Za darmo

Der Graf von Moret

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»Wartet Ihr schon lange?«

»Seit einer Stunde, Sire.«

»Und Ihr wartetet so lange, ohne Mich von Eurer Anwesenheit zu benachrichtigen?«

»Ein armseliger Mönch, wie ich bin, hat nur Eines zu tun: die Befehle seines Königs zu erwarten.«

»Ihr seid ein Mann von großen Talenten, wie man versichert.«

»Es sind meine Feinde, die dieses Gerücht verbreiten,« sagte Pater Josef mit gesenkten Blicken.

»Ihr halft dem Kardinal die Last seiner Regierungsgeschäfte tragen?«

»Wie Simon von Cyrene unserem Heilande das Kreuz tragen half.«

»Ihr seid ein großer Kämpe des Christenthums, und im 11. Jahrhunderte hättet Ihr, ein zweiter Peter der Einsiedler, den Kreuzzug gepredigt.«

»Ich habe ihn im 17. Jahrhunderte gepredigt, aber ohne Erfolg.«

»Wie das?«

»Ich verfasste ein lateinisches Gedicht, in welchem ich, die geistlichen Fürsten zum Kampfe gegen die Muselmänner aufforderte; aber die Zeiten sind vorüber.«

»Ihr habt dem Kardinal wichtige Dienste geleistet?«

»Seine Eminenz konnten nicht Alles bewältigen und ich half ihm nach meinen schwachen Kräften.«

»Wie viel gab Euch der Kardinal jährlich?«

»Nichts, Eire; es ist unserem Orden verboten, etwas Anderes als Almosen anzunehmen und der Herr Kardinal bezahlte bloß meinen Wagen.«

»Ihr besitzt einen Wagen?«

»Ja, Sire; doch nicht aus dem Geiste den Stolzes. Ich hatte anfangs einen Esel.«

»Das Tier, auf dem unser Heiland voll Demut ritt,« sagte der König.,

»Aber der Herr Kardinal fand, dass ich nicht schnell genug vorwärts käme.«

»Und er gab Euch eine Kutsche?«

»Nein, Sire, zuerst ein Pferd; aus Demut wies ich die Kutsche zurück. Zum Unglück war dies Pferd eine Stute, so dass eines Tages mein Sekretär, der Pater Angelo Sabini, der einen Hengst ritt —«

»Ia, Ich begreife,« fiel ihm der König in das Wort. »Dann nahmt Ihr die Kutsche an, die der Kardinal Euch geboten hatte.«

»Ja, Sire; ich ergab mich darein. Dann dachte ich auch, es sei dem Herrn wohlgefällig, dass Die, welche sich selbst demütigen, erhöht werden.«

»Trotz des Rücktrittes des Kardinals wünsche Ich Euch in Meiner Nahe zu behalten; Ihr werdet Mir mitteilen, welches die Vorteile sind, die Euch erwünscht wären und die Ich Euch bieten könnte.«

»Gar keine, Sire; ich besitze vielleicht schon jetzt zu viel für mein Seelenheil.«

»Aber Ihr habt doch wohl einen Wunsch, den ich befriedigen könnte?«

»Den, in mein Kloster zurückzukehren, aus dem Ich nie hätte scheiden sollen.«

»Ihr seid den Staatsgeschäften zu unentbehrlich, als dass Ich das erlauben könnte,« sagte der König.

»Ich hatte nur durch die Augen Seiner Eminenz Einsicht in dieselben; ist die Fackel ausgelöscht, so bin ich erblindet.«

»In allen Ständen, also mich in dem religiösen, ist es erlaubt, einen mit seinen Verdiensten im Einklang stehenden Ehrgeiz zu nähren. Gott hat Niemand sein Talent verliehen, damit er ein brachliegendes Feld aus demselben mache. Der Herr Kardinal ist ein Beispiel der Höhe, die man in der Gesellschaft erreichen kann.«

»Und von welcher man auch herabstürzen kann.«

»Aber fiele man auch noch so tief, sobald man mit dem Kardinalshut fällt, wird der Sturz gemildert.«

Ein Blitz zuckte unter den gesenkten Augenlidern des Mönches hervor; dieser Blitz war den Augen des Königs nicht entgangen.

»Habt Ihr nie von den hohen kirchlichen Würden geträumt?«

»Bei dem Herrn Kardinal habe ich vielleicht zuweilen solche Verblendungen gehabt.«

»Weshalb nur bei dem Herrn Kardinal?«

»Weil ich seines ganzen Einflusses in Rom bedurft hätte, um zu einem solchen Ziele zu gelangen.«

»Ihr glaubt also, dass Mein Einfluss nicht so viel wert ist, wie der seinige?«

»Eure Majestät wolltet den Kardinalshut dem Erzbischof von Tours geben lassen und Ihr scheitertet dabei; um so viel mehr würde dies daher bei einem armen Kapuziner der Fall sein.«

Ludwig XIII. sah den Pater Josef mit einem durchbohrenden Blicke an; aber es war ihm nicht möglich, auf dessen Marmorstirn oder in dessen gesenkten Augen irgend etwas zu lesen.

