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Der Graf von Bragelonne

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XI.
Eine Leidenschaft

Am Tage seiner Ankunft kehrte Athos, als er aus dem Palast wegging, nach seinem Hotel in der Rue Saint-Honoré zurück.

Er fand hier den Vicomte von Bragelonne. der ihn in seinem Zimmer, mit Grimaud plaudernd, erwartete.

Es war nichts so Leichtes, mit dem alten Diener zu plaudern; nur zwei Menschen verstanden dieses Geheimniß: Athos und d’Artagnan. Dem Ersteren gelang es, weil Grimaud selbst ihn sprechen zu machen suchte, d’Artagnan im Gegentheil, weil er Grimaud plaudern zu machen wußte.

Raoul ließ sich eben die Reise nach England erzählen, und Grimaud hatte ihm dieselbe in allen ihren Einzelheiten mit einer gewissen Anzahl von Geberden und mit acht Worten, nicht mehr, nicht weniger, mitgetheilt. Zuerst bezeichnete er ihm mit einer wellenförmigen Bewegung der Hand, daß sein Herr und er über’s Meer gefahren waren.

»Einer Expedition wegen?« fragte Raoul.

Grimaud antwortete den Kopf senkend: »Ja.«

»Wobei der Herr Graf Gefahren preisgegeben war?« fragte Raoul.

Grimaud zuckte leicht die Achseln, als wollte er sagen:

»Nicht zu viel, nicht zu wenig.«

»Aber was für Gefahren?« fuhr Raoul fort.

Grimaud deutete auf einen Degen, er deutete aus das Feuer und auf eine Muskete, welche an der Wand hing.

»Der Herr Graf hatte dort also einen Feind?« rief Raoul.

»Monk,« antwortete Grimaud.

»In der That,« fuhr Raoul fort, »es ist seltsam, daß mich der Herr Graf beharrlich als einen Neuling betrachtet und nicht an der Ehre oder der Gefahr solcher Händel Theil nehmen läßt.«

Grimaud lächelte.

In diesem Augenblick kehrte Athos zurück. Der Wirth leuchtete ihm die Treppe herauf; Grimaud erkannte den Tritt seines Herrn und lief ihm entgegen, was das Gespräch kurz abschnitt.

Doch Raoul war einmal im Zuge, auf die Bahn des Fragens geführt, hielt er nicht inne; er nahm mit lebhafter, aber ehrfurchtsvoller Zärtlichkeit den Grafen bei beiden Händen und sagte:

»Wie kommt es, mein Herr, daß Ihr eine gefahrvolle Reise angetreten habt, ohne mir Lebewohl zu sagen, ohne von mir die Hilfe meines Degens zu verlangen, von mir, der ich für Euch eine Stütze sein sollte, seitdem ich Kraft besitze, von mir, den Ihr wie einen Mann erzogen habt? Ah! mein Herr, wollt Ihr mich der grausamen Prüfung aussetzen, Euch nie wiederzusehen?«

»Wer hat Euch denn gesagt, Raoul, meine Reise sei gefahrvoll gewesen?« entgegnete ihm der Graf, während er seinen Mantel und seinen Hut in die Hände von Grimaud niederlegte, welcher ihm den Degen losgeschnallt hatte.

»Ich,« sagte Grimaud,

»Und warum dies?« rief Athos mit strengem Tone.

Grimaud gerieth in Verlegenheit: Raoul kam ihm zuvor und erwiederte für ihn:

»Es ist natürlich, daß mir dieser gute Grimaud die Wahrheit über das sagt, was Euch betrifft. Von wem solltet Ihr geliebt, unterstützt werden, wenn nicht von mir?«

Athos erwiederte nichts. Er machte eine freundliche Geberde, auf welche sich Grimaud entfernte, und setzte sich dann in einen Lehnstuhl, während Raoul vor ihm stehen blieb.

