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Der Graf von Bragelonne

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XVIII.
Das Taschentuch von Fräulein de la Vallière

Madame war nicht boshaft: sie war nur aufbrausend.

Der König war nicht unklug: er war nur verliebt.

Kaum hatten Beide den Vertrag abgeschlossen, der auf die Zurückberufung von la Vallière auslief, als auch Beide bei dem Handel zu gewinnen suchten.

Der König wollte la Vallière jeden Augenblick des Tags sehen.

Madame, die den Aerger des Königs seit der Scene der Bitten fühlte, wollte la Vallière nicht ohne zu kämpfen freigeben.

Sie streute also Schwierigkeiten unter die Schritte des Königs.

Um die Gegenwart seiner Geliebten zu erlangen, war der König in der That genöthigt, seiner Schwägerin den Hof zu machen.

Von diesem Plan ging die ganze Politik von Madame aus.

Da sie Jemand zu ihrer Unterstützung gewählt hatte, und da dieser Jemand Montalais war, so sah sich der König immer eingeschlossen, so oft er zu Madame kam. Man umgab ihn, man verließ ihn nicht. Madame entwickelte in ihren Unterhaltungen so viel Anmuth, so viel Geist, daß Alles dadurch verdunkelt wurde.

Montalais folgte ihr nach. Bald wurde sie auch dem König unerträglich.

Das War es, was sie erwartete.

Da trieb sie Malicorne ins Gefecht: dieser fand Gelegenheit, dem König zu sagen, es sei bei Hofe eine sehr unglückliche Person.

Der König fragte, wer diese Person sei.

Malicorne nannte Fräulein von Montalais.

Hierauf erklärte der König, es sei wohl gethan, wenn eine Person, die Anderen Gleiches anthue, vom Unglück heimgesucht werde.

Malicorne erwiederte, Fräulein von Montalais habe ihre Befehle.

Der König öffnete die Augen; er bemerkte, daß Madame, sobald der König erschien, ebenfalls erschien; daß sie bis nach dem Abgang des Königs in den Corridors war; daß sie ihn zurückgeleitete, aus Furcht, er könnte in den Vorzimmern mit einem von den Ehrenfräulein sprechen.

Eines Abends ging sie sogar weiter.

Der König saß mitten unter den Damen und hielt in seiner Hand, unter seinen Manchetten, ein Billet, das er in die Hände von la Vallière wollte gleiten lassen.

Madame errieth diese Absicht und dieses Billet. Es hielt sehr schwer, den König zu verhindern, dahin zu gehen, wohin es ihm zu gehen gut dünkte.

Man mußte ihn jedoch verhindern, zu la Vallière zu gehen, ihr guten Morgen zu sagen und das Billet auf ihren Schooß, hinter ihren Fächer und in ihr Taschentuch fallen zu lassen.

Der König, der auch beobachtete, vermuthete, man stelle ihm eine Falle.

Er stand auf und setzte seinen Stuhl, ohne daß es einen Anschein einer besonderen Absichtlichkeit hatte, neben Fräulein von Chatillon, mit der er schäkerte.

Man machte Reime über Fräulein von Chatillon; er ging zu Montalais, dann zu Fräulein von Tonnay-Charente.

Durch dieses Manoeuvre kam er vor la Vallière zu sitzen, die er völlig maskirte.

Madame stellte sich ungemein beschäftigt; sie verbesserte eine Blumenzeichnung auf einer Stickereileinwand.

Der König zeigte la Vallière das Ende des weißen Billets, und diese streckte ihr Taschentuch mit einem Blick aus, welcher besagen wollte: Legt das Billet hinein.

Dann, da der König sein Taschentuch auf seinen Stuhl gelegt hatte, war er geschickt genug, es auf den Boden zu werfen.

Da ließ la Vallière ihr eigenes Sacktuch auf den Stuhl gleiten.

Der König nahm es, ohne daß es den Anschein hatte, als thäte er etwas, steckte das Billet hinein und legte das Taschentuch wieder auf den Stuhl.

