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Der Graf von Bragelonne

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XVI.
Die Runde von Herrn von Gèvres

D’Artagnan war nicht an Widerstände, wie der, welchen er erfahren hatte, gewöhnt. Er kam tief gereizt nach Nantes zurück.

Die Gereiztheit übersetzte sich bei diesem kräftigen Mann durch einen stürmischen Angriff, gegen den bis dahin wenige Menschen, und waren sie auch Könige, waren sie Riesen, Stand zu halten vermocht hatten.

Ganz bebend, ging d’Artagnan gerade nach dem Schlosse und verlangte mit dem König zu sprechen. Es mochte ungefähr sieben Uhr Morgens sein, und seit seiner Ankunft in Nantes war der König früh aus dem Bette.

Als aber d’Artagnan in die uns bekannten Hausflur kam, fand er Herrn von Gèvres, der ihn sehr artig aushielt und ihn ermahnte, nicht laut zu sprechen und den König ruhen zu lassen.

»Der König schläft?« sagte d’Artagnan; »ich werde ihn also schlafen lassen. Um welche Stunde denkt Ihr, daß er aufstehen werde?«

»Oh! ungefähr in zwei Stunden, der König hat die ganze Nacht durch gewacht.«

D’Artagnan nahm wieder seinen Hut, grüßte Herrn von Gèvres und kehrte in seine Wohnung zurück.

Er kam um halb zehn Uhr abermals. Man sagte ihm, der König frühstücke.

»Das ist gut,« erwiederte d’Artagnan, »ich werde den König sprechen, während er speist.«

Herr von Brienne bemerkte d’Artagnan, der König wolle während seines Mahles Niemand empfangen.

D’Artagnan schaute Herrn von Brienne von der Seite an und entgegnete:

»Ihr wißt vielleicht nicht, Herr Secretäre, daß ich meinen Eintritt überall und zu jeder Stunde habe.«

Brienne nahm den Kapitän sachte bei der Hand und sagte zu ihm:

»Nicht in Nantes, lieber Herr d’Artagnan; der König hat auf dieser Reise seine ganze Hausordnung verändert.«

Besänftigt, fragte d’Artagnan, um welche Stunde der König sein Frühstück beendigt hätte.

»Man weiß es nicht,« antwortete Brienne.

»Wie! man weiß es nicht? Was soll das bedeuten? Man weiß nicht, wie viel Zeit der König zum Essen braucht? Gewöhnlich eine Stunde, und nehme ich an, daß die Lust der Loire den Appetit schärft, so setzen wir anderthalb Stunden; das ist, denke ich, genug; ich werde also hier warten.«

»Oh! mein lieber Herr d’Artagnan, es ist der Befehl gegeben worden. Niemand mehr in diese Flur einzulassen; ich habe zu diesem Ende hier die Wache.«

D’Artagnan fühlte den Zorn eine Secunde lang in sein Gehirn emporsteigen. Er ging sehr rasch weg, aus Furcht, die Sache durch einen Streich übler Laune zu verwickeln.

Als er außen war, dachte er nach.

»Der König will mich nicht empfangen,« sagte er, »das ist augenscheinlich; er ist ärgerlich, der junge Mann; er fürchtet die Worte, die ich ihm sagen kann. Ja, doch mittlerweile belagert man Belle-Isle und man nimmt gefangen oder tödtet vielleicht meine zwei Freunde. Armer Porthos! Was Meister Aramis betrifft, das ist ein Mann voll von Mitteln, und ich bin ruhig in Beziehung aus ihn. Aber nein, nein, Porthos ist noch nicht invalid und Aramis ist kein einfältiger Greis, Der Eine mit seinen Armen, der Andere mit seiner Einbildungskraft werden den Soldaten Seiner Majestät Arbeit geben. Wer weiß! wenn diese zwei Braven zur Erbauung Seiner Allerchristlichsten Majestät eine kleine Bastei Saint-Gervais wiederholen würden! Ich verzweifle nicht. Sie haben Kanonen und eine Garnison . . . Indessen,« fuhr d’Artagnan den Kopf schüttelnd fort, »ich glaube, es wäre besser, den Kampf zu hemmen. Für mich allein würde ich weder hoffärtigen Trotz, noch Treulosigkeit von Seiten des Königs ertragen, aber für meine Freunde muß ich das Anschnauzen, muß ich Beleidigungen, muß ich Alles dulden. Wenn ich zu Herrn Colbert ginge? Das ist Einer, dem ich Angst zu machen die Gewohnheit werde annehmen müssen. Gehen wir zu Herrn Colbert.«

D’Artagnan begab sich muthig auf den Weg. Er erfuhr hier, daß Herr Colbert mit dem König im Schloß von Nantes arbeitete.

