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Der Graf von Bragelonne

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XIV.
Auf der See

Der Tag brach etwas ruhiger an, obgleich der Wind immer noch wehte.

Die Sonne war indessen in einem Bett von rothen Wolken aufgegangen, welche die blutigen Strahlen auf dem Kamme schwarzer Wolken abschnitten.

Gegen elf Uhr Morgens wurde ein Schiff signalisirt: dieses Schiff kam mit vollen Segeln, zwei andere folgten ihm in einer Entfernung von ungefähr einem halben Knoten.

Sie kamen wie Pfeile, abgeschossen von einem kräftigen Schützen, und die See ging doch so hoch, daß die Schnelligkeit ihres Laufes nichts den schwankenden Bewegungen benahm, welche die Schiffe bald auf die rechte, bald auf die linke Seite legten.

Bald machten die Form der Schiffe und die Farbe der Wimpel die englische Flotte kenntlich; voran segelte mit der Admiralitätsflagge das Fahrzeug, auf dem sich die Prinzessin befand.

Sogleich verbreitete sich das Gerücht, die Prinzessin komme an. Der ganze französische Adel eilte an den Hasen; das Volk begab sich auf die Quais und auf die Dämme.

Nach zwei Stunden hatten die nachfolgenden Schiffe das Admiralsschiff eingeholt, und alle drei gingen, da sie es ohne Zweifel nicht wagten, in die enge Einfahrt des Hafens einzulaufen, zwischen dem Havre und der Hève vor Anker.

Sobald dieses Manoeuvre beendigt war, begrüßte das Admiralsschiff Frankreich mit zwölf Kanonenschüssen, welche ihm Schuß für Schuß vom Fort Franz l. erwiedert wurden.

Sogleich wurden hundert Barken ausgesetzt; sie waren mit reichen Stoffen geschmückt und bestimmt, die französischen Edelleute bis zu den ankernden Schiffen zu führen.

Wenn man sie aber nun im Hafen gewaltig schaukeln sah, wenn man sah, wie sich jenseits der Dämme die Wellen bis zu Bergen erhoben und sich am User mit einem furchtbaren Tosen brachen, so begriff man, keine von diesen Barken würde auch nur den vierten Theil der Strecke erreichen, die sie zu durchlaufen hatte, um, ohne umzuschlagen, zu den Schiffen zu gelangen.

Ein Lootsenschiff schickte sich jedoch trotz Wind und Meer an, aus dem Hafen auszulaufen, um sich zur Verfügung des englischen Admirals zu stellen.

Herr von Guiche suchte unter allen diesen Barken ein Fahrzeug, das, etwas stärker als die andern, ihnen Hoffnung gäbe, die englischen Schiffe zu erreichen, als er den Lootsen sich segelfertig machen sah.

»Raoul,« sagte er, »findest Du nicht, daß es für verständige und starke Leute, wie wir sind, schmählich ist, vor dieser rohen Gewalt des Windes und des Wassers zurückzuweichen?«

»Das ist die Betrachtung, die ich gerade leise an, stellte,« antwortete Bragelonne.

»Nun? wollen wir dieses Schiff besteigen und vorwärts segeln? willst Du, Wardes?«

»Nehmt Tuch in Acht, Ihr werdet ertrinken,« sagte Manicamp.

»Und zwar um nichts und wieder nichts,« erwiederte Wardes, »in Betracht, daß Ihr mit dem widrigen Wind, wie Ihr ihn haben werdet, nie zu den Schiffen kommt.«

»Du weigerst Dich also?«

»Meiner Treue ja; gern würde ich das Leben in einem Kampf gegen Menschen verlieren,« sagte er Bragelonne schief anschauend, »aber mich mit dem Ruder gegen die Wellen zu schlagen, dazu habe ich nicht die geringste Lust.«

»Und ich,« sagte Manicamp, »käme ich auch bis zu den Schiffen, so müßte ich doch befürchten, das einzige anständige Kleid zu verlieren, das mir noch bleibt; das Salzwasser spritzt zurück und besteckt,«

»Du weigerst Dich also auch?« rief Herr von Guiche.

»Ganz und gar, das glaube mir, und zwar eher zweimal als einmal.«

»Aber seht doch,« rief Guiche, »sieh doch, Manicamp, sieh doch, Wardes: dort vom Hintertheil des Admiralsschiffes schauen die Prinzessinnen nach uns.«

»Ein Grund mehr, um nicht ein lächerliches Bad zu nehmen.«

»Ist das Dein letztes Wort, Manicamp?«

»Ja.«

»Ist das Dein letztes Wort, Wardes?«

»Ja.«

»Dann werde ich allein gehen.«

»Nein,« rief Raoul,«ich gehe mit Dir, mir scheint, das ist eine abgemachte Sache.«

Frei von jeder Leidenschaft, dieses Wagniß kaltblütig ermessend, sah Raoul wohl die dräuende Gefahr, doch er ließ sich gerne hinreißen, etwas zu thun, wovor Wardes zurückwich.

