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Der Graf von Bragelonne

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V.
Worin d’Artagnan galoppirt, Porthos schnarcht, und Aramis räth

Dreißig bis fünfunddreißig Stunden nach den von uns erzählten Ereignissen, als Fouquet seiner Gewohnheit gemäß, nachdem er den Eintritt verboten, in dem uns bekannten Cabinet seines Hauses in Saint-Mandé arbeitete, fuhr ein mit vier von Schweiß triefenden Pferden bespannter Wagen in größter Eile in den Hof.

Dieser Wagen wurde ohne Zweifel erwartet, denn drei bis vier Bedienten stürzten an den Schlag und öffneten ihn; während Herr Fouquet von seinem Schreibtisch aufstand und selber an’s Fenster lies, kam mühsam aus dem Wagen ein Mann heraus und stieg mit großer Schwierigkeit, sich auf die Schultern der Lackeien stützend, die drei Stufen des Fußtritts herab.

Kaum hatte er seinen Namen genannt, als derjenige, auf dessen Schultern er sich nicht stützte, nach der Freitreppe eilte und im Vorhause verschwand.

Dieser Mensch wollte seinen Herrn benachrichtigen, doch er hatte nicht nöthig an die Thüre zu klopfen. Fouquet stand auf der Schwelle.

»Seine Herrlichkeit der Bischof von Vannes,« sagte der Lackei.

»Gut!« erwiederte Fouquet.

Dann sich über das Geländer der Treppe beugend, deren erste Stufen Aramis heraufzusteigen anfing, rief er:

»Ihr, lieber Freund, Ihr, so bald?«

»Ja, Ich selbst, mein Herr, doch gerädert, gelähmt, wie Ihr seht.«

»Oh! armer Freund,« sprach Fouquet, während er ihm seinen Arm bot, auf den sich Aramis stützte, indeß die Diener sich ehrfurchtsvoll entfernten.

»Bah!« versetzte Aramis, »es ist nichts, da ich nun hier bin; die Hauptsache war, daß ich ankäme, und ich bin angekommen.«

»Sprecht geschwinde,« sagte Fouquet, der die Thür des Cabinets hinter sich und Aramis schloß.

»Sind wir vollkommen allein?«

»Ja, vollkommen allein.«


»Niemand kann uns behorchen? Niemand kann uns hören.«

»Seid unbesorgt.«

»Herr du Vallon ist angekommen?«

»Ja.«

»Und Ihr habt meinen Brief erhalten?«

»Ja; die Sache ist wichtig, wie es scheint, da sie Eure Gegenwart in Paris in einem Augenblicke nothwendig machte, wo Eure Anwesenheit dort so dringend war.«

»Ihr habt Recht, äußerst wichtig.«

»Dank, Dank; um was handelt es sich? Doch um Gotteswillen und vor Allem athmet, theurer Freund, Ihr seid bleich, um Schauder zu erregen.«

»Ich leide in der That; doch ich bitte, merkt nicht auf mich. Hat Euch Herr du Vallon nichts gesagt, als er Euch seinen Brief übergab?«

»Nein, ich hörte einen gewaltigen Lärmen, ich trat an’s Fenster, ich sah am Fuße der Freitreppe eine Art von marmornem Reiter; ich ging hinab, er reichte mir den Brief und sein Pferd stürzte todt nieder.«

»Aber er?«

»Er ist mit dem Pferd gestürzt; man hat ihn aufgehoben, um ihn in die oberen Gemächer zu tragen; nachdem ich den Brief gelesen, wollte ich hinaufgehen, um weitere Nachrichten von ihm zu erhalten, doch er war so fest eingeschlafen, daß man ihn unmöglich auf, wecken konnte. Ich bekam Mitleid mit ihm und befahl, ihm die Stiefel auszuziehen und ihn in Ruhe zu lassen.«

»Gut; doch nun hört, wie sich die Sache verhält. Nicht wahr, Ihr habt Herrn d’Artagnan in Paris gesehen?«

»Gewiß . . . es ist ein Mann von Geist und sogar von Herz, obschon er mir unsere lieben Freunde Lyodot und d’Emeris hat umbringen lassen.«

»Ach! ja, ich weiß es; ich traf in Tours den Eilboten, der mir den Brief von Gourville und die Depechen von Pelisson brachte. Habt Ihr über dieses Ereignis, wohl nachgedacht, mein Herr?«

»Ja.«

»Und Ihr habt begriffen, daß es ein unmittelbarer Angriff auf Eure Souveränität war.«

»Glaubt Ihr?«

»Oh! ja, ich glaube es.«

»Nun, ich gestehe, dieser düstere Gedanke ist mir auch gekommen.«

»Seid nicht blind, in des Himmels Namen, Monseigneur; hört wohl, ich komme auf d’Artagnan zurück.«

