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Der Graf von Moret

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X.
Auch Du, Baradas?

Als Ludwig XIII. aus seinem Oratorium zurückkam, fand er L'Angely mit dem Kopfe auf beiden gekreuzten Armen auf der Tischplatte ruhend und schlafend, oder sich stellend, als ob er schliefe.

Er betrachtete ihn einen Augenblick mit tiefer Melancholie und dieser beschränkte und egoistische Geist, der gleichwohl von Zeit zu Zeit durch instinktmäßige Blitze des Wahren und des Gerechten erleuchtet wurde, was durch seine schlechte Erziehung nicht ganz unterdrückt worden war, fühlte sich ergriffen von innigem Mitleid für diesen Gefährten seiner Traurigkeit, der sich ihm gewidmet hatte, nicht um ihn zu erheitern, wie die anderen Narren die Könige, seine Vorgänger, erheitert hatten, sondern um mit ihm alle die Kreise der monotonen Hölle mit dem dunklen Himmel zu durchlaufen, welche man die Langweile nennt.

Er erinnerte sich an das Anerbieten, welches er ihm gemacht hatte, dem aber L'Angely mit seiner gewöhnliches Sorglosigkeit ausgewichen war, ohne es zurückzuweisen; er erinnerte sich ebenso der Uneigennützigkeit und der Geduld, mit welcher L'Angely, jeden Eigensinn seiner üblen Launen ertrug; er erinnerte sich an des Narren unselbstsüchtige Ergebenheit, mitten unter den ehrgeizigen Ergebenheiten der Andern, und dann zog er ein Schreibzeug zu sich heran, unterzeichnete eine Anweisung auf 3000 Pistolen und schob sie ihm, ohne dass er es merkte, in die Tasche des Rockes. Darauf kehrte er in sein Schlafzimmer zurück, ließ sich eine Stunde lang auf der Laute vorspielen, rief endlich Beringhen, der ihn. zu Bette brachte, und schickte nach Baradas, der mit ihm plaudern sollte.

Baradas erschien fröhlich und guter Dinge; er hatte soeben seine 30 00 Pistolen vielleicht zum zehnten Male gezählt.

Der König ließ ihn am Fußende des Bettes Platz nehmen und sagte im Tone des Vorwurfes:

»Warum bist Du so fröhlich, Baradas?«

»Ich bin fröhlich, weil ich allen Grund dazu habe.«

»Und welchen?« fragte Ludwig XIII. seufzend.

»Euer Majestät vergessen also, dass Sie mir 3000 Pistolen zum Gescheut gemacht haben?«

»Nein, ich erinnere mich sehr wohl daran.«

»Nun, ich muss Ew. Majestät sagen, dass ich durchaus nicht darauf rechnete.«

»Und warum nicht?«

»Der Mensch denkt und Gott lenkt.«

»Wenn aber der Mensch ein König ist?«

»Dann bleibt Gott noch immer Gott.«

»Nun?«

»Nun, Sire, zu meinem großen Erstaunen wurde mir das Geld augenblicklich ausgezahlt. Teufel, dieser Herr Charpentier ist nach meiner Ansicht ein großer Mann, ein größerer noch, als Herr Lavieuville, welcher, wenn man um Geld bei ihm ansucht, mit der ruhigsten Miene antwortet:

»Ich schwimme, ich schwimme!«

»Du hast also Deine 3000 Pistolen?«

»Ja. Sire.«

»Und bist nun ein reicher Mann?«

»So ziemlich.«

»Was willst Du damit machen? Du wirst sie als schlechter Christ beim Spiele und mit den Weibern ausgeben.«

»O Sire,« sagte Baradas mit heuchlerischer Miene, »Ihr wisst wohl, dass ich niemals spiele,«

»Du hast es mir wenigstens gesagt.«

»Uno was die Weiber betrifft, so kann ich sie nicht ausstehen.«

»So?« sagte erstaunt der König.

