! Wir gehören nicht zu diesen!

– Indessen, Madame, sagte der Arzt, wenn diese Luft Ihrer Mademoiselle Tochter unheilbringend sein sollte, würden Sie nicht geneigt sein, irgend ein Opfer zu bringen?

– Welches Opfer? rief ich aus; o! wenn es sein muß, das meines Lebens!

– Sie scheinen im Wohlstande zu sein, bemerkte der Arzt.

Ich glaubte, daß, wenn ich ihm unsere Armuth eingestände , er vielleicht nicht so frei sprechen würde. Ich wollte indessen nicht lügen.

– Sprechen Sie, wie als ob wir reich wären, mein Herr.

– Nun gut! wenn Sie reich wären, Madame, fuhr er fort, so erlauben Sie.mir, Ihnen zu sagen, daß Sie großes Unrecht thäten, ein Kind von so schwacher Gesundheit wie dies es ist, sich zehn Stunden täglich über ihre Handlungsbücher bücken zu lassen. Eine gute Gesundheit würde dabei unterliegen, und die seinige ist weit davon entfernt, gut zu sein.

– Sie halten also mein armes Kind für sehr krank, mein Herr, nicht wahr?

– Das sage ich nicht, Madame; ich sage, daß das Eingeschlossen sein und die Beschwerde der Arbeit sie erschöpft und auch im Freien die Seeluft ihr schadet; sie hätte eine weit mildere Luft, den Süden Frankreichs oder Italiens nöthig.

– Der Süden von Frankreich oder Italien würde sie also herstellen können, mein Gott!

– Vielleicht, wenigstens würden sie die Verschlimmerung des Nebels verhindern: wenn Sie mir daher folgen wollen, so nehmen Sie alle Ihre Mittel zusammen . . .

– Alle unsere Mittel, mein Herr! rief ich verzweifelt aus; aber alle unsere Mittel belaufen sich nicht auf drei Guineen.

– O! unglückliche Frau! rief er nun auch aus, was habe ich gesagt? was habe ich gethan?

– Ihre Pflicht, mein Herr. . . Sie, den Mann der Wissenschaft, geht es nichts an, ob der Kranke arm oder reich ist! Sie deuten an, was er thun muß, das ist Alles. – Also ein warmes Land, der Süden von Frankreich oder Italien, sonst ist meine Tochter verloren?

– Das sage ich nicht. . . Wenn sie nur hierher kommen könnte. . . die Luft dieses zwischen zwei Bergen eingeschlossenen Thales ist nicht so schlecht. Dann ist die Pflege einer Mutter, welche ihre Tochter liebt, oft bereits etwas Mächtiges in den Augen des Herrn.

– O! diese Pflege, mein Herr, wird ihr nicht fehlen, müßte ich auch um Almosen bitten! Wer würde sich denn übrigens weigern, mir zu helfen, wenn ich die Hand ausstrecken und sagen werde: »Haben Sie Mitleiden, es ist eine Mutter, die für ihre Tochter bittet?«

– Gut! sagte der Arzt, ich sehe, daß ich es gut getroffen habe, und mich an ein zartes und zugleich starkes Herz wende. Ich werde Ihnen nach meinen Kräften durch meine Behandlung, meine Besuche, meinen Rath beistehen, Madame; aber. . . Ihre Tochter muß hierher zurückkehren, und je früher, desto besser wäre es.

– O! rief ich aus, ich verlange nichts Anderes, mein Herr, auf der Stelle, augenblicklich . . . Wenn Sie wüßten, wie dieser Befehl meinen Wünschen entspricht, und wie übereinstimmend Ihr Wille mit meinem Herzen ist! Aber werden Herr und Madame Wells sie mir zurückgeben?

– Das ist meine Sache. . . nur erschrecken Sie nicht über das, was ich denselben sagen werde, um sie zu bestimmen, ihren Vertrag mit Mademoiselle Elisabeth aufzuheben, und wachen Sie vor Allem darüber, daß ihr die Gefahr, welche sie lauft, durchaus unbekannt bleibt.

– Das wird um so leichter sein, sagte ich zu ihm, als ich glaube, daß sie dieselbe nicht ahnet.

Ich brach den Brief auf. den ich in der Hand hielt, als der Arzt eingetreten war, und indem ich das Ende las, sagte ich zu ihm:

– Sehen Sie! sie schreibt: Adieu, meine Mutter; ich befinde mich immer besser, und ich bin sehr glücklich bei Herrn und Madame Wells.