»Ich höre.«

»Unter welchen Umständen habt Ihr ihn gesehen?«

»Er erschien bei mir, um Geld zu holen.«

»Mit welcher Anweisung?«

»Mit einer Anweisung des Königs.«

»Unmittelbar?«

»Von Seiner Majestät unterzeichnet.«

»Seht Ihr! Nun wohl, d’Artagnan ist nach Belle-Isle gekommen; er war verkleidet und gab sich für einen Verwalter aus, der von seinem Herrn beauftragt, Salzteiche zu kaufen. D’Artagnan hat aber keinen andern Herrn, als den König, er kam folglich als Abgesandter des Königs dahin. Er hat Porthos gesehen.«

»Wer ist Porthos?«

»Verzeiht, ich irre mich, er hat Herrn du Vallon in Belle-Isle gesehen und weiß, wie Ihr und ich, daß Belle-Isle befestigt ist.«

»Und Ihr glaubt, der König habe ihn abgeschickt?« fragte Fouquet ganz nachdenkend.

»Sicherlich.«

»Und d’Artagnan ist in den Händen des Königs ein gefährliches Werkzeug?«

»Das gefährlichste von allen.«

»Ich habe ihn also mit dem ersten Blick richtig beurtheilt.«

»Wie so?«

»Ich wollte ihn mir verbinden.«

»Wenn Ihr urtheilet, er sei der tapferste, der feinste und der gewandteste Mann Frankreichs, so habt Ihr ihn richtig beurtheilt.«

»Man muß ihn um jeden Preis bekommen.«

»D’Artagnan?«

»Ist das nicht Eure Ansicht?«

»Es ist meine Ansicht; doch Ihr werdet ihn nicht bekommen.«

»Warum?«

»Weil wir die Zeit haben verstreichen lassen; er war mit dem Hof entzweit, und man hätte diese Zwistigkeit benützen müssen: seitdem ist er in England gewesen, seitdem hat er mächtig zur Restauration beigetragen, seitdem hat er ein Vermögen gewonnen, seitdem endlich ist er wieder in den Dienst des Königs getreten. Wenn er aber wieder in den Dienst des Königs getreten ist, so ist dies der Fall, weil man ihm diesen Dienst gut bezahlt hat.«

»Wir werden ihn noch besser bezahlen.«

»Oh! Monseigneur, erlaubt, d’Artagnan hat ein Wort, und hat er dieses Wort einmal verpfändet, so bleibt es, wo es ist . . . «

»Was schließt Ihr hieraus?« fragte Fouquet unruhig.

»Daß es für den Augenblick die Hauptaufgabe ist, einen furchtbaren Schlag zu pariren.«

»Und wie parirt Ihr ihn?«

»Wartet . . . d’Artagnan wird dem König Rechenschaft über seine Sendung ablegen.«

»Oh! wir haben Zeit, hieran zu denken.«

»Wie so?«

»Ich nehme an, Ihr habt einen bedeutenden Vorsprung vor ihm.«

»Zehn Stunden ungefähr.«

»Nun, in zehn Stunden . . . «

Aramis schüttelte seinen bleichen Kopf und erwiederte:

»Seht jene Wolken, die am Himmel hinlaufen, seht die Schwalben, welche die Luft durchschneiden: d’Artagnan geht schneller als die Wolke und der Vogel: d’Artagnan ist der Wind, der sie fortreißt.«

»Oh! oh!«

»Ich sage Euch, dieser Mann ist etwas Uebermenschliches; er ist von meinem Alter, und ich kenne ihn seit fünfunddreißig Jahren.«

»Nun?«

»Hört meine Berechnung, Monseigneur; ich habe Herrn du Vallon um zwei Uhr in der Nacht an Euch abgeschickt; Herr du Vallon hatte acht Stunden vor mir voraus. Wann ist Herr du Vallon angekommen?«

»Ungefähr vor vier Stunden.«

»Ihr seht, ich habe den Weg um vier Stunden schneller zurückgelegt als er, Porthos aber ist ein tüchtiger Reiter und er hat auf der Straße acht Pferde getödtet, deren Leichname ich gefunden. Ich bin fünfzig Meilen mit der Post geritten, doch ich habe die Gicht, Griesbeschwerden, was weiß ich! so daß mich die Strapaze tödtet. Ich mußte in Tours absteigen; seitdem in einer Carosse rollend, halb todt, halb umgeworfen, häufig auf den Seiten geschleppt, zuweilen auch auf dem Rücken des Wagens, bin ich hier angekommen in vier Stunden weniger als Porthos; doch seht Ihr, d’Artagnan wiegt nicht dreihundert Pfund wie Porthos, d’Artagnan hat nicht die Gicht und die Gries wie ich; er ist kein Reiter, sondern ein Centaur; d’Artagnan, seht Ihr, der nach Belle-Isle abgereist ist, als ich nach Paris abreiste, d’Artagnan wird trotz der zehn Stunden Vorsprung, die ich vor ihm habe, zwei Stunden nach mir ankommen.«

»Aber die Unfälle?«

»Es gibt keine Unfälle für ihn.«

»Wenn es an Pferden fehlt?