Das Schiff setzte sich in Bewegung; Guiche rief dem Lootsen.

»Holla! Barke,« sagte er, »wir brauchen zwei Plätze.«

Und er wickelte fünf bis sechs Pistolen in ein Stückchen Papier und warf sie vom Quai aus in das Fahrzeug.

»Es scheint, wir haben nicht bange vor dem Salzwasser, meine jungen Herren, »sagte der Patron.

»Wir haben vor nichts bange,« antwortete der Graf von Guiche.

»Dann kommt, meine edlen Herren!«

Der Lootse näherte sich dem Ufer, und mit gleicher Leichtigkeit sprangen die zwei jungen Leute einer nach dem andern in das Schiff.

»Auf, Muth, meine Kinder!« rief Guiche, »es sind noch zwanzig Pistolen in dieser Börse, erreichen wir das Admiralsschiff, so gehören sie Euch.«

Sogleich bückten sich die Ruderer unter ihren Rudern, und die Barke sprang auf der Höhe der Wogen.

Jedermann nahm Antheil an der so gewagten Fahrt; die Bevölkerung des Havre drängte sich auf den Hafendämmen; es gab keinen Blick, der nicht für die Barke war.

Zuweilen blieb das schwache Fahrzeug wie aufgehängt an den schäumenden Kämmen, dann glitt es plötzlich in die Tiefe eines tosenden Abgrundes und schien versunken.

Nichtsdestoweniger gelangte es nach einem Kampfe von einer Stunde in das Wasser des Admiralsschiffes, von dem sich schon zwei Boote, bestimmt, ihm zu Hilfe zu kommen, losmachten.

Auf dem Hintercastell des Admiralsschiffes, beschützt durch ein Zelt von Sammet und Hermelin, das von mächtigen Schleifen gehalten wurde, schauten Madame Henriette Witwe und die junge Madame, die den Admiral Grafen von Norfolk bei sich hatten, nach der bald zum Himmel hinaufgehobenen, bald zur Hölle hinabgerissenen Barke, an deren düsterem Segel, wie zwei leuchtende Erscheinungen, die edlen Gestalten der zwei französischen Edelleute glänzten.

Auf die Schanzkleidung gestützt und in den Strickwänden hängend, klatschte die Mannschaft dem Muthe dieser zwei Unerschrockenen, der Geschicklichkeit des Lootsen und der Kraft der Matrosen Beifall.

Bei ihrer Ankunft an Bord wurden sie mit einem Triumphgeschrei empfangen.

Der Graf von Norfolk, ein schöner Mann von sechs und zwanzig bis acht und zwanzig Jahren, ging ihnen entgegen.

Der Graf von Guiche und Bragelonne stiegen leicht die Treppe des Steuerbords hinauf, und geführt von dem Grafen von Norfolk, der wieder seinen Platz bei ihnen einnahm, begrüßten sie die Prinzessinnen.

Die Ehrerbietung und besonders eine gewisse Furcht, von der er sich keine Rechenschaft geben konnte, hatten bis jetzt den Grafen von Guiche abgehalten, die junge Madame aufmerksam anzuschauen.

Diese hatte ihn im Gegentheil gleich Anfangs ausgezeichnet und ihre Mutter gefragt:

»Ist es nicht Monsieur, den wir auf jener Barke erblicken?«

Madame Henriette, die Monsieur besser als ihre Tochter kannte, lachte bei diesem Irrthum ihrer Eitelkeit und erwiederte:

»Nein, es ist nur Herr von Guiche, sein Liebling.«

Bei dieser Antwort war die Prinzessin genöthigt, das instinktartige, durch die Kühnheit des Grafen hervorgerufene Wohlwollen zu unterdrücken.

In dem Augenblick, wo die Prinzessin diese Frage that, war es, daß Guiche, der endlich die Augen gegen sie aufzuschlagen wagte, das Original mit dem Portrait vergleichen konnte.

Als er dieses bleiche Gesicht, diese belebten Augen, diese bewunderungswürdigen kastanienbraunen Haare und diese so unendlich königliche Geberde sah, die zugleich zu danken und zu ermuthigen schien, wurde er von einer so heftigen Gemüthsbewegung ergriffen, daß er ohne Raoul, der ihm seinen Arm bot, gewankt hätte.