Es blieb la Vallière gerade Zeit genug, die Hand auszustrecken, um das Taschentuch mit seinem kostbaren Inhalt zu ergreifen.

Madame hatte aber Alles gesehen.

Sie sagte zu Chatillon:

»Chatillon, hebt doch gefälligst das Taschentuch des Königs vom Boden auf.«

Das Mädchen gehorchte hastig, der König wandte sich auf die Seite, la Vallière wurde unruhig, man sah das andere Taschentuch auf dem Stuhl.

»Ah! verzeiht, Eure Majestät hat zwei Taschentücher,« sagte sie.

Und der König war genöthigt, das Taschentuch von la Vallière mit dem seinigen einzustecken. Er gewann dadurch dieses Andenken an die Geliebte. La Vallière aber verlor dadurch eine Strophe, die den König zehn Stunden gekostet hatte, und die vielleicht so viel als ein langes Gedicht werth war.

Daher der Zorn des Königs und die Verzweiflung von la Vallière.

Es ließ sich dies unmöglich beschreiben. Da geschah aber ein unglaubliches Ereigniß. Als der König wegging, um in seine Gemächer zurückzukehren, fand sich Malicorne, man weiß wie benachrichtigt, im Vorzimmer.

Die Vorzimmer des Palais-Royal sind natürlich dunkel und am Abend – man ging nicht sehr ceremoniös bei Madame zu Werke, – waren sie schlecht beleuchtet.

Der König liebte dieses geringe Licht. Es ist eine allgemeine Regel, daß der Liebende, bei dem Herz und Geist beständig blitzen, das Licht nicht anderswo, als in seinem Geist und in seinem Herzen liebt.

Das Vorzimmer war also dunkel: ein einziger Page trug den Leuchter vor Seiner Majestät.

Der König ging langsamen Schrittes und verschlang seinen Zorn.

Malicorne ging sehr nahe am König vorbei, stieß ihn beinahe und bat dann auf das Demüthigste um Verzeihung; aber sehr übler, Laune, behandelte der König Malicorne äußerst schlecht, und dieser machte sich geräuschlos aus dem Staube.

Ludwig legte sich nieder; er hatte an diesem Tag einen kleinen Streit mit der Königin gehabt, und am andern Morgen, in dem Augenblick, wo er in sein Cabinet ging, regte sich in ihm der Wunsch, das Taschentuch von la Vallière zu küssen.

Er rief seinen Kammerdiener und sagte zu ihm: »Bringt mir das Kleid, das ich gestern getragen habe, hütet Euch aber wohl, etwas von dem, was es enthalten dürfte, anzurühren.«

Der Befehl wurde vollzogen, der König suchte selbst in der Tasche seines Kleides.

Er fand nur ein Sacktuch darin, das seinige; das von la Vallière war verschwunden.

Während er sich in Vermuthungen verlor, wurde ihm ein Brief von la Vallière gebracht. Er war in folgenden Worten abgefaßt:

»Wie liebenswürdig ist es von Euch, theurer Herr, daß Ihr mir diese schönen Verse geschickt habt; wie geistreich und beharrlich ist Eure Liebe! wie solltet Ihr nicht geliebt werden!«

»Was bedeutet das?« dachte der König, »es waltet ein Irrthum ob.«

Zum Kammerdiener aber sagte er:

»Sucht wohl ein Sacktuch, das in meiner Tasche sein mußte; und wenn Ihr es nicht findet, und wenn Ihr es berührt habt . . . «

Er besann sich eines Besseren. Eine Staatsangelegenheit aus dem Verlust eines Taschentuches machen hieß eine ganze Chronik eröffnen, deshalb fügte er bei:

»Ich hatte in diesem Taschentuch eine wichtige Note, welche in die Falten geschlüpft ist.«

»Aber, Sire,« entgegnete der Kammerdiener, »Eure Majestät hatte nur ein Taschentuch und hier ist es.«

»Es ist wahr,« erwiederte der König, die Zähne fletschend, »es ist wahr. Oh! Armuth, wie beneide ich dich! glücklich der, welcher die Sacktücher und die Billets selbst aus seiner Tasche herausnimmt.«

Er las den Brief von la Vallière noch einmal und suchte in seinem Geist, durch welches Mittel das kleine Gedicht an seine Adresse gelangt sein könnte. Es war eine Nachschrift bei dem Brief.

