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Der Graf von Bragelonne

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»Nun! der König war Euch nur fünftausend Livres schuldig, warum hat man Euch mehr gegeben?«

»Weil man mehr hatte und man mir mehr geben wollte; das geht Niemand etwas an.«

»Es ist natürlich,« sagte Colbert mit einer gewissen Selbstgefälligkeit, »Ihr kennt die Gebräuche des Rechnungswesens nicht; doch, mein Herr, wenn Ihr tausend Livres zu bezahlen habt, was thut Ihr?«

»Ich habe nie tausend Livres zu bezahlen,« antwortete d’Artagnan.

»Wenn Ihr aber,« rief Colbert zornig, »wenn Ihr aber eine Bezahlung zu leisten hättet, so würdet Ihr nur bezahlen, was Ihr schuldig seid.«

»Das beweist nur Eines: daß Ihr nämlich Eure besondern Gewohnheiten im Rechnungsgeschäft habt, während Herr Fouquet die seinigen hat.«’

»Die meinigen, mein Herr, sind gut.«

»Ich leugne es nicht.«

»Und Ihr habt erhalten, was man Euch nicht schuldig war?«

Das Auge von d’Artagnan schleuderte einen Blitz.

»Was man mir schuldig war, wollt Ihr sagen, Herr Colbert; denn wenn ich erhalten hätte, was man mir gar nicht schuldig war, so hätte ich einen Diebstahl begangen.«

Colbert antwortete auf diese Spitzfindigkeit nicht.

»Ihr seid also der Kasse fünfzehntausend Livres schuldig,« sagte er, von seiner eifersüchtigen Hitze fortgerissen,

»Ihr gebt mir wohl Credit,« erwiederte d’Artagnan mit seiner ungebührlichen Ironie.

»Keineswegs, mein Herr.«

»Gut! wie so? . . . Werdet Ihr mir meine drei Rollen wieder abnehmen?«

»Ihr werdet sie meiner Kasse wiederersetzen.«

»Ich? Ah! Herr Colbert, zählt nicht hierauf.«

»Der König braucht sein Geld, mein Herr.«

»Und ich brauche das Geld des Königs.«

»Es mag sein; doch Ihr werdet die betreffende Summe wiedererstatten.«

»Durchaus nicht. Ich habe immer sagen hören, beim Rechnungswesen, wie Ihr es nennt, gebe ein guter Kassier nie zurück und nehme nie zurück.«

»Dann werden wir sehen, mein Herr, was der König sagt, dem ich diese Quittung zeigen werde, welche beweist, daß Herr Fouquet nicht nur bezahlt, was er nicht schuldig ist, sondern daß er nicht einmal die Quittung für das behält, was er bezahlt.«

»Ah!« rief d’Artagnan. »ich begreife nun, warum Ihr mir dieses Papier abgenommen habt, Herr Colbert.«

Colbert begriff nicht ganz, was Alles an Drohung in seinem auf eine gewisse Weise ausgesprochenen Namen lag.

»Ihr werdet den Nutzen später sehen erwiederte er, indem er das Papier in seinen Fingern in die Höhe hob.

»Oh!« rief d’Artagnan, der das Papier mit einer raschen Geberde wieder an sich riß, »ich verstehe das vollkommen und brauche zu diesem Ende nicht zu warten.«

Und er steckte das Papier, das er erhascht hatte, wieder in die Tasche.

»Mein Herr! mein Herr!« rief Colbert . . . »diese Gewaltthat . . . «

»Geht doch! darf man auf die Manieren eines Soldaten merken!« erwiederte der Musketier; »empfangt meinen Handkuß, lieber Herr Colbert!«

Und er lachte dem zukünftigen Minister ins Gesicht und ging weg.

»Dieser Mann wird mich anbeten,« murmelte er; »Schade, daß ich seine Gesellschaft verlassen muß,«

XXIII.
Philosophie des Herzens und des Geistes

Für einen Mann, der gefährlichere gesehen hatte, war die Stellung von d’Artagnan Colbert gegenüber nur eine komische. D’Artagnan versagte sich also die Freude nicht, auf Kosten des Herrn Intendanten von der Rue Neuve des Petits-Champs bis zur Rue des Lombards zu lachen.

Das ist ein langer Weg, D’Artagnan lachte also lang.