»Es ist dies mein ewiger Streit mit dem Schlingel Saint-Simon, dem ich immer das Beispiel Ew. Majestät vorhalte.«

»Siehst Du, Baradas, die Frau ist nur zu dem Verderben unserer Seele geschaffen; die Erste dieses Geschlechts wurde nicht von der Schlange verführt, sondern sie war selbst die Schlange.«

»Das war sehr gut gesagt, Sire, und ich werde es mir in mein Maßbuch schreiben.«,

»Weil wir von der Messe reden; letzten Sonntag hatte ich meinen Blick auf Dich gerichtet, Baradas; Du schienst sehr zerstreut zu sein.«

»Das schien Euer Majestät nur so, weil es der Zufall wollte, dass sich meine Blicke zugleich mit den Eurigen nach Fräulein von Lautrec lenkten.«

Der König biss auf die Schnurrbartspitzen und wechselte den Gegenstand des Gespräches.

»Was wirst Du also mit dem Gelde machen?« fragte er.

»Wenn ich drei- oder viermal so viel hätte, so würde ich fromme Werte tun.« antwortete der Page; »ein Kloster gründen oder eine Capelle errichten; da ich aber über eine beschränkte Summe zu gebieten habe —«

»Baradas, ich bin nicht reich!« sagte der König.

»Ich beklage mich auch nicht, Sire; ich sage nur, da ich bloß über eine beschränkte Summe zu verfügen habe, werde ich die Hälfte derselben meiner Mutter und meinen Schwestern schenken.«

Der König nickte zustimmend mit dem Kopfe.

»Die 1500 Pistolen, die mir übrig bleiben,« fuhr Baradas fort, »werde ich in zwei Hälften teilen; 750 sollen mir dazu dienen, zwei kriegstüchtige Pferde zu kaufen, da ich Ew. Majestät aus dem Feldzuge nach Italien begleiten will, einen Diener zu mieten und zu kleiden, und mir Waffen anzuschaffen.«

»Und was wirst Du mit den übrigen 750 Pistolen tun?«

»Ich werde sie als Taschengeld aufbewahren; glücklicherweise fehlt es nicht an Gelegenheit zu guten Handlungen, und auf allen Wegen trifft man Waisen, die zu unterstützen, und Witwen, die zu trösten sind.«

»Küsse mich, Baradas, küsse mich!« sagte der bis zu Thronen gerührte König; »wende Dein Geld an, wie Du Dir es soeben vorgenommen hast und ich werde dafür sorgen, dass Dein kleiner Schatz sich nicht erschöpft.«

»Sire,« sagte Baradas, »Ihr seid groß, prächtig und weise wie König Salomo, vor welchem Ihr noch den Vorteil voraus habt, nicht, wie er, 300 Frauen zu besitzen, und 800 —«

»Großer Gott,« rief der König, schon bei dem bloßen Gedanken erschreckend, »was sollte ich damit anfangen? So ein Gedanke ist ja Sünde.«

»Ew. Majestät haben Recht,« sagte Baradas. »Soll ich in einem frommen Buche lesen?«

Baradas wusste nämlich, dass dies das beste Mittel sei, den König einzuschläfern; er erhob sich daher und nahm aus einem Schranke »die ewigen Tröstungen« von Gerson, setzte sich wieder an das Bett des Königs und fing mit lauter Stimme zu lesen an.

Bei der dritten Seite schlief der König bereits fest.

Baradas erhob sich auf den Fußspitzen, schlich geräuschlos zur Tür und entfernte sich, um mit Saint-Simon eine unterbrochene Würfelpartie fortzusetzen. Am andern Morgen trat der König um zehn Uhr wieder in jenes grüne Kabinett, in welchem sich ihm seit zwei Tagen so viele Dinge, die er bisher von einem falschen Gesichtspunkte aus betrachtet hatte, in ihrem wahren Lichte zeigten.

Er traf hier Charpentier, welcher ihn erwartete.

Der König war bleich, abgemattet, niedergeschlagen.