– Ja. flüsterte der Arzt, diese Täuschung ist ein großer Segen, den Gott den Unglücklichen verleiht, die er mit dieser Krankheit heimsucht; seine allbarmherzige Hand ist selbst sanft gegen die, welche sie tödtet!

– Welche sie tödtet! wiederholte ich, Sie geben also mein Kind auf. mein Herr?

– Unsere Pflicht ist. niemals zu verzweifeln, Madame. . . Wann wollen Sie, daß Ihr Kind hierher zurückkehrt?

– Ei, noch heute, wenn es möglich ist. . . Nach dem, was Sie mir sagen, ist kein Augenblick zu verlieren.

– Heute ist es unmöglich; für morgen wäre es noch schwierig; übermorgen geht es vielleicht.

– Uebermorgen? rief ich aus. das dauert noch sehr lange!

– Und wann rechneten Sie denn darauf, sie zu sehen?

– Sie haben Recht; das Herz ist inconsequent, und besonders das Herz einer Mutter: es fühlt, aber es überlegt nicht. – Wie soll sie jetzt von Milfort zurückkehren?

– Wie ist sie hingereist?

– Ich habe sie selbst hingeführt. – Ach! armes, theures Kind, ich wollte sie so spät als möglich verlassen; – sie saß auf einem Esel und ich ging neben ihr her, aber sie hatte einen Theil des Weges zu Fuß zurückgelegt.

– Sie war damals noch stark?

– O! mein Gott! sie ist also seit zwei Monaten so geschwächt?

– Ich behaupte nichts; ich stelle diese Frage mir selbst.

– Ich werde hingehen, sie holen, unterstützen, in meinen Armen zurücktragen, wenn es nöthig ist.

– Es sei. Finden Sie sich übermorgen um zwei Uhr Mittags an den Ersten Häusern der Stadt ein; ich werde Ihnen Ihre Tochter übergeben, und es wird dann an an Ihnen sein, über sie zu wachen.

– Ach! mein Herr, rief ich aus, wer hat Ihnen denn diese Theilnahme für uns einflößen können?

Meine Pflicht als Arzt, Madame. Ihr Kind war verirrt, verloren, aus dem Kreise verstoßen, in welchem sie bis dahin gelebt hatte, und in welchem sie vielleicht noch leben kann; sei es nun Zufall, oder sei es die Vorsehung, ich bin «ihr auf meinen Wegen begegnet und führe sie zu ihrer Sphäre zurück. Lassen Sie sie, wenn Sie können, die beiden bei Herrn Wells zugebrachten Monate vergessen; – zwei Monate ohne Wärme, ohne Sonne! – das muß schwer für eine so schwache und so zarte Pflanze sein!

 

– Mit dem Beistande des Herrn und dem Ihrigen, mein Herr, werde ich thun, was ich vermag.

– Wohlan denn, seien Sie übermorgen um zwei Uhr an den ersten Häusern von Milfort.

Und er entfernte sich.

Ich war anfangs bestürzt. Die Thür hatte sich hinter ihm wieder verschlossen; ich befand mich wieder wie vorher mit dem Briefe meiner Tochter in der Hand, allein.

– War wirklich Jemand eingetreten, oder hatte ich nur eine jener traurigen Erscheinungen gehabt, welche das Unglück prophezeihen? Keine Spur war von diesem Manne zurückgeblieben; nur eine Stimme klang noch in meinem Ohre, eine eigenthümliche Bangigkeit bewegte mein Herz, aber ich muß gestehen, im Grunde genommen durchbebte mich ein freudiges Gefühl.

Ich sollte meine Tochter wiedersehen, sie nach meinem Gefallen umarmen und an mein Herz drücken können, ohne dabei diese lange und dürre Gestalt der Kammerjungfer vor mir zu sehen und sagen zu hören: »Mademoiselle, haben Sie Acht! Mademoiselle, nehmen Sie sich in Acht!«

Von diesem Augenblicke an war ich daher auch nur noch mit Elisabeth beschäftigt. Alles, was sie in dem Haust an Gegenständen zurückgelassen hatte, die ihr gehörten, wurde wieder an seinen alten Platz gebracht, und am Morgen des Tages, an welchem sie zurückkehren sollte, war Alles für sie bereit; man hätte sagen können, daß sie so eben erst das Zimmer verlassen hätte, in welches sie zurückkehren sollte.

Lange vor der Zeit machte ich mich auf den Weg und setzte mich auf dem Rande der Straße an den Fuß des Gebüsches, die Augen auf die Ecke geheftet, an welcher sie erscheinen sollte.