Er lachte noch, als er Planchet erblickte, der auch vor der Thüre seines Hauses lachte.

Denn seit der Rückkehr seines Patrons, seit dem Empfang der englischen Guineen, brachte Planchet den größten Theil seines Lebens damit zu, daß er that, was d’Artagnan nur von der Rue Neuve des Petits-Champs bis nach der Rue des Lombards gethan hatte.

»Ihr kommt also, mein lieber Herr?« sagte Planchet zu d’Artagnan.

»Nein, mein Freund erwiederte der Musketier, »ich reise so schnell als möglich ab: nämlich ich speise zu Nacht, lege mich zu Bette, schlafe fünf Stunden und schwinge mich bei Tagesanbruch in Sattel. Hat man meinem Pferd anderthalb Rationen gegeben?«

»Ei! mein lieber Herr, Ihr wißt wohl, daß Euer Pferd der Juwel des Hauses ist, daß meine Ladenbursche es den ganzen Tag küssen und ihm meinen Zucker, meine Haselnüsse und meine Zwiebacke zu fressen geben. Ihr fragt mich, ob es seine Ration Hafer bekommen habe? fragt mich vielmehr, ob man ihm nicht zu fressen gegeben, daß es zehnmal hätte zerbersten sollen.«

»Gut, Planchet, gut: dann gehe ich zu dem über, was mich betrifft. Das Abendbrod?«

»Es ist bereit: ein dampfender Braten, weißer Wein, Krebse und frische Kirschen. Das ist etwas Neues, Herr.«

»Du bist ein liebenswürdiger Mensch, Planchet: laß uns zu Nacht speisen, und dann gehe ich zu Bette.«

Während des Abendbrods bemerkte d’Artagnan, daß Planchet sich häufig die Stirne rieb als wollte er das Herausgehen eines Gedankens erleichtern, der enge in seinem Gehirn eingeschlossen. Er schaute freundlich diesen würdigen Genossen seiner früheren Kreuz- und Querzüge an, stieß mit seinem Glas an das Glas von Planchet und sagte:

»Laß hören, Freund Planchet, laß hören, was Dich mir mitzutheilen so viel Anstrengung kostet; Mordioux! frisch heraus mit der Sprache.«

»Hört also,« erwiederte Planchet, »Ihr kommt mir vor, als ginget Ihr auf irgend ein Unternehmen aus,«

»Ich sage nicht nein.«

»Ihr hättet also einen neuen Gedanken gehabt?«

»Das ist möglich, Planchet.«

»Es ist also ein neues Kapital zu wagen? Ich betheilige mich mit fünfzigtausend Livres bei dem Gedanken, den Ihr ausbeuten wollt.«

Und während Planchet so sprach, rieb er seine Hände an einander mit der Raschheit, welche eine große Freude veranlaßt.

»Planchet, dabei ist nur ein Unglück,« sagte d’Artagnan.

»Welches?«

»Die Idee gehört nicht mir . . . Ich kann nichts darauf verwenden.«

Diese Worte entrissen dem Herzen von Planchet einen schweren Seufzer. Der Geiz ist ein glühender Rathgeber, er entführt seinen Mann, wie Satan Jesus auf den Berg führte, und wenn er einmal einem Unglücklichen alle Reiche der Erde gezeigt hat, kann er sich ruhig niederlegen, da er weiß, daß er seinen Gefährten, den Neid, zurückläßt, um das Herz zupacken.

Planchet hatte den leicht erworbenen Reichthum gekostet und sollte in seinen Wünschen nicht mehr stille stehen; doch da er trotz seiner Habgier ein gutes Herz war, da er d’Artagnan anbetete, so konnte er nicht umhin, taufend Ermahnungen gegen ihn auszusprechen, von denen die eine immer liebevoller war, als die andere.

Es wär ihm auch gar nicht unangenehm gewesen, einen Brocken von dem Geheimniß zu ergattern, das sein Herr so gut verbarg. List, Minen, Rathschläge und Fallen, Alles war vergeblich; d’Artagnan war zu keiner Vertraulichkeit zu bewegen.

