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Der Graf von Bragelonne

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Der Officier bekreuzte sich und schritt weiter.

Porthos und Aramis, die ihren d’Artagnan kannten, stießen einen Schrei aus und stürzten vor, um den Streich auszuhalten, den sie schon zu hören glaubten.

Doch d’Artagnan nahm den Degen in die andere Hand und sagte mit bewegter Stimme zu dem Officier:

»Mein Herr, Ihr seid ein wackerer Mann. Ihr müßt das, was ich Euch nun sagen werde, besser verstehen, als das, was ich so eben gesagt habe.«

»Sprecht, Herr d’Artagnan, sprecht,« erwiederte der brave Officier.

»Diese Herren, die wir besuchen wollen und gegen die Ihr Befehle habt, sind meine Freunde.«

»Ich weiß es.«

»Ihr begreift, ob ich gegen sie handeln kann, wie Eure Instructionen es vorschreiben.«

»Ich begreife Euer ausnahmsweises Benehmen.«

»Nun wohl, so erlaubt mir, ohne Zeugen mit ihnen zu reden.«

»Herr d’Artagnan, wenn ich Eurem Verlangen nachgeben würde, wenn ich thäte, was Ihr von mir erbittet, so würde ich mein Wort brechen; wenn ich es aber nicht thue, so handle ich unfreundlich gegen Euch: das Eine ist mir lieber, als das Andere; redet mit Euren Freunden und verachtet mich nicht, mein Herr, daß ich aus Liebe für Euch, für Euch allein, den ich schätze und ehre, eine schändliche Handlung begehe.«

Tief bewegt, schlang d’Artagnan rasch seinen Arm um den Hals des jungen Mannes und ging dann zu seinen Freunden hinaus.

In seinen Mantel gehüllt, setzte sich der Officier auf die mit feuchtem Seegras bedeckten Stufen.

»Nun!« sagte d’Artagnan zu seinen Freunden, »das ist die Lage der Dinge; urtheilt.«

Sie umarmten sich alle drei. Alle drei hielten sich umschlungen wie in den schönen Tagen der Jugend

»Was bedeuten alle diese strengen Maßregeln?« fragte Porthos.

»Ihr müßt etwas muthmaßen, theurer Freund,« erwiederte d’Artagnan.

»Nicht genau, das versichere ich Euch, mein lieber Kapitän, denn ich habe nichts gethan, und Aramis auch nicht,« fügte der vortreffliche Mann rasch bei.

D’Artagnan schleuderte dem Prälaten einen Blick des Vorwurfs zu, der dieses verhärtete Herz durchdrang.

»Theurer Porthos!« rief der Bischof von Vannes.

»Ihr seht, was man gethan hat,« sagte d’Artagnan. »Auffangung von Allem, was von Belle-Isle kommt, von Allem, was sich dahin begibt. Alle Eure Schiffe sind mit Beschlag belegt worden. Hättet Ihr es versucht, zu entfliehen, so wäret Ihr in die Hände der Kreuzer gefallen, die das Meer durchfurchen und auf Euch lauern; der König ist über Euch ausgebracht und wird Euch festnehmen,« fügte der Kapitän der Musketiere bei.

Und er riß sich wüthend einige Haare aus seinem grauen Schnurrbart.

Aramis wurde düster und Porthos zornig.

»Vernehmt nun, was mein Gedanke war,« fuhr d’Artagnan fort. »Ich wollte Euch Beide an Bord meines Schiffes kommen lassen, bei mir behalten und dann frei geben. Aber wer sagt mir jetzt, ob ich, wenn ich aus mein Schiff zurückkehre, nicht einen Höheren treffe, ob ich nicht geheime Befehle finde, die mir mein Commando entziehen, um es einem Andern zu geben, und über mich und über Euch ohne irgend eine Hoffnung aus Hilfe verfügen?«

»Wir müssen in Belle-Isle bleiben,« sprach Aramis entschlossen, »und ich stehe Euch dafür, daß ich mich nur mit gutem Vorbedacht ergebe.«

Porthos sagte nichts, d’Artagnan bemerkte das Stillschweigen seines Freunde?.

