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Der Graf von Bragelonne

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XX.
Der Sohn von Biscarrat

Die Bretannier der Insel waren sehr stolz aus diesen Sieg; Aramis ermuthigte sie nicht.

Als Jedermann zurückgekehrt war, sagte er zu Porthos:

»Der Zorn des Königs wird sicherlich bei der Erzählung von dem Widerstand auf’s Neue erwachen, und man wird die braven Leute decimiren oder verbannen, wenn die Insel eingenommen ist, was unfehlbar geschehen muß.«

»Daraus geht hervor, daß wir nichts Nützliches gethan haben,« sagte Porthos.

»Für den Augenblick doch,« erwiederte der Bischof, »denn wir haben einen Gefangenen, von dem wir erfahren werden, was unsere Feinde im Schilde führen.«

»Ja, befragen wir den Gefangenen, und das Mittel, ihn zum Sprechen zu bringen, ist einfach. Wir speisen zu Nacht; wir laden ihn ein; beim Trinken wird er sprechen.«

Dies geschah. Anfangs ein wenig ängstlich, beruhigte sich der Officier, als er sah, mit welchen Leuten er es zu thun hatte.

Er gab, da er nicht zu befürchten hatte, er könnte sich gefährden, alle erdenkliche Umstände über die Entlassung und die Abfahrt von d’Artagnan an.

Er erklärte, wie, nach dieser Abfahrt, der neue Anführer der Expedition einen Ueberfall aus Belle-Isle befohlen. Hier hörten seine Erklärungen auf.

Aramis und Porthos wechselten einen Blick, der von ihrer Verzweiflung zeugte.

Man konnte sich nicht mehr aus die muthige Einbildungskraft von d’Artagnan verlassen; es gab plötzlich kein Rettungsmittel mehr im Falle einer Niederlage.

Sein Verhör fortsetzend, fragte Aramis den Gefangenen, was die Königlichen mit den Chef von Belle-Isle zu machen gedächten.

»Befehl, während des Kampfes zu tödten und nach demselben zu henken,« erwiederte der Officier.

Aramis und Porthos schauten sich abermals an.

Die Röthe stieg Beiden zu Gesicht.

»Ich bin sehr leicht für den Galgen,« sagte Aramis; »Leute wie ich henken sich nicht.«

»Und ich bin sehr schwer,« sagte Porthos; »Leute wie ich reißen den Strick ab.«

»Ich bin fest überzeugt,« erwiederte artig der Gefangene, »wir hätten Euch die Gnade eines Todes nach Eurer Wahl verschafft.«

»Tausend Dank!« sprach Aramis ernst.

Porthos verbeugte sich.

»Noch diesen Schluck Wein aus Eure Gesundheit,« sagte er, indem er selbst trank.

Ein Wort gab das andere, und so verlängerte sich das Abendbrod; der Officier, ein verständiger junger Mann, überließ sich allmälig den Freuden des Geistes von Aramis und der gutmüthigen Herzlichkeit von Porthos.

»Verzeiht mir, wenn ich eine Frage an Euch thue,« sagte er, »aber Leute, die bei ihrer sechsten Flasche sind, haben wohl das Recht, sich ein wenig zu vergessen.«

»Fragt immerhin,« sagte Porthos.

»Sprecht,« fügte Aramis bei.

»Meine Herren, waret Ihr Beide nicht bei den Musketieren des seligen Königs?«

»Ja, mein Herr, und wir gehörten zu den besten, wenn’s beliebt.«

»Das ist wahr; ich möchte sogar sagen, die besten von allen Soldaten, befürchtete ich nicht, das Andenken meines Vaters zu verletzen.«

»Eures Vaters?« rief Aramis.

»Wißt Ihr, wie ich heiße?«

»Meiner Treue, nein; aber Ihr werdet es mir sagen, und . . . «

»Ich heiße George von Biscarrat.«

»Ah!« rief Porthos, »Biscarrat! Ihr erinnert Euch dieses Namens, Aramis?