So verging der Abend. Nach dem Essen beschäftigte d’Artagnan sein Mantelsack; er machte einen Gang in den Stall, streichelte sein Pferd und untersuchte seine Hufeisen und seine Beine; dann, nachdem er sein Geld noch einmal gezählt, legte er sich zu Bette, wo er, da er weder von einer Unruhe, noch von Gewissensbissen heimgesucht war, fünf Minuten, nachdem er seine Lampe ausgeblasen hatte, die Augenlider schloß und schlief wie in seinem zwanzigsten Jahre.

Viele Ereignisse hätten ihn jedoch wach halten können. Die Gedanken brausten in seinem Gehirn, die Muthmaßungen übersprudelten, und d’Artagnan liebte es ungemein, die Nativität zu stellen; doch mit jenem unstörbaren Phlegma, das mehr als das Genie für das Glück der Leute der Thätigkeit wirkt, verschob er jede Ueberlegung auf den andern Tag, aus Furcht, wie er sich selbst sagte, er könnte zu dieser Zeit nicht frisch genug sein.

Der Tag kam. Die Rue des Lombards hatte ihren Antheil an Aurora mit den rosigen Fingern, und d’Artagnan erhob sich wie das Frühroth.

Er weckte Niemand auf, ging die Treppe hinab, ohne eine Stufe krachen zu machen, ohne ein einziges Geschnarche vom Speicher bis zum Keller zu stören, sattelte sein Pferd, verschloß wieder Stall und Laden, und ritt im Schritt zu seiner Expedition in der Bretagne weg.

Er hatte sehr Recht gehabt, daß er am Tage vorher nicht an alle die politischen und diplomatischen Angelegenheiten dachte, die seinen Geist in Anspruch nahmen, denn am Morgen in der Kühle und in der sanften Dämmerung fühlte er seine Ideen rein und fruchtbar sich entwickeln.

Vor Allem ritt er vor dem Hause von Fouquet vorüber und warf in eine an der Thüre des Oberintendanten angebrachte gähnende Lade die Anweisung, die er am Tage zuvor nur mit großer Mühe den gekrümmten Fingern des Intendanten zu entreißen vermocht hatte.

Unter einen Umschlag mit der Adresse von Fouquet gelegt, war die Anweisung selbst von Planchet nicht errathen worden, während Planchet, was Enträthselung betrifft, Kalchas oder Apollo gleichkam.

D’Artagnan überschickte also Fouquet die Quittung, ohne daß er sich selbst gefährdete oder sich fortan Vorwürfe zu machen hatte.

Nachdem diese bequeme Wiedererstattung geschehen war, sagte er zu sich:,

»Nun wollen wir viel Morgenluft» viel Sorglosigkeit und Gesundheit einschlürfen; lassen wir das Pferd Zephyr athmen, das seine Flanken aufbläht, als ob es eine Hemisphäre einziehen müßte, und bringen wir unsere Combinationen auf eine sehr vernünftige Weise in Ordnung.

»Es ist Zeit,« fuhr d’Artagnan fort, »es ist Zeit, einen Feldzugsplan zu machen, und nach der Methode von Herrn von Turenne, der einen dicken Kopf voll vor. allen möglichen guten Ansichten hat, geziemt es sich, ehe man seinen Feldzugsplan macht, ein ähnliches Portrait von den feindlichen Generalen zu entwerfen, mit denen man es zu thun hat.

»Vor Allem zeigt sich Herr Fouquet. Wie ist es mit Herrn Fouquet?

»Herr Fouquet,« antwortete d’Artagnan sich selbst, »Herr Fouquet ist ein schöner und bei den Frauen beliebter Mann, ein sehr artiger bei den Dichtern beliebter Mann, ein geistreicher von den Lumpenkerlen verfluchter Mann. Ich bin weder Frau, noch Dichter, noch Lumpenkerl; ich liebe weder Herrn Fouquet, noch hasse ich ihn, ich befinde mich also ganz und gar in der Lage, in der sich Herr von Turenne befand, als er die Schlacht auf den Dünen gewinnen sollte. Er haßte die Spanier nicht, aber er, schlug sie total.

 

»Nein; Mordioux! es gibt noch ein besseres Beispiel; ich bin in der Lage, in der sich derselbe Herr von Turenne befand, als er sich gegenüber dem Prinzen von Condé in Jargeau, Gien und dem Faubourg Saint-Antoine hatte. Er haßte den Herrn Prinzen allerdings nicht, aber er gehorchte dem König. Der Herr Prinz ist ein äußerst angenehmer Mann, doch der König ist der König; Turenne stieß einen schweren Seufzer aus, nannte Condé »mein Vetter,« und vernichtete seine Armee.