»Ich muß es noch einmal mit diesem Officier, mit diesem Braven versuchen, dessen redlicher und muthiger Widerstand mich sehr glücklich macht, denn er offenbart einen wackern Mann, der, wiewohl unser Feind, tausendmal mehr werth ist, als ein feiger Gefälliger. Versuchen wir es mit ihm und erfahren wir, was er zu thun befugt ist, was sein Befehl ihm erlaubt oder verbietet.«

»Versuchen wir es,« sagte Aramis.

D’Artagnan trat an die Brüstung, neigte sich über die Stufen des Hasendamms und rief dem Officier, der sogleich herausstieg.

»Mein Herr,« sagte d’Artagnan zu ihm, nach dem Austausch der herzlichsten Höflichkeiten, wie sie natürlich sind unter Edelleuten, die sich kennen und würdig schätzen, »mein Herr, wenn ich diese Herren von hier mitnehmen wollte, was würdet Ihr thun?«

»Ich würde mich nicht widersetzen; doch da ich einen unmittelbaren, förmlichen Befehl habe, sie unter meine Bewachung zu nehmen, so würde ich sie bewachen.«

»Ah!« machte d’Artagnan.

»Es ist vorbei,« sprach Aramis mit dumpfem Tone.

Porthos rührte sich nicht.

»Nehmt immerhin Porthos mit!« sagte der Bischof von Vannes; »er wird im Stande sein, und ich werde ihn dabei unterstützen, und Ihr auch, Herr d’Artagnan, dem König zu beweisen, daß er bei dieser Angelegenheit schuldlos ist.«

»Hm!« versetzte d’Artagnan, »wollt Ihr mitkommen? wollt Ihr mir folgen, Porthos? Der König ist gnädig.«

»Ich wünsche zu überlegen,« sprach Porthos hochherzig.

»Ihr bleibt also hier?«

»Bis auf neuen Befehl!« rief Aramis lebhaft.

»Bis wir einen Gedanken gehabt haben,« sagte d’Artagnan, »und ich glaube, das wird nicht lange dauern, denn ich habe schon einen.«

»So wollen wir uns Lebewohl sagen!« sprach Aramis. »Doch wahrhaftig, lieber Porthos, Ihr müßtet weggehen.«

»Nein,« erwiederte dieser laconisch.

»Wie es Euch beliebt,« sagte Aramis, ein wenig verletzt in seiner nervösen Empfindlichkeit durch den grämlichen Ton seines Gefährten. »Ich fühle mich durch das Versprechen einer Idee von d’Artagnan beruhigt, die ich, glaube ich, errathen habe.«

»Laßt hören,« sagte der Musketier, indem er sein Ohr an den Mund von Aramis hielt.

Dieser sagte dem Kapitän rasch mehrere Worte, auf welche d’Artagnan erwiederte:

»Ganz richtig.«

»Unfehlbar also!« rief Aramis.

»Während der ersten Aufregung, die dieser Entschluß verursachen wird, trefft Eure Anordnungen, Aramis.«

»Oh! seid unbesorgt.«

»Mein Herr,« sprach d’Artagnan zu dem Officier, »tausendmal Dank. Ihr habt Euch drei Freunde auf Leben und Tod gemacht.«

»Ja,« fügte Aramis bei.

Porthos allein sagte nichts und billigte nur mit dem Kopf.

D’Artagnan, nachdem er seine zwei alten Freunde zärtlich umarmt hatte, verließ Belle-Isle mit dem unzertrennlichen Gefährten, den ihm Herr Colbert gegeben.

Abgesehen von einer Art von Erklärung, mit der der würdige Porthos sich zu begnügen so gut gewesen war, hatte sich scheinbar nichts an dem Schicksal der Einen oder der Andern geändert.

»Nur ist die Idee von d’Artagnan da,« sagte Aramis.