»Immerhin ist es gewiß,« fuhr Raoul fort, »daß Eure Reise eine Expedition war, und daß Feuer und Schwert Euch bedroht haben.«

»Sprechen wir nicht mehr hiervon, Vicomte,« erwiederte Athos mit sanftem Tone; »es ist wahr, ich bin schnell aufgebrochen, doch der Dienst von König Karl II. heischte diese plötzliche Abreise. Für Eure Unruhe danke ich Euch, und ich weiß, daß ich auf Euch zählen kann . . . Es hat Euch in meiner Abwesenheit an nichts gemangelt, Vicomte?«

»Nein, Herr, ich danke.«

»Ich hatte Blaisois den Befehl gegeben. Euch hundert Pistolen, sobald Ihr Geld brauchtet, auszubezahlen.«

»Ich habe Blaisois nicht gesehen, Herr.«

»Ihr habt Euch also ohne Geld beholfen?«

»Es blieben mir dreißig Pistolen vom Verkauf der Pferde, die ich in meinem letzten Feldzuge mitnahm, und der Herr Prinz hatte die Güte, mich zweihundert Pistolen vor drei Monaten bei seinem Spiel gewinnen zu lassen.«

»Ihr spielt . . . ich liebe das nicht, Raoul.«

»Ich spiele nie; der Herr Prinz befahl mir eines Abends in Chantilly, als er einen Courier vom König erhielt, seine Karten zu halten, und ich gehorchte; den Gewinn der Partie mußte ich auf Geheiß des Herrn Prinzen für mich nehmen.«

»Ist dies eine Gewohnheit des Hauses?« fragte Athos, die Stirne faltend.

»Ja, Herr; jede Woche wendet der Herr Prinz bei der einen oder der andern Sache einem seiner Cavaliere einen ähnlichen Vortheil zu. Es sind fünfzig Cavaliere bei seiner Hoheit, und damals traf gerade mich die Reihe.«

»Gut! Ihr waret also in Spanien?«

»Ja, Herr, ich machte eine sehr schöne und sehr interessante Reise.«

»Ihr seid vor einem Monat zurückgekehrt?«

»Ja, Herr.«

»Und seit diesem Monat?«

»Seit diesem Monat . . . «

»Was habt Ihr gethan?«

»Meinen Dienst, Herr.«

»Ihr seid nicht bei mir in la Fère gewesen?«

Raoul erröthete. Athos schaute ihn mit seinem festen, ruhigen Auge an.

»Ihr hättet Unrecht, wenn Ihr mir nicht glauben würdet,« sagte Raoul, »ich erröthe, und fühle es wohl: es geschieht unwillkührlich. Die Frage, die Ihr an mich zu richten mir die Ehre erweist, ist der Art, daß sie große Gemüthsbewegung in mir veranlaßt. Ich erröthe, weil ich bewegt bin, nicht weil ich lüge.«

»Es ist mir bekannt, Raoul, daß Ihr nicht lügt.«

»Nein, Herr.«

»Ueberdies, mein Freund, hättet Ihr Unrecht; was ich Euch sagen wollte . . . «

»Ich weiß es wohl, Herr; Ihr wolltet mich fragen, ob ich nicht in Blois gewesen sei.«

»Ganz richtig.«

»Ich bin nicht dahin gegangen: ich habe sogar nicht einmal die Person gesehen, die Ihr meint.«

Die Stimme von Raoul zitterte, als er diese Worte sprach. Athos, der oberste Richter in allen Dingen des Zartgefühls, fügte sogleich bei:

»Raoul, Ihr antwortet mit einem peinlichen Gefühl; Ihr leidet.«

»Sehr, mein Herr; Ihr habt mir verboten, nach Blois zu gehen und Fräulein de la Vallière zu sehen.«

Hier hielt der junge Mann inne; dieser süße, so reizend auszusprechende Name zerriß sein Herz, während er seine Lippen liebkoste.

»Und ich habe wohl daran gethan, Raoul,« sprach Athos rasch. »Ich war weder ein barbarischer, noch ein ungerechter Vater; ich achte die wahre Liebe, aber ich denke für Euch an eine Zukunft . . . an eine unermeßliche Zukunft . . . . Eine neue Regierung wird wie eine Morgenröthe glänzen; der Krieg ruft den von ritterlichem Geist erfüllten König, Was dieser Heldenmüthige Eifer braucht, ist eine Schaar von Officieren, die mit Begeisterung den Streichen entgegenlaufen und, wenn sie fallen: Es lebe der König! rufen, statt: Gott befohlen, mein Weib! zu schreien. Ihr werdet das begreifen, Raoul. So roh und hart Euch auch mein Urtheil erscheinen mag, so beschwöre ich Euch doch, mir zu glauben und Eure Blicke von jenen ersten Jugendtagen abzuwenden, wo Ihr die Gewohnheit, zu lieben, annahmet, von jenen Tagen mit der Sorglosigkeit, die das Herz verweichlichen und es unfähig machen, jene starken, bitteren Getränke zu ertragen, die man den Ruhm und das Mißgeschick nennt. Ich wiederhole Euch, Raoul, erblickt in meinem Rath einzig und allein das Verlangen, Euch nützlich zu sein, einzig und allein den Ehrgeiz, Euch gedeihen zu sehen. Ich halte Euch für fähig, ein merkwürdiger Mann zu werden; geht allein, Ihr werdet besser und rascher gehen.«

»Ihr habt befohlen, mein Herr, und ich gehorche,« erwiederte Raoul.