»Was will nun der König? Das geht mich nichts an.

»Was will nun Herr Colbert? Oh! das ist etwas Anderes, Herr Colbert will Alles, was Herr Fouquet nicht will.

»Was will denn Herr Fouquet? Oh! oh! das ist ernst. Herr Fouquet will ganz genau Alles, was der König will.«

Nachdem dieses Selbstgespräch beendigt war, lachte d’Artagnan wieder und ließ seine Gerte pfeifen. Er war schon weit auf der Landstraße, machte die Vögel auf den Hecken scheu, horchte auf die Louisd’or, welche bei jedem Stoß in seiner ledernen Tasche tanzten, und, gestehen wir es, wenn sich d’Artagnan in solchen Lagen befand, war die Weichheit nicht sein vorherrschendes Laster. Er glich dann Herrn von Turenne, als dieser die Spanier nicht liebte.

Der Musketier konnte sich indessen nicht erwehren, den Frieden des Reiches zu beklagen, den die Streitigkeiten der Großen abermals gefährden sollten. Er erinnerte sich, wie mächtig, unterstützt und gewaffnet Fouquet war. Er addirte einerseits die achtzehn Millionen von Ludwig XIV., andererseits die unendlichen Mittel des Oberintendanten, wog in seiner unbeugsamen, durch eine ewige Verachtung der Mittelmäßigkeiten verbürgten Unparteilichkeit den giftigen Groll von Herrn Fouquet ab, und sagte, als er seine Rechnung gemacht hatte:

»Ah! die Expedition ist nicht sehr gefährlich, und es wird mit meiner Reise sein, wie mit dem Stück, in das mich in London Herr Monk geführt hat, und das, so viel ich mich erinnere: Viel Lärmen um nichts, heißt.

XXIV.
Reise

Es war dies das fünfzigste Mal vielleicht, seit dem Tag, wo wir unsere Geschichte eröffnet, daß dieser Mann mit dem ehernen Herzen und den stählernen Muskeln Haus und Freunde, kurz Alles verließ, um das Glück und den Tod zu suchen. Das Eine, nämlich der Tod, war beständig vor ihm zurückgewichen, als ob er vor ihm bange gehabt hätte, das Ändere, nämlich das Glück, hatte erst seit einem Monat wirklich ein Bündniß mit ihm geschlossen.

Obgleich er kein großer Philosoph, noch Epikur oder Sokrates, war, so war er doch ein mächtiger Geist, der die Erfahrung des Lebens und die Uebung des Gedankens für sich hatte. Man ist nicht tapfer, man ist nicht abenteuerlich, man ist nicht gewandt, wie es d’Artagnan war, ohne zugleich ein wenig träumerisch zu sein.

Er hatte da und dort einige Brocken von Herrn von la Rochefoucault aufgefangen, und im Vorübergehen in der Gesellschaft von Athos und Aramis viele Stücke von Cicero und Seneca, übersetzt von ihnen und auf den Gebrauch des gemeinen Lebens angewendet, gesammelt.

Die Verachtung des Reichthums, welche unser Gascogner während der fünf und dreißig ersten Jahre seines Lebens als einen Glaubensartikel beobachtet hatte, war lange von ihm als der erste Artikel des Codex der Tapferkeit betrachtet worden.

Art. 1. sagte er:

»Man ist tapfer, weil man nichts hat.

»Man hat nichts, weil man den Reichthum verachtet.«

Mit diesen Grundsätzen, welche, wie gesagt, die fünf und dreißig ersten Jahre seines Lebens geleitet hatten, war d’Artagnan auch nicht sobald reich, als er sich fragen mußte, ob er, trotz seines Reichthums, Immer noch tapfer sei.

Hierauf konnte für jeden Andern, als d’Artagnan, das Ereigniß auf der Grève als Antwort dienen. Viele Gewissen hätten sich damit begnügt, aber d’Artagnan war tapfer genug, um sich aufrichtig zu fragen, ob er tapfer wäre.

