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Der Graf von Bragelonne

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Fouquet stieg die Böschung des Flusses hinab, schöpfte Wasser in seinem Hute, erfrischte die Schläfe des Musketiers und flößte ihm ein paar kühle Tropfen zwischen die Lippen.

D’Artagnan erhob sich und suchte mit irrem Auge umher.

Er sah Fouquet niedergekniet, seinen nassen Hut in der Hand, und lächelte mit einer unausprechlichen Milde.

»Ihr seid nicht entflohen!« rief er. »Oh! mein Herr, der wahre König durch die Redlichkeit, durch das Herz, durch die Seele, ist nicht Ludwig vom Louvre, nicht Philipp von Sainte-Marguerite, Ihr seid es, der Geächtete, der Verurtheilte!«

»Ich, der ich heute nur durch einen einzigen Fehler verloren bin, Herr d’Artagnan.«

»Mein Gott! durch welchen?«

»Ich hätte Euch zum Freunde haben müssen. Doch wie machen wir es, um nach Nantes zurückzukehren! Wir sind sehr weit davon entfernt.«

»Das ist wahr,« erwiederte d’Artagnan nachdenkend und düster.

»Der Schimmel wird sich vielleicht erholen; es ist ein so gutes Pferd. Besteigt es, Herr d’Artagnan; ich werde zu Fuß gehen, bis Ihr ausgeruht habt.«

»Armes Thier! verwundet!« sagte der Musketier.

»Es wird noch gehen, sage ich Euch; ich kenne es; thun wir etwas Besseres, besteigen wir es Beide.«

»Versuchen wir es.«

Doch sie hatten nicht sobald dem Thier die doppelte Last aufgeladen, als es wankte, dann sich wieder zusammenraffte und einige Minuten ging, dann abermals wankte und neben dem Rappen, den es erreicht, niederstürzte.

»Wir werden zu Fuß gehen, das Schicksal will es, der Spaziergang wird herrlich sein,« sagte Fouquet, während er seinen Arm unter dem von d’Artagnan durchschlang.

»Mordioux!« rief dieser, das Auge stier, die Stirne >gefaltet, das Herz angeschwollen. »ein abscheulicher Tag!«

Sie machten langsam die vier Meilen, welche sie von dem Gehölze trennten, hinter dem sie der Wagen mit einem Geleite erwartete.

Als Fouquet diese unheimliche Maschine erblickte, sagte er zu d’Artagnan, der die Augen niederschlug, als schämte er sich für Ludwig XIV.:

»Das ist ein Gedanke, der nicht von einem braven Mann herrührt, Kapitän d’Artagnan, er ist nicht von Euch. Warum diese Gitter?«

»Um Euch zu verhindern, Billets hinauszuwerfen.«

»Sinnreich!«

»Doch Ihr könnt sprechen, wenn Ihr nicht schreiben könnt.«

»Mit Euch sprechen?«

»Wenn Ihr wollt . . . «

Fouquet träumte einen Augenblick, schaute dann dem Kapitän ins Gesicht und fragte:

»Ein einiges Wort . . . werdet Ihr es behalten?«

»Ich werde es behalten.«

»Werdet Ihr es sagen, wem ich will?«

»Ich werde es sagen.«

»Saint-Mandé«

»Gut! Für wen?«

»Für Frau von Bellière oder Pelisson.«

»Abgemacht!«

Der Wagen fuhr durch Nantes und schlug den Weg nach Angers ein.

XV.
Worin das Eichhörnchen fällt, worin die Natter flieht

Es war zwei Uhr Nachmittags. Der König ging voll Ungeduld von seinem Cabinet auf die Terrasse und öffnete zuweilen die Thüre der Flur, um zu sehen, was seine Geheimschreiber machten.

Herr Colbert saß an demselben Platz, wo Herr von Saint-Aignan am Morgen so lange geblieben war, und sprach leise mit Herrn von Brienne.