»Ich schicke Euch durch Euren Boten die Antwort zurück, die der Sendung so wenig würdig ist.«

»Ah! gut, ich werde etwas erfahren,« sagte der König voll Freude.

»Wer hat mir dieses Billet gebracht?« fragte er.

»Herr Malicorne,« erwiederte schüchtern der Kammerdiener.

»Er trete ein.«

Malicorne trat ein.

»Ihr kommt von Fräulein de la Vallière?« fragte der König mit einem Seufzer.

»Ja, Sire.«

»Und Ihr habt Fräulein de la Vallière etwas von mir gebracht?«

»Ich, Sire?«

»Ja, Ihr.«

»Nein, Sire, nein.«

»Fräulein de la Vallière sagt es ganz bestimmt.«

»Oh! Sire, Fräulein de la Vallière täuscht sich.«

Der König faltete die Stirne und sprach:

»Was für ein Spiel ist das? erklärt Euch; warum nennt Euch Fräulein de la Vallière meinen Boten? was habt Ihr dieser Dame gebracht? sprecht geschwinde, mein Herr . . . «

»Sire, ich habe Fräulein de la Vallière ein Taschentuch gebracht, und nicht mehr.«

»Ein Taschentuch . . . Was für ein Taschentuch?«

»Sire, in dem Augenblick, wo ich zu meinem Schmerz an die geheiligte Person Eurer Majestät stieß . . . ein Unglück, das ich mein ganzes Leben beklagen werde, besonders nach der Unzufriedenheit, die Ihr mir bezeigtet . . . blieb ich unbeweglich vor Verzweiflung. Sire . . . Eure Majestät war zu fern, um meine Entschuldigungen zu hören, und ich sah auf dem Boden etwas Weißes.«

»Ah!« machte der König.

»Ich bückte mich, es war ein Taschentuch. Ich hatte einen Augenblick den Gedanken, dadurch, daß ich an Eure Majestät gestoßen, habe ich dazu geholfen, daß dieses Sacktuch aus ihrer Tasche gefallen; indem ich es aber ehrerbietig befühlte, bemerkte ich einen Schriftzug, den ich anschaute: es war der Schriftzug von Fräulein de la Vallière; ich nahm an, dieses Fräulein habe sein Taschentuch fallen lassen; ich beeilte mich, es ihm bei seinem Abgang einzuhändigen, und dies ist Alles, was ich Fräulein de la Vallière übergeben habe . . . ich flehe Eure Majestät an, es mir zu glauben.«

Malicorne war so naiv, so trostlos, so demüthig, daß ihn der König mit außerordentlicher Freude anhörte.

Er wußte ihm Dank für diesen Zufall, als hätte er ihm den größten Dienst geleistet, und sprach:

»Es ist dies schon das zweite Mal, daß ich auf eine so glückliche Weise mit Euch zusammentreffe; Ihr könnt auf mich rechnen.«

»Wahrheit aber ist, daß Malicorne ganz einfach das Sacktuch aus der Tasche des Königs so artig gestohlen hatte, als es nur einer der Straßendiebe der guten Stadt Paris zu thun im Stande gewesen wäre.

 

XIX.
Worin von Gärtnern, von Leitern und von Ehrenfräulein die Rede ist

Leider konnten die Wunder nicht immer fortdauern, während die schlechte Laune von Madame unverändert blieb.

Nach acht Tagen war es beim König so weit gekommen, daß er la Vallière nicht mehr anzuschauen vermochte, ohne daß ein argwöhnischer Blick dem seinigen begegnete.