Nur die Lippen schienen beweglich zu sein.

»Dann,« fuhr der Kapuziner fort, »gibt es auch eine Tatsache, welche bei der Ausgabe, die Gott und der Herr Kardinal mir gestellt haben, alle anderen Erwägungen überbietet. Es gibt dabei eine Menge Gelegenheiten, Sünden zu begehen, welche das Heil meiner Seele gefährden würden. Bei dem Herrn Kardinal, der von Rom große Macht der Freisprechung empfing, brauche ich nicht besorgt zu sein. Der Herr Kardinal absolviert mich; damit ist Alles abgemacht und ich schlafe ruhig. Wenn ich aber einem weltlichen Herrn diente und wäre es selbst ein König, so könnte dieser mich nicht absolvieren. Ich könnte dann nicht mehr sündigen und folglich auch meine Aufgabe nicht gewissenhaft erfüllen.«

Der König sah den Mönch, während derselbe sprach, fest an und es sprach sich dabei auf seinem Gesicht ein gewisser Widerwille aus.

»Und wann wollt Ihr in Euer Kloster zurückkehren?«

»Sobald ich die Erlaubnis von Ew. Majestät dazu erhalte.«

»Ihr habt sie bereits!« sagte trocken der König.

Der Mönch entfernte sich langsam aus dem Gemache, nachdem er sich nochmals tief verbeugt hatte.

Mit denselben Schritten, wie er eingetreten war, kalten und steifen Schritten, wie die einer Bildsäule, entfernte er sich, selbst ohne den König von der Schwelle der Tür aus noch einmal zu grüßen.

»Heuchlerischer, ehrgeiziger Mensch,« murmelte der König. »Deinen Verlust beklage Ich nicht.«

Dann folgte er ihm einige Sekunden mit den Augen durch das Dämmerlicht des Vorgemaches.

»Gleichviel!« sagte er endlich. »Eines ist gewiss! Wenn Ich heute Meine Demission als König einreichte, wie diesen Morgen der Kardinal die seinige als Minister eingereicht hat, so fände Ich nicht, gleich ihm, vier Menschen, die bereit wären, Mir in das Exil zu folgen und Meine Ungnade zu Heilen; ja Ich fände nicht dreie, nicht zweie, vielleicht sogar nicht einen einzigen.«

Dann besann er sich.

»Ja,« sagte er, »Ich würde doch einen finden, Meinen Freund Angely! – Aber das ist freilich ein Narr!«

VIII.
Die Gesandten

Am andern Tage, genau um zehn Uhr Morgens, befand sich der König wieder im Kabinett des Kardinals.

Die Erfahrungen, die er daselbst machte, interessierten ihn. so demütigend sie für ihn auch sein mochten.

Als er Tags vorher in den Louvre zurückgekehrt war, hatte er Niemand mehr vorgelassen, sich in sein Zimmer eingeschlossen und den Rest des Tages mit seinem Pagen Baradas verbracht, dem er als Belohnung dafür, dass er ihn von dem Kardinal befreit hatte, eine Anweisung auf dreitausend Pistolen, zahlbar durch Charpentier, gab.

Es war nur gerecht, dass Baradas zuerst belohnt wurde, da er mehr getan hatte, wie die Anderen, Übrigens wollte der König auch, ehe er Monsieur seine 150,000 Livres gab, der Königin ihre 30,000 Livres. der Königin-Mutter ihre 50,000 Livres, die Antwort Monsieurs an den Herzog von Lothringen sehen, welche Rossignol ihm für den nächsten Morgen um zehn Uhr versprochen hatte.

Kaum war der König in das Arbeitscabinet des Kardinals getreten, und noch hatte er Mantel und Hut nicht abgelegt, als er schon das für Rossignol bestimmte Zeichen mit der Glocke gab.

Rossignol erschien mit seiner gewöhnlichen Pünktlichkeit.

»Nun?« fragte ihn voll Ungeduld der König.

»Die Lösung ist gefunden. Sire.«

»Gebet schnell.«

»Hier ist die Übersetzung des Briefes, Sire.«

Der König las:

»Die Königin, die Königin-Mutter und der Herzog von Orleans sind entzückt; der Kardinal ist todt. Der König will König sein. Der Krieg mit König Murmeltier ist beschlossen, aber der Herzog von Orleans wird ihn leiten. Der Herzog von Orleans, verliebt in die Tochter des Herzogs von Lothringen, will in keinem Falle die Königin heiraten, die sieben Jahre älter ist, als er; die einzige Besorgnis bleibt, dass die Königin beim Tode des Königs durch die Bemühungen der Frau von Fargis oder der Herzogin von Chevreuse guter Hoffnung sei.