Endlich schlug es zwei Uhr und ich stand auf. Um zwei Uhr und einige Minuten erschien sie. Vergebens hatte mir der Arzt Ruhe, nicht für mich, sondern für sie anempfohlen: als ich sie sah, vergaß ich es; ich eilte mit offenen Armen auf mein Kind zu, drückte sie an mein Herz, hob sie auf, zog sie von dem Esel auf den Boden, damit sie mir näher wäre, und suchte mit meinen Lippen ihren Mund, ihre Augen und ihre Stirn.

Ihr Mund keuchte, ihre Augen waren geschlossen, ihre Stirn feucht. Mein Gott! ihr armes Herz hatte die Gluth des meinigen nicht ertragen können; ohne ein Wort zu sagen, ohne eine Klage auszustoßen, war sie ohnmächtig geworden. Wie bei der Hinreise, als sie hatte gehen wollen, lastete sie auf meinem Arm; das war das einzige Zeichen, an welchem ich bemerkte, daß das Leben sie für den Augenblick verlassen hatte.

– Das fürchtete ich. flüsterte der Arzt, aber das mußte sich ereignen. . . Nehmen Sie sich in Acht, sie aus einer zu kalten in eine zu glühende Temperatur übergehen zu lassen! Vor der Strenge des Herrn Wells erstarrte sie, die Gluth Ihrer Liebe wird sie verzehren.

Ich trug mein Kind an den Fuß des Gebüsches, setzte mich und legte sie auf meinen Schooß. Der Arzt zog ein Fläschchen aus seiner Tasche und ließ sie daran riechen.

Es entstand ein kurzer Kampf in dieser schwächlichen Organisation; man hätte sagen können, daß sie bereits die Hälfte des Weges zum Tode zurückgelegt hätte, und daß sie zögerte, zurückzukehren.

Was mich beruhigte, aber den Arzt im Gegentheile zu beunruhigen schien, war das auf den Backenknochen zusammengezogene Roth ihrer Wangen, das nicht erblich, und vielleicht sogar noch feuriger geworden war.

Endlich bebten ihre Lippen; sie stieß einen Seufzer aus, erhob ihren Kopf, ließ ihn wieder zurückfallen und flüsterte einige Worte, unter welchen ich meinen Namen zu erkennen glaubte.

– O! ja, mein Kind, rief ich aus, hier bin ich! Wo Du auch sein mögest, rufe mich immer, und wo Du sein wirst, werde ich hingehen, wäre es auch in das Grab!

– Still! sagte der Arzt; sie fängt an, Sie zu verstehen.

Sie schlug in der That die Augen auf und ließ sie einen Augenblick lang auf den Wolken des Himmels umherirren, in denen sie Gott zu suchen schien, der vielleicht während dieses Schlummers des Lebens mit ihr gesprochen hatte; dann richtete sie sie wieder aus die Erde, erblickte mich, lächelte, erhob ihre beiden Arme, schlang sie um meinen Hals, und indem sie sanft ihr Gesicht dem meinigen näherte, flüsterte sie:

– Meine Mutter! meine gute Mutter!

Die Thränen drangen aus meinen Augen, wie damals, wo sie diese Worte zum ersten Male als kleines, auf dem mit Gänseblümchen bedeckten Rasen wankendes Kind deutlich ausgesprochen hatte.

– O! meine Elisabeth! rief ich mit einer Art von Wuth aus. mein theures Kind, meine geliebte Tochter, Du bist es also. . . Du bist also da!

Und es schien mir in der That, als ob ich nach einem schweren Kampfe gegen eine boshafte Macht endlich mein Kind wieder erobert hätte.

Der Arzt legte sich in’s Mittel.

– Ruhig! sagte er, hier ist sie, ich habe sie Ihnen zurückgegeben. . . Vergessen Sie jetzt nicht, daß jede Gemüthsbewegung ihr verderblich ist; behandeln Sie sie wie eine jener schönen Lilien, welche weder zu viel Kälte, noch zu viel Wärme ertragen können. Jedes Uebermaß ist ihr gefährlich, selbst das Uebermaß Ihrer Liebe.

Aber ich hörte ihn kaum. Elisabeth war gänzlich wie^ der zu sich gekommen, sie sah mich, sie lebte, sie sprach. Sie sagte mir mit Blick und Stimme Alles, was sie seit zwei Monaten gelitten hatte, und ich hörte ihr voll Entzücken zu.

Welche unaussprechliche Musik die Stimme eines Kindes für das Ohr einer Mutter ist!