War eine Promenade vorgeschlagen, so fand sich Madame, um es zu vermeiden, daß sich die Scene mit der Königseiche oder mit dem Regen erneuerte, mit Unpäßlichkeiten bei der Hand: in Folge dieser Unpäßlichkeiten verließ sie ihre Gemächer nicht, und ihre Ehrenfräulein blieben zu Hause.

An einen nächtlichen Besuch durfte man nicht denken, das war unmöglich.

Schon in den ersten Tagen hatte der König in dieser Hinsicht eine schmerzliche Niederlage erlitten.

Wie in Fontainebleau nahm er nämlich Saint-Aignan mit sich und wollte sich zu la Vallière begeben. Aber er fand nur Fräulein von Tonnay-Charente, welche dergestalt: Feuer! und Diebe! schrie, daß eine ganze Legion von Kammerfrauen und Aufsehern herbeilief, und daß Saint-Aignan, der allein blieb, um die Ehre seines entflohenen Gebieters zu retten, sich einer scharfen Strafpredigt von Seiten der Königin Mutter und von Madame aussetzte.

Am andern Tag erhielt er überdies zwei Aufforderungen von der Familie Mortemart.

Der König mußte hierbei vermitteln.

Dieses Versehen rührte davon her, daß Madame plötzlich eine Veränderung der Wohnungen ihrer Ehrenfräulein befohlen hatte, und daß la Vallière und Montalais im Zimmer ihrer Gebieterin selbst zu schlafen berufen worden waren.

Nichts war also mehr möglich, nicht einmal Briefe: unter den Augen eines so grimmigen Argus, wie Madame, schreiben hieß sich den größten Gefahren preis» geben.

Man kann sich denken, in welchen Zustand beständiger Gereiztheit und wachsenden Zornes alle diese Nadelstiche den Löwen versetzten.

Der König löste sich das Blut dadurch auf, daß er auf Mittel sann, und da er sich weder Malicorne, noch d’Artagnan eröffnete, so fanden sich die Mittel nicht,

Malicorne schleuderte noch da und dort einige beherzte Blitze, um den König zu einem vollen Vertrauen zu ermuthigen.

War es aber Scham, war es Mißtrauen, der König biß zuerst an, ließ aber bald die Angel wieder fahren.

So zum Beispiel, als der König eines Abends durch den Garten schritt und traurig nach den Fenstern von Madame schaute, stieß Malicorne an eine Leiter unter einer Einfassung von Buchsbaum und sagte zu Manicamp, der mit ihm hinter dem König ging und weder an etwas gestoßen, noch etwas gesehen hatte:

»Habt Ihr nicht gesehen, daß ich mich an eine Leiter gestoßen und beinahe gefallen wäre?«

»Nein,« erwiederte Malicorne, zerstreut wie gewöhnlich, »Doch Ihr seid nicht gefallen, wie es scheint.«

»Gleichviel! es ist darum nicht minder gefährlich, die Leiter so herum stehen zu lassen.«

»Ja, man kann sich beschädigen, besonders, wenn man zerstreut ist.«

»Das ist es nicht; ich will damit sagen, es sei gefährlich, die Leitern beim Fenster der Ehrendamen stehen zu lassen.«

Ludwig bebte unmerklich,

»Wie so?« fragte Manicamp.

»Sprecht lauter,« flüsterte ihm Malicorne zu, indem er ihn an den Arm stieß.

»Wie so?« wiederholte Manicamp lauter.

Der König horchte.

»Seht,« sagte Malicorne, »das ist zum Beispiel eine Leiter, welche neunzehn Fuß hat, gerade die Höhe vom Karnieß der Fenster.«

Manicamp versank in Träume, statt zu antworten.

»Fragt mich doch, von welchen Fenstern,« flüsterte ihm Malicorne zu.

»Welche Fenster meint Ihr denn?« fragte ihn Manicamp laut.