»Gaston von Orleans.«

Der König hatte den Brief ohne alle Unterbrechung gelesen, nur wischte er sich wahrend dessen mehrmals den Schweiß von der Stirn und stampfte heftig auf den Fußboden.

»Guter Hoffnung!« murmelte er. »Guter Hoffnung! Auf jeden Fall würde sie es nicht von Mir sein!«

Darauf wendete er sich zu Rossignol.

»Sind das die ersten Briefe dieser Art, die Ihr entchiffriert?« fragte der König.

»O nein, Sire; ich habe schon mehr als zehn ähnlichen Inhalts in Händen gehabt.« '

»Und der Herr Kardinal hat Mir dieselben nicht gezeigt?«

»Wozu sollte er Ew. Majestät beunruhigen, da er ja darüber wachte, dass Euch kein Leid geschehe?«

»Aber angeklagt und vertrieben von diesen Leuten, hätte er sich ja der Waffen bedienen können, die er gegen sie in Händen hielt.«

»Er fürchtete, diese Waffen würden den König mehr als seine Gegner verletzen.«

Der König ging einige Mal gesenkten Hauptes und den Hut in die Stirne gedrückt, mit hastigen Schritten im Zimmer auf und ab; dann wandte er sich an Rossignol.

»Macht Mir Abschriften von diesen Briefen und fügt zu jedem den Schlüssel bei.«

»Ja. Sire!«

»Glaubt Ihr, dass noch mehrere Briefe dieser Art folgen werden?«

»Es ist fast mit Sicherheit anzunehmen, Sire.«,

»Welche Personen habe Ich heute zu empfangen?«

»Das wird Charpentier wissen.«

Bevor Rossignol noch das Zimmer verlassen hatte, gab der König bereits mit fieberhaft zitternder Hand das für Charpentier bestimmte Glockenzeichen.

Diese heftigen und schnell aufeinanderfolgenden Schläge « errieten die Gemütsstimmung des Königs.

Charpentier trat rasch ein, aber er blieb auf der Schwelle stehen.

 

Der König stand nachdenkend da, die Augen zu Boden gesenkt, die Hand auf den Schreibtisch des Kardinals gestützt.

»Guter Hoffnung,« murmelte er vor sich hin. »Die Königin guter Hoffnung! Ein Fremder auf dem Throne Frankreichs! Vielleicht sogar ein Engländer!«

Dann flüsterte er mit so leiser Stimme, dass es schien, als fürchtete er, selbst zu hören, was er sagte:

»Es ist indes nichts unmöglich; das Beispiel dazu ist in der Familie selbst gegeben worden, wie man behauptet!«

Er glaubte, der Sekretär wäre dem Rufe nicht gefolgt, er erhob daher lebhaft den Kopf und wollte zum zweiten Male auf die Glocke schlagen, als Charpentier, der die Absicht erriet, rasch vortrat und sagte:

»Hier bin ich, Sire!«,

»Es ist gut!« sagte der König, indem er ihn ansah und seine Selbstbeherrschung wieder zu gewinnen trachtete. »Was tun Wir heute?«

»Sire, der Graf von Beautru ist aus Spanien, der Vicomte von la Saludie aus Venedig angekommen.«

»Was war ihre Mission daselbst?«

»Ich weiß es nicht, Sire; ich hatte gestern die Ehre, zu berichten, dass der Kardinal sie gesendet hat, und dass auch Herr von Charnassé heute oder morgen aus Schweden zurückerwartet wird.«

»Ihr sagtet ihnen, dass der Kardinal nicht mehr Minister ist, und dass Ich sie an seiner Stelle empfangen würde?«

»Ich habe ihnen den Befehl Sr. Eminenz mitgeteilt, der dahin geht, sie mögen Ew. Majestät Rechenschaft von dem Resultate ihrer Sendung ablegen, wie ihm selbst.«

»Wer ist der zuerst Angekommene?«

»Herr von Beautru.«

»Sobald er kommt, lasset ihn vor.«

»Er ist bereits im Vorzimmer.«

»Er trete ein.«

Der Gesandte trat ein; er war noch im Reiseanzug und entschuldigte sich damit, dass er geglaubt habe, vor den Kardinal zu kommen; da er aber einmal im Vorzimmer gewesen sei, Se. Majestät nicht habe lange warten lassen wollen.