Der König öffnete ungestüm die Thüre und fragte Beide:

»Was sagt Ihr?«

»Wir reden von der ersten Sitzung der Stände.«

»Sehr gut,« sprach der König und kehrte in sein Kabinet zurück.

Fünf Minuten nachher rief der Ton des Glöckchens Rose, dessen Stunde es war.

»Habt Ihr Eure Abschriften beendigt?« fragte der König.

»Noch nicht, Sire.«

»Seht, ob Herr d’Artagnan zurückgekehrt ist.«

»Noch nicht, Sire.«

»Seht doch, ob Herr d’Artagnan zurückgekehrt ist!!«

»Nein, Sire.«

»Das ist seltsam,« murmelte der König, »ruft Herrn Colbert.«

Colbert trat ein; er wartete aus diesen Augenblick vom Morgen an.

»Herr Colbert,« sagte der König lebhaft, »man müßte doch wissen, was aus Herrn d’Artagnan geworden ist.«

Colbert erwiederte mit seinem ruhigen Ton:

»Wo soll ich ihn suchen lassen?«

»Ei! mein Herr, wißt Ihr nicht, wohin ich ihn geschickt hatte?« erwiederte Ludwig verdrießlich.

»Eure Majestät hat es mir nicht gesagt.«

»Mein Herr, es gibt Dinge die man erräth, und Ihr besonders errathet sie.«

»Ich konnte vermuthen, doch ich hätte mir nicht erlaubt, gänzlich zu errathen.«

Colbert hatte kaum diese Worte gesprochen, al« eine Stimme, welche viel rauher als die des Königs, die zwischen dem Monarchen und dem Beamten begonnene Unterredung unterbrach.

»D’Artagnan!« rief der König ganz freudig.

D’Artagnan trat bleich und in einer wüthenden Laune ein und sagte zum König:

»Sire, hat Eure Majestät meinen Musketieren Befehl gegeben?«

»Welchen Befehl?«

»In Betreff des Hause« von Herrn Fouquet?«

»Nein,« erwiederte der König.

»Ah! ah!« rief d’Artagnan, indem er sich aus seinen Schnurrbart biß. »Ich täuschte mich nicht, dieser Herr hat es gethan.«

Und er bezeichnete Colbert.

»Von welchem Befehl sprecht Ihr?« fragte der König.

»Bon dem Befehl, ein ganzes Haus umzukehren, die Bedienten und Officianten von Herrn Fouquet zu prügeln, die Schubladen zu sprengen, eine friedliche Wohnung zu plündern; Mordioux! Befehl eines Wilden.«

»Mein Herr!« rief Colbert sehr bleich.

»Mein Herr,« unterbrach ihn d’Artagnan, »der König allein, versteht Ihr wohl, der König allein hat das Recht, meinen Musketieren Befehle zu ertheilen; Euch aber verbiete ich es, und das sage ich vor Seiner Majestät, Edelleute, welche das Schwert führen, sind keine Lumpenkerle, die die Feder hinter dem Ohre haben.«

»D’Artagnan, d’Artagnan!« murmelte der König.

»Das ist erniedrigend,« fuhr der Musketier fort; »meine Soldaten sind entehrt; ich befehlige nicht Reitersknechte oder Intendanzschreiber, Mordioux!«

»Aber was gibt es denn? laßt hören!« sprach der König mit Hoheit.

»Sire, dieser Herr, der die Befehle Eurer Majestät nicht errathen konnte und folglich nicht wußte, daß ich Herrn Fouquet verhaften würde, dieser Herr, der den eisernen Käfig für seinen Patron von gestern machen ließ, hat Herrn Roncherat in die Wohnung von Herrn Fouquet geschickt, und um die Papiere des Oberintendanten in Beschlag zu nehmen, hat man alle Meubles weggenommen. Meine Musketiere waren vom Morgen an um das Haus ausgestellt. So lauteten meine Befehle. Warum hat man sich erlaubt, sie in das Innere eintreten zu lassen, warum hat man sie dadurch, daß man sie dieser Plünderung beizuwohnen genöthigt, zu Mitschuldigen gemacht? Mordioux! wir dienen dem König, ober nicht Herrn Colbert.«