»Befohlen!« rief Athos, »antwortet Ihr mir so? Ich habe befohlen! Oh! Ihr verdreht meine Worte, wie Ihr meine Absichten mißkennt: ich habe nicht befohlen, ich habe gebeten.«

»Nein, Herr, Ihr habt befohlen,« entgegnete Raoul hartnäckig.. »Doch hättet Ihr auch nur gebeten .. . Eure Bitte ist noch wirksamer, als ein Befehl. Ich habe Fräulein de la Vallière nicht wiedergesehen.«

»Aber Ihr leidet! Ihr leidet!« rief Athos.

Raoul antwortete nicht.

»Ich finde Euch bleich, ich finde Euch betrübt . . . Dieses Gefühl ist also sehr stark?«

»Es ist eine Leidenschaft,« erwiederte Raoul.

»Nein . . . eine Gewohnheit.«

»Herr, Ihr wißt, daß ich viele Reisen gemacht habe, daß ich zwei Jahre fern von hier gewesen bin . . . jede Gewohnheit kann sich, glaube ich, in zwei Jahren lösen . . . Nun, bei meiner Rückkehr liebte ich, nicht mehr, das ist unmöglich, aber eben so sehr. Fräulein de la Vallière ist für mich die vorzugsweise Gefährtin; doch Ihr seid für mich Gott auf Erden, . . . Euch werde ich Alles opfern.«

»Ihr hättet Unrecht,« sagte Athos; »ich habe kein Recht mehr auf Euch. Das Alter hat Euch emancipirt. Ihr bedürft nicht einmal mehr meiner Einwilligung. Uebrigens werde ich, nach Allem, was Ihr mir gesagt, die Einwilligung nicht verweigern. Heirathet also Fräulein de la Vallière, wenn Ihr wollt.«

Raoul machte eine Bewegung und erwiederte dann plötzlich:

»Ihr seid sehr gut, mein Herr, und Eure Erlaubniß erfüllt mich mit Dankbarkeit; doch ich werde sie nicht annehmen.«

»Ihr schlagt es nun aus!«

»Ja, Herr.«

»Ich bin Euch dafür nicht erkenntlich, Raoul.«

»Aber Ihr habt im Grunde Eures Herzens etwas gegen diese Heirath . . . Ihr habt sie mir nicht gewählt.«

»Das ist wahr.«

»Dies genügt, daß ich nicht darauf beharre, und ich werde warten.«

»Nehmt Euch in Acht, Raoul, was Ihr sprecht, ist ernst.«

»Ich weiß es wohl, Herr, ich werde warten, sage ich Euch.«

»Obschon ich sterbe?« fragte Athos sehr bewegt.

»Oh! Herr!« rief Raoul, mit Thränen in der Stimme, »ist es möglich, daß Ihr mir so das Herz zerreißt, mir, der ich Euch keinen Grund zur Klage gegeben habe?«

»Liebes Kind, es ist wahr,« sagte Athos, indem er heftig die Lippen zusammenpreßte, um die Erschütterung zu bewältigen, der er bald nicht mehr Meister geworden wäre; »ich begreife nur nicht, worauf Ihr warten wollt . . . Wollt Ihr warten, bis Ihr nicht mehr liebt?«

 

»Ah! was das betrifft, nein; ich werde darauf warten, daß Ihr anderer Meinung werdet.«

»Ich will eine Probe machen, Raoul, ich will sehen, ob Fräulein de la Vallière wartet, wie Ihr.«

»Ich hoffe es, Herr.«

»Aber nehmt Euch in Acht, Raoul; wenn sie nicht warten würde? Ah! Ihr seid so jung, so vertrauensvoll, so redlich . . . Die Frauen sind so veränderlich.«