»Herr von Beautru,« sagte der König, »ich weiß, dass der Herr Kardinal große Stücke auf Euch hält, namentlich was Eure aufrichtige Ergebenheit betrifft, indem er oft sagte, das einfache Gewissen eines Beautru sei ihm lieber, als zwei Kardinale wie Bérulle.«

»Sire, ich glaube des Vertrauens würdig zu sein, mit dem mich der Herr Kardinal beehrt.«

»Und Ihr werdet Euch wohl' auch Meines Vertrauens würdig zeigen, indem Ihr Mir Alles berichtet, was Ihr ihm berichtet hättet.«

»Alles, Sire?« fragte Beautru und richtete seinen Blick fest auf den König.

»Alles! Ich suche seit zwei Tagen die Wahrheit und will sie ganz wissen.«

»Wohl an, Sire, so beginnt damit, Euren Gesandten, den Herrn von Fargis, abzuberufen, der, statt die Instruktionen des Herrn Kardinals zu befolgen, welche die Wohlfahrt und die Größe Euer Majestät im Auge haben, sich von der Königin-Mutter Verhaltungsbefehle geben lässt, deren Ziel die Erniedrigung Frankreichs ist.«

»Man hat Mir schon davon gesagt; Ich werde es überlegen. Habt Ihr den Grasen Olivarez gesehen?«

»Ia. Sire!«

»Mit welcher Botschaft waret Ihr für ihn betraut?«

»Es möge, wenn nur immer möglich, die mantuanische Angelegenheit gütlich beigelegt werden.«

»Nun?«

»Als ich mit ihm von Geschäften reden wollte, führte er mich in den Hühnerhof König Philipps, wo die seltensten Arten dieser Tiere vereinigt sind, und bot mir einige Muster davon für Euer Majestät an.«

»Wie es also scheint, machte er sich einen Scherz mit Euch?«

»Und mit Dem, den ich vertrat.«

»Mein Herr!«

»Ihr verlangtet die Wahrheit, Sire; ich sage sie. Wollt Ihr, dass ich lüge? Ich besitze genug Geist, um Lügen zu erfinden, die sich angenehm anhören, statt der Wahrheiten, die zuweilen etwas rau klingen.«

»Nein; sagt die Wahrheit, sie sei beschaffen, wie sie wolle. Was hält man von unserem italienischen Feldzuge?«

»Man lacht darüber. Sire.«

»Wie, man lacht darüber? Weiß man nicht, dass Ich die Oberleitung übernehme?«

»In der Tat weiß man davon; aber man glaubt, dass die Königin Euch umstimmen werde, so dass Ihr Monsieur das Kommando gebt. Da man alsdann Niemand gehorchen wird, als den Königinnen und Monsieur, so wird es mit dieser Expedition nicht anders gehen, als mit der des Herzogs von Nevers.«

»Das also glaubt man in Madrid?«

»Ja, Sire, und man ist sogar dessen so gewiss, dass man an Don Gonzalvo von Cordova geschrieben hat: »Wenn es wirklich der König und Monsieur ist, welche die Armee kommandieren, so braucht Ihr Euch nicht zu beunruhigen; die Armee wird dann den Pass von Susa nicht überschreiten; sollte es aber der Kardinal sein, der bei dem Könige oder allein die Armee führt, dann vernachlässigt nichts, was zur Unterstützung des Herzogs von Savoyen dienen könnte.«

»Ihr seid dessen, was Ihr mir da sagt, sicher?«

»Vollkommen, Sire.«

Wieder maß der König das Zimmer mit großen Schritten. Sein Hut war dabei sehr in die Stirne gedrückt, stets ein Zeichen großer Aufregung bei ihm. Plötzlich blieb er hart vor Beautru stehen.

»Und die Königin?« fragte er; »habt Ihr nichts über diese gehört?«

»Hofgespräche, sonst nichts.«

»Und was sagten diese Hofgespräche?«

»Nichts, was Euer Majestät mitgeteilt werden könnte.«

»Ich will Alles wissen.«

»Verleumdungen, Sire. Beschmutzt Euren Geist nicht mit diesem Kot.«

»Ich sage Euch, mein Herr,« rief Ludwig XIII., ungeduldig mit dem Fuße stampfend, »dass Ich wissen will, was man über die Königin spricht, sei es nun Verleumdung oder Wahrheit.«

Beautru verneigte sich.

»Den Befehlen Euer Majestät muss jeder treue Untertan gehorchen.«

»So gehorcht denn.«

»Nun, man sagt, da Eure Gesundheit wankend ist—«

»Wankend? Meine Gesundheit wankend? Also in Spanien wie in Lothringen ist Mein naher Tod der Hoffnungsanker? – Weiter!«

»Ihre Majestät die Königin alle Mittel anwenden würde, um sich zu sichern —«

Beautru zögerte.