»Herr d’Artagnan.« sprach der König streng, »nehmt Euch in Acht! solche Erklärungen, in einem solchen Tone gemocht, dürfen nicht in meiner Gegenwart stattfinden.«

»Ich habe für da« Wohl des Königs gehandelt,« sagte Colbert mit bebender Stimme; »es ist hart für mich, so von einem Officier Seiner Majestät behandelt zu werden, und dies ohne Rache, wegen der Achtung, die ich dem König schuldig bin.«

»Die Achtung, die Ihr dem Könige schuldig seid!« rief d’Artagnan, dessen Augen flammten; »sie besteht vor Allem darin, daß Ihr sein Ansehen achten, seine Person lieben macht. Jeder Agent einer Macht, ohne Oberaufsicht, vertritt diese Macht; und wenn die Völker die Hand verfluchen, welche sie schlägt, so ist es die königliche Hand, der Gott den Vorwurf macht, versteht Ihr? Muß Euch ein seit vierzig Jahren im Regen und im Blute verhärteter Soldat diese Lection geben? Muß die Barmherzigkeit auf meiner Seite, die Rohheit auf der Eurigen sein? Ihr habt Unschuldige verhaften, binden, einkerkern lassen!«

»Die Mitschuldigen vielleicht von Herrn Fouquet,« entgegnete Colbert.

»Wer sagt Euch, daß Herr Fouquet Mitschuldige hat, und sogar daß er schuldig ist? Der König allein weiß es, seine Gerechtigkeit ist nicht blind. Spricht er: Verhaftet, kerkert diese oder jene Leute ein, so wird man gehorchen. Redet also nicht mehr von der Achtung, die Ihr für den König hegt, und gebt wohl Acht auf Eure Worte, wenn sie zufällig einige Drohungen zu enthalten scheinen, denn der König läßt diejenigen, welche ihm gut dienen, nicht durch die Leute bedrohen, die ihm schlechte Dienste erweisen, und falls ich, was Gott verhüte, einen so undankbaren Herrn hätte, so würde ich mir selbst Achtung verschaffen.«

Nach diesen Worten richtete sich d’Artagnan, das Auge entflammt, die Hand am Degen, die Lippe bebend und mehr Zorn heuchelnd, als er wirklich hatte, im Cabinet des Königs hoch auf.

Gedemüthigt, vor Wuth verzehrt, verbeugte sich Colbert vor dem König, als wollte er ihn um Erlaubniß bitten, sich zurückziehen zu dürfen.

In seinem Stolz verletzt und in seiner Neugierde behindert, wußte der König nicht, wozu er sich entschließen sollte. D’Artagnan sah ihn zögern. Länger bleiben, wäre ein Fehler gewesen; man mußte einen Sieg über Herrn Colbert erringen, und das einzige Mittel war, den König so lebhaft und so gut zu reizen, daß Seiner Majestät kein anderer Ausweg mehr blieb, als zwischen dem einen und dem andern Gegner zu wählen.

D’Artagnan verbeugte sich also wie Colbert; doch der König, dem vor allem daran lag, sehr genaue sehr umständliche Nachrichten von der Verhaftung des Oberintendanten der Finanzen, des Mannes, der ihn einen Augenblick zittern gemacht hatte, zu erhalten, der König, welcher begriff, das Schmollen von d’Artagnan würde ihn nöthigen, die Einzelheiten, die er kennen zu lernen brannte, um eine Viertelstunde zu verschieben, Ludwig, sagen wir, vergaß Colbert, der nichts sehr Neues mitzutheilen hatte, und rief seinen Kapitän der Musketiere zurück.