»Er wird schneller laufen als die Pferde.«

»Guter Gott, welch ein Mann!«

»Ja, es ist ein Mann, den ich liebe und bewundere; ich liebe ihn, weil er gut, groß, redlich ist; ich bewundere ihn, weil er für mich den Kulminationspunkt der menschlichen Macht darstellt; doch während ich ihn liebe, während ich ihn bewundere, fürchte ich ihn und bin gegen ihn auf der Hut. Ich fasse mich kurz: in zwei Stunden wird d’Artagnan hier sein; kommt ihm zuvor, lauft in den Louvre, seht den König, ehe er d’Artagnan sieht.«

»Was soll ich dem König sagen?«

»Nichts; gebt ihm Belle-Isle.«

»Oh! Herr d’Herblay, Herr d’Herblay!« rief Fouquet, »wie viele Pläne würden dadurch auf einmal scheitern!«

»Nach einem gescheiterten Plan gibt es immer einen andern, den man zum guten Ziel führen kann; verzweifeln wir nicht, und geht, geht, Herr.«

»Aber die so sorgfältig ausgelesene Garnison, der König wird sie wechseln lassen?«

»Diese Garnison, Monseigneur, gehörte dem König, als sie nach Belle-Isle kam; so wird es mit allen Garnisonen nach einer vierzehntägigen Besetzung sein. Laßt das bewenden, Herr. Seht Ihr etwas Ungeeignetes darin, daß Ihr nach Verlauf eines Jahres ein Heer haben sollt, statt eines oder zweier Regimenter? Seht Ihr nicht ein, daß Eure Garnison von heute Euch Anhänger in la Rochelle, in Nantes, in Bordeaux, in Toulouse, überall, wohin man sie schicken mag, machen wird? Geht zum König, geht, die Zeit verstreicht, und während wir unsere Zeit verlieren, stiegt d’Artagnan wie ein Pfeil auf der Landstraße.«

»Herr d’Herblay, Ihr wißt, daß jedes Wort von Euch ein Keim ist, der in meinem Innern zur Frucht wird. Ich gehe in den Louvre.«

»Auf der Stelle, nicht wahr?«

»Ich verlange nur so viel Zelt, als ich brauche, um die Kleider zu wechseln.«

 

»Erinnert Euch, daß d’Artagnan nicht nöthig hat, durch Saint-Mandé zu reiten, sondern daß er sich geraden Wegs in den Louvre begeben wird: das schneidet eine Stunde von dem Vorsprung ab, der uns bleibt.«

»D’Artagnan kann Alles haben, nur nicht meine englischen Pferde; in fünfundzwanzig Minuten bin ich im Louvre.«

Und ohne eine Secunde zu verlieren, gab Fouquet Befehl zur Abfahrt. Aramis hatte nur noch Zeit, ihm zu sagen:

»Kommt eben so schnell zurück, als Ihr hinein gefahren sein werdet, denn ich erwarte Euch voll Ungeduld.«

Fünf Minuten nachher flog der Oberintendant nach Paris.

Während dieser Zeit ließ sich Aramis das Zimmer bezeichnen, wo Porthos schlief.

Vor der Thüre des Cabinets von Fouquet wurde er von Pelisson in die Arme geschlossen, der seine Ankunft erfahren hatte und die Bureaux verließ, um ihn zu sehen.

Aramis nahm mit jener freundschaftlichen Wurde, die er sich so gut zu geben wußte, diese eben so ehrerbietigen als eifrigen Liebkosungen auf; doch plötzlich blieb er auf dem Ruheplatz stehen und fragte:

»Was höre ich da oben?«

Man hörte in der That ein dumpfes Knurren, dem eines hungerigen Tigers oder eines ungeduldigen Löwen ähnlich.

»Oh! das ist nichts,« erwiederte Pelisson lachend.

»Aber . . . «

»Es ist Herr du Vallon, der schnarcht.«

»In der That,« sagte Aramis, »nur er ist im Stande, einen solchen Lärmen zu machen. Ihr erlaubt, Pelisson, daß ich mich erkundige, ob ihm nichts fehlt?«

»Und Ihr werdet mir erlauben, daß ich Euch begleite.«

»Gewiß!«

Beide traten in das Zimmer.