»Um sich was zu sichern?« fragte der König. »Sprecht! Aber so sprecht doch!«

»Die Regentschaft!«

»Aber es gibt nur dann eine Regentschaft, wenn ein Thronerbe vorhanden ist.«

»Um sich die Regentschaft zu sichern!« wiederholte Beautru fest.

Der König stampfte mit dem Fuße.

»Also dort, wie hier; in Spanien, wie in Lothringen! In Lothringen die Furcht, in Spanien die Hoffnung! Und die Königin Regentin, das heißt in der Tat so viel, als die Spanier in Paris.– Das ist es also, Beautru, was man dort sagt?«

»Ihr habt befohlen. Sire. dass ich sprechen sollte; ich gehorchte.«

Und Beautru verneigte sich vor dem Könige.

»Ihr tatet wohl, Mir nichts zu verschweigen. Ich sagte, dass Ich die Wahrheit suche. Ich bin jetzt auf ihrer Spur, und ein viel zu guter Jäger, um diese Spur nicht bis zum Ende zu verfolgen.«

»Was befehlen nun Ew. Majestät?«

»Pflegt der Ruhe, Ihr müsst ermüdet sein.«

»Ew. Majestät sagen mir nicht, ob ich das Glück gehabt habe, Euer Wohlgefallen zu erregen, oder das Unglück, Euch zu verletzen.«

»Ich kann Euch nicht sagen, dass Ihr Mir angenehm gewesen seid; aber Ihr habt Mir einen Dienst erwiesen, was bei weitem mehr wert ist; es ist die Stelle eines Staatsrats erledigt; erinnert Mich daran, dass Ich Jemand zu belohnen habe.«

Und Ludwig XIII. zog seinen Handschuh ab und reichte dem außerordentlichen Gesandten bei Philipp IV. seine Hand zum Kusse.

Beautru entfernte sich, der Etikette gemäß, rückwärts aus dem Gemache.

»Also,« sagte der König, als er allein war; »Mein Tod ist eine Hoffnung, Meine Ehre ein Spielzeug und Meine Erbfolge ein Lotto-Einsatz! Mein Bruder wird nur auf den Thron gelangen, um Frankreich zu verraten und zu verkaufen. Meine Mutter, die Witwe Heinrich's IV, die Witwe des großen Königs, den man ermordete, weil er stets größer wurde, und sein Schatten den anderer Reiche verdunkelte – Meine Mutter wird ihn dabei unterstützen. Zum Glück« – dabei fing der König an gellend und krampfhaft zu lachen – »zum Glück würde Alles gerettet sein, wenn die Königin bei Meinem Tode guter Hoffnung wäre! – Wie gut ist es doch, dass Ich verheiratet bin!«

Dann fügte er mit verdüstertem Blicke und erhöhter Stimme hinzu:

»Nun wundert es Mich nicht mehr, dass sie Alle gegen den Kardinal sind.«

Es schien ihm, als vernehme er ein leises Geräusch an der Tür, und wirklich drehte sich dieselbe in ihren Angeln.

»Wollen Ew. Majestät Herrn von la Saludie empfangen?« fragte Charpentier.

»Natürlich!« sagte der König; »Alles was ich hier vernehme, ist von großem Interesse für mich.

Dann fügte er wieder mit jenem krampfhaften Lachen hinzu:

»Da sage man noch, dass die Könige erfahren, was rings um sie vorgeht! Sie sind wohl die Letzten, die es kennen lernen; wenn sie es aber ernstlich wollen, so erfahren sie es umständlich.«

Herr von la Saludie zeigte sich in der Tür.

»Kommt näher.« sagte der König; »Ich erwarte Euch; man hat Euch wohl gesagt, dass Ich den Platz des Kardinals vorderhand einnehme? Sprecht und habt vor Mir nicht mehr Geheimnisse, als Ihr für ihn gehabt hättet.«

»Aber, Sire, wie die Sachen jetzt stehen,« sagte Herr von la Saludie, »weiß ich nicht, ob ich Euch wiederholen darf —«

»Was?«

»Die Lobsprüche, die man in Italien einem Manne spendet, der das Unglück zu haben scheint, Ew. Majestät zu missfallen.«

»Also lobt man den Herrn Kardinal in Italien? Und was sagt man jenseits der Berge von ihm?«