»Ihr habt mir nie Böses von den Frauen gesagt, Herr; Ihr habt Euch nie über sie zu beklagen gehabt; warum beklagt Ihr Euch über dieselben gegen mich in Beziehung auf Fräulein de la Vallière.«

»Es ist wahr,« sprach Athos, die Augen niederschlagend, »nie habe ich Euch Böses von den Frauen gesagt; nie habe ich mich über sie zu beklagen gehabt; nie hat Fräulein de la Vallière einen Verdacht begründet; aber wenn man vorhersieht, muß man bis zu den Ausnahmen, bis zu den Unwahrscheinlichkeiten gehen! Wenn, Fräulein de la Vallière nicht auf Euch warten würde, sage ich?«

»Wie so, Herr?«

»Wenn sie ihre Blicke nach einer andern Seite wenden würde?«

»Nach einem andern Mann, meint Ihr?« fragte Raoul bleich vor Angst.

»So ist es.«

»Nun, mein Herr,« erwiederte Raoul ganz einfach, »ich würde diesen Mann tödten, und so alle Männer, welche Fräulein de la Vallière wählen wollte, bis einer von ihnen mich getödtet, oder bis Fräulein de la Vallière mir ihr Herz zurückgegeben hätte.«

Athos bebte und sprach mit dumpfem Ton:

»Ich glaubte, Ihr hättet, mich so eben Euren Gott, Euer Gesetz auf dieser Welt genannt.«

»Oh!« versetzte Raoul zitternd, »würdet Ihr mir das Duell verbieten?«

»Wenn ich es Euch verböte?«

»So würdet Ihr mir zu hoffen verbieten, mein Herr, und Ihr würdet mir folglich nicht zu sterben verbieten.«

Athos schlug die Augen zum Vicomte auf. Er hatte diese Worte mit einem düstern Nachdruck ausgesprochen, den der düsterste Blick begleitete.

»Genug,« sagte Athos nach langem Stillschweigen, »genug über diesen traurigen Gegenstand, wobei wir Beide übertreiben. Lebt von Tag zu Tag, Raoul; thut Euren Dienst, liebt Fräulein de la Vallière, mit einem Wort, handelt wie ein Mann, da Ihr das Mannesalter habt; vergeßt nur nicht, daß ich Euch zärtlich liebe, und daß Ihr mich zu lieben behauptet.«

»Ah! Herr Graf,« rief Raoul, und drückte die Hand von Athos an sein Herz.

»Nun gut, liebes Kind, laßt mich allein, ich bedarf der Ruhe. Doch hört, Herr d’Artagnan ist mit mir von England zurückgekommen! Ihr seid ihm einen Besuch schuldig.«

»Ich werde ihm diesen Besuch mit großer Freude machen, denn ich liebe Herrn d’Artagnan so sehr!«

»Ihr habt Recht, er ist ein redlicher Mann und ein braver Cavalier.«

»Der Euch liebt!« rief Raoul,

»Ich bin dessen sicher . . . Wißt Ihr seine Adresse?«

»Ich finde ihn im Louvre, im Palais Royal, überall, wo der König ist. Commandirt er nicht die Musketiere?«

»Für den Augenblick nicht, Herr d’Artagnan ist im Urlaub . . . er ruht aus . . . Sucht ihn nicht auf den Posten von seinem Dienst; Ihr werdet Nachricht von ihm bei einem gewissen Herr Planchet bekommen.«

»Bei seinem ehemaligen Lackei?«

»Ganz richtig, er ist Gewürzkrämer geworden.«

»Ich weiß es; in der Rue des Lombards.«

»Dergleichen, oder Rue des Arcis.«

»Ich werde ihn finden.«

»Ihr sagt ihm tausend zärtliche Dinge von mir und bringt ihn vor meiner Abreise nach la Fère zu mir zum Mittagsbrod.«

»Ja, Herr.«

»Guten Abend, Raoul.«

»Ah! Herr, ich sehe einen Orden an Euch, von dem ich nichts wußte; empfangt meine Glückwünsche.«

»Das goldene Vließ! es ist wahr . . . eine Klapper, die nicht einmal mehr einen alten Knaben, wie ich bin, belustigt . . . Guten Abend Raoul.«

X.
Die Lection von Herrn d’Artagnan

Raoul sand am andern Tag Herrn d’Artagnan nicht, wie er gehofft hatte. Er traf nur Planchet, der eine große Freude äußerte, als er den jungen Mann wiedersah, dem er ein paar kriegerische Complimente zu machen wußte, welche nicht ganz nach dem Gewürzkrämer rochen. Als aber Raoul am zweiten Tag von Vincennes mit fünfzig Dragonern zurückkam, die ihm der Herr Prinz anvertraut hatte, erblickte er auf der Place Baudoyer einen Mann, der, die Nase hoch, ein Haus anschaute, wie man ein Pferd anschaut, das man zu kaufen Lust hat.