D’Artagnan kehrte nicht nach seinem Schiffe zurück, ohne die Idee, die er entdeckt, tief auszugraben.

Man weiß aber, wenn d’Artagnan grub, so brach er bis zum Lichte durch.

Der Officier war wieder stumm geworden und ließ ihm ehrerbietig Muße, nachzudenken.

Als d’Artagnan den Fuß auf sein einen Kanonenschuß weit von Belle-Isle liegendes Schiff setzte, hatte er auch schon alle seine Angriffs- und Vertheidigungsmittel vereinigt.

Er versammelte sogleich seinen Rath.

Dieser Rath bestand aus den Officieren, die unter seinen Befehlen dienten.

Es waren ihrer acht:

Ein Ches der Seemacht,

Ein Major, der die Artillerie leitete,

Ein Ingenieur,

Der uns bekannte Officier,

Und vier Lieutenants.

Als sie d’Artagnan im Zimmer des Hintertheils versammelt hatte, stand er auf, nahm seinen Hut ab und begann mit folgenden Worten:

»Meine Herren, ich habe Belle-Isle-en-Mer recognoscirt und dort eine gute und solide Garnison, so wie auch Anstalten zu einer Vertheidigung gefunden, welche beschwerlich werden kann. Es ist daher meine Absicht, zwei von den bedeutendsten Officieren des Platzes kommen zu lassen, daß wir mit ihnen sprechen. Haben wir sie von ihren Kanonen und ihren Truppen getrennt, so werden wir leichter mit ihnen übereinkommen, besonders wenn wir ihnen gute Beweisgrunde geben. Ist das Eure Ansicht?«

Der Major der Artillerie erhob sich und sprach ehrerbietig, aber mit Festigkeit;

»Herr Kapitän, ich habe Euch sagen hören, der Platz schicke sich zu einer beschwerlichen Vertheidigung an. Der Platz ist also, so viel Ihr wißt, zur Rebellion entschlossen?«

D’Artagnan war sichtbar ärgerlich über diese Antwort, aber er war nicht der Mann, der sich durch so wenig niederschlagen ließ, und fuhr fort:

»Mein Herr, Eure Antwort ist richtig. Doch es ist Euch nicht unbekannt, daß Belle-Isle-en-Mer ein Lehn von Herrn Fouquet ist, und die früheren Könige haben den Herren von Belle-Isle das Recht gegeben, sich aus ihrem Boden zu rüsten und die Waffen zu ergreifen.«

Der Major machte eine Bewegung.

»Oh! unterbrecht mich nicht,« sprach d’Artagnan. »Ihr wollt mir sagen, das Recht, sich gegen die Engländer zu waffnen, sei nicht das Recht, sich gegen den König zu waffnen. Doch ich denke, es ist in diesem Augenblick nicht Herr Fouquet, der Belle-Isle inne hat, da ich Herrn Fouquet vorgestern verhaftet habe. Die Bewohner und Vertheidiger von Belle-Isle wissen nur nichts von dieser Verhaftung. Ihr würdet ihnen dieselbe vergebens verkündigen. Es ist eine so unerhörte, so außerordentliche, so unerwartete Sache, daß sie Euch nicht glauben würden. Ein Bretannier dient seinem Herrn, und nicht seinen Herren, bis er ihn todt gesehen hat. Die Bretannier haben aber, so viel ich weiß, den Leichnam von Herrn Fouquet nicht gesehen. Man darf sich also nicht darüber wundern, daß sie sich Allem entgegenstemmen, was nicht Herr Fouquet oder seine Unterschrift ist.«

Der Major verbeugte sich zum Zeichen der Beistimmung.