»Gut!« rief er, »nun bin ich zu der Zeit zurückgekehrt, wo ich beständig aus dem Wege von Treville in die Wohnung des Cardinals, von der Wohnung des Cardinals zur Königin, von der Königin zu König Ludwig XIII war. Man hat Recht, wenn man sagt, mit dem Alter werden die Menschen wieder Kinder. In’s Schloß!«

Er kehrte dahin zurück. Herr von Lyonne kam heraus. Er reichte seine beiden Hände d’Artagnan und theilte ihm mit, der König werde den ganzen Abend die ganze Nacht sogar arbeiten, und es sei der Befehl gegeben. Niemand einzulassen.

»Nicht einmal den Kapitän, der den Befehl einholt?« rief d’Artagnan. »Das ist zu stark,«

»Nicht einmal,« erwiederte Herr von Lyonne.

»Wenn dem so ist,« sprach d’Artagnan, bis ins Herz verwundet, »wenn der Kapitän der Musketiere, der immer in das Schlafzimmer des Königs eingetreten ist, nicht mehr in das Cabinet oder in den Speisesaal eintreten darf, so ist der König todt, oder er hat seine Ungnade auf seinen Kapitän geworfen. In dem einen wie in dem andern Fall bedarf er desselben nicht mehr. Habt die Güte zurückzukehren, Herr von Lyonne, Ihr, der Ihr in Gnade seid, und sagt ganz unumwunden dem König, ich bitte ihn um meine Entlassung.«

»D’Artagnan, nehmt Euch in Acht,« rief Lyonne.

»Geht aus Freundschaft für mich.«

Und er schob ihn sachte nach dem Cabinet.

»Ich gehe,« sagte Herr von Lyonne.

D’Artagnan wartete in der Flur auf- und abschreitend.

Lyonne kam zurück.

»Nun! was hat der König gesagt?« fragte d’Artagnan.

»Der König hat gesagt, es sei gut,« erwiederte Lyonne.

»Was sei gut?« rief der Kapitän ausbrechend; »das heißt, er nehme an? Wohl! nun bin ich frei! Ich bin Bürger, Herr von Lyonne. Auf das Vergnügen, Euch bald wieder zu sehen. Gott befohlen Schloß, Corridor, Vorzimmer, ein Bürger, der endlich frei athmen wird, grüßt euch.«

Und ohne länger zu warten, sprang der Kapitän aus der Terrasse auf die Treppe, wo er die Stücke vom Brief von Gourville gefunden. Fünf Minuten nachher trat er in den Gasthof ein, in welchem er nach dem Gebrauch aller hohen Offeriere, denen eine Wohnung im Schlosse angewiesen war, das genommen hatte, was man sein Stadtzimmer nannte.

Doch statt seinen Mantel und seinen Degen abzulegen, nahm er hier Pistolen, steckte sein Geld in einen großen ledernen Beutel, ließ seine Pferde aus dem Schloßstall holen, und gab Befehle, um Vannes noch in der Nacht zu erreichen.

Alles erfolgte nach seinen Wünschen. Um acht Uhr Abends setzte er seinen Fuß in den Steigbügel, als Herr von Gèvres an der Spitze von zwölf Garden vor dem Gasthause erschien.

D’Artagnan sah Alles aus dem Augenwinkel; er sah nothwendig diese dreizehn Mann und diese dreizehn Pferde. Aber er stellte sich, als bemerkte er nichts, und schwang sich vollends aus sein Pferd.

Gèvres trat zu ihm heran und sagte laut:

»Herr d’Artagnan!«

»Ah! Herr von Gèvres, guten Abend!«

»Man sollte glauben, Ihr steiget zu Pferde?«

»Mehr, ich bin aufgestiegen, wie Ihr seht.«

»Es findet sich gut, daß ich Euch treffe.«

»Ihr suchtet mich?«

»Mein Gott! ja.«

»Ich wette, im Auftrage des Königs?«

»Ja.«

»Wie ich vor ein paar Tagen Herrn Fouquet suchte?«

»Oh!«

»Wollt Ihr mir etwa Niedlichkeiten machen, mir! Verlorene Mühe, geht! Sagt mir geschwinde, daß Ihr kommt, um mich zu verhaften.«