Dieser Mann, der einen bürgerlichen, aber wie ein militärisches Wamms zugeknöpften Rock, einen kleinen Hut auf dem Kopf und einen mit Chagrin verzierten langen Degen an der Seite trug, wandte den Kopf sogleich um, als er den Tritt der Pferde hörte, und schaute das Haus nicht mehr an, um die Dragoner zu betrachten.

Es war ganz einfach Herr d’Artagnan; d’Artagnan zu Fuß; d’Artagnan die Hände auf dem Rücken, der die Dragoner ein wenig die Revue passiren ließ, nachdem er die Gebäude in Augenschein genommen hatte. Kein Mann, kein Nestel, kein Hufeisen entging seiner Inspection,

Raoul marschirte an der Seite seiner Truppe; d’Artagnan erblickte ihn zuletzt.

»Ei!« machte er, »ei! Mordioux!«

»Ich täusche mich nicht,« rief Raoul und spornte sein Pferd,

»Nein, Du täuschest Dich nicht; guten Morgen!« erwiederte der Musketier.

Und Raoul drückte seinem alten Freund liebevoll die Hand.

»Nimm Dich in Acht,« sagte d’Artagnan, »das zweite Pferd der fünften Reihe wird vor dem Pont Marie ein Hufeisen verlieren; es hat nur noch zwei Nägel am rechten Vorderfuß.«

»Wartet auf mich,« sprach Raoul, »ich komme zurück.«

»Du verlässest Deine Abtheilung?«

»Der Cornett kann meine Stelle einnehmen.«

»Du wirst mit mir zu Mittag speisen.«

»Sehr gern, Herr d’Artagnan.«

»Dann geschwinde, steige ab oder laß mir ein anderes Pferd geben.«

»Ich will lieber zu Fuß mit Euch zurückkehren.«

Raoul benachrichtigte schleunigst den Cornett, der sogleich seine Stelle einnahm, gab sein Pferd einem der Dragoner und ergriff ganz freudig den Arm von Herrn d’Artagnan, der ihm bei allen seinen Evolutionen mit der Zufriedenheit eines Kenners zuschaute.

»Und Du kommst von Vincennes?« fragte er zuerst.

»Ja, Herr Chevalier.«

»Der Cardinal?«

»Ist sehr krank; man sagt sogar, er sei gestorben.«

»Stehst Du gut mit Herrn Fouquet?« fragte d’Artagnan, indem er durch eine verächtliche Bewegung der Achseln bewies, daß ihn der Tod von Mazarin nicht übermäßig angriff.

»Mit Herrn Fouquet?« versetzte Raoul. »Ich kenne ihn nicht.«

»Desto schlimmer, desto schlimmer; denn ein neuer König sucht sich immer Ergebene zu machen,«

»Oh! der König ist mir nicht abhold,« entgegnete der junge Mann.

»Ich spreche nicht von der Krone,« sagte d’Artagnan, »sondern vom König. Der König ist Herr Fouquet, nun da der Cardinal todt . . . Du mußt Dich gut mit Herrn Fouquet stehen, wenn Du nicht Dein ganzes Leben schimmeln willst, wie ich geschimmelt habe . . . Du hast allerdings glücklicher Weise andere Gönner.«

»Den Herrn Prinzen vor Allem.«

»Abgenützt, abgenützt, mein Freund.«

»Den Herrn Grasen de la Fère.«

»Athos! oh! das ist etwas Anderes; ja, Athos . . . und wenn Du in England einen guten Weg machen willst, kannst Du keine bessere Adresse haben. Ich darf sogar ohne zu große Eitelkeit behaupten, daß ich selbst einiges Ansehen beim Hof von Karl II. habe. Das ist ein König, der gefällt mir.«

»Ah!« machte Raoul mit der naiven Neugierde wohl geborener junger Leute, welche gern die Erfahrung und die Tapferkeit reden hören.