»Darum,« fuhr d’Artagnan fort, »darum ist es mein Vorsatz, zwei von den obersten Officieren der Garnison auf mein Schiff kommen zu lassen. Sie werden Euch sehen, meine Herren, sie werden die Streitkräfte sehen, über die wir verfügen, sie werden folglich erfahren, woran sie sich in Beziehung aus das Schicksal, das ihrer im Falle der Rebellion harrt, zu halten haben. Wir werden ihnen bei unserer Ehre die Versicherung geben, daß Herr Fouquet Gefangener ist, und daß jeder Widerstand ihm nur nachtheilig sein würde. Wir werden ihnen sagen, daß sie, wenn sie auch nur eine Kanone abgefeuert, keine Gnade vom König mehr zu erwarten haben. Dann, ich hoffe es wenigstens, werden sie keinen Widerstand leisten. Sie werden sich ohne Kampf ergeben, und wir werden aus gütlichem Wege einen Platz bekommen, dessen Eroberung uns viel kosten könnte.«

 

Der Officier, der d’Artagnan nach Belle-Isle begleitet hatte, schickte sich an, zu sprechen, aber d’Artagnan unterbrach ihn:

»Ja, ich weiß, was Ihr mir sagen wollt, mein Herr; ja, ich weiß, daß ein Befehl vom König vorhanden ist, der jeden geheimen Verkehr mit den Vertheidigern von Belle-Isle verbietet, und darum mache ich mich anheischig, mit ihnen nur in Gegenwart meines ganzen Generalstabs zu verkehren,« sprach d’Artagnan.

Und er machte seinen Officieren ein Zeichen mit dem Kopf, mit dem er dieser Herablassung Ansehen zu geben bezweckte.

Die Officiere schauten sich gegenseitig an, als wollten sie einander ihre Meinung in den Augen lesen, mit der Absicht offenbar, wenn sie sich in Einklang gesetzt hätten, dem Wunsche von d’Artagnan gemäß zu handeln. Und schon sah dieser zu seiner Freude, der Erfolg ihrer Beistimmung würde die Absenkung einer Barke an Porthos und Aramis sein, als der Officier des Königs aus seiner Brust ein versiegeltes Schreiben zog, das er d’Artagnan übergab.

Dieses Schreiben hatte als Aufschrift die Nummer 2.

»Was ist das wieder?« murmelte der Kapitän erstaunt.

»Leset, mein Herr!« sprach der Officier, indem er sich mit einer Höflichkeit verbeugte, welche nicht ganz frei von Traurigkeit war.

D’Artagnan entfaltete das Papier mit Mißtrauen und las folgende Worte:

»Verbot für Herrn d’Artagnan, irgend einen Rath zu versammeln oder auf irgend eine Art zu deliberiren, ehe Belle-Isle übergeben ist und die Gefangenen über die Klinge gesprungen sind.

»Unterz. Ludwig.«

D’Artagnan unterdrückte die Bewegung der Ungeduld, die seinen ganzen Körper durchlief, und sagte mit einem freundlichen Lächeln:

»Es ist gut, mein Herr, man wird sich nach den Befehlen des Königs richten.«

XVIII.
Fortsetzung der Ideen der Königs und der Ideen von d’Artagnan

Der Schlag war unmittelbar, er war hart, tödtlich. Wüthend, daß ihm eine Idee des Königs zuvorgekommen, verzweifelte d’Artagnan jedoch nicht, und an die Idee denkend, die er auch von Belle-Isle mitgebracht, prophezeite er ein neues Mittel der Rettung für seine Freunde.

»Meine Herren,« sprach er plötzlich, »da der König einen Andern, als mich, mit seinen geheimen Befehlen beauftragt hat, so besitze ich sein Vertrauen nicht mehr, und ich wäre in der That unwürdig, wenn ich den Muth hätte, ein Commando zu behalten, das so vielem beleidigenden Verdacht unterworfen ist. Ich werde also sogleich dem König meine Entlassung einreichen. Ich nehme sie vor Euch Allen und fordere Euch auf, mit mir nach der Küste von Frankreich zurückzukehren, um in keiner Hinsicht die Streitkräfte zu gefährden, die mir der König anvertraut hat. Begebt Euch daher Alle wieder aus Euren Posten und befehlt die Umkehr; in einer Stunde haben wir Fluth. An Eure Posten, meine Herren! Ich denke,« fügte er bei, da er sah, daß Alle gehorchten, den überwachenden Officier ausgenommen, »ich denke, Ihr werdet diesmal keinen Befehl entgegenzuhalten haben.«