Der erstaunte Blick seines Freundes, die wohlwollende Geberde der Königin riefen Guiche zu sich selbst zurück.

Mit wenigen Worten erklärte er seine Sendung, sagte er, wie er von Monsieur abgeschickt worden, und begrüßte er je nach ihrem Rang und ihrem Entgegenkommen den Admiral und die verschiedenen englischen Herren, die sich um die Prinzessinnen gruppirten.

Raoul wurde ebenfalls vorgestellt und freundlich empfangen: Jedermann wußte, welchen Antheil der Graf de la Fère an der Restauration von König Karl l. genommen hatte, überdies war es auch der Graf gewesen, den man mit der Unterhandlung der Heirath beauftragt, welche die Enkelin von Heinrich IV. nach Frankreich führte.

Raoul sprach vollkommen Englisch; er machte sich zum Dolmetscher seines Freundes bei den jungen englischen Edelleuten, die mit der französischen Sprache nicht vertraut waren.

In diesem Augenblick erschien ein junger Mann von merkwürdiger Schönheit und von glänzendem Reichthum in Tracht und Waffen. Er näherte sich den Prinzessinnen, die mit dem Grafen von Norfolk plauderten, und sagte mit einer Stimme, die seine Ungeduld nur schlecht verbarg:

»Auf, meine Damen, wir müssen an’s Land steigen.«

Bei dieser Aufforderung erhob sich die junge Madame und war im Begriff, die Hand anzunehmen, die ihr der junge Mann mit einer Lebhaftigkeit voll verschiedener Ausdrücke reichte, als der Admiral zwischen ihn und die junge Madame trat und sagte:

»Einen Augenblick Geduld, wenn’s beliebt, Mylord Buckingham: das Ausschiffen ist für die Frauen zu dieser Stunde nicht möglich. Das Meer ist zu stürmisch; doch gegen vier Uhr wird der Wind wahrscheinlich fallen, man wird sich also erst am Abend ausschiffen.«

»Erlaubt, Mylord,« entgegnete Buckingham mit einer Gereiztheit, die er nicht einmal zu verhehlen suchte, »Ihr haltet die Damen zurück und habt nicht das Recht dazu. Eint von diesen Damen gehört leider Frankreich, und Ihr seht, Frankreich fordert sie durch die Stimme seiner Botschafter.«

Und er deutete mit der Hand auf Guiche und Raoul, die er zu gleicher Zeit begrüßte.

 

»Ich denke nicht, daß es die Absicht dieser Herren ist, das Leben der Prinzessinnen preiszugeben?« entgegnete der Admiral.

»Mylord, die Herren sind trotz des Windes gekommen, erlaubt mir, zu glauben, daß die Gefahr nicht größer für die Damen sein wird, die mit dem Winde gehen.«

»Diese Herren sind sehr beherzt,« sprach der Admiral, »Ihr habt gesehen, daß Viele am Hafen waren und es nicht wagten, ihnen zu folgen. Ueberdies hat sie das Verlangen, so bald als möglich Madame und ihrer erhabenen Mutter ihre Huldigung darzubringen, bewogen, der heute, selbst für Seeleute, sehr schlimmen See zu trotzen. Doch diese Herren, die ich meinem Stab als Beispiel vorstellen werde, dürfen keines für die Damen sein.«

Ein verstohlener Blick von Madame erhaschte die Röthe, welche die Wangen des Grafen bedeckte.

Dieser Blick entging Buckingham. Er hatte nur Augen, um Norfolk zu überwachen. Offenbar war er eifersüchtig auf den Admiral und schien zu brennen vor Begierde, die Prinzessinnen dem beweglichen Boden der Schiffe zu entreißen, auf denen der Admiral König war.

»Ich appellire an Madame selbst,« sagte Buckingham.

»Und ich, Mylord,« erwiederte der Admiral, »ich appellire an mein Gewissen und an meine Verantwortlichkeit. Ich habe versprochen, Madame gesund und wohlbehalten Frankreich zu übergeben, und werde mein Versprechen halten.«

»Aber, mein Herr . . . «

»Mylord, erlaubt mir, Euch daran zu erinnern, daß ich allein hier befehle.«

»Mylord, wißt Ihr, was Ihr sprecht?« entgegnete Buckingham voll Stolz.