»Ja, ein König, der sich belustigt, es ist wahr, der aber das Schwert in die Hand zu nehmen und die ersprießlichen Namen zu schätzen gewußt hat. Athos steht gut mit Karl II. Nimm dort Dienst, sage ich Dir, und laß ein wenig diese knauserischen Steuerpächter, welche eben so gut mit französischen Händen, als mit italienischen Fingern stehlen; laß den kleinen weinerlichen König, der uns eine Regierung von Franz II. geben wird. Kennst Du die Geschichte, Raoul?«

»Ja, Herr Chevalier.«

»Du weißt also, daß Franz II. immer Ohrenweh hatte?«

»Nein, ich wußte das nicht!«

»Daß Karl IV. immer Kopfweh hatte?«

»Oh!«

»Und Heinrich III. immer Bauchweh?«

Raoul lachte.

»Nun! mein lieber Freund, Ludwig XIV. hat immer Herzweh; es ist kläglich anzuschauen, wenn ein König vom Morgen bis zum Abend seufzt und nicht einmal im Tage: Alle Wetter! oder: Stern und Element! oder irgend so etwas, was den Geist erweckt, ausruft.«

»Deshalb habt Ihr den Dienst verlassen, Herr?« fragte Raoul.

»Ja.«

»Aber Ihr selbst, lieber Herr d’Artagnan, Ihr schüttet das Kind mit dem Bade aus; Ihr werdet kein Glück machen.«

»Oh! ich,« entgegnete d’Artagnan mit leichtem Ton, »ich bin versorgt. Ich habe einiges Vermögen von Hause aus.«

Raoul schaute ihn an. Die Armuth von d’Artagnan war sprichwörtlich. Ein Gascogner, überbot er an Dürftigkeit alle Gasconnaden von Frankreich und Navarra; Raoul hatte hundertmal Hiob und d’Artagnan nennen hören, wie man die Zwillingsbrüder Romulus und Remus nennt,

D’Artagnan gewahrte diesen Blick der Verwunderung.

»Nun! Dein Vater wird Dir gesagt haben, daß ich in England gewesen bin?«

»Ja, Herr Chevalier.«

»Und daß ich dort einen glücklichen Fund gemacht habe?«

»Nein, Herr, das wußte ich nicht.«

»Ja, einer meiner guten Freunde, ein sehr vornehmer Herr, der Vicekönig von Schottland und Irland, machte, daß ich eine Erbschaft auffand.«

»Eine Erbschaft?«

»Ja, eine ziemlich runde.«

»Somit seid Ihr reich?«

»Nun . . . «

»Empfangt meine aufrichtigen Glückwünsche.«

»Ich danke . . . Sieh, hier ist mein Haus.«

»Auf der Grève?«

»Ja, Du liebst dieses Quartier nicht?«

»Im Gegentheil . . . das Wasser ist schön anzuschauen ., . Oh! das hübsche, alterthümliche Haus!«

»Das Bild Unserer Lieben Frau, es ist eine alte Schenke, die ich seit zwei Tagen in ein Haus verwandelt habe.«

»Aber die Schenke ist immer noch offen?«

»Ja wohl!«

»Und Ihr, wo wohnt Ihr?«

»Ich wohne bei Planchet.?«

»Ihr sagtet mir aber so eben: Sieh, hier ist mein Haus.«

»Ich sagte dies, weil es wirklich mein Haus ist, denn ich habe es gekauft.«

»Ah!« machte Raoul.

»Zehn Procent, mein lieber Raoul; ein vortreffliches Geschäft: ich habe das Haus um dreißigtausend Livres gekauft; es hat einen Garten nach der Rue de la Mortellerie; die Schenke ist mit dem ersten Stock um tausend Livres vermiethet; der Speicher im zweiten Stock um fünfhundert Livres.«

»Geht doch!«

»Ganz gewiß.«

»Ein Speicher um fünfhundert Livres? Das ist ja nicht bewohnbar.«

»Man bewohnt es auch nicht; doch Du stehst, daß dieser Speicher zwei Fenster nach dem Platze hat.«

»Ja, Herr.«

»Nun wohl, so oft man rädert, hängt, viertheilt, oder verbrennt, werden diese Fenster bis zu zwanzig Pistolen vermiethet.«

»Oh!« machte Raoul mit Abscheu.

»Nicht wahr, das ist ekelhaft?« sagte d’Artagnan.