»Biscarrat . . . « träumte der Bischof . . . »Mir scheint . . . «

»Suchet wohl, mein Herr,« sagte der Officier.

»Bei Gott! das wird nicht lange währen«, erwiederte Porthos. »Biscarrat, genannt Cardinal . . . einer von den Vieren, die uns an dem Tag unterbrachen, wo wir, den Degen in der Hand, mit d’Artagnan Freundschaft machten . . . «

»Ganz richtig, meine Herren.«

»Der Einzige, den wir nicht verwundeten,« fügte Aramis lebhaft bei.

»Folglich eine tüchtige Klinge,« sagte der Gefangene.

»Es ist wahr, oh! sehr wahr!« sprachen gleichzeitig die beiden Freunde. »Herr von Biscarrat, wir sind in der That entzückt, die Bekanntschaft eines so wackeren Mannes zu machen.«

Biscarrat drückte die beiden Hände, die ihm die zwei alten Musketiere reichten.

Aramis schaute Porthos an, als wollte er zu ihm sagen: »Das ist ein Mann, der uns helfen wird.« Und sogleich sprach er:

»Gesteht, mein Herr, daß es wohl thut, ein rechtschaffener Mann gewesen zu sein.«

»Mein Vater hat es mir immer gesagt.«

»Gesteht auch, daß es traurig für Euch ist, mit Leuten zusammenzutreffen, welche erschossen oder gehenkt werden sollen, und zu bemerken, daß diese Leute alte Bekannte, ererbte alte Bekannte sind.«

»Oh! es ist Euch dieses gräßliche Schicksal nicht vorbehalten, meine Herren und Freunde,« sprach lebhaft der junge Mann.

»Doch! Ihr habt es gesagt.«

»Ich habe es vorhin gesagt, als ich Euch nicht kannte; doch nun, da ich Euch kenne, sage ich Euch, Ihr werdet dieses unselige Loos vermeiden, wenn Ihr wollt.«

»Wie! wenn wir wollen!« rief Aramis, dessen Augen von Verständigkeit glänzten, während er abwechselnd seinen Gefangenen und Porthos anschaute.

»Vorausgesetzt, daß man keine Feigheiten von uns fordert,« sprach Porthos, der seinerseits mit einer edlen Unerschrockenheit Herrn von Biscarrat und den Bischof anschaute.

»Man wird gar nichts von Euch fordern, meine Herren,« erwiederte der Officier des königlichen Heeres. »Was soll man von Euch fordern? Wenn man Euch findet, tötet man Euch, das ist fest beschlossen; trachtet also darnach, daß man Euch nicht findet, meine Herren.«

»Ich glaube mich nicht zu täuschen,« versetzte Porthos mit Würde, »doch mir scheint, um uns zu finden, muß man uns wohl hier holen.«

»Hierin habt Ihr vollkommen Recht, mein würdiger Freund,« sprach Aramis, beständig mit dem Blick die Physiognomie des schweigsamen und zurückhaltenden Biscarrat befragend. »Ihr wollt uns etwas sagen, Herr von Biscarrat, Ihr wollt uns eine Eröffnung machen, und Ihr wagt es nicht, nicht wahr?«

»Oh! meine Herren und Freunde, wenn ich spreche, verrathe ich den Befehl; doch ich höre eine Stimme, welche die meinige, sie beherrschend, löst.«

»Kanonen!« sagte Porthos.

»Kanonendonner und Musketenfeuer.«

Man hörte in der Ferne den unheilschwangeren Lärmen eines Kampfes, der nicht lange dauerte.

»Was ist das?« fragte Porthos.

»Ei! bei Gott! es ist das, was ich vermuthete.«

»Was denn?«

»Der von Euch gemachte Angriff war nur eine Finte, nicht wahr, mein Herr? und während Eure Compagnien sich zurückschlagen ließen, hattet Ihr die Gewißheit, eine Landung aus einer andern Seite der Insel zu bewerkstelligen.«

»Oh! mehrere.«

»So sind wir verloren,« sprach gelassen der Bischof von Vannes.