– Der Arzt drückte mir ein Papier in die Hand; es war die Verordnung in Betreff der Lebensweise, die er mir für sie empfahl; und um uns anzudeuten, daß es Zeit sei, uns auf den Weg zu begeben, ergriff er den Esel bei dem Zügel und führte ihn zu uns, nahm dann ein Geldstück aus seiner Tasche und gab es dem kleinen Knaben, der damit beauftragt war, das Thier nach Milfort zurückzuführen.

Dann machte er mir mit der Hand ein Zeichen des Abschiedes und der Anempfehlung und entfernte sich.

Sah Elisabeth, was sich um sie her zugetragen hatte, oder sah sie es nicht?– Bemerkte sie, daß der Doctor nicht mehr bei uns war? Ich weiß es nicht. Es schien mir, als ob das arme Kind nur noch die Kraft hätte, eine einzige Empfindung auf einmal aufzufassen, und diese Kraft hatte sie anfangs dazu verwandt, wieder zur Besinnung zu kommen und an mich zu denken; zu leben und mich zu lieben war Alles, was sie zu thun vermochte; außer diesen beiden Beschäftigungen schien sie nichts zu sehen und nichts zu hören.

Ich setzte sie wieder auf ihren Esel, und wir begaben uns auf den Weg, ohne daß sie mich fragte, ob sich nicht eine dritte Person bei uns befunden hätte, und was aus dieser geworden sei.

Freilich hatte sie eine Art von Fieber befallen; das einen Augenblick lang in ihrem ganzen Körper erloschene Empfindungsvermögen erfüllte sie jetzt in Strömen; jede Fiber ihres Körpers erbebte wie die Saiten einer Harfe zu den Stunden, welche dem Gewitter vorausgehen. Man hätte sagen können, daß sie zu viel lebte, nachdem sie nicht genug gelebt hatte!

In diesem Augenblicke sprach sie rasch und fieberhaft; sie erzählte mir ihr schmerzliches Leben bei Herrn Wells, – schmerzlich für sie, weil sie durch ihre Natur und ihre Erziehung bestimmt war, mit dem Leben und der Liebe in Berührung zu bleiben; denn sich über eine einzige Person des Hauses zu beklagen, war ihr unmöglich! – aber sie hatte mit Geschöpfen aus einer anderen Welt gelebt; als beseeltes und lebendes Wesen war sie plötzlich in ein von Eisstatuen bewohntes Haus von Schnee gerathen.

Und obgleich etwas Beunruhigendes in dieser raschen, ungestümen, zuweilen heiseren Sprache lag, so ließ ich mich doch dadurch beruhigen und fragte mich: Aber warum sagte denn der Arzt, daß sie so schwach sei? Wenn ich so viel spräche, wie sie es seit einer Stunde thut, so wäre ich vor Erschöpfung todt! O! nein, sie ist jung, sie ist stark; sie wird leben.

Wir kamen in Waston an. An den ersten Häusern des Dorfes wollte sie ungeduldig absteigen; man hätte glauben können, daß sie flüchtete nicht früh genug anzukommen. Sie hatte Eile, sich wieder in diesem armseligen Zimmer zu befinden, das keinen anderen Horizont als die Mauern eines Friedhofes, keine andere Aussicht als Gräber hatte.

Ich versuchte, sie zu langsamem Gehen zu bringen, aber es war unmöglich.

– Langsam gehen, sagte sie, und warum? Glaubst Du denn, daß ich krank bin? Ich habe mich im Gegentheile niemals so wohl befunden; ich fühle mich kräftig, es scheint mir, als ob ich Flügel, und um gen Himmel aufzusteigen, nur nöthig hätte, es zu wollen.

Leider! ja, das arme Kind hatte die Flügel des Fiebers, Flammenflügel, welche den Körper verbrennen, den sie tragen. Und sie beschleunigte in der That den Schritt, indem sie vorausging, mir mit der Hand winkte und sagte:

– Komm, komm doch, meine Mutter!

Ich folgte ihr, aber besorgt, mehr als besorgt, erschreckt. Diese Kraft, welche sie unterstützte, hatte etwas Geheimnißvolles, dieses Leben, welches sie beseelte, etwas Phantastisches. Ich glaubte einen vor mir hingleitenden Schatten zu sehen, und nicht einen von der gewöhnlichen menschlichen Lebenskraft erfüllten Körper. Mein Gott! war sie bereits gestorben , und war ich anstatt durch den Tod durch irgend einen noch mächtigern Zauber mit ihrem Schatten vereinigt?