Er fragte, ob die Berichte angekommen wären.

Charpentier erwiderte: »Nur Berichte von Souscarières und Lopez, da Pater Josef im Kloster geblieben ist und keinen Bericht geschickt hat.«

»Wer von Beiden ist schon hier?« fragte der König.

»Der Juwelier Lopez ist bereits da, aber um Ew. Majestät Zeit zu lassen, ihn auszufragen und die Briefe des Herrn Kardinals zu lesen, habe ich Herrn von Souscarières erst auf Mittag bestellt.«

»Lasset also Lopez eintreten.«

Einige Minuten später trat der Juwelier ein; er hielt den Hut unter dem Arme und verbeugte sich bis zur Erde.

»Es ist gut, Herr Lopez,« sagte der König; »ich kenne Euch schon sehr lange und Ihr seid mir theuer genug.«

»Wie so das, Sire?«

»Seid Ihr es nicht, bei dem die Königin ihren Schmuck kauft?«

»Ja. Sire.«

»Nun denn, erst vorgestern verlangte die Königin von mir 20,000 Livres zur Vervollständigung einer Perlenschnur, welche sie in Eurem Laden vorgenommen hat.«

Lopez lachte und zeigte eine Doppelreihe weißer, starker Zähne, wie sie nur der maurischen Race eigen sind.

»Warum lacht Ihr?« fragte der König.

»Sire, darf ich sprechen, wie ich zu dem Kardinal zu sprechen pflegte?« so.«

»Nun, es befindet sich in meinem heutigen Berichte ein Artikel, der sich gerade auf diese Perlenschnur, oder vielmehr auf die Folgen derselben, bezieht.«

»Lest mir diesen Artikel vor.«

»Ich stehe zu Befehl, Sire, aber Ihr werdet von dem Geschriebenen nichts verstehen, wenn ich nicht einige vorbereitende Erklärungen darüber gebe.«

»So sprecht.«

»Am 22. des letzten Monats erschienen Ihro Majestät, die Königin, allerdings bei mir unter dem Vorwand, eine Perlenschnur zu vervollständigen,«

»Unter dem Vorwand, sagtet Ihr?«

»Ja, Sir.«

»Was war also der eigentliche Zweck?«

»Ein Zusammentreffen mit dem spanischen Gesandten, Marquis von Mirabel, der zufällig bei mir sein sollte.«

»Zufällig?«

»Ohne Zweifel, Sire: es ist immer zufällig, wenn Ihre Majestät die Königin den Herrn Marquis trifft, der das Verbot erhalten hat, sich außer an den Empfangstagen im Louvre zu zeigen.«

»Ich selbst Hab, auf den Rat des Kardinals dieses Verbot erlassen.«

»Es ist also notwendig, dass Ihre Majestät die Königin, wenn dieselben mit dem Gesandten ihres Bruders, des Königs von Spanien, zu verhandeln haben, mit demselben an einem andern Ort zusammentreffe.«

»Und bei Euch fand diese Zusammenkunft statt?«

»Mit Bewilligung des Herrn Kardinals.«

»Und hatten sie eine lange Unterredung miteinander?«

»Sie wechselten nur einige Worte.«

»Man müsste wissen, welches diese Worte waren.«

»Der Herr Kardinal weiß es schon.«

»Aber ich weiß es noch nicht; der Herr Kardinal ist sehr verschwiegen.«

»Das heißt, er wollte Ew. Majestät nicht unnöthiger Weise beunruhigen.«

Und welches sind diese Worte?«

»Ich kann nur jene wiederholen, Sire, welche von meinem Diamantschneider belauscht wurden.«

»Er versteht also das Spanische?«

»Ich ließ es ihn auf Befehl des Herrn Kardinals lernen. Aber die ganze Welt glaubt, dass er es nicht versteht, und deshalb misstraut ihm Niemand. Folgendes ist das Gespräch zwischen dem Gesandten und der Königin:

»Haben Ew. Majestät,« fragte der Gesandte, »durch die Vermittlung der Mailänder Regierung und die Bemühungen des Grafen von Moret einen Brief Eures erhabenen Bruders erhalten?«

 

»Ja, mein Herr,« antwortete die Königin.