»Verloren, das ist möglich,« entgegnete der Edelherr von Pierrefonds, »doch wir sind weder festgenommen, noch gehenkt.«

So sprechend stand er vom Tische aus, trat an die Wand und nahm kalt seinen Degen und seine Pistolen herab, welche er mit der Sorgfalt des alten Soldaten untersuchte, der sich zum Kampfe anschickt und fühlt, sein Leben beruhe zum großen Theil aus der Vortrefflichkeit seiner Waffen.

Beim Lärm der Kanonen, bei der Kunde von dem Ueberfall, der die Insel in die Gewalt der königlichen Truppen bringen konnte, stürzte die Menge ganz verwirrt in das Fort. Sie verlangt Beistand und Rath von ihren Führern.

Bleich und besiegt, zeigte sich Aramis zwischen zwei Kerzen an dem Fenster, das nach dem Hof ging; dieser Hof war voll von Soldaten, welche aus Befehle warteten, und von bestürzten Bürgern, die um Hilfe flehten.

»Meine Freunde,« sprach Aramis mit ernster, klangvoller Stimme, »Herr Fouquet, Euer Beschützer, Euer Freund, Euer Vater, ist verhaftet und in die Bastille geworfen worden.«

Ein langer Schrei der Wuth und der Drohung stieg bis zu dem Fenster hinaus, an dem Aramis stand, und umhüllte ihn mit einem vibrirenden Strom.

»Rächen wir Herrn Fouquet, schrieen die Exaltirtesten. »Tod den Königlichen!«

»Nein, meine Freunde,« entgegnete Aramis feierlich, »nein, meine Freunde, keinen Widerstand! Der König ist Herr seines Reiches. Der König ist der Bevollmächtigte Gottes. Der König und Gott haben Herrn Fouquet geschlagen. Demüthigt Euch vor der Hand Gottes. Liebet Gott und den König, welche Herrn Fouquet geschlagen haben. Aber rächet nicht Euern Herrn, sucht ihn nicht zu rächen. Ihr würdet Euch vergebens aufopfern, Euch, Eure Frauen und Eure Kinder, Eure Habe und Eure Freiheit. Legt die Waffen nieder, meine Freunde, legt die Waffen nieder, wie es Euch der König befiehlt, und zieht Euch friedlich in Eure Wohnungen zurück. Ich verlange es von Euch, ich bitte Euch darum, ich werde es Euch im Nothfall im Namen von Herrn Fouquet befehlen.«

Die unter dem Fenster zusammengeschaarte Menge ließ ein Geschrei des Zornes und des Schreckens hören.

»Die Soldaten von König Ludwig XlV. sind aus der Insel eingedrungen,« fuhr Aramis fort. »Es wäre nunmehr zwischen ihnen und Euch kein Kampf mehr, sondern eine Metzelei. Geht, geht und vergeßt, diesmal befehle ich es Euch im Namen des Herrn.«

Die Widerspenstigen zogen, sich nach diesen Worten langsam, aber unterwürfig und stumm zurück.

»Oh! was habt Ihr da gesagt, mein Freund?« rief Porthos.

»Mein Herr,« sprach Biscarrat, »Ihr rettet alle diese Einwohner, doch Ihr rettet weder Euren Freund, noch Euch.«

»Herr von Biscarrat,« erwiederte mit einem seltsam edlen und zugleich höflichen Ausdruck der Bischof von Vannes. »Herr von Biscarrat, habet die Gute, Eure Freiheit wieder zu nehmen.«

»Das will ich wohl, mein Herr, aber . . . «

»Aber das wird uns dienlich sein, denn indem Ihr dem Lieutenant des Königs die Unterwerfung der Inselbewohner ankündigt, erlangt Ihr vielleicht eine Gnade für uns, wenn Ihr ihn unterrichtet, aus welche Art diese Unterwerfung stattgefunden hat.«

»Gnade!« entgegnete Porthos mit flammenden Augen, »Gnade! was für ein Wort ist das?«

 

Aramis stieß seinen Freund mit dem Ellenbogen, wie er es in den schönen Tagen ihrer Jugend that, wenn er Porthos daraus aufmerksam machen wollte, er habe einen Fehler begangen, oder sei im Begriff, einen zu begehen.