Auf die Worte:

»Mir scheint, ich habe auf der Grève rasch genug vom Leder gezogen und artig genug eingehauen, um meines Muthes sicher zu sein, « erwiederte d’Artagnan, sich selbst:

»Alles schön, Kapitän; das ist keine Antwort. Ich war an diesem Tag tapfer, weil man mir mein Haus verbrannte, und es sind hundert und sogar tausend gegen eins zu wetten, daß, wenn die Herren nicht diesen unglücklichen Gedanken gehabt hätten, ihr Angriffsplan gelungen, oder daß wenigstens von mir kein Widerstand entgegengestellt worden wäre.

»Was wird man nun gegen mich versuchen? Ich habe in der Bretagne kein Haus zum Verbrennen; ich habe keinen Schatz, den man mir rauben könnte.

»Nein, aber ich habe meine Haut, diese kostbare Haut von Herrn d’Artagnan, welche so viel werth ist, als alle Häuser und Schätze der Welt; diese Haut, an der mir überaus viel gelegen ist, weil sie im Ganzen den Einband eines Körpers bildet, der ein sehr warmes Herz enthält, das sehr zufrieden ist, daß es schlägt und folglich lebt.

»Ich wünsche also zu leben und lebe wahrhaftig viel besser, viel vollständiger, seitdem ich reich bin. Wer Teufels sagte, das Geld verderbe das Leben? Es ist dem bei meiner Seele nicht so; mir scheint im Gegentheil, daß ich nun ein doppeltes Quantum Lust und Sonne aufzehre. Mordioux! wie wird es sein, wenn ich dieses Vermögen verdopple und, statt der Gerte, die ich in der Hand halte, je den Marschallsstab trage.

»Ich weiß nicht, ob es dann von diesem Augenblick an genug Sonne und Lust für mich geben wird.

»Das ist in der That kein Traum; wer Teufels soll sich dem widersetzen, daß mich der König zum Herzog und Marschall macht, wie sein Vater, der König Ludwig XIII. Albert von Luynes zum Herzog und Connetable gemacht hat? Bin ich nicht ebenso tapfer und noch viel verständiger, als dieser Schwachkopf Vitry?

»Ah! das wird sich gerade meinem Avancement widersetzen, ich habe zu viel Geist.

»Zum Glück, wenn es eine Gerechtigkeit auf dieser Welt gibt, steht Fortuna auf meiner Seite. Sie ist mir sicherlich eine Belohnung für das, was ich für Anna von Oesterreich gethan habe, und eine Entschädigung für Alles, was diese nicht für mich gethan hat, schuldig.

»Zu dieser Stunde bin ich gut mit einem König, und zwar mit einem König, der ganz das Aussehen hat, als wollte er regieren.

»Gott erhalte ihn auf diesem erhabenen Weg! Denn wenn er regieren will, bedarf er meiner, und wenn er meiner bedarf, muß er mir wohl geben, was er mir versprochen hat . . . Wärme und Licht – ich gehe also vergleichungsweise, wie ich einst ging – von Nichts zu Allem.

»Nur ist das Nichts von heute das Alles von einst; es findet sich bloß diese einzige Veränderung in meinem Leben.

»Und nun wollen wir den Theil des Herzens machen, da ich so eben von diesem gesprochen habe.

»Doch in der That, ich sprach nur der Erinnerung wegen davon!«

Und der Gascogner legte die Hand auf seine Brust, als wollte er wirklich den Platz des Herzens suchen.

»Ah! Unglücklicher!« murmelte er, bitter lächelnd. »Ah! armes Geschöpf, Du hofftest einen Augenblick kein Herz zu haben, und nun hast Du eines, verfehlter Höfling, der Du bist, und zwar ein höchst meuterisches.

»Thörichtes Herz, daß du zu Gunsten von Herrn Fouquet sprichst.

»Wer ist dieser Herr Fouquet, wenn es sich um den König handelt? Ein Verschwörer, ein wahrer Verschwörer, der sich nicht einmal die Mühe gab, zu verbergen, daß er conspirirt; welche Waffe besäßest Du auch nicht gegen ihn, wenn nicht seine Freundlichkeit und sein Geist eine Scheide für diese Waffe gemacht hätten!

»Empörung mit gewaffneter Hand! . . . Denn Herr Fouquet hat im Ganzen Empörung mit gewaffneter Hand getrieben.