»Die von Madame.«

»Ah!«

»Oh! ich sage nicht, man sei je bei Madame eingestiegen , aber im Cabinet von Madame, nur durch einen einfachen Verschlag getrennt, schlafen die Fräulein la Vallière und Montalais, zwei hübsche Personen.«

»Durch einen einfachen Verschlag?« fragte Manicamp.

»Seht Ihr dort das ziemlich scharfe Licht aus den Gemächern von Madame? seht Ihr jene zwei Fenster?«

»Ja.«

»Und das Fenster, neben den andern, das minder scharf erleuchtet ist, seht Ihr es?«

»Sehr gut.«

»Es ist das der Ehrenfräulein. Ah! es ist warm, Fräulein de la Vallière öffnet gerade ihr Fenster; ah! ein kühner Liebhaber könnte ihr allerlei Dinge sagen, wenn er eine Ahnung von dieser neunzehn Fuß hohen Leiter hätte, die gerade bis zum Karnieß reicht.«

»Aber sie ist nicht allein, wie Ihr gesagt habt, sie ist mit Fräulein von Montalais zusammen!«

»Fräulein von Montalais zählt nicht, es ist eine Freundin von ihr aus der Kinderzeit, ihr ganz ergeben, ein wahrer Brunnen, in den man alle Geheimnisse werfen kann, die man verlieren will.«

Nicht ein Wort von dieser Unterredung entging dem König.

Malicorne bemerkte sogar, daß der König langsamer ging, um ihm Zeit zu lassen, zu endigen.

Als man an die Thüre kam, entließ er auch Jedermann, Malicorne ausgenommen.

Darüber wunderte sich Niemand, man wußte, daß der König verliebt war, und hatte ihn im Verdacht, er mache Verse im Mondschein.

Obgleich es an diesem Abend keinen Mondschein gab, so konnte der König doch nichtsdestoweniger Verse zu machen haben.

Alle entfernten sich.

Dann wandte sich der König gegen Malicorne um, der ehrerbietig darauf wartete, daß Ludwig ihn anrede.

»Was sprachet Ihr denn vorhin von Leitern, Herr Malicorne?« sagte er.

»Ich, Sire, ich sprach von Leitern . . . «

Hierbei schlug Malicorne die Augen zum Himmel auf, als wollte er seine entflogenen Worte wieder erhaschen.

»Ja, von einer neunzehn Fuß hohen Leiter.«

»Ah! ja, Sire, es ist wahr; doch ich sprach mit Herrn von Manicamp und würde geschwiegen haben, hätte ich gewußt, Eure Majestät könnte mich hören,«

»Und warum hättet Ihr geschwiegen?«

»Weil ich nicht hätte wollen Anlaß geben, daß der Gärtner, der arme Teufel, der sie stehen ließ, gescholten würde.«

»Seid unbesorgt . . . Sagt, was ist es mit dieser Leiter?«

»Will sie Eure Majestät sehen?«

»Ja!«

»Nichts kann leichter sein: dort ist sie.«

»Bei dem Buchsgehäge?«

»Ganz richtig.«

»Zeigt sie mir.«

Malicorne kehrte um und führte den König zu der Leiter.

»Hier ist sie, Sire,« sagte er.

»Zieht sie ein wenig herbei.«

Malicorne legte die Leiter in die Allee.

Der König ging der Länge nach in der Richtung der Leiter.

»Hm!« sagte er . . . »Ihr meint, sie sei neunzehn Fuß lang?«

»Ja, Sire.«

»Neunzehn Fuß, das ist viel; ich halte sie nicht für so lang.«

»Man sieht so schlecht, Sire. Wenn die Leiter aufrecht an einem Baum oder einer Mauer stünde, würde man besser sehen, insofern die Vergleichung viel helfen müßte.«

»Oh! gleichviel, Herr Malicorne, ich kann kaum glauben, daß die Leiter neunzehn Fuß hat.«

»Ich weiß, wie sicher der Blick Eurer Majestät ist, und dennoch würde ich wetten.«

Der König schüttelte den Kopf.