Porthos lag auf einem Bett ausgestreckt, das Gesicht mehr violett, als roth, die Augen angeschwollen, den Mund aufgesperrt. Das Gebrülle, das aus den tiefen Höhlen seiner Brust hervorkam, machte die Fensterscheiben zittern.

Seinen gespannten, mächtig in seinem Gesicht vorspringenden Muskeln, seinen vom Schweiß klebenden Haaren, den Wogungen seines Kinns konnte man eine gewisse Bewunderung nicht versagen; die bis auf diesen Grad gesteigerte Stärke ist beinahe Gottheit.

Die herculischen Beine und Füße von Porthos hatten anschwellend seine ledernen Stiefel krachen gemacht; die ganze Kraft seines ungeheuren Körpers hatte sich in eine steinerne Strenge und Härte verwandelt.

Auf den Befehl von Pelisson war ein Kammerdiener bemüht, seine Stiefel aufzuschneiden, denn keine Macht der Erde wäre im Stande gewesen, sie ihm zu entreißen.

Wie Ankerhaspel anziehend, hatten es vier Lackeien vergebens versucht.

Es war ihnen nicht einmal gelungen, Porthos aufzuwecken.

Man nahm ihm seine Stiefel in Streifen ab, und seine Beine fielen wieder auf das Bett; man schnitt ihm seine übrigen Kleider vom Leib, man trug ihn in ein Bad, man ließ ihn eine Stunde darin; dann hüllte man ihn wieder in weiße Leinwand und legte ihn in ein gewärmtes Bett, Alles unter Anstrengungen, welche einen Todten gestört und belästigt hätten, die aber Porthos nicht einmal ein Auge öffnen machten und nicht eine Secunde die furchtbare Orgel seines Schnarchens unterbrachen.

Aramis, eine trockene, nervige Natur, wollte, mit einem ausgezeichneten Muth bewaffnet, der Strapaze trotzen und mit Gourville und Pelisson arbeiten, aber er fiel von dem Stuhl, auf dem er hartnäckig geblieben war, in Ohnmacht.

Man hob ihn auf, um ihn in ein anstoßendes Zimmer zu tragen, wo ihm die Ruhe des Bettes ungesäumt die Ruhe des Kopfes verlieh.

VI.
Worin Herr Fouquet handelt

Fouquet eilte indessen im gestreckten Galopp seines englischen Gespanns nach dem Louvre.

Der König arbeitete mit Colbert.

Plötzlich blieb der König nachdenkend. Die zwei Todesurtheile, die er bei seiner Thronbesteigung unterzeichnet hatte, kamen ihm zuweilen ins Gedächtniß.

Das waren zwei Trauerflecken, die er mit offenen Augen sah; es waren zwei Blutflecken, die er mit geschlossenen Augen sah.

»Mein Herr.« sagte er lebhaft zum Intendanten, »es kommt mir zuweilen vor, als ob die zwei Männer, die Ihr habt verurtheilen lassen, keine sehr große Verbrecher gewesen wären.«

»Sire, sie wurden aus der Herde der Steuerpächter ausgewählt , welche decimirt werden mußte.«

»Durch wen ausgewählt?«

»Durch die Nothwendigkeit, Sire,« antwortete Colbert mit kaltem Ton.

»Die Nothwendigkeit! ein großes Wort!« murmelte der junge König.

»Eine große Göttin, Sire.«

»Es waren sehr ergebene Freunde des Oberintendanten, nicht wahr?«

»Ja, Sire, Freunde, die ihr Leben für Herrn Fouquet gegeben hätten.«

»Sie haben es gegeben, mein Herr,« sprach der König.

»Es ist wahr, doch zum Glück vergebens, was nicht ihre Absicht war.«

»Wie viel hatten diese Menschen Geld vergeudet?«

»Zehn Millionen vielleicht, von denen ihnen sechs confiscirt worden sind.«

»Und das Geld ist, in meinen Kassen?« fragte der König mit einem gewissen Gefühl des Widerwillens.

»Es ist darin, Sire; aber diese Confiscation, obgleich sie Herrn Fouquet bedrohte, hat ihn doch nicht getroffen.«

»Was schließt Ihr hieraus, Herr Colbert?«

»Daß Herr Fouquet, wenn er gegen Eure Majestät eine Truppe von Meuterern angeworben hat, um seine Freunde der Hinrichtung zu entreißen, ein ganzes Heer auf die Beine bringen wird, wenn es sich darum handelt, ihn selbst der Strafe zu entziehen.«

Der König schoß auf seinen Vertrauten einen von den Blicken, die dem düsteren Feuer eines Gewittersturms gleichen, einen von den Blicken, welche die Finsterniß der tiefsten Gewissen beleuchten.