Porthos verstand und schwieg sogleich.

»Ich werde gehen, meine Herren,« erwiederte Biscarrat, auch ein wenig erstaunt über das Wort Gnade, ausgesprochen von dem stolzen Musketier, dessen Heldenthaten, von denen ihm sein Vater mitgetheilt, er einige Augenblicke zuvor erzählt und mit so großer Begeisterung gerühmt hatte.

»Geht also, Herr von Biscarrat,« sprach Aramis den Officier grüßend, »und indem Ihr geht empfangt den Ausdruck unserer vollen Dankbarkeit.«

»Doch Ihr, meine Herren, Ihr, die ich meine Freunde zu nennen mir die Ehre gebe, die Ihr diesen Titel anzunehmen die Güte gehabt habt, was wird aus Euch mittlerweile werden?« sagte der Officier ganz bewegt, als er von den zwei ehemaligen Gegnern seines Vaters Abschied nahm.

»Wir, wir werden hier warten.«

»Mein Gott! der Befehl ist förmlich und bestimmt.«

»Ich bin Bischof von Vannes, Herr von Biscarrat, und man läßt eben so wenig einen Bischof über die Klinge springen, als man einen Edelmann henkt.«

»Oh! ja, Monseigneur,« sagte Biscarrat; »ja, es ist wahr, diese Chance ist noch für Euch vorhanden. Ich gehe also und begebe mich zu dem Commandanten der Expedition, dem Lieutenant des Königs. Gehabt Euch wohl, meine Herren, oder vielmehr aus Wiedersehen.«

Der würdige Officier schwang sich in der That auf ein Pferd, das ihm Aramis geben ließ und sprengte weg in der Richtung der Schüsse, die man gehört, und welche, die Menge in das Fort führend, das Gespräch der zwei Freunde mit ihrem Gefangenen unterbrochen hatten.

Aramis sah ihn wegeilen und sagte, als er mit Porthos allein war: «

»Nun! begreift Ihr?«

»Meiner Treue! nein.«

»War uns Biscarrat nicht hier lästig?«

»Nein, es ist ein wackerer Junge.«

»Ja, doch die Grotte von Locmaria, ist es nöthig, daß sie Jedermann kennt?«

»Oh! es ist wahr, es ist wahr, ich begreife. Wir entfliehen durch den unterirdischen Gang.«

»Wenn es Euch beliebt,« erwiederte freudig Aramis. »Vorwärts, Freund Porthos, unser Schiff erwartet uns und der König hat uns noch nicht in seiner Gewalt.«

XXI.
Die Grotte von Locmaria

Die Grotte von Locmaria war weit genug vom Hafendamm entfernt, daß die zwei Freunde ihre Kräfte schonen mußten, um dahin zu gelangen.

Ueberdies rückte die Nacht vor; es hatte zwölf Uhr im Fort geschlagen; Porthos und Aramis waren mit Waffen beladen.

Sie wanderten aus der Heide, welche den Hafendamm von der Grotte trennt, horchten aus jedes Geräusch und suchten alle Hinterhalte zu vermeiden.

Von Zeit zu Zeit erschienen aus der Straße, die sie sorgfältig zu ihrer Linken gelassen hatten, Flüchtlinge, welche durch die Nachricht vom Landen der königlichen Truppen aus ihren Häusern vertrieben worden waren.