»Sire, man weiß dort nicht, dass der Herr Kardinal nicht mehr Minister ist und wünscht Euer Majestät Glück dazu, dass das erste militärische und politische Genie des Jahrhunderts in Euren Diensten steht. Die Nachricht von der Einnahme La Rochelle's, die ich im Auftrage des Herrn Kardinals in Mantua, in Venedig und bei Sr. Heiligkeit, Papst Urban VIII. meldete, wurde in Mantua mit Freude, in Venedig mit Enthusiasmus, in Rom mit Erkenntlichkeit aufgenommen; der Feldzug in Italien, den Euer Majestät jetzt beabsichtigen, erschreckt daher Carl Emanuel, während er die anderen Fürsten beruhigt und ihnen äußerst erfreulich ist. Hier sind Briefe aus Rom, aus Venedig und Mantua. welche das Vertrauen in das Genie des Kardinals aussprechen, und hier sind von diesen drei Mächten Wechsel im Betrage von ein- und einer halben Million, als Subsidiengelder für diesen Feldzug, ausgestellt.«

»Und auf wessen Namen lauten diese Wechsel?«

»Auf den Namen des Kardinals; er hat sie nur zu indossieren und das Geld bei den Bankiers jener Staaten einzukassieren, da sie nach Sicht zahlbar sind.«

Der König nahm die Wechsel und besah sie von allen Seiten.

»Eine und eine halbe Million!« sagte er; »dann noch die sechs Millionen, die der Kardinal aufgenommen hat. Mit dieser Summe wollen Wir den Feldzug bestreiten, und all' dies Geld kommt von jenem Manne, der auch den Ruhm und die Größe Frankreichs begründete!«

Plötzlich schien eine Idee das Gehirn des Königs zu durchzucken.

Er ging rasch zur Glocke und tat zwei Schläge.

Charpentier erschien sofort.

»Wisst Ihr,« fragte der König, »von wem der Kardinal die sechs Millionen erhielt, welche die ersten Kriegskosten decken sollen?«

»Ja, Sire, von Herrn von Bullion.«

»Hat sich dieser Mensch lange geweigert, ehe er das Geld verlieh?«

»Im Gegenteil, Sire, er hat es dem Kardinal angeboten.«

Wie das?«

»Der Herr Kardinal klagte darüber, dass die Armee des Marquis von Uxelle sich auflöste, weil ihm an Geld fehle., welches die Königin-Mutter sich angeeignet habe, und an Lebensmitteln, die der Marschall Créqui nicht liefere.«

»Das ist eine verlorene Armee!« sagte der Herr Kardinal.

»Nun dann,« sagte Bullion, »man muss eine andere ausheben, das ist Alles!«

»Und womit?« fragte Se. Eminenz.

»Womit? Ich gebe Euch so viel, um damit eine Armee von 50,000 Mann auf die Beine zu bringen, und noch eine Million in Gold darüber.«

»Wann?«

»So bald als möglich! Heute Abend, wenn das nicht zu spät ist!«

»Der Herr Kardinal lachte.

»Ihr habt also das Geld in der Tasche?« fragte er.

»Nein, aber ich habe es bei Fieubet, dem Schatzmeister der Ersparnisse; ich werde Euch einen Bon darüber ausstellen, und Ihr könnt es holen lassen.«

»Und welche Bürgschaft verlangt Ihr?«

»Euer Wort, Monseigneur!« sagte Bullion, sich vor Sr. Eminenz verbeugend.

»Und das Geschäft wurde abgeschlossen.«

»Es ist gut, Charpentier,« sagte der König. »Ihr wisst, wo Bullion wohnt?«

»Ja. Sire.«

»Wartet!«

Und der König schrieb folgende Zeilen:

»Herr von Bullion! Ich brauche für Meinen persönlichen Dienst 50,000 Livres, die Ich nicht von dem Gelde nehmen will, welches Ihr die Güte hattet, Meinem Minister Richelieu zu leihen. Schickt Mir, wenn es Euch möglich ist, die Summe; Ich verpfände Euch mein Wort, dass Ich sie in einem Monate zurückerstatte.

 

»Euer wohlgeneigter

»Ludwig.«

Dann wandte sich der König zu Charpentier.

»Ist Beringhen im Vorzimmer?« fragte er.

»Ja, Sire.«

»Sagt ihm, er möge eine Sänfte nehmen, dieses Papier zu Bullion bringen und auf Antwort warten.«

Charpentier nahm das Papier und verließ das Gemach, aber er kehrte fast sogleich wieder zurück.

»Nun?« fragte der König

»Beringhen ist bereits mit der Botschaft weggegangen; ich wollte nur Ew. Majestät melden, dass Herr von Charnassé wartet, der soeben aus Westpreußen angekommen ist und einen Brief des Königs Gustav Adolf an den Kardinal überbringt.«

Ludwig nickte mit dem Kopf.