»Euch verhaften, guter Gott! nein.«

»Nun! warum geht Ihr mich denn mit zwölf Mann zu Pferde an?«

»Ich mache eine Runde.«

»Nicht übel! Und Ihr hebt mich bei dieser Runde auf?«

»Ich hebe Euch nicht aus, ich finde Euch und bitte Euch, mit mir zu kommen.«

»Wohin?«

»Zum König.«

»Gut!« sagte d’Artagnan mit spöttischem Tone, »der König hat also nichts mehr zu thun?«

»Ich bitte, Kapitän,« sprach Herr von Gèvres leise zum Musketier, »gefährdet Euch nicht, diese Leute hören Euch.«

D’Artagnan lachte und erwiederte dann:

»Vorwärts. Die Leute, die man verhaftet, haben ihren Platz zwischen den sechs ersten und den sechs letzten Garden.«

»Da ich Euch aber nicht verhafte,« entgegnete Herr von Gèvres, »so werdet Ihr, wenn es Euch beliebt, mit mir hinten reiten.«

»Ah!« sagte d’Artagnan, »das ist ein gutes Verfahren, Herzog, und Ihr habt Recht, denn wenn ich je Runden bei Eurem Stadtzimmer zu machen gehabt hätte, wäre ich höflich gegen Euch gewesen, das versichere ich Euch bei meinem Ehrenwort. Nun noch eine Gefälligkeit . . . Was will der König von mir.«

»Oh! der König ist wüthend.«

»Nun wohl! der König, der sich die Mühe genommen, sich wüthend zu machen, wird sich auch die Mühe nehmen, sich zu beruhigen, das ist einfach. Ich werde nicht darüber sterben, das schwöre ich Euch.«

»Nein, aber . . . «

»Aber man wird mich dem armen Herrn Fouquet Gesellschaft leisten lassen, Mordioux! Das ist ein artiger Mann . . . wir werde, ganz angenehm mit einander leben, das schwöre ich Euch.«

»Wir sind an Ort und Stelle,« sagte der Herzog. »Kapitän, ich bitte Euch, seid ruhig gegen den König.«

»Oh! wie wacker seid Ihr gegen mich, Herzog!« sprach d’Artagnan, Herrn von Gèvres anschauend. »Man sagte mir, Ihr strebtet darnach. Eure Garden mit meinen Musketieren zu verbinden; ich glaube, das ist eine herrliche Gelegenheit!«

»Ich werde sie nicht ergreifen, Gott behüte mich, Kapitän!«

»Warum nicht?«

»Aus vielen Gründen einmal, und dann aus dem, daß, wenn ich Euch bei den Musketieren nachfolgte, nachdem ich Euch verhaftet hätte . . . «

»Ab! Ihr gesteht, daß Ihr mich verhaftet?«

»Nein, nein!«

»So sagt getroffen. Wenn Ihr mir nachfolgtet, nachdem Ihr mich getroffen hättet?«

»Eure Musketiere würden beim ersten Exerciren im Feuer aus Unachtsamkeit nach meiner Seite schießen.«

»Ah! was das betrifft, Ich leugne es nicht. Diese Bursche lieben mich sehr.«

Gèvres ließ d’Artagnan voran gehen, führte ihn unmittelbar nach dem Cabinet, wo der König seinen Kapitän der Musketiere erwartete, und stellte sich hinter seinen Collegen im Vorzimmer.

 

Man hörte sehr deutlich den König laut mit Colbert sprechen, in demselben Cabinet, wo einige Tage vorher Colbert den König hatte laut mit Herrn d’Artagnan sprechen hören können.

Die Garden blieben in Piquet zu Pferde vor dem Hauptthore, und es verbreitete sich allmälig in der Stadt das Gerücht, der Herr Kapitän der Musketiere sei aus Befehl des Königs verhaftet worden.

Da sah man alle diese Leute in Bewegung gerathen, wie in der guten Zeit von Ludwig XIII. und Herrn von Treville; es bildeten sich Gruppen, die Treppen füllten sich, ein unbestimmtes Gemurmel drang unten von den Höfen rollend bis in die oberen Stockwerke empor, den heiseren Lamentationen der Wellen bei der Fluth ähnlich.

Herr von Gèvres war unruhig. Er schaute seine Garden an, welche, Anfangs von den Musketieren, die sich in ihre Reihen mischten, befragt, sich von diesen auch einige Unruhe offenbarend zu entfernen anfingen.

D’Artagnan war sicherlich minder unruhig, als Herr von Gèvres, der Kapitän der Garden. Unmittelbar nach seinem Eintritt hatte er sich aus den Rand eines Fensters gesetzt; er sah alle Dinge mit seinem Adlerblick und verzog keine Miene,

Keiner von den Fortschritten der Währung, die sich bei dem Gerüchte von seiner Verhaftung kundgegeben, war ihm entgangen. Er sah den Augenblick vorher, wo der Ausbruch stattfinden würde, und man weiß, daß seine Vorhersehungen sicher waren.