Als er diese Worte sprach, triumphirte d’Artagnan beinahe. Dieser Plan war die Rettung seiner Freunde. War die Blockirung ausgehoben, so konnten sie sich sogleich einschiffen und ohne Furcht, beunruhigt zu werden, nach England oder nach Spanien unter Segel gehen. Während sie flohen, kam d’Artagnan zum König, rechtfertigte seine Rückkehr durch die Entrüstung, welche das Mißtrauen von Colbert bei ihm erregt hatte, und er nahm Belle-Isle, das heißt, den Käsig, ohne die entflogenen Vögel zu nehmen.

Doch diesem Plan setzte der Officier einen andern Befehl des Königs entgegen; er war also abgefaßt:

»Sobald Herr d’Artagnan den Wunsch kundgibt, seine Entlassung zu nehmen, wird er nicht mehr als Anführer der Expedition zählen, und jeder unter seine Befehle gestellte Officier ist gehalten, ihm nicht mehr zu gehorchen. Mehr noch, hat Herr d’Artagnan seine Eigenschaft als Chef des gegen Belle-Isle abgesandten Heeres verloren, so muß er unmittelbar nach Frankreich abreisen, in Begleitung des Officiers, der ihm diese Botschaft übergeben haben und ihn als einen Gefangenen, für den er haftet, betrachten wird.«

D’Artagnan erbleichte, er, der so muthig und so sorglos. Alles war mit einer Tiefe berechnet worden, die ihn zum ersten Mal seit dreißig Jahren an die solide Vorsicht und an die unbeugsame Logik des großen Cardinals erinnerte.

Er stützte seinen Kopf träumerisch, kaum athmend auf seine Hände.

»Wenn ich diesen Befehl in meine Tasche steckte, dachte er, »wer wüßte es oder wer würde mich daran verhindern? Ehe der König unterrichtet wäre, hätte ich die armen Leute dort gerettet. Keckheit also! Mein Kopf ist keiner von denjenigen, welche ein Henker wegen Ungehorsams fallen macht! Wir wollen daher ungehorsam sein.«

Doch in dem Augenblick, wo er diesen Entschluß faßte, sah er die Officiere um ihn her ähnliche Befehle lesen, welche der höllische Agent des Geistes von Colbert unter ihnen ausgetheilt hatte.

Es war der Fall des Ungehorsams vorhergesehen, wie die andern Fälle.

»Mein Herr,« sagte der Officier zu ihm, »ich erwarte Euer Belieben, um abzugehen.«

»Ich bin bereit, mein Herr,« erwiederte der Kapitän, mit den Zähnen knirschend.

Der Officier ließ sogleich ein Boot herbeischaffen, das d’Artagnan aufnehmen sollte.

Er wäre vor Wuth beinahe wahnsinnig geworden bei diesem Anblick.

»Wie wird man es machen, um die verschiedenen Corps zu leiten?« stammelte er.

»Nach Eurem Abgang, mein Herr, bin ich es, dem der König seine Flotte anvertraut,« antwortete der Commandant der Schiffe.

»Mein Herr,« sagte der Mann von Colbert, »dann ist für Euch dieser letzte Befehl, der mir übergeben worden ist. Laßt Eure Vollmachten sehen.«

»Hier sind sie,« erwiederte der Seemann, eine königliche Unterschrift vorweisend.

»Hier habt Ihr Eure Instructionen,« sagte der Officier, indem er ihm das Schreiben übergab. Dann wandte er sich an d’Artagnan und sprach mit bewegter Stimme, so viel Verzweiflung sah er bei diesem Eisenmann:

»Brechen wir auf, mein Herr, habt die Güte, mit mir abzugehen.«

»Sogleich,« artikulirte schwach der Kapitän, besiegt, niedergeschmettert durch die unbeugsame Unmöglichkeit.