»Vollkommen, und ich wiederhole, ich befehlige allein hier, Mylord, und Alles gehorcht mir: die See, der Wind, die Schiffe und die Menschen.«

Dieses Wort war groß und hochherzig ausgesprochen. Raoul beobachtete seine Wirkung auf Buckingham. Dieser bebte am ganzen Leib und hielt sich an einer von den Stützen des Zeltes, um nicht zu fallen; seine Augen waren mit Blut unterlaufen, und die Hand, mit der er sich nicht hielt, fuhr an den Griff seines Degens.

»Mylord,« sprach die Königin, »erlaubt mir, Euch zu sagen, daß ich in jeder Hinsicht der Meinung des Grafen von Norfolk bin; wäre das Wetter, statt sich mit Dunst zu bedecken, wie es in diesem Augenblick thut, auch vollkommen rein und günstig, so sind wir doch einige Stunden dem Officier schuldig, der uns so glücklich und mit so eifriger Fürsorge bis ins Angesicht der Küste von Frankreich geführt hat, wo er uns verlassen soll.«

Statt zu antworten, befragte Buckingham den Blick von Madame.

Halb unter den Vorhängen von Sammet und Gold, die ihr ein Obdach gewährten, verborgen, hörte Madame nichts von diesem Streit, denn sie war einzig und allein beschäftigt, den Grafen von Guiche anzuschauen, der mit Raoul sprach.

Das war ein neuer Schlag für Buckingham, denn er glaubte im Blick von Madame Henriette ein tieferes Gefühl, als das der Neugierde zu entdecken.

Er zog sich ganz schwankend zurück und stieß an den großen Mast.

»Herr von Buckingham hat keinen Seemannsfuß.« sagte die Königin Mutter französisch, »deshalb wünscht er ohne Zweifel so sehr, auf das Festland zu kommen.«

Der junge Mann hörte diese Worte, erbleichte, ließ seine Hände entmuthigt an seinen Seiten herabfallen, und entfernte sich, in einem Seufzer seine alte Liebe und seinen neuen Haß vermischend,

Ohne sich weiter um die schlechte Laune von Buckingham zu bekümmern, führte der Admiral die Prinzessinnen in ein Zimmer, wo das Mittagsmahl mit einer aller Gäste würdigen Pracht servirt war.

Der Admiral nahm Platz zur Rechten von Madame und setzte den Grafen von Guiche an ihre Linke.

Dies war der Platz, den gewöhnlich Buckingham inne hatte.

Als er in den Speisesaal eintrat, war es auch ein Schmerz für ihn, sich durch die Etiquette, diese zweite Königin, der er Respect schuldig war, auf einen Rang zurückgewiesen zu sehen, der niedriger, als der, den er bis dahin inne gehabt hatte.

Bleicher vielleicht noch durch sein Glück, als es sein Nebenbuhler durch seinen Zorn war, setzte sich der Graf von Guiche zitternd zu der Prinzessin, deren seidenes Kleid, indem es seinen Leib streifte, durch sein ganzes Wesen Schauer von einer ihm bis dahin unbekannten Bitterkeit und Wollust lausen machte.

Nach dem Mahl eilte Buckingham herbei, um der Prinzessin die Hand zu reichen.

Doch nun, war die Reihe an Guiche, dem Herzog eine Lection zu geben.

»Mylord,« sagte er, »habt von diesem Augenblick an die Güte, Euch nicht mehr zwischen Ihre Königliche Hoheit und mich zu stellen. Von diesem Augenblick gehört Ihre Königliche Hoheit in der That Frankreich, und es ist die Hand von Monsieur, dem Bruder des Königs, welche die Hand der Prinzessin berührt, wenn mir Ihre Königliche Hoheit die Ehre erweist, meine Hand zu berühren.«

Und indem er diese Worte sprach, reichte er selbst seine Hand der jungen Madame mit einer so sichtbaren Schüchternheit und zugleich mit einer so muthigen Hoheit, daß die Engländer ein Gemurmel der Bewunderung hören ließen, während Buckingham ein Schmerzensseufzer entschlüpfte.

Raoul liebte; Raoul begriff Alles.

Er heftete auf seinen Freund einen von den tiefen Blicken, die nur der Freund allein oder die Mutter als beschützend oder als bewachend über dem Kind oder über dem Freund, der sich verirrt, ausbreiten.

Gegen zwei Uhr trat endlich die Sonne hervor. Der Wind legte sich, das Meer wurde glatt wie eine große Krystallfläche, der Nebel, der das Gestade bedeckte, zerriß wie ein Schleier, der in Fetzen entstiegt.

Da erschienen die lachenden User Frankreichs mit ihren tausend Häusern, die sich von dem Grün der Bäume oder vom Blau des Himmels abhoben.