»Es wäre seltsam,« dachte er, »wenn mich meine Prätorianer heute Abend zum König von Frankreich machten. Wie würde ich darüber lachen!«

Doch im schönsten Augenblick stockte Alles. Garden, Musketiere, Officiere, Soldaten, Gemurmel, Unruhe, Alles zerstreute sich, verschwand; kein Sturm mehr, keine Drohungen mehr, kein Aufruhr mehr.

Ein Wort hatte die Wellen beruhigt.

Der König hatte durch Brienne ausrufen lassen:

»Stille, meine Herren, Ihr seid dem König beschwerlich!«

D’Artagnan seufzte.

»Es ist vorbei,« sagte er, »die Musketiere von heute sind nicht mehr die von Seiner Majestät Ludwig XIII. Es ist vorbei.«

»Herr d’Artagnan, zum König!« rief ein Huissier.

XVII.
König Ludwig XIV

Der König saß in seinem Cabinet, den Rücken der Eingangsthüre zugewendet. Ihm gegenüber war ein Spiegel, in welchen er, während er in seinen Papieren störte, nur einen Blick zu werfen brauchte, um diejenigen, welche zu ihm kamen, zu sehen.

Er wandte sich bei dem Eintritt von d’Artagnan nicht um und breitete nur über seinen Briefen und Plänen das große Stück grüner Seide aus, das ihm dazu diente, seine Geheimnisse vor Lästigen zu verbergen.

D’Artagnan begriff das Spiel und blieb hinten, so daß nach einer Minute der König, der nichts hörte und nur aus dem Augenwinkel sah, zu rufen genöthigt war:

»Ist Herr d’Artagnan nicht da?«

»Hier bin ich,« erwiederte der Musketier vortretend.

»Nun, mein Herr,« sprach der König, sein klares Auge aus d’Artagnan heftend, »was habt Ihr mir zu sagen?«

»Ich?« erwiederte dieser, der auf den ersten Stoß des Feindes wartete, um einen guten Gegenstoß zu thun, »ich, ich habe Eurer Majestät nichts zu sagen, wenn nicht, daß sie mich hat verhaften lassen und daß ich hier bin.«

Der König war im Begriff, zu antworten, er habe d’Artagnan nicht verhaften lassen, doch das kam ihm wie eine Entschuldigung vor und er schwieg.

D’Artagnan beobachtete ein hartnäckiges Stillschweigen.

»Mein Herr,« sprach der König, »was hatte ich Euch in Belle-Isle zu thun beauftragt? ich bitte, sagt es mir.«

Bei diesen Worten schaute der König seinen Kapitän fest an.

Hier war d’Artagnan zu glücklich; der König machte ihm die Partie so schön.

»Ich glaube,« erwiederte er, »Eure Majestät hat die Gnade gehabt, mich zu fragen, was ich in Belle-Isle habe thun sollen?«

»Ja, mein Herr.«

»Ich weiß es durchaus nicht, Sire; mich muß man das nicht fragen, sondern die zahllosen Officiere aller Art, denen man zahllose Befehle aller Art gegeben, während man mir, dem Anführer der Expedition, nichts Bestimmtes befohlen hatte.«

Der König war verletzt; er zeigte es durch seine Antwort.

»Mein Herr.« erwiederte er, »man hat nur Leuten Befehle gegeben, die man für treu erachtet.«

»Ich wundere mich auch, Sire,« fuhr der Musketier fort, »daß ein Kapitän, wie ich bin, der ich die Geltung eines Marschalls von Frankreich habe, sich unter die Befehle von fünf bis sechs Lieutenants und Majors gestellt sehen mußte, welche zu Spionen taugen mögen, aber keines Wegs zur Anführung von Kriegsexpeditionen. Hierüber wollte ich Eure Majestät um Aufklärung bitten, als mir der Eintritt verweigert wurde, was als die letzte einem braven Mann angethane Beschimpfung mich veranlaßt hat, den Dienst Eurer Majestät zu verlassen.«

»Mein Herr, Ihr glaubt Immer in einem Jahrhundert zu leben, wo die Könige, wie Ihr es gewesen zu sein Euch beklagt, unter den Befehlen und unter der Willkür ihrer Untergeordneten standen. Ihr scheint mir zu sehr zu vergessen, daß ein König nur Gott über seine Handlungen Rechenschaft schuldig ist.«