Und er ließ sich in das kleine Fahrzeug hinabgleiten, das mit einem günstigen Wind und geführt von der steigenden Fluth nach Frankreich segelte. Die Garden des Königs hatten sich mit ihm eingeschifft.

Der Musketier hegte indessen immer noch die Hoffnung, rasch genug nach Nantes zu kommen und beredt genug die Sache seiner Freunde zu vertheidigen, um den König zu erweichen.

Die Barke flog wie eine Schwalbe. D’Artagnan sah deutlich den Boden Frankreichs schwarz sich von den weißen Wolken der Nacht abheben.

»Ah! mein Herr,« sagte er leise zu dem Officier, mit dem er seit einer Stunde nichts sprach, »wie viel gäbe ich, wenn ich die Instructionen des neuen Commandanten kennete. Nicht wahr, sie sind ganz friedlich? und . . . «

Er vollendete nicht; ein ferner Kanonenschuß donnerte auf der Oberfläche der Wellen, dann ein anderer, und zwei bis drei stärkere. D’Artagnan schauerte.

»Das Feuer gegen Belle-Isle ist eröffnet.« antwortete der Officier.

Die Barke berührte die Erde Frankreichs.

XIX.
Die Ahnen von Porthos

Als d’Artagnan Aramis und Porthos verlassen hatte, kehrten diese in das Hauptfort zurück, um sich mit mehr Freiheit zu besprechen.

Immer besorgt, beengte Porthos den Bischof von Vannes, dessen Geist nie freier gewesen war.

»Lieber Porthos,« sagte dieser plötzlich, »ich will Euch die Idee von d’Artagnan erklären.«

»Welche Idee?«

»Eine Idee, der wir, ehe zwölf Stunden vergehen, unsere Freiheit zu verdanken haben werden.«

»Ah! wahrhaftig!« rief Porthos erstaunt. »Laßt hören.«

»Ihr habt aus der Scene, die unser Freund mit dem Officier gehabt, entnommen, daß ihn gewisse Befehle in Beziehung auf uns behindern.«

»Ich habe es bemerkt.«

»Nun wohl, d’Artagnan wird seine Entlassung beim König nehmen, und während der Verwirrung, die aus seiner Abwesenheit entspringen muß, ergreifen wir die Flucht, oder vielmehr ergreift Ihr die Flucht, Ihr, Porthos, wenn die Möglichkeit hierzu nur Einem gegeben ist.«

Porthos schüttelte hier den Kopf und erwiederte: »Wir fliehen mit einander oder wir bleiben mit einander.«

»Ihr seid ein edles Herz,« sprach Aramis, »nur betrübt mich Eure düstere Unruhe.«

»Ich bin nicht unruhig.«

»Dann seid Ihr mir böse?«

»Ich bin Euch nicht böse.«

»Warum dann diese finstere Miene, mein Freund?«

»Ich will es Euch sagen: ich mache mein Testament.«

So sprechend schaute der gute Porthos Aramis traurig an.

»Euer Testament!« rief der Bischof; »geht doch! Ihr haltet Euch für verloren?«

»Ich fühle mich ermüdet. Das ist das erste Mal . . . und dann gibt es in meiner Familie eine Gewohnheit.«

»Welche, mein Freund?«

»Mein Großvater war ein Mann, der zweimal so stark als ich.«

»Ho! hol Euer Großvater war also ein Simson?«

»Nein, er hieß Antoine. Nun denn! er war in meinem Alter, als er eines Tages, da er aus die Jagd abgehen wollte, seine Beine schwach fühlte, er, der dieses Uebel nie gekannt hatte.«