»Oh!« wiederholte Raoul.

»Es ist ekelhaft, aber es ist so . . . Diese Pariser Maulaffen sind zuweilen wahre Menschenfresser. Ich begreife nicht, daß Christen solche Speculationen machen können,«

»Das ist wahr.«

»Ich, was mich betrifft, verschlöße, wenn ich dieses Haus bewohnen würde, an Hinrichtungstagen Alles, bis auf die Schlüssellöcher; aber ich bewohne es nicht.«

»Und Ihr vermiethet diesen Speicher um fünfhundert Livres?«

»An den rohen Schenkwirt, der ihn wieder in Aftermiethe gibt . . . Ich sagte also fünfzehnhundert Livres.«

»Das natürliche Interesse des Geldes, fünf Procent.«

»Ganz richtig. Es bleiben mir noch das hintere Hauptgebäude, Magazine, Wohnungen und Keller, welche jeden Winter unter Wasser gesetzt sind, zweihundert Livres, und der Garten, der sehr schön, sehr gut angepflanzt, sehr unter den Mauern und dem Schatten des Portals von Saint-Gervais-Saint-Protais verborgen ist, dreizehnhundert Livres.«

»Dreizehnhundert Livres, oh! das ist königlich.«

»Höre die Geschichte: Ich muthmaße, daß irgend ein Canonicus des Kirchspiels (jeder dieser Herren ist ein Krösus), ich muthmaße also, daß ein Canonicus des Kirchspiels diesen Garten gemiethet hat, um sich darin zu erlustigen. Der Miethsmann hat den Namen Godard angegeben . . . Das ist ein falscher Name oder ein wahrer Name; ist er wahr, so ist es ein Canonicus; ist er falsch, so ist es ein Unbekannter; wozu soll ich das wissen? Er bezahlt immer zum Voraus . . . Ich hatte auch vorhin, als ich Dir begegnete, den Gedanken, ein Haus auf der Place Baudoyer zu kaufen, dessen Hintertheile sich mit meinem Garten verbinden ließen und ein herrliches Eigenthum bilden würden. Deine Dragoner haben mich von meinem Gedanken abgebracht. Doch laß uns den Weg durch die Rue de la Vannerie nehmen, und wir kommen gerade zu Meister Planchet.«

 

D’Artagnan beschleunigte seine Schritte, und führte wirklich Raoul zu Planchet in ein Zimmer, das der Spezereihändler seinem ehemaligen Herrn abgetreten hatte. Planchet war ausgegangen, doch das Mittagsbrod wurde aufgetragen. Es herrschte bei dem Spezereihändler noch ein Ueberest von Regelmäßigkeit, von militärischer Pünktlichkeit.

D’Artagnan brachte Raoul wieder auf das Kapitel seiner Zukunft.

»Dein Vater hält Dich streng,« sagte er.

»Gerecht, Herr Chevalier.«

»Oh! ich weiß, daß Athos gerecht ist, aber vielleicht zähe.«

»Eine königliche Hand, Herr d’Artagnan.«

»Ohne Umstände, Junge: wenn Du einige Pistolen brauchst, so ist der alte Musketier da.«

»Lieber Herr d’Artagnan . . . «

»Du spielst wohl ein wenig?«

»Nie.«

»Glück bei Frauen also? . . . Du erröthest . . . Oh! kleiner Aramis! Mein Lieber, das kostet noch mehr als das Spiel. Es ist wahr, daß man sich schlägt, wenn man verloren hat, und das ist eine Ausgleichung, … Bah! der kleine weinerliche König läßt die Leute, welche vom Leder ziehen, Strafe bezahlen. Welche Regierung, mein armer Raoul, welche Regierung . . . Wenn mau bedenkt, daß man zu meiner Zeit die Musketiere in den Häusern belagerte, wie Hektor und Priamus in der Stadt Troja; und dann weinten die Weiber, und dann lachten die Mauern, und fünfhundert Kerle klatschten in die Hände und riefen: Schlagt todt! schlagt todt! wenn es sich Nicht um einen Officier handelte. Mordioux! Ihr Leute werdet das nicht sehen.«

»Ihr urtheilt so strenge über den König, Herr d’Artagnan, und Ihr kennt ihn kaum.«