»Ich vergesse gar nichts, Sire erwiederte der Musketier, bei dieser Section ebenfalls verletzt. »Uebrigens sehe ich nicht ein, wodurch ein ehrlicher Mann den König beleidigt, wenn er ihn fragt, in welcher Hinsicht er ihm schlecht gedient habe.«

»Ihr habt mir dadurch schlecht gedient, daß Ihr die Partei meiner Feinde gegen mich ergriffet.«

»Wer sind Eure Feinde, Sire?«

»Diejenigen, zu deren Bekämpfung ich Euch absandte.«

»Zwei Männer! Feinde des Heeres Eurer Majestät! das ist nicht glaublich, Sire.«

»Ihr habt meinen Willen nicht zu beurtheilen.«

»Ich hatte meine Freundschaften zu beurtheilen, Sire.«

»Wer seinen Freunden dient, dient seinem Herrn nicht.«

»Das habe ich so gut begriffen, Sire, daß ich Eurer Majestät ehrfurchtsvoll meine Entlassung anbot.«

»Und ich habe sie angenommen, mein Herr. Ehe ich mich von Euch trennte, wollte ich Euch beweisen, daß ich mein Wort zu halten wisse.«

»Eure Majestät hat mehr als ihr Wort gehalten, denn Eure Majestät hat mich verhaften lassen,« sprach d’Artagnan mit seiner kalt spöttischen Miene, »das hatte sie mir nicht versprochen.«

Der König ging über diesen Scherz mit Geringschätzung weg und sprach ernsthaft:

»Seht, mein Herr, wozu mich Euer Ungehorsam gezwungen hat.«

»Mein Ungehorsam!« rief d’Artagnan roth vor Zorn,

»Das ist der mildeste Name, den ich gefunden habe,« fuhr der König fort. »Meine Idee war, die Rebellen festzunehmen und zu bestrafen; hatte ich mich darum zu bekümmern, daß die Rebellen Eure Freunde waren?«

»Aber ich hatte mich darum zu bekümmern,« entgegnete d’Artagnan. »Es war eine Grausamkeit von Eurer Majestät, mich zu beauftragen, meine Freunde gefangen zu nehmen, um sie zum Galgen zu führen.«

»Das ist eine Probe, die ich bei vorgeblichen Dienern zu machen hatte, welche mein Brod essen und meine Person vertheidigen sollen. Die Probe ist schlecht ausgefallen, Herr d’Artagnan.«

»Für einen schlechten Diener, den Eure Majestät verliert,« erwiederte der Musketier mit Bitterkeit, »sind zehn da, die an demselben Tag ihre Proben abgelegt haben. Höret mich an, Sire; ich bin an diesen Dienst nicht gewöhnt. Ich bin ein widerspänstiges Schwert, wenn es sich darum handelt, das Schlimme zu thun. Es war schlimm von mir, bis zum Tode zwei Menschen zu verfolgen, um deren Leben Herr Fouquet, der Retter Eurer Majestät, Euch gebeten hatte. Dabei waren diese zwei Menschen meine Freunde. Sie griffen Eure Majestät nicht an; sie unterlagen unter dem Gewichte eines blinden Zorns. Warum sollte man sie übrigens nicht fliehen lassen? Welches Verbrechen hatten sie begangen? Ich will es gelten lassen, daß Ihr mir das Recht streitig macht, ihr Verbrechen zu beurtheilen. Doch warum beargwohnt Ihr mich vor der That? Warum umgebt Ihr mich mit Spionen? Warum entehrt Ihr mich vor der Armee? Warum nöthigt Ihr mich . . . mich, zu dem Ihr bis jetzt das vollste Vertrauen gezeigt habt, mich, der ich seit dreißig Jahren Eurer Person zur Seite gestanden bin und Euch tausend Beweise treuer Ergebenheit geliefert habe, denn heute, da man mich anschuldigt, muß ich es wohl sagen, warum nöthigt Ihr mich drei tausend Soldaten des Königs in Schlachtordnung gegen zwei Menschen marschiren zu sehen?«

»Man sollte glauben, Ihr vergäßet, was diese Menschen mir gethan, und daß es nicht von ihnen abgehängt, wenn ich nicht verloren gewesen bin,« sprach der König mit dumpfem Ton.