»Herr von Saludie,« sagte er, »Wir haben Euch weiter nichts zu sagen.«

»Dann, Sire, bleibt mir nur übrig, Euch meinen demütigten Respekt auszudrücken, und zugleich das Bedauern auszusprechen, dass der Herr Kardinal nicht mehr hier ist. Er war es, den man in Italien erwartete, auf den man hoffte, und meine Untertanenpflicht, ebenso wie meine Treue gebieten mir, von Ew. Majestät die Erlaubnis zu erbitten, dem Herrn Kardinal meine Aufwartung machen zu dürfen, obwohl er in Ungnade gefallen ist.«

»Ich werde Euch selbst die Gelegenheit geben, ihn zu besuchen, Herr von la Saludie.«

Der Gesandte verbeugte sich.

»Hier sind die Wechsel von Mantua, Venedig und Rom; geht damit nach Chaillot, übergebt die Papiere dem Herrn Kardinal, da sie für ihn bestimmt sind; bittet ihn, sie zu indossieren; dann begebt Euch im Namen Sr. Eminenz zu Bullion und lasset Euch die Wechsel auszahlen. Damit dieses Geschäft schneller verrichtet werde, bedient Euch meines Wagens. Je eher Ihr zurückkehrt, desto erkenntlicher werde ich für Euren Eifer sein.«

Ohne eine Sekunde zu verlieren, entfernte sich la Saludie, um die Befehle des Königs auszuführen.

Charpentier war in der Tür stehen geblieben.

»Ich erwarte Herrn von Charnassé,« sagte der Könige

Nie war der König im Louvre so schnell bedient Worten, wie hier im Hause des Kardinals; kaum hatte er dm Wunsch ausgesprochen, Herrn von Charnassé zu sehen, so stand auch dieser schon vor ihm.

»Nun, Baron,« sagte der König, »es scheint, dass Ihr eine gute Reise hattet?«

»Ja. Sire.«

»Wollt Ihr Mir also, ohne zu viel Zeit zu verlieren, Bericht erstatten; seit gestern lerne Ich den Wert der Zeit immer mehr kennen.«

»Euer Majestät wissen, zu welchem Zwecke ich nach Deutschland geschickt wurde?«

»Der Herr Kardinal, der Mein ganzes Vertrauen besaß und beauftragt war, in jeder Hinsicht die Initiative zu ergreifen, begnügte sich, Mir Eure Abreise anzuzeigen; sonst weiß ich von Eurer Sendung nichts.«

»Wünscht Ihr, Sire, dass ich Euch meine Instruktion wiederhole?«

»Sprecht!«

»Hier ist sie, Wort für Wort; denn ich habe sie für den Fall, dass die schriftlichen Instructionen verloren gehen sollten, auswendig gelernt.«

»Die Unternehmungen, welche das Haus Österreich so häufig zum Nachtheil der Verbündeten des Königs begonnen hat, verpflichten diesen, wirksame Maßregeln zu deren Erhaltung zu ergreifen. Nach der Einnahme von La Rochelle haben daher auch Se. Majestät augenblicklich beschlossen, ihre besten Truppen nach Italien zu senden und dieselben in eigener Person zu kommandieren. Demzufolge sendet der König Herrn von Charnassé zu seinen Alliierten in Deutschland, um diese seines aufrichtigen Wunsches zu versichern, ihnen Beistand zu leisten, vorausgesetzt, dass sie, in Übereinstimmung mit dem Könige, zu ihrer gemeinsamen Verteidigung handeln wollen. Herr von Charnassé wird die Mittel auseinandersetzen, welche Se. Majestät für die geeignetsten und wirksamsten halten, um zu Gunsten seiner Alliierten zu handeln.«

»Das ist die allgemeine Instruktion; aber ohne Zweifel hattet Ihr noch besondere.«

»Ja, für den Herzog Maximilian von Bayern, den Se. Eminenz als Gegner des Kaisers kannten. Er sollte dazu bewogen werden, eine katholische Liga zu bilden, die den Kaiser von seinen Unternehmungen in Deutschland und Italien abzuhalten hätte, während Ferdinand andererseits auch von Gustav Adolf an der Spitze der Protestanten bekämpft würde.«

»Und hattet Ihr auch für diesen Monarchen Instructionen?«

»Ich hatte den Auftrag, Gustav Adolf eine jährliche Unterstützung von 500,000 Livres zu versprechen, wenn er sich zum Haupt einer protestantischen Liga machte, wie der Herzog von Bayern zum Chef einer katholischen Liga; ich sollte ihm ferner versprechen, dass Euer Majestät mit ihm zugleich Lothringen angreifen würden, eine Provinz, die den Herd von Intrigen gegen Frankreich bildet.«

»Ich verstehe,« sagte der König lächelnd; »das ist Kreta mit seinem Könige Minos; was würde aber Frankreich dadurch gewinnen, dass es diese Provinz angreift?«

»Dass die österreichischen Fürsten, gezwungen, viele Truppen nach dem Elsaß und an den Oberrhein zu verlegen, ihre Aufmerksamkeit von Italien ablenken, und uns ruhig unser Unternehmen bezüglich Mantua's zu Ende bringen lassen würden.«

Ludwig XIII. presste die Stirn zwischen beide Hände. Diese ausgedehnten Kombinationen waren für sein beschränktes Gehirn zu großartig und drohten es zu sprengen.