»Was bedeutete diese Schwäche, mein Freund?«

»Nichts Gutes, wie Ihr sehen werdet; denn als er, beständig über seine matten Beine klagend, abgegangen war, traf er einen Keiler, der ihm Stand hielt, er schoß mit seiner Büchse, fehlte das Thier, wurde aufgeschlitzt und starb auf der Stelle.«

»Das ist kein Grund der Beunruhigung für Euch, Porthos.«

»Oh! Ihr werdet sehen. Mein Vater war noch einmal so stark, als ich. Er war ein rauher Soldat von Heinrich III. und Heinrich IV., er hieß nicht Antoine, sondern Gaspard, wie Herr von Coligny. Immer zu Pferde, hatte er nie gewußt, was Müdigkeit ist. Eines Tags, als er vom Tische ausstand, versagten ihm seine Beine den Dienst.«

»Er hatte vielleicht gut zu Nacht gespeist, und darum wankte er.«

»Bah! ein Freund von Herrn Bassompierre, geht doch! Nein, sage ich Euch; er wunderte sich über diese Müdigkeit und sagte zu meiner Mutter, die ihn verspottete: »»Sollte man nicht glauben, ich werde einen Keiler sehen, wie der selige Herr du Vallon, mein Vater?««

»Nun?«

»Nun! dieser Schwäche trotzend, wollte mein Vater in den Garten hinabgehen, statt zu Bette zu gehen; sein Fuß bog sich schon aus der ersten Stufe; die Treppe war steil, mein Vater fiel an eine steinerne Ecke, in der eine Angel befestigt war. Die Angel öffnete ihm den Schlaf, und er blieb todt aus dem Platz.«

Aramis schlug die Augen zu seinem Freunde aus und sprach:

»Das sind zwei außerordentliche Vorkommenheiten; schließen wir daraus nicht, es könnte sich ein dritter Fall dieser Art ereignen. Für einen Mann von Eurer Stärke, mein braver Porthos, geziemt es sich nicht, abergläubisch zu sein . . . überdies, wo sieht man Eure Beine sich biegen? Nie seid Ihr so stark und herrlich gewesen; Ihr würdet ein Haus aus Euern Schultern tragen.«

»In diesem Augenblick fühle ich mich sehr wohl; doch vorhin erst wankte ich, sank ich zusammen, und diese Erscheinung, wie Ihr es nennt, hat sich seit Kurzem viermal gezeigt. Ich sage Euch nicht, daß mir das bange machte, aber es ärgerte mich; das Leben ist eine angenehme Sache. Ich habe Geld; ich habe schöne Güter; ich habe Pferde; ich habe auch Freunde, die ich liebe: d’Artagnan, Athos, Raoul und Euch.«

Der bewunderungswürdige Porthos nahm sich nicht einmal die Mühe, Aramis den Rang zu verbergen, den er ihm in seinen Freundschaften gab.

Aramis drückte ihm die Hand und erwiederte:

»Wir werden noch viele Jahre leben, um der Welt Muster von seltenen Menschen zu bewahren. Traut mir, theurer Freund, wir haben keine Antwort von d’Artagnan, das ist ein gutes Zeichen; er muß Befehle gegeben haben, die Flotte zusammenzuziehen und das Meer zu entblößen. Ich habe befohlen, eine Barke auf Walzen bis zu dem Ausgang des großen unterirdischen Gewölbes am Locmaria zu rollen, Ihr wißt, wo wir so oft auf Füchse aus dem Anstand gewesen sind.«

»Ja, das Gewölbe, das nach einer kleinen Bucht durch einen schmalen Gang ausmündet, den wir an dem Tage entdeckten, wo der herrliche Fuchs dort herauskam.«

 

»Ganz richtig. Für den Fall eines Unglücks wird man uns eine Barke in diesem Gewölbe verbergen; sie muß schon dort sein. Wir warten den günstigen Augenblick ab, und bei Nacht in See!«