XV.
Die Zelte

Der Admiral war, wie man gesehen, entschlossen, nicht mehr auf die drohenden Augen und auf das krampfhafte Aufbrausen von Buckingham zu achten.

Mit dem Abgang von England mußte er sich in der That nach und nach daran gewöhnt haben.

Der Graf von Guiche hatte noch auf keine Weise die Gereiztheit, die der junge Lord gegen ihn zu haben schien, wahrgenommen, aber er fühlte aus Instinct durchaus keine Sympathie für den Günstling von Karl II.

Seit einer größeren Erfahrung und einem kälteren Verstand ausgerüstet, beherrschte die Königin Mutter die ganze Lage, und weil sie das Gefahrvolle derselben einsah, hielt sie sich bereit, den Knoten zu durchschneiden, sobald der geeignete Augenblick gekommen wäre.

Dieser Augenblick kam.

Die Ruhe war überall hergestellt, nur nicht im Gemüth von Buckingham, und dieser wiederholte in seiner Ungeduld mit leiser Stimme der Prinzessin:

»Madame, Madame, in des Himmels Namen flehe ich Euch an, begeben wir uns uns Land. Seht Ihr nicht, daß mich dieser geckenhafte Graf von Norfolk mit seiner Fürsorge und Anbetung für Euch umbringt!«

Henriette hörte diese Worte; sie lächelte, und ohne sich umzudrehen, flüsterte sie, indem sie ihrer Stimme nur jene Biegung sanften Vorwurfs und schmachtender Impertinenz verlieh, womit die Coquetterie eine Beruhigung zu geben weiß, während es das Aussehen hat, als stellte sie eine Vertheidigung entgegen, flüsterte sie, sagen wir, die Worte:

»Mein lieber Lord, ich habe Euch schon gesagt, Ihr seid ein Narr.«

Keiner von diesen einzelnen Umständen entging Raoul; er hatte die Bitte von Buckingham, die Antwort der Prinzessin gehört; er hatte Buckingham bei dieser Antwort einen Schritt rückwärts machen, einen Seufzer ausstoßen und mit der Hand über seine Stirne fahren sehen, und da weder seine Augen, noch sein Herz mit einem Schleier umhüllt waren, so begriff er Alles und bebte, indem er den Zustand der Dinge und der Geister schätzte.

Endlich gab der Admiral mit einer studirten Langsamkeit den Befehl zur Abfahrt der Boote.

Buckingham nahm diesen Befehl mit einem solchen Entzücken auf, daß ein Fremder hätte glauben können, der junge Mann leide an einer Störung des Gehirns.

Auf die Stimme des Grafen von Norfolk sank eine große Barke langsam an der Seite des Admiralsschiffes herab: sie konnte zwanzig Ruderer und fünfzehn Passagiere fassen.

Teppiche von Sammet, Decken, worauf das Wappen von England gestickt, Blumenguirlanden, denn in jener Zeit cultivirte man gern die Parabeln mitten unter den politischen Bündnissen, bildeten die Hauptverzierung dieser wahrhaft königlichen Barke.

Kaum war die Barke flott, kaum hatten die Matrosen, wie Soldaten mit geschultertem Gewehr die Einschiffung der Prinzessin erwartend, ihre Ruder erhoben, als Buckingham an die Treppe lies, um seinen Platz in dem Fahrzeug einzunehmen.

Doch die Königin hielt ihn zurück und sagte zu ihm:

»Mylord, es schickt sich nicht, daß Ihr meine Tochter und mich ans Land gehen laßt, ohne daß die Wohnungen auf eine geziemende Weise bereit gehalten werden. Ich bitte Euch daher, Mylord, uns nach dem Havre voranzufahren und darüber zu wachen, daß bei unserer Ankunft Alles in Ordnung ist.«

Das war ein neuer Schlag für den Herzog, ein um so furchtbarerer Schlag, als er ganz unerwartet kam.

Er stammelte, erröthete, konnte aber nichts antworten.

Er hatte geglaubt, er könnte während der Ueberfahrt in der Nähe von Madame weilen und so bis zum letzten die Augenblicke, die ihm vom Glücke gegeben, genießen.

Aber der Befehl war ein ausdrücklicher.

Der Admiral, der ihn gehört hatte, rief sogleich:

»Das kleine Boot in See.«

Der Befehl wurde mit einer den Manoeuvres der Kriegsschiffe eigenthümlichen Raschheit ausgeführt.

Trostlos richtete Buckingham einen Blick der Verzweiflung an die Prinzessin, einen Blick des Flehens an die Königin, einen Blick des Zorns an den Admiral.