»Dachten Ew. Majestät über den Inhalt nach?«

»Ich tat es bereits und werde noch weiter darüber nachdenken, und Euch meine Antwort sagen lassen.«

»Wie?«

»Durch eine Kiste, angeblich angefüllt mit Stoffen, die aber in Wirklichkeit meine Zwergin Gretchen enthalten wird.«

»Glauben Eure Majestät sich auf dieselbe verlassen zu können?«

»Sie ist ein Geschenk meiner Tante Clara Eugenia welche ganz für das Interesse Spaniens gewonnen ist.«

»Für das Interesse Spaniens?« wiederholte der König. »Also Alles, was mich umgibt, teilt das Interesse meiner Feinde. Und diese Zwergin?«

»Man brachte sie in ihrer Kiste und da sie sehr gut spanisch spricht, sagte sie Herrn von Mirabel, dass die Königin den ihr gegebenen Rat beherzigen und wenn die Gesundheit des Königs sich verschlimmerte, sich keinesfalls überraschen lassen wollte.«

»Dass sie sich nicht überraschen lassen wollte!« wiederholte der König.

»Wir haben den Sinn dieser Worte nicht verstanden, Sire,« sagte Lopez, den Kopf neigend.

»Ich verstehe ihn sehr gut,« brummte der König in den Bart. »Und ließ sie nicht zugleich sagen, dass sie die Summe für die gekauften Perlen schicken würde?«

»Ich bin bereits dafür bezahlt, Sire.«

»Wie. Ihr wäret schon dafür bezahlt?«

»Ja. Sire!«

»Und durch wen?«

»Durch Herrn Particelli.«

»Particelli, den italienischen Bankier?«

»Ja —«

»Aber man sagte mir doch, dass dieser gehängt worden sei?«

»Das ist wahr, aber bevor er starb, hinterließ er sein Bankiergeschäft Herrn d'Emery, einem sehr rechtschaffenen Manne.«

»Man betrog und verriet mich also auf allen Seiten!« – sagte Ludwig XIII. – »und die Königin hat Herrn von Mirabel seitdem nicht wieder gesehen?«

»Die regierende Königin nicht, wohl aber die Königin-Mutter.«

»Meine Mutter? Und wann das?«

»Gestern.«

»Zu welchem Zwecke?«

»Um ihm anzukündigen, dass der Herr Kardinal gestürzt und Herr von Bérulle an seine Stelle getreten sei; dass Monsieur seine Ernennung als Generallieutenant des Feldzuges erhalten habe, und dass der Marquis daher an Philipp IV. berichten könne, der italienische Krieg werde nicht statt haben.«

»Sind dies die eigenen Worte Ihrer Majestät?«

»Ja. Sire.«

»Ich begreife; man wird diese zweite Armee, wie die erste, ohne Geld, ohne Lebensmittel, ohne Kleider verkommen lassen. O, die Elenden, die Elenden!« rief der König, seine Stirne zwischen den Händen pressend. – »Habt Ihr noch etwas zu sagen?«

»Dinge von geringer Wichtigkeit, Sire; Herr Baradas ist heute in mein Haus gekommen.«

»Um Schmuck zu taufen?«

»Erkaufte ein Halsband, ein Armband und Haarnadeln.«

»Für welche Summe?«

»Für 300 Pistolen.«

»Was konnte er mit dem Schmucke wollen?«

»Wahrscheinlich gebrauchte er ihn für eine Geliebte, Sire.«

»Und gestern sagte er mir noch, dass er die Weiber verabscheue! – Was wisst Ihr noch weiter?«