»Mein Herr,« sagte er, »ich wundere mich, daß Ihr, wenn Ihr dergleichen über Herrn Fouquet denkt, mir nicht einen Bericht macht.«

»Was für einen Bericht, Sire?«

»Sagt mir vor Allem klar und bestimmt, was Ihr denkt, Herr Colbert.«

»Worüber?«

»Ueber das Verfahren von Herrn Fouquet.«

»Ich denke, Sire, daß Herr Fouquet, nicht zufrieden , Geld an sich zu ziehen, wie es Herr von Mazarin machte, und hierdurch Eure Majestät eines Theils ihrer Macht zu berauben, auch alle Freunde des lockeren Lebens und der Vergnügungen, die Freunde von dem, was die Müßiggänger die Poesie und die Politiker die Corruption nennen, an sich ziehen will; ich denke, daß er, die Unterthanen Eurer Majestät besoldend, das königliche Prärogativ sich anmaßt und in kurzer Frist, wenn das so fortgeht, Eure Majestät unter die Schwachen und Dunkeln verweisen wird.«

»Wie betitelt man alle diese Anschläge, Herr Colbert?«

»Die Anschläge von Herrn Fouquet?

»Ja.«

»Man nennt sie Verbrechen beleidigter Majestät.«

»Und was thut man den Leuten, die sich eines solchen Verbrechens schuldig machen?«

»Man verhaftet sie, man fällt ein Urtheil über sie, man bestraft sie.«

»Seid Ihr sicher, daß Herr Fouquet den Gedanken des Verbrechens gefaßt hat, dessen Ihr ihn beschuldigt?«

»Ich behaupte mehr, Sire, es hat bei ihm der Anfang der Vollbringung stattgefunden.«

»Wohl, ich komme auf das zurück, was ich sagte, Colbert.«

»Und was sagtet Ihr, Sire?«

»Gebt mir einen Rath.«

»Verzeiht Sire, aber ich habe zuvor noch etwas beizufügen.«

»Sprecht.«

»Einen unverwerflichen, greifbaren, materiellen Beweis des Verraths.«

»Welchen?«

»Ich habe erfahren, daß Herr Fouquet Belle-Isle befestigen läßt.«

»Ah! wahrhaftig?«

»Ja, Sire.«

»Seid Ihr dessen sicher?«

»Vollkommen; wißt Ihr, Sire, daß in Belle-Isle Soldaten sind?«

»Meiner Treue, nein; und Ihr?«

»Ich weiß es nicht genau; ich wollte daher Eurer Majestät den Vorschlag machen, Jemand dahin zu schicken.«

»Wen?«

»Mich, zum Beispiel.«

»Was würdet Ihr in Belle-Isle thun?«

»Mich erkundigen, ob es wahr ist, daß Herr Fouquet, wie die alten Lehensherren, seine Mauern mit Zinnen und Schießscharten versehen läßt.«

»Und in welcher Absicht sollte er dies thun?«

»In der Absicht, sich eines Tags gegen seinen König zu vertheidigen.«

»Aber wenn dem so ist, Herr Colbert, so muß man es sogleich machen, wie Ihr sagtet: man muß Herrn Fouquet verhaften.«

»Unmöglich.«

»Ich glaubte Euch schon bemerkt zu haben, mein Herr, daß ich dieses Wort in meinem Dienst ausmerze.«

»Der Dienst Eurer Majestät kann Herrn Fouquet nicht verhindern, Oberintendant zu sein.«

»Nun?«

»Und daß er folglich durch dieses Amt nicht das ganze Parlament für sich hat, wie er die ganze Armee durch seine Freigebigkeit, die ganze Literatur durch seine Zuvorkommenheiten, den ganzen Adel durch seine Geschenke an sich fesselt.«

»Das heißt also, daß ich nichts gegen Herrn Fouquet vermag?«

»Durchaus nichts, wenigstens zu dieser Stunde.«

»Ihr seid ein unfruchtbarer Rath, Herr Colbert.«

»Oh! nein, Sire, denn ich werde, mich nicht darauf beschränken, daß ich Eurer Majestät die Gefahr zeige.«

»Sprecht also! Wo kann man den Koloß untergraben?« sagte der König, mit einer gewissen Bitterkeit lachend.