»Sire, man sollte glauben, Ihr vergäßet, daß ich da war.«

»Genug, Herr d’Artagnan, genug der beherrschenden Interessen, die meinen Interessen die Sonne benommen haben. Ich gründe einen Staat, in dem es nur einen Herrn geben wird; ich habe Euch das einst versprochen; der Augenblick, mein Wort zu halten, ist gekommen. Ihr wollt, daß es Euch nach Eurem Geschmack und nach Euren Freundschaften freistehe, meine Pläne zu hemmen und meine Feinde zu retten? Ich breche mit Euch ab oder ich lasse Euch ziehen. Ich weiß wohl, daß ein anderer König sich nicht benehmen würde, wie ich es thue, und daß er sich von Euch beherrschen ließe, aus die Gefahr, Euch eines Tags in die Gesellschaft von Herrn Fouquet und Anderen zu schicken; aber ich habe ein gutes Gedächtniß, und für mich sind die Dienste heilige Ansprüche auf die Dankbarkeit, auf die Straflosigkeit. Ihr sollt nur diese Lection zu Bestrafung Eurer Unbotmäßigkeit haben, Herr d’Artagnan, und ich werde meine Vorgänger in ihrem Zorn nicht nachahmen, da ich sie in ihrer Gunst nicht nachgeahmt habe. Und dann lassen mich andere Gründe mild gegen Euch verfahren: einmal seid Ihr ein Mann von Verstand, von großem Verstand, ein Mann von Herz, und Ihr werdet ein guter Diener für Jeden sein, der Euch gebändigt haben wird; sodann werdet Ihr aufhören, Motive der Insubordination zu haben. Eure Freunde sind durch mich vernichtet oder zu Grunde gerichtet. Diese Stützpunkte, auf denen instinctartig Euer launenhafter Geist ruhte, habe ich verschwinden gemacht. Zu dieser Stunde haben meine Soldaten die Rebellen von Belle-Isle festgenommen oder getödtet.«

D’Artagnan erbleichte.

»Festgenommen oder getödtet!« rief er. »Oh! Sire, wenn Ihr dächtet, was Ihr mir da sagt, und wenn Ihr sicher wäret, mir die Wahrheit zu sagen, so vergäße ich Alles, was Gerechtes, Alles, was Großmüthiges in Euren Worten ist, um Euch einen barbarischen König und einen entarteten Menschen zu nennen. Aber ich verzeihe sie Euch, diese Worte,« sprach er stolz lächelnd, »ich verzeihe sie dem jungen Fürsten, der nicht weiß, der nicht begreifen kann, was Männer sind, wie Herr d’Herblay, wie Herr du Vallon, wie ich. Festgenommen oder getödtet! Ah! ah! Sire, sagt mir, wenn die Kunde wahr ist, wie viel sie Euch Menschen und Geld gekostet hat? Wir werden nachher berechnen, ob der Gewinn den Einsatz werth gewesen ist.«

Während er noch sprach, näherte sich ihm der König voll Zorn und sagte zu ihm:

»Herr d’Artagnan, das sind Antworten eines Rebellen. Wollt mir doch, wenn es Euch beliebt, sagen, wer der König von Frankreich ist? wißt Ihr einen Anderen?«

»Sire,« erwiederte kalt der Kapitän der Musketiere, »Sire, ich erinnere mich, daß Ihr eines Morgens in Vaux diese Frage an viele Personen richtetet, welche nicht darauf zu antworten wußten, während ich daraus geantwortet habe. Habe ich den König an jenem Tag, da die Sache nicht leicht war, erkannt, so glaube ich, daß es unnütz wäre, mich dies heute zu fragen, da Eure Majestät allein bei mir ist.«

Bei diesen Worten schlug Ludwig XIV. die Augen nieder. Es kam ihm vor, als wäre der Schatten des unglücklichen Philipp zwischen ihm und d’Artagnan durchgezogen, um die Erinnerung an dieses furchtbare Abenteuer heraufzubeschwören.

Beinahe in demselben Augenblick trat ein Officier ein und übergab dem König eine Depeche; er las sie und wechselte die Farbe.

D’Artagnan bemerkte es. Der König blieb unbeweglich und schweigsam, nachdem er zum zweiten Male gelesen hatte. Dann faßte er plötzlich einen Entschluß und sprach:

»Mein Herr, was man mir mittheilt, würdet, Ihr später erfahren; es ist besser, daß ich es Euch sage, und daß Ihr es durch meinen Mund erfahret. Es hat ein Kampf auf Belle-Isle stattgefunden.«

»Oh! oh!« machte d’Artagnan mit ruhiger Miene, während sein Herz klopfte, um seine Brust zu zersprengen. »Nun! Sire?«

»Nun! mein Herr, ich habe hundert und sechs Mann verloren.«

Ein Blitz der Freude und des Stolzes glänzte in den Augen von d’Artagnan.

»Und die Rebellen?« sagte er.

»Die Rebellen haben sich geflüchtet,« antwortete der König.

D’Artagnan stieß ein Triumphgeschrei aus.