Ich war fast dazu gelangt, die Rückkehr jener Schwäche zu wünschen, die mir so viel Schrecken verursacht hatte.

Ich sollte auf eine grausame Weise erhört werden!

Als sie auf der Schwelle der Thür ankam, an dieser Schwelle, auf welcher sie als kleines Kind ihren Vater und mich so oft stehen gesehen hatte, kniete sie nieder, senkte den Kopf, und drückte ihre Lippen auf die feuchte Erde. Dann stand sie auf und sagte:

– Zum Friedhof! zum Friedhof! laß uns geschwind auf den Friedhof gehen, meine Mutter!

Sie eilte, als ob sie fürchtete, nicht mehr dahin gelangen zu können.

Ich folgte ihr. wie ich es seit einigen Augenblicken that, denn ich verstand, daß sie das Grab ihres Vaters begrüßen wollte, dieses Grab, das sie sonst täglich besuchte, und auf welches sie die schönsten Rosenstöcke gepflanzt hatte. Ach! in meiner Sorge für mein Kind, die Augen beständig auf Milfort gerichtet, hatte ich dieses Grabmahl vernachlässigt und fast vergessen.

Sie ging durch die kleine Gasse, welche das Pfarrhaus von dem Friedhofe trennt, eine schmale, feuchte Gasse, mit Mauern voller Moos, – ein wahrer Uebergang vom Leben zum Tode. Hierauf stieß sie die hölzerne Thür auf, und eilte in das hohe Gras, wie in grüne, durch die Hügel der Gräber gebildete Wellen.

Sie war ganz weiß gekleidet, und obgleich es am hellen Tage war, vermochte ich dennoch ein Gefühl von Furcht nicht zu überwinden, das sie mir wie einen Schatten darstellte.

Sie ging gerade nach dem mit einem kleinen Gitter von schwarzem Holz umgebenen Grabe ihres Vaters, neben dem ein Platz für mich vorbehalten war. Zwischen unsern beiden Ruhestätten befand sich ein Zwischenraum, in welchem das Kind, wie es mehr als einmal gesagt hatte, um sich nicht von uns zu trennen, für die Ewigkeit schlafen wollte, wenn die Reihe an sie gekommen wäre.

Sie stieg über das Gitter, als ob sie wirklich Flügel gehabt hätte, oder vielmehr als ob für ihren luftigen Körper keine Hindernisse vorhanden wären. Dann kniete sie nieder und verrichtete ihr Gebet.

Ein einziger Rosenstock war durch meine Vernachlässigung übrig geblieben, und auf diesem eine einzige weiße Rose. Diese pflückte sie nach Beendigung ihres Gebetes mit dem fieberhaften Eifer, den sie bisher gezeigt, aber indem sie dieselbe an ihre Lippen und an ihr Herz drückte, stieß sie einen schmerzlichen, kurzen, schneidenden Schrei aus, wie man ihn ausstoßen muß, wenn man im Herzen getroffen ist.

Ich stürzte auf sie zu. . . Sie lag ohnmächtig gerade zwischen dem Grabe, in welchem ihr Vater schlief, und dem, in welchem ich ruhen sollte; sie lag gerade auf der Stelle, welche sie für sich ausgewählt hatte.

Ohnmächtig! ich begriff es; bei einer Natur, wie die meines armen Kindes, konnte nur eine Ohnmacht einer solchen Ueberspannung folgen.

Aber sie hatte einen Schrei ausgestoßen. Warum dieser Schrei? Ich neigte mich über sie, um sie zu untersuchen und fand an der linken Seite einen kleinen Blutfleck, denn während sie die Grabesrose an ihr Herz drückte, hatte ein langer Dorn sie in die Brust gestochen, und es war ohne Zweifel der Schmerz des Stiches, der ihr diesen Schrei ausgepreßt hatte.

Ich nahm mein Kind, welches die Rose fest in seine Hand gedrückt hielt, in meine Arme und trug es fort.

Als ich zurückkehrte, fand ich an der Thür, welche auf die Gasse führte, die beiden Kinder des Pastors, welche uns gefolgt waren. Alles gesehen hatten, was sich zugetragen, und uns vorausgeeilt waren, um ihrem Vater und ihrer Mutter dies zu erzählen.

 

Die Eltern sahen uns vorübergehen, ebenso die Kinder, aber hinter einer Thür halb versteckt und lachend. Weder die Einen, noch die Anderen boten mir ihren Beistand an; nur hörte ich die Frau zu ihrem Gatten sagen:

– War es wohl der Mühe werth, sie von dem Friedhofe zurückzutragen?