»Das ist ein guter Gedanke! Was gewinnen wir dabei?«

»Wir gewinnen dabei, daß Niemand diese Grotte, oder vielmehr ihren Ausgang kennt, außer uns Beiden und ein paar Jägern der Insel; wir gewinnen dabei, daß, wenn die Insel besetzt ist, die Streifer, da sie keine Barke am Ufer sehen, nicht vermuthen werden, man könnte entkommen, und dann werden sie zu bewachen aufhören.«

»Ich begreife.«

»Nun! die Beine?«

»Oh! vortrefflich in diesem Augenblick.«

»Ihr seht wohl, Alles wirkt zusammen, um uns Ruhe und Hoffnung zu geben. D’Artagnan räumt das Meer und macht uns frei. Weder eine königliche Flotte, noch eine Landung mehr zu befürchten. Gott sei gelobt! Porthos, wir haben noch ein halbes Jahrhundert an guten Abenteuern, und wenn ich den Boden Spaniens berühre, so schwöre ich Euch,« fügte der Bischof mit einer furchtbaren Energie bei, »ich schwöre Euch, daß Euer Herzogsdiplom nicht so sehr gefährdet ist, als man behaupten wollte.«

»Hoffen wir,« sprach Porthos, wieder ein wenig erheitert durch diese neue Wärme seines Gefährten.

Plötzlich vernahm man den Rus:

»Zu den Waffen!«

Von hundert Stimmen wiederholt, drang dieser Rus in die Stube, in der sich die beiden Freunde aushielten, und erregte Staunen bei dem Einen, Unruhe bei dem Andern.

Aramis öffnete das Fenster; er sah eine Menge von Leuten mit Fackeln lausen. Die Frauen flüchteten sich; die Bewaffneten nahmen ihre Posten ein.

»Die Flotte! die Flotte!« rief ein Soldat, der Aramis erkannte.

»Die Flotte!« wiederholte dieser.

»Auf einen halben Kanonenschuß,« fügte der Soldat bei.

»Zu den Waffen!« rief Aramis.

»Zu den Waffen!« wiederholte Porthos mit furchtbarer Stimme.

Und Beide eilten nach dem Hafendamm, um sich hinter den Batterien in Schutz zu stellen.

Man sah mit Soldaten beladene Schaluppen herbeikommen; sie nahmen drei Richtungen, um an drei Punkten zu gleicher Zeit zu landen.

»Was ist zu thun?« fragte ein Officier von der Wache.

»Haltet sie auf, und wenn sie vordringen, Feuer!« antwortete Aramis.

Fünf Minuten nachher begann das Kanonenfeuer.

Das waren die Schüsse, welche d’Artagnan, als er in Frankreich landete, gehört hatte.

Doch die Schaluppen waren zu nahe beim Hafendamm, als daß die Kanonen hätten richtig schießen können; sie landeten; der Kampf begann beinahe Leib an Leib.

»Was habt Ihr, Porthos?« sagte Aramis zu seinem Freund.

»Nichts . . . die Beine . . . es ist wahrhaftig unbegreiflich . . . sie erholen sich beim Angriff.«

Porthos und Aramis griffen in der That so kräftig an, sie belebten ihre Leute so gut, daß die Königlichen sich hastig wieder einschifften, ohne etwas Anderes gehabt zu haben, als Verwundete, die sie mit sich fortschleppten.

»Ei! Porthos,« rief Aramis, »wir müssen einen Gefangenen haben; geschwinde, geschwinde.«

Porthos beugte sich auf der Treppe des Hafendamms hinab und packte beim Genick einen von den Officieren des königlichen Heeres, welcher, um sich einzuschiffen, wartete, bis alle seine Leute in der Schaluppe wären. Der Arm des Riesen hob diese Beute auf, die ihm als Schild diente, um wieder hinaufzusteigen, ohne daß aus ihn gefeuert wurde.

»Da ist ein Gefangener,« sagte Porthos zu Aramis,

»Ah! gut!« rief dieser lachend, »verleumdet doch Eure Beine.«

»Ich habe ihn nicht mit meinen Beinen festgenommen, sondern mit meinem Arm,« erwiederte traurig der Riese.