Die Prinzessin stellte sich, als sähe sie es nicht.

Die Königin wandte den Kopf ab.

Der Admiral lachte.

Bei diesem Lachen war Buckingham im Begriff, auf Norfolk loszustürzen.

Die Königin Mutter stand auf und sprach voll Wurde:

»Geht, mein Herr.«

Der junge Herzog hielt inne.

Doch er schaute umher und fragte, ganz erstickt durch so verschiedenartige Gemüthsbewegungen, mit einer letzten Anstrengung:

»Und Ihr, meine Herren, Ihr Herr von Guiche, Ihr Herr von Bragelonne, begleitet Ihr mich nicht?«

Von Guiche verbeugte sich und erwiederte:

»Ich bin, wie Herr von Bragelonne, zu den Befehlen der Königin . . . was sie uns befiehlt, werden wir thun.«

Und er schaute die junge Prinzessin an, welche die Augen niederschlug.

»Verzeiht, Herr von Buckingham,« sagte die Königin, »Herr von Guiche vertritt hier Monsieur, er muß uns die Honneurs in Frankreich machen, wie Ihr uns die Honneurs von England gemacht habt; er kann also nicht umhin, uns zu begleiten; wir sind ihm überdies die kleine Gunstbezeigung dafür schuldig, daß er den Muth gehabt hat, uns bei diesem schlechten Wetter zu besuchen.«

Buckingham öffnete den Mund, als wollte er antworten, doch fand er keinen Gedanken oder keine Worte, um diesen Gedanken auszudrücken, kein Ton kam über seine Lippen, und er wandte sich wie im Fieberwahn um und sprang vom Schiff in das Boot.

Die Ruderer hatten kaum Zeit, ihn aufzuhalten und sich selbst zu halten, denn das Gewicht und der Gegenschlag hätte die Barke beinahe umschlagen gemacht.

»Mylord ist offenbar verrückt,« sagte der Admiral laut zu Raoul.

»Ich befürchte es für Mylord,« erwiederte Bragelonne.

Während der ganzen Zeit, die das Boot brauchte, um das Land zu erreichen, hörte der Herzog nicht auf, das Admiralsschiff mit seinen Blicken zu bedecken, wie es ein Geiziger machen würde, dem man seine Geldkiste entreißen wollte, eine Mutter, die man von ihrer Tochter entfernen würde, um sie zum Tode zu führen.

Doch nichts antwortete auf seine Signale, auf seine Kundgebungen, auf seine kläglichen Stellungen.

Buckingham war so betäubt, daß er auf eine Bank sank und mit seiner Hand in seine Haare griff, während die Matrosen sorglos das Boot über die Wellen hinfliegen ließen.

Bei seiner Ankunft war er dergestalt ermattet und erstarrt, daß er, würde er nicht im Hasen den Boten getroffen haben, den er als Quartiermacher vorausgeschickt, nicht nach seinem Weg zu fragen gewußt hätte.

Sobald er in dem für ihn bestimmten Haus angekommen war, schloß er sich wie Achilles in seinem Zelt ein.

Das Boot, das die Prinzessinnen führte, verließ indessen den Bord des Admiralsschiffs in dem Augenblick, wo Buckingham den Fuß auf’s Land setzte.

Eine Barke folgte voll von Officieren, Höflingen und eifrigen Freunden.

Die ganze Bevölkerung vom Havre hatte sich eiligst mit Fischerkähnen, flachen Barken, öder langen normannischen Penichen eingeschifft und fuhr .dem königlichen Schiff entgegen.

Die Kanonen donnerten von den Forts: das Admiralsschiff und die zwei anderen wechselten Salven, und die Flammenwolken entflogen aus gähnenden Schlünden in weichen Rauchflocken über den Wellen hin und verdunsteten sich sodann im Azur des Himmels.

 

Die Prinzessin stieg von den Stufen des Quai aus. Eine freudige Musik erwartete sie am Land und begleitete jeden ihrer Schritte.

Während sie nach dem Mittelpunkt der Stadt zuschreitend auf den reichen Teppichen und den Blumen, die man gestreut, hingingen, nahmen Guiche und Raoul, die sich von den Engländern wegstahlen, einen andern Weg durch die Stadt und liefen nach dem für die Residenz von Madame bezeichneten Ort.