»Er ist durch das Geld groß geworden: tödtet ihn durch das Geld, Sire.«

»Wenn ich ihm sein Amt entzöge?«

»Ein schlechtes Mittel.«

»Ein gutes also, ein gutes.«

»Richtet ihn zu Grunde, sage ich Euch, Sire.«

»Wie dies?«

»Es wird Euch nicht an Gelegenheiten fehlen, benützt alle Gelegenheiten.«

»Bezeichnet sie mir.«

»Eine vor Allem. Seine königliche Hoheit Monsieur ist im Begriff, sich zu verheirathen; die Hochzeit muß prachtvoll werden. Das ist eine schöne Gelegenheit für Eure Majestät, um eine Million von Herrn Fouquet zu verlangen; Herr Fouquet, der zwanzigtausend Livres auf ein Mal bezahlt, während er nur fünf schuldig ist, wird leicht diese Million finden, wenn sie Eure Majestät fordert.«

»Es ist gut, ich werde das thun sagte Ludwig XIV.

»Wenn Eure Majestät die Anweisung unterzeichnen will, so werde ich selbst das Geld abholen,« sprach Colbert.

Und er legte ein Papier vor den König und reichte ihm eine Feder.

In diesem Augenblick öffnete der Huissier leicht die Thüre und meldete den Oberintendanten.

Ludwig erbleichte.

Colbert ließ die Feder fallen und trat vom König zurück, über dem er seine schwarzen Flügel des bösen Engels ausbreitete.

Der Oberintendant trat ein wie ein Mann von Hof, dem ein einziger Blick genügt, um die Lage der Dinge zu schätzen.

Diese Lage war nicht beruhigend für Fouquet, wie auch das Bewußtsein seiner Stärke sein mochte. Das kleine schwarze, durch den Neid erweiterte Auge von Colbert und das durchsichtige, vom Zorn entflammte Auge von Ludwig XIV. bezeichneten eine dringende Gefahr.

Die Höflinge sind, was das bedrohliche Brausen des Hofes betrifft, wie die alten Soldaten, welche durch das Rauschen des Windes und des Blätterwerks das entfernte Schallen der Tritte einer feindlichen Truppe unterscheiden; sie können, nachdem sie gehorcht haben, ungefähr sagen, wie viel Leute marschiren, wie viel Gewehre klirren, wie viel Kanonen rollen.

Fouquet brauchte also nur das Stillschweigen zu befragen, das bei seiner Erscheinung eingetreten war: er fand es beladen mit bedrohlichen Offenbarungen.

Der König ließ ihm alle Zeit, bis in die Mitte des Zimmers zu schreiten. Die jugendliche Schüchternheit gebot ihm diese augenblickliche Zurückhaltung,

Fouquet ergriff kühn die Gelegenheit.

»Sire,« sprach er, »es drängt mich, Eure Majestät zu sehen.«

»Und warum?« fragte Ludwig.

»Um ihr eine gute Kunde zu melden.«

Abgesehen von der Größe der Person, abgesehen von der Erhabenheit des Herzens, glich Colbert in vielen Punkten Fouquet. Derselbe Scharfsinn, dieselbe Menschenkenntnis?. Dabei die große Kraft des Zusammenziehens, welche den Heuchlern, die Zeit zu überlegen und sich zu sammeln, um Federkraft zu gewinnen, verleiht.

Er errieth, daß Fouquet dem Schlag entgegen kam, den er ihm versetzen wollte. Seine Augen glänzten.

»Welche Kunde?« fragte der König.

Fouquet legte eine Papierrolle auf den Tisch und sprach:

»Eure Majestät wolle gnädigst ihre Blicke auf diese Arbeit werfen.«

Der König öffnete langsam die Rolle und sagte:

»Pläne?«

»Ja, Sire.«

»Und was für Pläne sind dies?«

»Eine neue Festung, Sire.«

»Ah! ah!« rief der König, »Ihr beschäftigt Euch mit Taktik und Strategie, Herr Fouquet?«

»Ich beschäftige mich mit Allem, was der Regierung Eurer Majestät ersprießlich sein kann,« erwiederte Fouquet.

»Schöne Bilder!« sagte der König, die Zeichnung anschauend.

»Eure Majestät begreift ohne Zweifel,« sprach Fouquet, sich auf das Papier bückend; »hier ist die Ringmauer, hier sind die Forts, hier sind die Außenwerke.«

»Und was sehe ich hier, mein Herr?«

 

»Das Meer.«

»Das Meer rings umher?«

»Ja, Sire.«

»Und was für ein Platz ist es, dessen Plan Ihr mir zeigt?«

»Sire, es ist Belle-Isle-en-Mer ,« antwortete Fouquet ganz einfach.

Bei diesem Wort, bei diesem Namen machte Colbert eine so bezeichnende Bewegung, daß der König sich umwandte, um ihm Zurückhaltung zu gebieten.

Fouquet schien sich nicht im Geringsten um die Bewegung von Colbert und um das Zeichen des Königs zu bekümmern.