Hinter Felsvorsprüngen verborgen, fingen Porthos und Aramis die Worte dieser armen Leute aus, die ganz zitternd und ihre kostbarsten Habseligkeiten mit sich schleppend flohen, und suchten, indem sie ihre Klagen anhörten, etwas für ihr Interesse daraus zu schließen.

Endlich, nach einem raschen, aber häufig durch kluge Stationen unterbrochenen Marsch, erreichten sie die tiefe Grotte, in welche der vorsichtige Bischof von Vannes auf Cylindern eine gute Barke, fähig, in dieser schönen Jahreszelt die See zu halten, rollen zu lassen bemüht gewesen war.

»Mein Freund,« sprach Porthos, nachdem er geräuschvoll geathmet hatte, »wir sind, wie mir scheint, an Ort und Stelle; doch ich glaube, Ihr habt von drei Männern, von drei Dienern gesprochen, die uns begleiten sollten. Ich sehe sie nicht; wo sind sie denn?«

»Warum solltet Ihr sie sehen, lieber Porthos?« erwiederte Aramis. «Sie erwarten uns sicherlich in der Höhle, und ruhen ohne allen Zweifel einen Augenblick aus, nachdem sie diese harte und schwierige Arbeit vollbracht haben.«

Aramis hielt Porthos zurück, der in die Grotte einzutreten sich anschickte.

»Wollt Ihr mir erlauben, vorauszugehen, mein Freund?« sagte er zum Riesen. »Ich kenne das Signal, das ich unseren Leuten gegeben habe, und diese wären, wenn sie es nicht hörten, im Stande, aus uns zu feuern oder uns ihr Messer in der Finsterniß zuzuschleudern.«

»Geht, lieber Aramis, geht voran, Ihr seid die Weisheit und Klugheit, geht. Die Müdigkeit, von der ich Euch gesagt habe, bemächtigt sich meiner auch abermals.«

Aramis ließ Porthos am Eingang der Grotte niedersitzen, bückte sich und trat den Schrei des Käuzchens nachahmend in das Innere der Höhle.

Ein kurzes klagendes Ruchsen, ein kaum vernehmbarer Rus antwortete in der Tiefe des Gewölbes.

Aramis schritt vorsichtig weiter, und bald wurde er durch denselben Rus, den er zuerst hatte vernehmen lassen, aufgehalten, und dieser Rus ertönte zehn Schritte von ihm.

»Seid Ihr da, Yves?« fragte der Bischof.

»Ja, Monseigneur, und Goennec ist auch da. Sein Sohn begleitet uns.«

»Gut. Sind alle Sachen bereit?«

»Ja, Monseigneur.«

»Geht ein wenig an den Eingang der Grotte, mein guter Yves, Ihr werdet dort den Edelherrn von Pierrefonds finden, der, müde vom Marsche, ausruht. Und kann er zufällig nicht gehen, so hebt ihn auf und tragt ihn hierher.«

Die drei Bretannier gehorchten. Doch der Auftrag von Aramis an seinen Diener war unnöthig. Wiedergestärkt, hatte Porthos schon hinabzusteigen begonnen, und sein gewichtiger Tritt erscholl unter den von Flintenstein – und Granitsäulen gebildeten und getragenen Höhlen.

Sobald der Gebieter von Bracieux den Bischof erreicht hatte, zündeten die Bretannier eine Laterne am, mit der sie sich versehen hatten, und Porthos versicherte seinen Freund, er fühle sich nunmehr stark wie gewöhnlich.

»Besichtigen wir die Barke und untersuchen wir vor Allem ihren Inhalt,« sagte Aramis.

»Kommt nicht mit dem Licht zu nahe daran« sagte der Patron Yves, »denn Eurem Austrage gemäß, Monseigneur, habe ich unter die Bank des Hintertheils, Ihr wißt, in den Koffer das Fäßchen Pulver und die Musketenpatronen gelegt, die Ihr mir vom Fort geschickt.«

»Gut,« erwiederte Aramis. Und er nahm selbst die Laterne und untersuchte ängstlich alle Theile der Barke mit der ganzen Vorsicht eines Mannes, der im Angesicht einer Gefahr weder furchtsam, noch unwissend ist.