»Das ist Alles, Sire.«

»Fassen wir es also zusammen: Die Königin Anna und Herr von Mirabel – wenn meine Gesundheit schlechter wird, so trifft sie die Einrichtung, nicht überrascht zu werden. – Die Königin-Mutter und Herr von Mirabel— Herr von Mirabel kann an König Philipp IV. berichten, dass, da Herr von Bérulle die Stelle des Kardinals einnimmt und Monsieur Generallieutenant ist, der Feldzug nicht stattfinden wird – endlich Baradas, welcher Armbänder, Halsbänder und Haarnadeln für das Geld tauft, welches ich ihm geschenkt habe. Es ist gut, Herr Lopez; ich habe von Euch sehr viel vernommen. Fahrt fort, mir gut zu dienen, wie Ihr dem Kardinal gut gedient habt, und verliert kein Wort von dem, was bei Euch gesprochen wird.«

»Eure Majestät sehen, dass diese Erinnerung bei mir nicht besonders notwendig ist,«

»Geht, Herr Lopez, geht; ich habe Eile, mit allen diesen Verrätereien ein Ende zu machen. Sagt, man möge mir Herrn Souscarières schicken.«

»Da bin ich, Sire,« sagte eine Stimme, und auf der Schwelle erschien Souscarières. den Hut in der Hand.

»Ah, Ihr habt gehorcht?« sagte der König.

»Nein, Sire; aber mein Eifer für den Dienst Ew. Majestät ist so groß, dass ich erriet. Ew. Majestät wünschten mich zu sprechen.«

»So, so; und habt Ihr mir viel Interessantes mitzuteilen?«

»Mein Bericht datiert bloß von zwei Tagen, Sire.«

»Sagt mir also, was sich in diesen zwei Tagen begeben hat?«

»Vorgestern ließ sich Monsieur, Euer erhabener Bruder, in einer Sänfte zu dem Gesandten des Herzogs von Lothringen und zu dem des Königs von Spanien bringen,«

»Ich weiß, was er dort wollte, Fahrt fort.«

»Gestern um elf Uhr nahmen Ihre Majestät, die Königin-Mutter, ein Sänfte und ließen sich nach dem Laden des Herrn Lopez tragen, wohin sich eine halbe Stunde früher auch der spanische Gesandte hatte bringen lassen.«

»Ich weiß, was die Beiden sich zu sagen hatten. Fahrt fort.«

»Gestern nahm Herr Baradas am Louvre eine Sänfte und ließ sich in das Palais des Kardinals bringen, aus welchem er nach fünf Minuten mit einem schweren Geldsack zurückkam.«

»Ich weiß das.«

»Von der Tür des Herrn Kardinals begab er sich zu Fuß an die Tür des Nachbarhauses.«

»An welche Tür?« fragte lebhaft der König.

»An die Tür, welche zu Marion de Lorme führt.«

»Zu Marion de Lorme? Ist er bei ihr eingetreten?«

»Nein, Sire; er hat bloß an die Tür gepocht, ein Lakai ist erschienen, und Herr Baradas hat ihm einen Brief übergeben.«

»Einen Brief?«

»Ja, Sire. Als der Brief übergeben war, stieg er wieder in die Sänfte und ließ sich in den Louvre zurückbringen. Heute Morgen ist er wieder ausgegangen.«

»Ja; er kaufte bei Lopez Schmucksachen. Wo war er aber dann?«

»Er kehrte in den Louvre zurück, Sire, und mietete eine Sänfte für die ganze folgende Nacht.«

»Habt Ihr mir noch etwas zu sagen?«

»Über wen, Sire?«

»Über Baradas.«

»Nein, Sire!«

»Gut, geht.«

»Aber, Sire, ich hätte noch von Frau von Fargis zu reden.«

»Geht.«

»Von Herrn von Marillac.«

»Geht.«

»Von Monfieur.«

»Was ich weiß, genügt mir. Geht.«

»Von dem verwundeten Stephan Latil, welcher sich zu dem Herrn Kardinal nach Chaillot bringen ließ.«

»Das kümmert mich nicht. Geht.«

»Ich ziehe mich zurück, Sire.«

»Tut das.«

»Kann ich die Hoffnung mit mir nehmen, dass Eure Majestät mit mir zufrieden sind?«

»Nur zu sehr!«

Souscarières grüßte und ging rückwärts aus dem Gemache.