»Es gibt ein untrügliches Mittel, die Wahrheit zu ergründen,« sagte Malicorne.

»Welches?«

»Jedermann weiß, Sire, daß das Erdgeschoß des Palastes achtzehn Fuß hoch ist!«

»Richtig, man kann es wissen.«

»Wohl, Sire, stellte man die Leiter an die Mauer so könnte man den Schluß ziehen.«

»Es ist wahr.«

Malicorne hob die Leiter wie eine Feder auf und stellte sie an die Mauer.

Er wählte, oder vielmehr der Zufall wählte das Fenster vom Cabinet von la Vallière, um den Versuch zu machen.

Die Leiter kam gerade bis zur Kante des Karnießes, so daß ein auf der vorletzten Sprosse stehender Mann, ein Mann von mittlerem Wuchse, wie der König, zum Beispiel, sich leicht mit den Bewohnern oder vielmehr mit den Bewohnerinnen des Zimmers in Verbindung setzen konnte.

Kaum stand die Leiter, da gab der König die Komödie, die er spielte, rasch auf und sing an die Sprossen hinaufzuklettern, während Malicorne die Leiter hielt. Kaum hatte er aber die Hälfte seiner Luftreise zurückgelegt, als eine Patrouille von Schweizern im Garten erschien und gerade auf die Leiter zuging.

Der König stieg hastig herab und verbarg sich in einem Gebüsche.

Malicorne begriff, daß er sich opfern mußte. Verbarg er sich ebenfalls, so würde man suchen, bis man ihn oder den König, oder vielleicht gar Beide fände.

Besser, er würde allein gefunden.

Dem zu Folge verbarg sich Malicorne so ungeschickt, daß er allein festgenommen wurde.

Sobald er verhaftet war, wurde Malicorne nach dem Posten geführt; sobald er auf dem Posten war, nannte er sich; sobald er sich genannt hatte, erkannte man ihn.

Mittlerweile erreichte der König von Gebüsch zu Gebüsch schleichend, sehr gedemüthigt und besonders sehr ärgerlich, die kleine Thüre seiner Wohnung.

Der König war um so ärgerlicher, als der Lärm der Verhaftung la Vallière und Montalais an ihr Fenster gezogen hatte und Madame selbst an dem ihrigen zwischen zwei Kerzen mit der Frage, was es gebe, erschienen war.

Während dieser Zeit berief sich Malicorne auf d’Artagnan. D’Artagnan eilte auf den Ruf von Malicorne herbei.

Doch vergebens versuchte er es, ihm seine Gründe begreiflich zu machen, vergebens begriff sie d’Artagnan, vergebens verliehen diese zwei so seinen und erfindungsreichen Geister dem Abenteuer eine Wendung; es gab für Malicorne kein anderes Mittel, als dafür angesehen zu werden, daß er bei Fräulein von Montalais habe einsteigen wollen, wie Herr von Saint-Aignan dafür galt, daß er die Thüre von Fräulein von Tonnay-Charente habe sprengen wollen.

Madame war unbeugsam aus dem doppelten Grund, daß, wenn Herr Malicorne wirklich nächtlicher Weile bei ihr durch das Fenster und mit Hilfe einer Leiter habe einsteigen wollen, dies von Seiten von Malicorne ein strafbarer Versuch sei, und daß man ihn bestrafen müsse.

Und aus dem weiteren Grund, daß, wenn Malicorne, statt in seinem Namen zu handeln, als Vermittler zwischen la Vallière und einer andern Person gehandelt habe, die sie nicht nennen wollte, sein Verbrechen nur größer sei, da die Leidenschaft, welche Alles entschuldige, nicht vorhanden, um ihn zu entschuldigen.

Madame erhob daher ein gewaltiges Geschrei und ließ Malicorne aus dem Hause von Monsieur wegjagen, ohne zu bedenken – die arme Blinde – daß Malicorne und Montalais sie durch den Besuch von Herrn von Guiche und durch viele andere ebenso delicate Stellen in ihren Klauen hielten.