»Beeilen wir uns,« sagte Raoul zu Guiche, »denn wie ich seinen Charakter kenne, wird uns Buckingham ein Unheil anrichten, wenn er das Resultat unserer gestrigen Berathung sieht.«

»Oh!« erwiederte der Graf, »wir haben da Wardes, der die Festigkeit selbst, und Manicamp, der die Freundlichkeit selbst ist.«

Herr von Guiche eilte darum nicht minder, und fünf Minuten nachher waren sie im Angesicht des Stadthauses.

Was ihnen zuerst auffiel, war eine große Menge auf dem Platze versammelter Leute.

»Gut,« sagte Guiche, »es scheint, unsere Wohnungen sind erbaut.«

Es erhoben sich in der That vor dem Stadthaus auf dem Platze selbst acht Zelte von der größten Eleganz, überragt von den vereinigten Flaggen von Frankreich und England.

Das Stadthaus war von Zelten wie von einem buntscheckigen Gürtel umgeben, zehn Pagen und zwölf Chevaurlegers, die man den Botschaftern als Escorte mitgegeben hatte, standen Wache vor diesen Zelten.

Das Schauspiel war seltsam; es hatte etwas Feenartiges.

Diese improvisirten Wohnungen waren in der Nacht erbaut worden. Im Inneren, wie im Aeußeren mit den reichsten Stoffen bekleidet, die der Graf von Guiche im Havre hatte finden können, umschloßen sie völlig das Stadthaus, das heißt, den Aufenthaltsort der jungen Prinzessin; sie waren mit einander durch einfache seidene Taue verbunden, welche von Schildwachen gespannt und gehütet wurden, so daß der Plan von Buckingham völlig umgeworfen war, hatte er wirklich den Plan gehabt, für sich und seine Engländer die Zugänge zum Stadthause zu bewahren.

Die einzige Passage, welche den Zutritt zu den Stufen des Gebäudes gestattete und nicht durch diese seidene Barricade abgeschlossen war, wurde von zwei pavillonartigen Zelten bewacht, deren Thüren sich nach den zwei Seiten dieses Einganges öffneten.

Diese zwei Zelte waren die von Guiche und Raoul und mußten in ihrer Abwesenheit beständig besetzt sein: das von Guiche durch Wardes, das von Bragelonne durch Manicamp.

Rings um diese zwei Zelte und die andern acht her strahlten hundert Officiere, Edelleute und Pagen von Seide und Gold und summten wie die Bienen um ihren Korb.

Den Degen an der Hüfte, war dies Alles bereit, auf ein Zeichen von Guiche oder Bragelonne, diesen zwei Häuptern der Ambassade, zu gehorchen.

In dem Augenblick, wo die zwei jungen Leute am Ende einer nach dem Platze ausmündenden Straße erschienen, erblickten sie im Galopp über diesen Platz hinsprengend einen jungen Edelmann von wunderbarer Eleganz. Er durchschnitt die Menge der Neugierigen und stieß beim Anblick der improvisirten Bauten einen Schreis des Zorns und der Verzweiflung aus.

Es war Buckingham, Buckingham, der sich aus seiner Erstarrung empor gerafft hatte, um eine blendende Kleidung anzulegen und Madame und die Königin vor dem Stadthause zu erwarten.

Doch beim Eingang der Zelte versperrte man ihm den Weg, und er war genöthigt, anzuhalten.

Ganz außer sich schwang Buckingham seine Peitsche; zwei Officiere packten ihn beim Arm.

Von den zwei Wächtern war nur ein einziger da. Herr von Wardes, der in’s Innere des Stadthauses hinaufgestiegen war, überbrachte dahin einige von Herrn von Guiche ertheilte Befehle.

Bei dem Lärmen, den Buckingham machte, erhob sich Manicamp, der träge auf den Kissen vor einem der Eingangszelte lag, mit seiner gewöhnlichen Nachlässigkeit und erschien, als er bemerkte, daß der Firmen fortdauerte, unter den Vorhängen.

»Was gibt es?’ fragte er ganz sanft, »wer macht all diesen Lärmen?«

Durch einen Zufall war es In dem Augenblick, wo er zu sprechen anfing, wieder still geworden, und obgleich sein Ton weich und gemäßigt, hörte doch Jedermann seine Frage.

Buckingham wandte sich um und schaute diesen großen, magern Leib und dieses indolente Gesicht an.