 

»Nur habe ich eine Flotte, welche Belle-Isle eng blockiert, und ich habe die Gewißheit, daß keine Barke entkommen wird.«

»So daß,« sprach der Musketier, zu seinen düstern Gedanken zurückkehrend, »so daß, wenn man diese Herren bekommt . . . !«

»Man sie henken wird,« antwortete der König ruhig.

»Und sie wissen es?« fragte d’Artagnan, einen Schauer unterdrückend.

»Sie wissen es, da Ihr es ihnen sagen mußtet, und da es das ganze Land weiß.«

»Dann, Sire, wird man sie nicht lebendig bekommen, dafür stehe ich Euch.«

»Ah!« sagte der König mit nachläßigem Tone, indem er seinen Brief wieder aufnahm. »Nun! so wird man sie todt bekommen, und das läuft aus Eines aus, da ich sie nur festnahm, um sie henken zu lassen.«

D’Artagnan wischte den Schweiß ab, der von seiner Stirne floß.

»Ich habe Euch gesagt,« fuhr Ludwig XIV. fort, »ich würde einst ein wohlgewogener, freigebiger und beständiger Herr für Euch sein. Ihr seid heute der einzige Mann von Einst, der meines Zornes oder meiner Freundschaft würdig ist. Ich werde Euch, je nach Eurem Benehmen, weder mit dem einen verschonen, noch die andere vorenthalten. Würdet Ihr es begreifen, wenn Ihr einem König dientet, der hundert andere Könige seines Gleichen im Reiche hätte? Sagt mir, könnte ich bei dieser Schwäche die großen Dinge thun, auf die ich sinne? Habt Ihr je einen Künstler solide Werke mit einem rebellischen Instrument ausführen sehen? Fern von uns seien die alten Sauerteige feudaler Mißbrauche! Die Fronde, welche die Monarchie zu Grunde richten sollte, hat sie emancipirt. Ich bin hier in meinem Hause, Kapitän d’Artagnan, und ich werde Diener haben, die, wenn es ihnen auch vielleicht an Eurem Genie gebricht, die Ergebenheit und den Gehorsam bis zum Heldenmuth treiben werden. Ich frage Euch, was ist daran gelegen, daß Gott den Armen und den Beinen nicht Genie gegeben hat? er gibt es dem Kopf, und dem Kopf, wie Ihr wißt, gehorcht das Uebrige. Ich bin der Kopf!«

D’Artagnan bebte.

Ludwig fuhr fort, als ob er nichts gesehen hätte, obgleich ihm dieses Beben nicht entgangen war:

»Schließen wir nun unter uns Beiden den Hantel ab, den ich Euch eines Tages, als Ihr mich noch sehr klein in Blois fandet, zu machen versprochen habe. Wißt mir Dank, mein Herr, daß ich Niemand die Thränen der Scham, die ich damals vergossen, bezahlen lasse. Schaut umher, die großen Häupter sind gebeugt. Beugt Euch, wie sie, oder wählt die Verbannung, die Euch zusagen wird. Wenn Ihr darüber nachdenkt, werdet Ihr vielleicht finden, dieser König sei ein großmüthiges Herz, das genug aus Eure Redlichkeit rechne, daß er Euch entlasse, während er Euch unzufrieden wisse, während Ihr das Staatsgeheimniß besitzet. Ich weiß, Ihr seid ein wackerer Mann. Warum habt Ihr mich vor der Zeit beurtheilt? Beurtheilt mich von heute an, d’Artagnan, und seid streng, so lange es Euch beliebt.«

D’Artagnan blieb betäubt, stumm, zum ersten Male in seinem Leben unentschieden, schwankend. Er hatte einen seiner würdigen Gegner gefunden. Das war nicht mehr Schlauheit, das war Berechnung; das war nicht mehr Gewaltthätigkeit, es war Stärke; das war nicht mehr Zorn, es war Willen; das war nicht mehr Prahlerei, es war Rathschluß. Dieser junge Mann, der Fouquet niedergeschmettert hatte und d’Artagnan’s entbehren konnte, brachte alle ein wenig halsstarrige Berechnungen des Musketiers in Verwirrung.