Die Barke war lang, leicht, hatte einen geringen Tiefgang, einen schmalen Kiel, kurz sie gehörte zu denjenigen, welche man immer so gut in Belle-Isle gebaut hat, ein wenig hoch von Bord, solid aus dem Wasser, leicht zu handhaben, mit Brettern versehen, die in unsicheren Zeiten eine Art von Verdeck bilden, über dem die Wellen hingleiten, während es zugleich die Ruderer schützt.

In den zwei wohl verschlossenen Koffern, welche unter dem Vordertheil und unter dem Hintertheil standen, fand Aramis Brod, Zwieback, getrocknete Früchte, ein Viertel Speck, einen guten Vorrath an Wasser in Schläuchen, Alles hinreichende Rationen für Leute bildend, die sich, wenn es das Bedürfniß heische, sollten selbst verproviantiren können.

Die Waffen, acht Musketen und eben so viele Reiterpistolen, waren in gutem Zustand und sämmtlich geladen. Es fanden sich Ruder im Vorrath, sollte ein Unfall sich ereignen, und jenes kleine Segel genannt Trinquette, das den Gang des Fahrzeugs unterstützt, während die Ruder arbeiten, das so nützlich ist, wenn der Wind sich fühlbar macht, und das Schiff nie belastet.

Als Aramis alle diese Dinge in Augenschein genommen und sich mit dem Erfolg seiner Inspektion zufrieden gezeigt hatte, sagte er zu Porthos:

»Berathen wir uns, ob wir es versuchen müssen, die Barke durch das unbekannte Ende der Grotte, dem Abhange und dem Schatten der Höhle folgend, hinauszubringen, oder ob es besser ist, unter freiem Himmel sie auf Rollen durch das Heidekraut gleiten zu lassen, den Weg des kleinen steilen Users ebnend, das nur eine Höhe von zwanzig Fuß hat und an seinem Fuße drei bis vier Klaster gutes Wasser auf einem guten Grunde gibt.«

»Monseigneur,« erwiederte der Patron Yves ehrerbietig, »unmaßgeblich glaube ich nicht, daß aus dem Abhang der Höhle und in der Dunkelheit, in der wir unsere Barke zu manoeuvriren genöthigt sein werden, der Weg so bequem ist, als in freier Luft. Ich kenne das Gestade und kann Euch versichern, daß es glatt ist, wie der Rasen in einem Garten; das Innere der Grotte ist im Gegentheil holperig, abgesehen davon, Monseigneur, daß wir am Ende den nach dem Meere führenden schmalen Gang finden werden, wo vielleicht das Fahrzeug nicht durchpassiren kann.«

»Ich habe meine Berechnungen gemacht, und ich habe die Gewißheit, daß es durchkäme,« entgegnete Aramis.

»Gut, ich will es wohl glauben, Monseigneur,« versetzte der Patron; »doch Eure Herrlichkeit weiß wohl, daß man,um die Barke bis zum Ende des Ganges zu bringen. einen ungeheuren Stein ausheben muß, unter welchem der Fuchs immer durchschlüpft, und der den Gang wie eine Thüre schließt.«

»Man wird ihn ausheben,« sagte Porthos, »das ist nichts.«

»Oh! ich weiß, daß der gnädige Herr die Stärke von zehn Männern hat,« erwiederte der Patron; »nur ist das sehr unangenehm für den gnädigen Herrn.«

»Ich glaube, der Patron könnte Recht haben. Versuchen wir den offenen Himmel,« sagte Aramis.

»Um so mehr, Monseigneur,« fuhr der Fischer fort, »als wir uns nicht vor Tag einzuschiffen vermöchten, so viel Arbeit gibt es, und als, sobald der Tag anbricht, eine gute Schildwacht auf den oberen Theil der Grotte gestellt für uns nothwendig, unerläßlich sogar sein wird, um die Manoeuvres der Chalands und der Kreuzer zu beobachten, die auf uns lauern dürften.