»Wenn der König Herrn Fouquet unbestimmt im Verdacht dumpfer Meuterei hat, so weiß ich, kann ich beweisen, daß Herr Fouquet das Blut der Unterthanen des Königs hat fließen lassen.

»Nun, während wir dies Alles wissen und es verschweige, sehen wir einmal, was will dieses Herz mehr, das so weich und empfänglich ist für ein gutes Benehmen von Herrn Fouquet, für einen Vorschuß von fünfzehntausend Livres, für einen Diamant von tausend Pistolen, für ein Lächeln, worin wenigstens ebenso viel Bitterkeit, als Wohlwollen lag? Ich rette ihm das Leben.

»Ich hoffe nun,« fuhr der Musketier fort, »dieses alberne Herz wird schweigen, und dann ist es völlig quitt mit Herrn Fouquet.

»Der König ist nun meine Sonne, und da also mein Herz mit Herrn Fouquet quitt ist, so nehme sich Jeder in Acht, dem es einfallen sollte, sich vor meine Sonne zu stellen. Vorwärts für Seine Majestät Ludwig XIV., vorwärts!«

Diese Betrachtungen waren die einzigen Hindernisse, welche den Gang von d’Artagnan verzögern konnten, denn sobald er damit zu Ende war, beschleunigte er den Marsch seines Rosses.

Aber so vollkommen auch das Pferd Zephyr sein mochte, so konnte es doch nicht immer gehen.

Am andern Tage nach der Abreise von Paris wurde es in Chartres bei einem alten Freund zurückgelassen, den sich d’Artagnan aus einem Gastwirth der Stadt gemacht hatte.

Von diesem Augenblick ritt der Musketier Postpferde.

In Folge dieser Art von Fortbewegung durchzog er rasch den Raum, welcher Chartres von Chateaubriand trennt.

In letzterer Stadt, welche noch weit genug von der Küste entfernt liegt, daß Niemand errieth, d’Artagnan begebe sich nach der See, weit genug von Paris, daß Niemand ahnete, er komme von hierher, verließ der Bote von Seiner Majestät Ludwig XIV., den d’Artagnan seine Sonne genannt hatte, ohne zu vermuthen, daß derjenige, welcher noch ein ziemlich armseliger Stern am Himmel des Königthums war, eines Tags aus diesem Gestirne sein Emblem machen würde, verließ der Bote von König Ludwig XlV., sagen wir, die Post und kaufte einen Klepper vom kläglichsten Aussehen, eines von den Thieren, das ein Reiterofficier aus Furcht, entehrt zu sein, zu wählen nie sich erlauben würde.

Abgesehen von der Haarfarbe, erinnerte d’Artagnan diese neue Erwerbung ungemein an das berüchtigte orangenfarbige Roß, mit welchem er, oder auf welchem er vielmehr in die Welt eingetreten war.

Es ist übrigens nicht zu vergessen, daß es von dem Augenblick, wo er dieses neue Roß bestieg, nicht mehr d’Artagnan war, welcher reiste, sondern ein guter Bursche, der einen eisengrauen Rock und kastanienfarbige Beinkleider trug, und die Mitte zwischen dem Priester und dem Lackei hielt; was ihn besonders dem Geistlichen näherte, war der Umstand, daß er auf seinen Schädel eine Plattmüße von abgetragenem Sammet und auf die Plattmütze einen großen schwarzen Hut gesetzt hatte; kein Degen mehr, nur ein mittelst einer Schnur an seinem Vorderarm hängender Stock, dem er als unerwarteten Beistand bei Gelegenheit einen guten, zehn Zoll langen, unter seinem Mantel verborgenen Dolch beizufügen gedachte.

Der in Chateaubriand erkaufte Klepper vervollständigte den Unterschied. Er hieß, oder d’Artagnan nannte ihn vielmehr Furet.

»Wenn ich aus Zephyr Furet gemacht habe, so muß ich aus meinem Namen irgend ein Diminutivum machen.« sagte d’Artagnan.

»Statt d’Artagnan werde ich ganz kurz Agnan sein; das ist eine Einräumung, die ich natürlich meinem grauen Kleide, meinem runden Hut und meiner abgetragenen Plattmütze zu verdanken habe.