»Nun, was hält Euch auf?« fragte der König sanftmüthig. »Ihr habt Eure Entlassung verlangt, soll ich sie Euch verweigern? Ich gestehe zu, daß es für einen alten Kapitän hart sein wird, von seiner schlimmen Laune abzugehen.«

»Oh!« erwiederte d’Artagnan schwermüthig, »das ist nicht meine ernsteste Sorge. Ich zögere, mein Entlassungsgesuch zurückzunehmen, weil ich Euch gegenüber alt bin und weil ich Gewohnheiten habe, die sich schwer verlieren. Ihr braucht fortan Höflinge, die Euch zu belustigen verstehen. Narren, die sich für das tödten lassen müssen, was Ihr Eure großen Werke nennt. Gewiß, sie werden es sein, ich fühle es; wenn ich sie aber zufällig nicht so fände! Ich habe den Krieg gesehen, Sire, ich habe den Frieden gesehen; ich habe Richelieu und Mazarin gedient; ich bin mit Eurem Vater am Feuer von la Rochelle geröthet, von Schüssen durchlöchert worden wie ein Sieb, und habe mich mehr als zehnmal gehäutet wie eine Schlange. Nach den Beschimpfungen und Ungerechtigkeiten habe ich ein Commando bekommen, das einst etwas war, weil es das Recht gab, wie man wollte, zum König zu sprechen. Aber Euer Kapitän der Musketiere wird fortan ein Officier sein, der die Hofthore bewacht. Wahrhaftig, Sire, wenn das fortan sein Geschäft sein soll, so benützt den Umstand, daß wir gut mit einander sind, um es mir zu nehmen. Glaubt nicht, ich hege einen Groll; nein, Ihr habt mich gebändigt, wie Ihr sagt; doch ich muß gestehen, indem Ihr mich beherrschtet, habt Ihr mich verringert; indem Ihr mich beugtet, habt Ihr mich der Schwäche überwiesen. Wenn Ihr wüßtet, wie gut es mir steht, den Kopf hoch zu tragen, und wie kläglich ich aussehen würde, wenn ich den Staub Eurer Teppiche beröche! Oh! Sire, ich bedaure es aufrichtig, und Ihr werdet es mit mir bedauern, daß die Zeit nicht mehr ist, wo der König von Frankreich in seinen Vorgemächern alle die unverschämten, mageren, beständig fluchenden, närrischen, knurrenden Edelleute sah, die in den Schlachten bis aus den Tod bissen. Diese Leute sind die besten Höflinge für die Hand, die sie nährt; sie lecken sie; aber für die Hand, die sie schlägt, oh! der schöne Biß! Ein wenig Gold an den Galonen dieser Mäntel, ein wenig Bauch in die Beinkleider, ein wenig Grau in diese vertrocknete Haare, und Ihr werdet die schönen Herzoge und Pairs, die stolzen Marschälle von Frankreich sehen!

»Doch wozu dies Alles sagen? Der König ist mein Herr, er will, daß ich Verse mache, er will, daß ich mit Atlasschuhen die Mosaike seiner Vorzimmer polire; Mordioux! das ist schwierig, doch ich habe Schwereres, als dieses gethan. Ich werde es thun. Warum werde ich es thun? Weil ich das Geld liebe. Ich habe. Weil ich ehrgeizig bin? Meine Laufbahn ist begrenzt. Weil ich den Hof liebe? Nein. Ich werde bleiben, weil ich seit dreißig Jahren gewohnt bin, die Parole beim König zu holen und zu. mir sagen zu hören: Guten Abend, d’Artagnan, mit einem Lächeln, um das ich nicht bettelte. Um dieses Lächeln werde ich betteln, Sire. Seid Ihr zufrieden?«

Nach diesen Worten beugte d’Artagnan langsam seinen silbergrauen Kopf; der König legte mit Stolz seine weiße Hand daraus und sprach:

»Ich danke, mein alter Diener, mein treuer Diener. Da ich von heute an keine Feinde mehr in Frankreich habe, so muß ich Dich auf ein fremdes Feld schicken, um Deinen Marschallsstab zu holen. Zähle auf mich, daß ich Dir die Gelegenheit finden werde. Mittlerweile iß mein bestes Brod und schlafe ruhig.«

»So lasse ich es mir gefallen!« sagte d’Artagnan bewegt . . . »doch die armen Leute von Belle-Isle? Der Eine besonders, der so gut und so brav?«

»Bittet Ihr mich um ihre Begnadigung?«

»Aus den Knieen, Sire.«

»Wohl! so bringt sie ihnen, wenn es noch Zeit ist. Doch Ihr verbürgt Euch für sie?«

»Ich verbürge mich mit meinem Leben.«

»Geht. Morgen reise ich nach Paris ab. Kehrt bis dahin zurück, denn Ihr sollt mich nicht verlassen.«

»Seid unbesorgt, Sire!« rief d’Artagnan, dem König die Hand küssend.

Und er stürzte, das Herz von Freude angeschwollen, aus dem Schlosse nach der Straße von Belle-Isle.