»Und König Gustav Adolf?« fragte er nach einer Pause. »Nimmt er den Vorschlag an?«

»Ja; aber unter gewissen Bedingungen.«

»Und diese sind?«

»Er spricht sie in diesem Briefe aus,« sagte Herr von Charnassé. »Wünscht Ihr, Sire, den ganzen Brief zu lesen, oder soll ich, was vielleicht zweckmäßiger wäre, bloß den Inhalt desselben mitteilen?«

»Ich will Alles lesen, mein Herr,« sagte der König, ihm den Brief aus der Hand nehmend.

»Vergesst nicht, Sire, dass König Gustav Adolf ein lustiger Geselle ist, der über Alles spottet und sich wenig um diplomatische Formen kümmert, sondern in seiner Art zu denken und zu reden mehr Soldat als König ist.«

»Wenn ich es vergessen habe, werde ich mich daran erinnern und wenn ich es nicht weiß, werde ich es erfahren.«

Er entsiegelte den Brief und las flüsternd:

»Stuben, nach dem Siege, der die

festen Plätze Litauens und Preußisch-Polens

in Schwedens Hände gab.

Am 16 . Dezember 1628.

»Mein lieber Kardinal!

»Ihr wisst wohl, dass ich ein wenig Heide bin, und werdet daher nicht über die Vertraulichkeit erstaunt sein, mit der ich an einen Kirchenfürsten schreibe.

»Ihr seid ein großer Mann; mehr als das, ein Mann von Genie; mehr als das, ein ehrlicher Mann; mit Euch kann man reden und Geschäfte machen. Besorgen wir also die Geschäfte Frankreichs und Schwedens zusammen; mit Euch will ich verhandeln, sonst mit Keinem!

»Seid Ihr Eures Königs sicher« Glaubt Ihr. dass er sich nicht nach dem ersten besten Lufthauch dreht, mag er von seiner Mutter, seiner Frau, seinem Bruder, seinem Günstlinge, seinem Beichtvater kommen, und dass Ihr, da Ihr in dem kleinen Finger mehr Genie besitzt, als alle diese Leute zusammen, nicht etwa eines Tages durch irgend eine serail-Intrigue wie ein Bezier des Morgenlandes vor dir Tür gesetzt werdet?

»In dem Falle, dass Ihr sicher zu sein glaubt, schreibt mir: »Freund Gustav, ich bin dessen gewiss, dass ich alle diese aufgeblasenen Köpfe, die mir so viel Mühe und Kummer verursachten, drei Jahre lang beherrschen werde; ich verpflichte mich für meine Person alle Bedingungen unseres Vertrages zu erfüllen, den ich im Namen des Königs schließe!« Dann beginne ich unverzüglich den Krieg. Doch schreibet mir nicht etwa: »Der König wird dies und das tun!« – Für Euch und auf Euer Wort ziehe ich meine Armee zusammen, steige ich zu Pferde, plündere Prag, brenne Wien nieder und trage den Kampf bis nach Pest; aber für den König von Frankreich und auf sein Wort hin lasse ich nicht eine Trommel rühren, nicht ein Pferd satteln, nicht eine Muskete laden.

»Wenn Euch also die Sache gefällt, so schickt mir Herrn von Charnassé zurück, der mir sehr zusagt, obwohl er ein wenig zu melancholisch ist. Indessen hoffe ich, dass ich ihn während des Feldzuges durch ungarischen Wein aufgeräumter machen werde.

»Ich empfehle Euch nicht dem Schutze Gottes, sondern dem Eures eigenen Genies und nenne mich mit Stolz und Freude Euren wohl geneigten

»Gustav Adolf.«

Der König las diesen Brief mit wachsendem Missvergnügen, und als er damit zu Ende war, zerknitterte er ihn in der Hand.,

Dann wandte er sich an Herrn von Charnassé.

»Ihr kennt den Inhalt dieses Briefes?«

»Ich kenne die Feder desselben, nicht die Fassung, Sire.«

»Barbar! Nordischer Bär!« murmelte der König zwischen den Zähnen.

»Sire,« erlaubte sich Charnassé zu bemerken, »dieser Barbar hat soeben die Russen und die Polen geschlagen; er ist der Schöpfer der modernen Kriegführung; er allein ist endlich dazu befähigt, dem Ehrgeiz Ferdinands Schranken zu setzen, Tilly und Wallenstein zu schlagen.«