»Ich! höre, Raoul, Tag für Tag, Stunde für Stunde, merke Dir wohl meine Worte, sage ich Dir voraus, was er thun wird. Ist der Cardinal todt, so wird er weinen; gut: das ist das, was er am wenigsten Albernes thun kann, besonders wenn er nicht an eine Thräne denkt.«

»Hernach?«

»Hernach wird er sich eine Pension von Herrn Fouquet aussetzen lassen, und in Fontainebleau Verse für irgend eine Mancini machen, der die Königin die Augen ausreißt. Siehst Du, die Königin ist eine Spanierin und hat Frau Anna von Oesterreich zur Schwiegermutter. Ich kenne das . . . die Spanierinnen aus dem Hause Oesterreich.«

»Hernach?«

»Hernach, wenn er den Schweizern die silbernen Borden hat abreißen lassen, läßt er die Musketiere zu Fuß setzen, weil Hafer und Heu für ein Pferd täglich fünf Sous kosten.«

»Oh! sagt das nicht.«

»Was liegt mir daran, nicht wahr, ich bin nicht mehr Musketier? Mag man zu Pferd oder zu Fuß sein, mag man eine Spicknadel, einen Bratspieß, einen Degen, oder gar nichts tragen, mir gleichviel!«

»Lieber Herr d’Artagnan, ich flehe Euch an, sprecht nicht schlimm vom König. Ich bin, gleichsam in seinem Dienst, und mein Vater würde es mir sehr verargen, wenn ich, selbst aus Eurem Mund, für Seine Majestät beleidigende Worte angehört hätte.«

»Dein Vater! . . . Ei! das ist ein Vertheidiger jeder wurmstichigen Sache . . . Bei Gott! ja, Dein Vater ist ein Braver, ein Cäsar! aber ein Mann ohne Blick.«

»Ah! mein guter Chevalier,« erwiederte Raoul lachend, »Ihr werdet wohl nun auch Böses von meinem Vater, von dem Mann sagen, den Ihr den großen Athos nanntet; Ihr seid heute in einer schlimmen Laune, und der Reichthum macht Euch herb, wie andere Leute die Armuth.«

»Du hast bei Gott Recht; ich bin ein Wicht und schwatze ungereimtes Zeug; ich bin ein unglücklicher alter Kerl, ein durchlöcherter Panzer, ein Stiefel ohne Sohle, ein Sporn ohne Rädchen; doch mache mir das Vergnügen, Raoul, sprich etwas aus.«

»Was, lieber Herr d’Artagnan?«

»Sage: Mazarin war ein Lumpenkerl.«

»Er ist vielleicht todt.«

»Ein Grund mehr; ich sage war; wenn ich nicht hoffte, er wäre todt, würde ich Dich bitten, zu sagen: Mazarin ist ein Lumpenkerl; sage es, ich bitte Dich, mir zu Liebe.«

»Ich will es wohl.«

»Sprich also.«

»Mazarin war ein Lumpenkerl,« sagte Raoul, dem Musketier zulächelnd, der sich belustigte, wie in seinen schönen Tagen.

»Einen Augenblick Geduld,« fuhr der Musketier fort. »Du hast den ersten Satz ausgesprochen, nun kommt der Schluß, Wiederhole, Raoul, wiederhole: aber ich werde Mazarin bedauern.«

»Chevalier!«

»Du kannst es nicht sagen . . . so werde ich es zweimal für Dich sagen.«

»Aber ich werde Mazarin bedauern!«

Sie lachten noch und stritten über diese Abfassung eines Glaubensbekenntnisses, als einer von den Ladendienern des Spezereihändlers eintrat und sagte:

»Hier ist ein Brief für Herrn d’Artagnan.«

»Ich danke . . . Laß sehen!« rief der Musketier.

»Die Handschrift des Herrn Grafen,« sprach Raoul.

»Ja, ja,« sagte d’Artagnan. Und, er entsiegelte den Brief.

»Lieber Freund,« schrieb Athos, »man hat mich im Auftrag des Königs gebeten, Euch suchen zu lassen.«

»Mich!« rief d’Artagnan und ließ das Papier auf den Tisch fallen.

Raoul hob es auf und las laut weiter:

»Beeilt Euch . . . Seine Majestät fühlt ein großes Bedürfnis, Euch zu sprechen, und erwartet Euch im Louvre.«

»Mich!« wiederholte der Musketier.

»He!, he!« sagte Raoul.

»Hoho! rief d’Artagnan. Was soll das bedeuten?«