Die Person unseres Mannes, der übrigens, wie gesagt, sehr einfach gekleidet war, flößte wahrscheinlich Buckingham keine große Achtung ein, denn er erwiederte verächtlich:

»Wer seid Ihr, mein Herr?«

Manicamp stützte sich auf den Arm eines ungeheuren Chevaurleger, der so solid war, als der Pfeiler einer Kathedrale, und antwortete mit demselben ruhigen Tone:

»Und Ihr, mein Herr?«

»Ich bin Mylord Herzog von Buckingham. Es sind von mir alle Häuser gemiethet worden, die das Stadt Haus umgeben, wo ich zu thun habe; da aber diese Häuser von mir gemiethet worden sind, so gehören sie auch mir, und da ich sie gemiethet, um freien Zugang zum Starthaus zu haben, so seid Ihr nicht berechtigt, mir diesen Zugang zu verschließen.«

»Aber, mein Herr, wer hindert Euch, zu passiren?« fragte Manicamp.

»Eure Schildwachen.«

»Weil Ihr zu Pferde passiren wollt, und weil der Befehl gegeben ist, nur Fußgänger durchzulassen.«

»Niemand, außer mir, hat das Recht, hier Befehle zu geben!« sagte Buckingham.

»Wie so, mein Herr?« fragte Manicamp mit sein« sanften Stimme, »habt die Güte, mir dieses Räthsel zu erklären.«

»Weil ich, wie gesagt, alle Häuser des Platzes gemiethet habe,«

»Wir wissen es wohl, da uns nur der Platz selbst geblieben ist.«

»Ihr täuscht Euch, mein Herr, der Platz gehört mir, wie die Häuser.«

»Oh! verzeiht, Ihr seid in einem Irrthum begriffen, mein Herr. Man sagt bei uns, das Pflaster des Königs, folglich gehört der Platz dem König, insofern wir aber Botschafter des Königs sind, ist der Platz unser.«

»Mein Herr, ich habe Euch schon einmal gefragt, wer Ihr seid?« rief Buckingham außer sich über die Kaltblütigkeit von Manicamp.

»Man nennt mich Manicamp,« antwortete der junge Mann mit einer äolischen Stimme, so sanft und harmonisch war sie.

Buckingham zuckte die Achseln und sprach:

»Kurz, als ich die Häuser miethete, die das Stadthaus umgeben, war der Platz frei; diese Baracken versperren mir die Aussicht, nehmt sie weg.«

Ein dumpfes, bedrohliches Gemurre durchlief die Menge der Zuhörer.

Der Graf von Guiche erschien in diesem Augenblick; er schob die Menschen, die ihn von Buckingham trennten, zurück und kam, gefolgt von Raoul, auf einer Seite an, während Herr von Wardes auf der anderen eintraf.

»Verzeiht, Mylord,« sagte er, »habt Ihr eine Forderung zu machen, so seid so gefällig, sie an mich zu richten, insofern ich den Plan zu diesen Bauten gegeben habe.«

»Herr Graf,« erwiederte Buckingham in einem Tone unverkennbaren Zorns, obgleich er durch die Gegenwart eines Standesgenossen gemildert wurde, »ich sage, diese Zelte können unmöglich bleiben, wo sie sind.«

»Unmöglich,« versetzte Guiche, »und warum?«

»Weil sie mich belästigen.«

Es entschlüpfte Guiche eine Bewegung der Ungeduld, doch der kalte Blick von Raoul hielt ihn zurück.

»Sie müssen Euch weniger belästigen, mein Herr, als uns dieser Mißbrauch der Priorität, den Ihr Euch erlaubt habt.«

»Ein Mißbrauch?«

»Allerdings. Ihr schickt einen Boten hierher, der, in Eurem Namen, die ganze Stadt des Havre miethet, ohne sich um die Franzosen zu bekümmern, die Madame entgegenkommen sollen. Das ist für den Vertreter einer befreundeten Nation wenig brüderlich, mein Herr Herzog.«

»Der Boden gehört dem ersten Besitznehmer.«

»In Frankreich nicht, mein Herr.«

»Und warum nicht in Frankreich?«

»Weil dies das Land der Höflichkeit ist.«

»Was soll das heißen?« rief Buckingham auf eine so aufbrausende Art, daß die Anwesenden, einen unmittelbaren Zusammenstoß erwartend, zurückwichen.

»Das soll heißen,« antwortete der Graf von Guiche erbleichend, »daß ich diese Wohnung für mich und meine Freunde als Asyl der Botschafter Frankreichs, als einziges Obdach, das uns Eure Beschlagnahme in dieser Stadt ließ, habe erbauen lassen, und daß ich und die Meinigen in dieser Wohnung bleiben werden, wenn nicht ein mächtigerer und besonders souveränerer Wille, als der Eurige, mich daraus entfernt.«

»Das heißt, uns nicht abweist, wie man im Justizpalaste sagt,« bemerkte Manicamp mit sanftem Tone.