»Sprecht, mein Herr,« sagte er, «vollzieht zuerst Euren Auftrag, Ihr werdet nachher ausruhen.«

D’Artagnan, der eben über die Schwelle schreiten wollte, blieb, als er die Stimme des Königs hörte stehen, kehrte zurück, und Colbert war genöthigt, wegzugehen. Sein Gesicht nahm eine Purpurfärbunq an; seine boshaften schwarzen Augen glänzten von einem düstern Feuer unter ihren dichten Braunen: er verlängerte den Schritt, verbeugte sich vor dem König, richtete sich halb auf, als er an d’Artagnan vorüberkam, und ging, den Tod im Herzen, weg.

 

D’Artagnan, als er mit dem König allein war, besänftigte sich sogleich, componirte sich sein Gesicht und sprach:

»Sire, Ihr seid ein junger König. An der Morgenröthe erräth der Mensch, ob der Tag schön oder traurig sein wird. Wie! Sire, was werden die Völker, welche die Hand Gottes unter Euer Gesetz gestellt hat, von Eurer Regierung weissagen, wenn Ihr zwischen Euch und ihnen Minister aus Zorn und aus Gewaltthätigreit handeln laßt? Doch sprechen wir von mir, Sire; lassen wir einen Streit, der Euch müßig, ungeziemend vielleicht erscheint. Sprechen wir von mir.

»Ich habe Herrn Fouquet verhaftet.«

»Ihr habt Euch Zeit dazu gelassen,« sprach der König ärgerlich.

D’Artagnan schaute den König an.

»Ich sehe, daß ich mich schlecht ausgedrückt habe,« sagte er. »Ich habe Eurer Majestät gemeldet, daß ich Herrn Fouquet verhaftet.«

»Ja; nun?«

»Nun, ich hätte Eure Majestät sagen müssen, Herr Fouquet habe mich festgenommen, das wäre richtiger gewesen. Ich stelle also die Wahrheit wieder her und sage, ich bin von Herrn Fouquet verhaftet worden.«

Die Reihe des Erstaunens war nun an Ludwig XIV. Seine Majestät erstaunte ebenfalls. D’Artagnan ergründete mit seinem so raschen Blick, was im Herzen des Königs vorging. Erließ ihm nicht Zeit, zu fragen. Er erzählte ihm mit jener Poesie, mit jener Malerkunst, welche er vielleicht allein in dieser Epoche besaß, die Entweichung von Fouquet, die Verfolgung, das wüthende Rennen, die unnachahmliche Großmuth des Oberintendanten endlich, der zehnmal fliehen, zwanzigmal den an seiner Verfolgung gefesselten Gegner tödten konnte, und der das Gefängnis und vielleicht etwas noch Schlimmeres der Demüthigung desjenigen, welcher ihm seine Freiheit rauben wollte, vorgezogen hatte.

Je länger der Kapitän der Musketiere sprach, desto mehr war der König bewegt; er verschlang gleichsam seine Worte, und ließ das Ende seiner Nägel aneinander krachen.

»Sire, daraus geht, in meinen Augen wenigstens, hervor, daß ein Mann, der sich so benimmt, ein wackerer Mann ist und nicht ein Feind der Königs sein kann. Das ist meine Meinung, und ich wiederhole es Eurer Majestät. Ich weiß, was der König mir sagen wird und verbeuge mich davor: Staatsraison. Gut! das ist in meinen Augen sehr achtenswerth. Doch ich bin Soldat, ich habe meinen Befehl erhalten; der Befehl ist vollzogen worden, sehr wider meinen Willen, ich muß es sagen, aber er ist vollzogen worden. Ich schweige.«

»Wo ist Fouquet?« fragte der König, nachdem er einen Augenblick geschwiegen halte.

»Herr Fouquet, Sire,« antwortete d’Artagnan, »ist in dem eisernen Käfig, den Herr Colbert für ihn hat bereiten lassen, und fährt im Galopp von vier kräftigen Pferden auf der Straße nach Anger«.«

»Warum habt Ihr ihn unter Weges verlassen?«

»Weil Seine Majestät mich nicht nach Angers gehen hieß. Der Beweis, der beste Beweis für das, was ich behaupte, liegt darin, daß mich der König vorhin suchte . . . und dann hatte ich noch einen andern Grund.«

»Welchen?«

»War ich da, so hätte der arme Herr Fouquet nie zu entweichen versucht.«

»Nun?« rief der König voll Erstaunen.