»Mein Herr,« fuhr Ludwig fort, »Ihr habt Belle-Isle befestigen lassen?«

»Ja, Sire, und ich bringe Eurer Majestät die Bauanschläge und die Rechnungen,« erwiederte Fouquet; »ich habe sechzehnmal hunderttausend Livres für diese Operation ausgegeben.

»Warum dies?« fragte kalt der König, der einen Anstoß in einem gehässigen Blick des Intendanten geschöpft hatte.

»In einer leicht begreiflichen Absicht, antwortete Fouquet, »Euer Majestät stand sehr kalt mit Großbritannien.«

»Ja, aber seit der Wiedereinsetzung von Karl II. habe ich ein Bündniß mit England geschlossen.«

»Vor einem Monat hat dies Eure Majestät gesagt; aber die Befestigung von Belle-Isle hat schon vor sechs Monaten begonnen.«

»Dann ist sie unnütz geworden.«

»Sire, Festungen sind nie unnütz. Ich hatte Belle-Isle gegen die Herren Monk und Lambert, und alle die Bürgersleute von London, welche die Soldaten spielten, befestigt. Belle-Isle wird sich vollkommen befestigt gegen die Holländer finden, denen entweder England oder Eure Majestät unfehlbar den Krieg erklärt.«

Der König schwieg abermals und schielte nach Colbert.

»Belle-Isle gehört, glaube ich. Euch, Herr Fouquet?« fragte Ludwig nach einiger Zeit.

»Nein, Sire.«

»Wem denn?«

»Eurer Majestät.«

Colbert wurde von einem Schrecken ergriffen, als ob sich ein Abgrund unter seinen Füßen geöffnet hätte.

Ludwig bebte vor Bewunderung, sei es für das Genie, sei es für die Ergebenheit von Fouquet.

»Erklärt Euch, mein Herr,« sagte er.

»Nichts kann leichter sein, Sire. Belle-Isle ist ein Besitzthum von mir. Ich habe es mit meinem Geld befestigt. Doch da sich nichts in der Welt dem widersetzen kann, daß ein Unterthan seinem König ein demüthiges Geschenk macht, so biete ich Eurer Majestät das Eigenthum des Gutes an, dessen Nutznießung sie mir überlassen wird. Belle-Isle, einen Kriegsplatz, muß der König inne haben: Seine Majestät kann fortan eine sichere Garnison dort halten.«

Colbert sank beinahe ganz aus den schlüpferigen Boden. Um nicht zu fallen, mußte er sich an den Säulen des Täfelwerks halten.

»Mein Herr,« sprach Ludwig XlV., »Ihr habt hier große Gewandtheit eines Kriegsmanns an den Tag gelegt.

»Sire, die Initiative ist nicht von mir gekommen,« erwiederte Fouquet,«viele Officiere haben mich für die Sache begeistert. Auch die Pläne sind von einem der ausgezeichneten Ingenieurs gemacht worden.«

»Sein Name?«

»Herr du Vallon.«

»Herr du Vallon?« versetzte Ludwig; »ich kenne ihn nicht. Es ist ärgerlich,« fügte der König bei, »daß ich den Namen der Männer von Talent nicht kenne, die mein Reich ehren.«

Während Ludwig diese Worte sprach, wandte er sich gegen Colbert um.

Dieser fühlte sich niedergeschmettert, der Schweiß lief ihm von der Stirne, kein Wort bot sich seinen Lippen, und er erduldete eine unaussprechliche Folter.

»Ihr werdet diesen Namen behalten,« sagte der König.

Colbert verbeugte sich bleicher als seine Manchetten von flandrischen Spitzen. Fouquet fuhr fort:

»Die Mauerarbeiten sind von römischem Mastix; Architekten haben mir ihn nach Überlieferungen aus dem Alterthum zusammengesetzt.«

»Und die Kanonen?« fragte Ludwig.

»Oh! Sire, das ist die Sache Eurer Majestät, es geziemt sich nicht für mich, Kanonen bei mir aufzustellen, ohne daß Eure Majestät mir gesagt hat, sie sei bei mir auf ihrem Eigenthum.«

Ludwig fing an unentschieden zu schwanken zwischen dem Haß, den ihm dieser mächtige Mann, und dem Mitleid, das ihm der andere niedergeschlagene Mann einflößten, der ihm wie der Nachdruck des ersten vorkam.

Aber das Bewußtsein seiner Pflicht als König trug den Sieg über die Gefühle des Menschen davon.

Er streckte seinen Finger auf das Papier aus und sagte:

»Die Ausführung dieser Pläne muß Euch viel Geld gekostet haben?«

»Ich glaubte die Ehre gehabt zu haben, Eurer Majestät die Summe zu nennen.«

»Wiederholt sie, ich habe es vergessen.«

»Sechzehnmal hunderttausend Livres.«

»Sechzehnmal hunderttausend Livres! Ihr seid ungeheuer reich, Herr Fouquet.«

»Eure Majestät ist reich,« entgegnete der Oberintendant, »denn Belle-Isle gehört ihr.«

»Ja, ich danke; doch so reich ich auch sein mag, Herr Fouquet.