Montalais war wüthend und wollte sich sogleich rächen. Malicorne bewies ihr, die Unterstützung des Königs wiege alle Ungnade auf, und es sei schön, für den König zu leiden.

Malicorne hatte Recht. Obgleich sie Weib war, und zwar eher zehnmal, als einmal, brachte er Montalais zu seiner Ansicht herüber.

Dann trug der König, was wir sogleich zu bemerken haben, zu den Tröstungen bei.

Zuerst ließ er Malicorne fünfzig tausend Livres als Entschädigung für seine verlorene Stelle ausbezahlen.

Dann stellte er ihn, glücklich sich so an Madame für Alles zu rächen, was sie ihn und la Vallière hatte ausstehen lassen, in seinem eigenen Hause an.

Da er aber Malicorne nicht mehr hatte, um ihm seine Sacktücher zu stehlen und um ihm seine Leitern zu messen, so sah sich der arme Verliebte entblößt.

Keine Hoffnung mehr, sich la Vallière je zu nähern, so lange sie im Palais Royal bliebe.

Alle Würden und alle Summen der Welt konnten hierbei nicht vermitteln.

Zum Glück wachte Malicorne.

Er richtete es so gut ein, daß er Montalais begegnete. Allerdings arbeitete Montalais mit ihren besten Kräften dahin, daß sie Malicorne begegnete.

»Was macht Ihr bei Nacht bei Madame’?« fragte er das Mädchen.

»Bei Nacht schlafe ich.«

»Wie, Ihr schlafet?«

»Allerdings.«

»Es ist aber sehr schlimm, zu schlafen; es geziemt sich nicht, daß ein Mädchen mit einem Schmerz, wie Ihr ihn empfindet, schläft.«

»Welchen Schmerz empfinde ich denn?«

»Seid Ihr nicht in Verzweiflung über meine Abwesenheit?«

»Nein, da Ihr fünfzigtausend Livres und eine Stelle beim König erhalten habt.«

»Gleichviel, Ihr seid sehr betrübt, weil Ihr mich nicht mehr seht, wie Ihr mich früher gesehen habt; Ihr seid in Verzweiflung darüber, daß ich das Vertrauen von Madame verloren; sprecht, ist dies wahr?«

»Oh! sehr wahr.«

»Nun wohl! dieser Kummer hindert Euch, bei Nacht zu schlafen, und dann schluchzt Ihr, dann seufzt Ihr, und dann schnäutzt Ihr Euch geräuschvoll, und zwar zehnmal in einer Minute.«

»Mein lieber Malicorne, Madame duldet nicht das geringste Geräusch bei sich.«

»Ich weiß, bei Gott! wohl, daß sie nichts ertragen kann; sie wird sich auch beeilen, wenn sie einen so tiefen Schmerz wahrnimmt, Euch vor ihre Thüre zu setzen.«

 

»Ich verstehe.«

»Das ist ein Glück.«

»Was wird aber dann geschehen?«

»Es wird geschehen, daß la Vallière, wenn sie sich von Euch getrennt sieht, in der Nacht solche Seufzer und Klagen ausstößt, daß sie für zwei zur Verzweiflung gereichen wird.«

»Dann bringt man sie in ein anderes Zimmer.«

»Ganz richtig.«

»Ja, aber in welches?«

»In welches?«

»Nun, seid Ihr in Verlegenheit, mein Herr von den Erfindungen.«

»Keines Wegs; welches Zimmer es auch sein mag, es wird immerhin besser sein, als das von Madame.«

»Das ist wahr.«

»Nun denn! so fangt mir ein wenig heute Nacht Eure Jeremiaden an,«

»Ich werde nicht verfehlen, dies zu thun.«

»Und unterrichtet mir la Vallière.«

»Seid unbesorgt, sie weint genug leise.«

»Wohl! sie weine laut,« sprach Malicorne.

Und sie trennten sich.