»Ja, Yves, ja, Euer Grund ist gut, man wird den Weg über das Gestade einschlagen.«

Die drei kräftigen Bretannier legten die Walzen unter die Barke und waren im Begriff, sie in Bewegung zu setzen, als man fernes Bellen von Hunden auf dem Felde vernahm.

Aramis eilte aus der Grotte: Porthos folgte ihm.

Die Morgendämmerung färbte mit Purpur und Perlmutter die Wellen und die Ebene. In dem Halblicht sah man die kleinen schwermüthigen Tannen sich aus dem Gestein krümmen, und lange Schaaren von Raben streiften mit ihren schwarzen Flügeln die mageren Buchweizenfelder.

Noch eine Viertelstunde, und es wäre voller Tag, die erwachten Vögel verkündigten ihn freudig durch ihre Gesänge der ganzen Natur.

Das erwähnte Gebelle, das die drei Fischer in der Fortschaffung der Barke aufgehalten und Aramis und Porthos hinauszueilen veranlaßt hatte, verlängerte sich in einer tiefen Schlucht ungefähr eine Meile von der Grotte.

»Das ist eine Meute,« sagte Porthos; »die Hunde haben eine Spur zu verfolgen.«

»Was bedeutet das? Wer jagt in einem solchen Augenblick?« fragte Aramis.

»Und hier besonders,« fuhr Porthos fort, »hier, wo man die Ankunft der Königlichen befürchtet

»Der Lärmen kommt näher. Ja, Ihr habt Recht, Porthos, die Hunde sind aus einer Spur. He!« rief plötzlich Aramis, »Yves, Yves, kommt doch.«

Yves ließ den Cylinder, den er in der Hand hielt, um ihn unter die Barke zu legen, als der Ruf des Bischofs sein Geschäft unterbrach, fallen und lief herbei.

»Was für eine Jagd ist das, Patron?« fragte Porthos.

»Ei! gnädiger Herr,« erwiederte der Bretannier, »ich begreife es nicht. In einem solchen Augenblick würde der Edelherr von Locmaria nicht jagen. Nein, aber die Hunde . . . «

»Sind sie nicht etwa aus dem Hundestall entschlüpft . . . «

»Nein,« sagte Goennec, »das sind nicht die Hunde des Herrn von Locmaria.«

»Zur Vorsicht kehren wir in die Grotte zurück,« sprach Aramis; »die Stimmen kommen offenbar näher, und sogleich werden wir erfahren, woran wir uns zu halten haben.«

Sie kehrten zurück. Doch sie hatten nicht hundert Schritte in der Dunkelheit gemacht, als ein Geräusch ähnlich dem heiseren Seufzen eines erschrockenen Geschöpfes in der Höhle ertönte und, keuchend, behende, ein Fuchs wie ein Blitz an den Flüchtlingen vorüberschoß, über die Barke sprang und verschwand, seinen scharfen Geruch hinterlassend, der sich einige Sekunden unter dem niedrigen Gewölbe der Höhle erhielt.

»Der Fuchs!« riefen die Bretannier mit dem freudigen Erstaunen des Jägers.

»Verdammt!« rief der Bischof, »unser Zufluchtsort ist entdeckt.«

»Wie so?« fragte Porthos; »fürchten wir uns vor einem Fuchs?«

»Ei! mein Freund, was sagt Ihr denn, und was kümmert Ihr Euch um den Fuchs? Es handelt sich, bei Gott! nicht hierum. Aber wißt Ihr denn nicht, Porthos, daß nach dem Fuchs die Hunde, und nach den Hunden die Menschen kommen?«

Porthos neigte das Haupt.

Man hörte, wie zur Bestätigung der Worte von Aramis, die knurrende Meute mit einer furchtbaren Geschwindigkeit aus der Fährte des Fuchses herbeikommen.