Der König hielt inne.

»Nun! Sire?« fragte der Oberintendant.

»Ich sehe den Augenblick vorher, wo es mir an Geld fehlen wird . . . «

»Euch, Sire?«

»Ja, mir.«

»Und in welchem Augenblick?«

»Morgen, zum Beispiel.«

»Eure Majestät erweise mir die Ehre, sich zu erklären.«

»Mein Bruder heirathet die Schwester des Königs von England.«

»Nun! Sire?«

»Ich muß der jungen Prinzessin eine der Enkelin von Heinrich IV. würdige Aufnahme bereiten.«

»Das ist nur zu billig, Sire.«

»Ich brauche also Geld.«

»Allerdings.«

»Und ich sollte . . . «

Ludwig XIV. zögerte. Die Summe, die er zu verlangen hatte, war gerade die, welche er Karl II. zu verweigern genöthigt gewesen.

Er wandte sich gegen Colbert um, damit dieser den Schlag wagte.

»Ich sollte morgen . . . « wiederholte er.

»Eine Million haben,« vervollständigte dieser mit brutalem Ton, entzückt, seine Genugthuung nehmen zu können.

Fouquet wandte dem Intendanten den Rücken zu, um auf den König zu hören. Er drehte sich nicht einmal um und wartete, bis der König wiederholte oder vielmehr flüsterte:

»Eine Million.«

»Oh! Sire,« erwiederte Fouquet mit Verachtung, »was will Eure Majestät mit einer Million machen?«

»Mir scheint aber . . . .« stammelte Ludwig XIV.

»So viel gibt man bei der Hochzeit des kleinsten deutschen Prinzen aus.«

»Mein Herr . . . «

»Eure Majestät braucht wenigstens zwei Millionen. Die Pferde allein werden fünfmal hunderttausend Livres wegnehmen. Ich werde die Ehre haben. Eurer Majestät diesen Abend sechzehnmal hunderttausend Livres zu schicken.

»Wie!« rief der König, sechzehnmal hunderttausend Livres!«

»Wartet, Sire,« erwiederte Fouquet, ohne sich nur gegen den Intendanten umzudrehen, »ich weiß, daß viermal hundertausend Livres fehlen. Doch dieser Herr von der Intendanz (und er deutete mit dem Daumen über die Schulter auf Colbert, der hinter ihm erbleichte) doch dieser Herr von der Intendanz . . . hat in seiner Kasse neunmal hunderttausend Livres, die mir gehören.«

Der König schaute Colbert an.

»Aber . . . « sagte dieser.

»Dieser Herr,« fuhr Fouquet immer mittelbar mit Colbert sprechend fort, »dieser Herr hat vor acht Tagen sechzehnmal hundert tausend Livres empfangen; er hat hundert tausend Livres an die Garden bezahlt, fünf und siebenzig tausend an die Hospitäler, fünf und zwanzig tausend an die Schweizer, hundert und dreißig tausend für Lebensmittel, tausend für Waffen, zehn tausend kleine Ausgaben . . . ich täusche mich also nicht, wenn ich rechne, daß neunmal hunderttausend übrig bleiben.«

Dann sich gegen Colbert umwendend, wie es ein hochmüthiger Vorgesetzter gegen seinen Untergebenen thut, sagte er:

»Seid besorgt, mein Herr, daß diese neunmal hunderttausend Livres heute Abend Seiner Majestät in Gold übergeben werden.«

»Aber das wird zwei Millionen fünfmal hunderttausend Livres machen?« entgegnete der König.

»Sire, die fünfmal hunderttausend Livres Ueberschuß sind das Taschengeld für Seine Königliche Hoheit.

»Ihr hört, Herr Colbert, heute Abend vor acht Uhr,« wiederholte Fouquet.

Nach diesen Worten verbeugte sich der Oberintendant ehrfurchtsvoll vor dem König und ging rückwärts hinaus, ohne mit einem einzigen Blick den Neidischen zu beehren, dem er den Kopf halb geschoren hatte.

Colbert zerriß vor Wuth seine flandrischen Spitzen und biß sich die Lippen blutig.

Fouquet war noch nicht vor der Thüre des Cabinets, als ein Huissier, an ihm vorbeigehend, rief:

»Ein Courier aus der Bretagne für Seine Majestät.«

»Herr d’Herblay hatte Recht,« murmelte Fouquet, die Uhr ziehend: »eine Stunde und fünf und fünfzig Minuten, es war Zeit!«