Der König gab sogleich ein Zeichen mit der Glocke. Charpentier eilte herbei.

»Herr Charpentier,« fragte der König, »auf welche Weise rief der Herr Kardinal Marion de Lorme, wenn er mit ihr sprechen wollte?«

»Das war sehr einfach, Sire.«

Und Charpentier drückte an den Knopf in der Wand, wodurch sich die Füllung verschob, zog an der Glockenschnur, die zwischen den beiden Türen befestigt war, und wandte sich dann zu dem König.

»Wenn Marion de Lorme zu Haus ist,« sagte er, »wird sie augenblicklich erscheinen. Soll ich die Tür verschließen?«

»Unnöthig.«

»Wollen Ew. Majestät allein bleiben oder soll ich zugegen sein?«

»Lasset mich allein.«

Charpentier verließ das Zimmer und der König blieb « oll ungeduldiger Erwartung vor dem geheimen Eingange stehen. Nach wenigen Sekunden ließ sich hinter der Tür ein leichter Schritt vernehmen; so leicht er aber auch war, entging er dem Ohre des Königs doch nicht.

»Ah!« sagte er, »endlich werde ich die Wahrheit erfahren!«

Da öffnete sich die Tür und in derselben erschien Marion de Lorme, im vollen Glanz der Schönheit ihrer achtzehn Jahre strahlend. Sie trug ein Kleid von weißer Seide und eine einfache Perlenschnur um den Hals; ein Wald schwarzer Locken fiel auf ihre weißen Schultern hernieder.

Ludwig XIII. trat geblendet einen Schritt zurück. Obgleich er für Frauenschönheit nicht sehr empfänglich war. Marion trat ein und machte eine Verbeugung, an welcher sowohl die Achtung vor dem Könige als auch die Koketterie ihren Teil hatten; ihre Augen waren zu Boden gesenkt wie wie die einer Pensionärin,

»Mein König, vor dem zu erscheinen ich nie gehofft hatte, erweist mir die Ehre, mich rufen zu lassen?«

Der König stammelte ohne Zusammenhang einige Worte, welche Marion Zeit ließen, sich an ihrem Triumphe zu weiden.

»Unmöglich!« sagte der König, »Unmöglich! Ich täusche mich, oder man hat mich getäuscht. Seid Ihr Fräulein, Marion de Lorme?«

»Ja, Sir, ich bin Marion.«

»Wenn Ihr Marion seid,« fuhr der König fort, »müsst Ihr gestern einen Brief bekommen haben.«

»Ich erhalte täglich gar viele Briefe. Sire.«

»Einen Brief, der zwischen fünf und sechs Uhr überbracht wurde.«

»Um diese Zeit erhielt ich vierzehn Briefe, Sire!«

»Habt Ihr sie aufbewahrt?«

»Zwölf davon habe ich verbrannt; der dreizehnte liegt aus meinem Herzen und der vierzehnte ist hier.«

»Es ist seine Schrift!« rief der König.

Er nahm rasch den Brief aus der Hand Marions; dann wandte er ihn nach allen Seiten.

»Er ist nicht entsiegelt!« sagte er.

»Er kommt von Jemand, der den König nahe angeht, und da ich ahnte, dass ich heute die hohe Ehre haben würde, Ew. Majestät zu sehen, machte ich es mir zur Pflicht, diesen Brief. so wie ich ihn empfangen habe, in Eure Hände zu legen, Sire.«

Erstaunt blickte der König Marion an.