 

Sechs Windhunde brachen gleichzeitig auf die kleine Haide herein, mit einem Geschrei, das der Fanfare eines Triumphes glich.

»Hier sind die Hunde,« sagte Aramis, der hinter einer zwischen zwei Felsen angebrachten Luke lauerte; »wer sind nun die Jäger?«

»Ist es der Herr von Locmaria,« erwiederte der Patron, »so wird er die Hunde die Grotte durchsuchen lassen, denn er kennt sie, und er wird nicht selbst eindringen; sicher, daß der Fuchs auf der andern Seite herauskommt, wird er ihn dort erwarten.«

»Es ist nicht der Herr von Locmaria, der hier jagt,« sagte der Bischof unwillkührlich erbleichend.

»Wer ist es denn?« fragte Porthos.

»Schaut.«

Porthos hielt sein Auge an die Luke und sah aus dem Gipfel des Hügels ein Dutzend Reiter, welche mit dem Rufe: Taiout! aus der Spur der Hunde galoppirten.

»Die Garden!« sprach er.

»Ja, mein Freund, die Garden des Königs.«

»Die Garden des Königs, Monseigneur, sagt Ihr?« riefen die Bretannier erbleichend.

»Und Biscarrat an ihrer Spitze auf einem Grauschimmel,« fügte Aramis bei.

In diesem Augenblick stürzten die Hunde wie eine Lauwine in die Grotte, und die Tiefen der Höhle füllten sich mit einem betäubenden Geschrei.

»Ah! Teufel!« sagte Aramis, der beim Anblick dieser sichern, unvermeidlichen Gefahr seine ganze Kaltblütigkeit wieder erlangte; »ich weiß wohl, daß wir verloren sind, doch es bleibt uns wenigstens eine Chance: bemerken die Garden, die den Hunden folgen, daß die Grotte einen Ausweg hat, so ist keine Hoffnung mehr, denn wenn sie hier hereinkommen, so entdecken sie die Barke und uns selbst. Die Hunde dürfen nicht aus der Höhle hinaus. Die Herren dürfen nicht herein.«

»Das ist richtig,« sprach Porthos

»Ihr begreift,« fügte der Bischof mit der raschen Pünktlichkeit eines Commandanten bei: »es sind da sechs Hunde, welche genöthigt sein werden, vor dem großen Stein anzuhalten, unter dem der Fuchs durchgeschlüpft ist, an dessen zu enger Oeffnung sie aber umgebracht werden.«

Die Bretannier eilten mit dem Messer in der Faust weg.

Nach einigen Minuten ein klägliches Concert von Gestöhne, von Todesschreien, dann nichts mehr.

»Gut,« sagte Aramis kalt. »Nun zu den Herren.«

»Was ist zu thun?« fragte Porthos.

»Ihre Ankunft abwarten, sich verbergen und tödten.«

»Tödten!« wiederholte Porthos.

»Sie sind zu sechzehn, wenigstens für den Augenblick.«

»Und wohlbewaffnet,« fügte Porthos mit einem Lächeln des Trostes bei.

»Das wird zehn Minuten dauern,« sagte Aramis. »Vorwärts!«

Und mit einer entschlossenen Miene ergriff er eine Muskete und schob sein Jagdmesser zwischen seine Zähne.

»Yves, Goennec, und sein Sohn werden uns die Waffen reichen,« fuhr Aramis fort. »Ihr, Porthos, gebt Feuer, sobald Einer in Eure Nähe kommt. Wir werden acht niedergestreckt haben, ehe es die Anderen vermuthen, das ist sicher; dann befördern wir alle miteinander, wir sind zu fünf, die acht Letzten mit dem Messer in der Hand.«

»Und der arme Bisearrat?« fragte Porthos.

Aramis überlegte einen Augenblick.

»Biscarrat zuerst,« erwiederte er kalt. »Er kennt uns.«