Herr Agnan reiste ohne übertriebene Erschütterung auf Furet, der einen Paßgang hatte und mit diesem Paßgang doch ganz munter seine zwölf Meilen täglich machte, unterstützt von vier spindeldürren Beinen, deren Festigkeit und Sicherheit d’Artagnan, wohl geübt in der Kunst, unter dem dicken Pelz, der sie verbarg, erkannt und zu würdigen gewußt hatte.

Unterwegs machte sich der Reisende Bemerkungen, studirte er das ernste, kalte Land, durch das er zog, während er zugleich den glaubwürdigsten Vorwand dafür suchte, daß er nach Belle-Isle-en-Mer ging, um Alles zu sehen, ohne Verdacht zu erregen.

Auf diese Art konnte er sich überzeugen, wie die Sache immer wichtiger wurde, je mehr er sich dem Ziele seiner Reise näherte.

In diesem abgelegenen Lande, in dem alten Herzogthum Bretagne, das damals nicht französisch war, und es noch heute kaum ist, kannten die Völker den König von Frankreich nicht.

Sie kannten ihn nicht nur nicht, sondern sie wollten ihn nicht kennen.

Eine Thatsache, eine einzige, schwamm sichtbar für sie auf dem Strome der Politik oben an. Ihre ehemaligen Herzoge regierten nicht mehr, aber das war eine Leere. Nichts mehr. An der Stelle des souverainen Herzogs regierten unumschränkt die Grundherren der Gemeinden.

 

Und über diesen Grundherren Gott, der in der Bretagne nie vergessen worden ist.

Unter diesen Lehensherren von Schlössern und Kirchtürmen war der mächtigste, der reichste, und besonders der populärste Fouquet, der Grundherr von Belle-Isle.

Selbst im Lande, selbst im Angesicht dieser geheimntßvollen Insel, bestätigten die Legenden und Ueberlieferungen ihre Wunder.

Nicht Jeder kam dahin; die Insel, welche eine Ausdehnung von sechs Meilen in der Länge und sechs in der Breite hatte, war ein herrschaftliches Eigenthum, welches, da es von dem im Lande so sehr gefürchteten Namen Retz beschützt wurde, das Volk lange respectirt hatte.

Kurz, nachdem diese Herrschaft durch Karl IX. zu einem Marquisat erhoben worden, war Belle-Isle an Herrn Fouquet übergegangen.

Die Berühmtheit der Insel schrieb sich nicht von gestern her; ihr Name, oder vielmehr ihre Bezeichnung ging in das höchste Alter zurück; die Alten nannten sie Kallonese, zusammengesetzt aus zwei Worten, welche schöne Insel bedeuten.

Achtzehnhundert Jahre früher hatte sie also in einem andern Idiom denselben Namen geführt, den sie noch führt.

Es war daher an und für sich schon etwas, dieses Eigenthum des Herrn Oberintendanten, außer seiner Lage zehn Meilen von der Küste von Frankreich, welche dasselbe souverain in seiner Meereseinsamkeit machte, wie ein majestätisches Schiff, das die Rheden verachten und stolz seine Anker mitten im Ocean werfen würde.

D’Artagnan erfuhr dies Alles, ohne daß er im Geringsten den Anschein hatte, als erkundigte er sich: er erfuhr auch, das beste Mittel, Kundschaft einzuziehen, wäre, wenn er nach la Roche-Bernard, einer ziemlich wichtigen Stadt an der Mündung der Vilaine, ginge.

Vielleicht könnte er sich dort einschiffen. Wenn nicht, so würde er durch die Salzsümpfe reiten und sich nach Guérande oder Croisic begeben, um eine Gelegenheit zur Ueberfahrt nach Belle-Isle abzuwarten. Er hatte übrigens seit seinem Abgang von Chateaubriand bemerkt, nichts wäre Furet unter dem Antrieb von Herrn Agnan unmöglich, nichts Herrn Agnan unter der Initiative von Furet.

Er schickte sich also an, eine Kriechente und einen Fladen in einem Wirthshause von la Roche-Bernard zu Nacht zu speisen, und ließ aus dem Keller, um diese zwei bretagnischen Gerüchte zu befeuchten, einen Aepfelmost holen, den er einzig und allein beim Berühren mit dem Ende der Lippen als noch unendlich mehr bretagnisch erkannte.