»O,« sagte er, »ich möchte gern wissen, was dieser Brief enthält.«

»Dazu gibt es ein sehr einfaches Mittel, Sire; öffnet ihn.«

»Wenn ich der Polizeiminister wäre,« sagte Ludwig XIII., »so würde ich dies tun; aber ich bin der König.«

Marion nahm den Brief sanft aus den Händen des

»Da er an mich gerichtet ist, darf ich ihn eröffnen,« sagte sie, löste das Siegel und gab den offenen Brief an Ludwig XIII. zurück.

Der König zögerte noch einen Augenblick, aber die Neugier trug über das Gefühl der Rechtlichkeit den Sieg davon und er las mit unterdrückter Stimme,

Der Inhalt dieses Briefes war nicht dazu geeignet. Ludwig XIII. bei guter Laune zu erhalten.

Er lautete:

»Schöne Marion!

»Ich bin zwanzig Jahre alt; einige Frauen hatten die Güte, mir nicht nur, zu sagen, dass ich ein hübscher Junge bin, sondern auch alles Mögliche zu tun, mich nicht daran zweifeln zu lassen, dass dies wirklich ihre Meinung ist. Übrigens bin ich der bevorzugte Günstling Ludwigs XIII., welcher, so geizig er auch ist, mir so eben, ich weiß nicht, unter welcher Eingebung, ein Geschenk von dreitausend Pistolen machte.

»St. Simon versichert mich, dass Ihr nicht nur das schönste, sondern auch das beste Mädchen der Welt seid. Es handelt sich nun darum, dass wir Zwei in einem Monat die 30,000 Livres vertun, welche dieser einfältige König mir geschenkt hat. Setzen wir also 10,000 Livres für Kleider und Schmucksachen an, l 0.000 Livres für Pferde und Wagen und das letzte Drittel für Tanz und Spiel. Wenn Euch dieser Vorschlag gefällt, saget Ja, und ich laufe mit meinem Geldsacke zu Euch; missfällt er Euch, so antwortet Nein, und ich stürze mich mit meinem Sacke um den Hals in den Fluss.

»Nicht wahr, Ihr sagt Ja? Denn Ihr werdet doch nicht den Tod eines armen Burschen wollen, der kein anderes Verbrechen begangen hat, als dass er wahnsinnig in Euch verliebt ist, ohne Euch jemals gesehen zu haben.

»Den morgenden Abend erwartend, liegen ich und der Geldsack Euch zu Füßen.

»Euer sehr ergebener

»Baradas.«

Ludwig XIII. las die letzten Zeilen mit einer Stimme, die so heftig zitterte, dass die Worte selbst unverständlich gewesen wären, hätte er sie auch laut genug gesprochen, um gehört zu werden.

Als er die letzten Worte gelesen hatte, fiel die Hand, welche den Brief hielt, kraftlos hinab, das Gesicht wurde leichenblass, die Augen nahmen einen Ausdruck der Verzweiflung an, und wie Cäsar, der die Dolchstiche der anderen Verschworenen kaum zu empfinden schien, als er die Hand des Brutus zum Streiche ausholen sah, sein weltgeschichtliches »Tu quoque!« ausrief, so rief Ludwig XIII, mit kläglicher Stimme:

»Auch Du, Baradas?«

Ohne Marion de Lorme weiter zu beachten, warf er seinen Mantel über die Schulter, drückte seinen Filzhut tief in die Stirn, eilte rasch die Treppe hinab, sprang in seinen bereitstehenden Wagen, und befahl dem Lakaien, welcher den Schlag hielt:

»Nach Chaillot!«

Als Marion den König auf eine so eigentümliche Weise sich entfernen sah, eilte sie an das Fenster, zog den Vorhang ein wenig zurück und sah ihn in seine Kutsche steigen. Einen Augenblick stand sie regungslos da und sah dem Wagen nach, bis er verschwunden war. Dann sagte sie mit einem boshaften und spöttischen Lächeln, welches nur ihr eigentümlich war:

 

»Ich hätte ganz gewiss besser getan, in Pagenkleidern zu kommen!«