»Eure Majestät muß begreifen, und begreift sicherlich, daß es mein lebhaftes Verlangen ist, Herrn Fouquet in Freiheit zu wissen. Ich habe ihn einem meiner Brigadiers übergeben, dem Ungeschicktesten, den ich unter meinen Musketieren finden konnte, damit der Gefangene entflieht.«

»Seid Ihr verrückt, Herr d’Artagnan!« rief der König, seine Arme über seiner Brust kreuzend. »Sagt man solche Ungeheuerlichkeiten, selbst wenn man das Unglück hat, sie zu denken?«

»Ah! Sire, Ihr erwartet ohne Zweifel nicht von mir, daß ich der Feind von Herrn Fouquet sein soll, nach dem, was er für mich gethan hat. Nein, gebt ihn mir nie zu bewachen, wenn Euch daran gelegen ist, daß er unter Schloß und Riegel bleibt. So gut der Käfig vergittert sein mag, der Vogel würde am Ende entfliehen.«

»Ich wundere mich,« sprach der König mit düsterem Tone, »ich wundere mich, daß Ihr nicht sogleich dem Glücksstern von demjenigen gefolgt seid, welchen Herr Fouquet aus meinen Thron sehen wollte· Ihr hattet da Alles was Ihr braucht: Zuneigung und Dankbarkeit. In meinem Dienst, Herr d’Artagnan, findet man nur einen Gebieter.«

»Sire,« erwiederte d’Artagnan mit scharfer Stimme, »wenn Euch Herr Fouquet nicht aus der Bastille geholt hätte, so wäre ein einziger Mensch dahin gegangen, und dieser Mensch bin ich, das wißt Ihr wohl.«

Der König hielt inne; vor diesem so freimüthigen, so wahren Wort seines Kapitäns der Musketiere hatte er nichts zu erwiedern. Der König, indem er d’Artagnan hörte, erinnerte sich des d’Artagnan von einst, desjenigen, welcher sich im Palais-Royal hinter seinen Bettvorhängen verborgen hielt, als das Volk von Paris, vom Cardinal von Retz angeführt, sich der Gegenwart des Königs versicherte wollte; des d’Artagnan, den er mit der Hand von seinem Wagenschlage aus grüßte, als er bei seiner Rückkehr nach Paris sich in Notre-Dame begab; des Soldaten, der ihn in Blois verlassen hatte; des Lieutenants, den er zu sich zurückberufen, als der Tod von Mazarin die Gewalt in seine Hände gab; des Mannes, den er stets redlich, muthig und ergeben gefunden.

Ludwig ging aus die Thüre zu und rief Colbert.

Colbert hatte die Flur nicht verlassen, in der die Schreiber arbeiteten. Colbert erschien.

»Colbert, Ihr habt eine Haussuchung bei Herrn Fouquet vornehmen lassen?«

»Ja, Sire.«

»Was war der Erfolg davon?«

»Herr von Roncherat, der mit den Musketieren Eurer Majestät abgeschickt wurde, hat mir Papiere zugestellt,« erwiederte Colbert.

»Ich werde sie sehen . . . Gebt mir Eure Hand.«

»Meine Hand, Sire?«

»Ja, daß ich sie in die von Herrn d’Artagnan lege,« fügte er bei, indem er sich gegen den Soldaten wandte, der beim Anblick des Finanzbeamten wieder seine hochmüthige Stellung angenommen hatte, »Ihr kennt den Mann da nicht, macht Bekanntschaft.«

Und er deutete aus Colbert.

»Das ist ein mittelmäßiger Diener in untergeordneten Stellungen, doch er wird ein großer Mann sein, wenn ich ihn zum ersten Rang erhebe.«

»Sire,« stammelte Colbert verwirrt vor Freude und Angst.

»Ich habe begriffen, warum,« flüsterte d’Artagnan dem König in’s Ohr: »er war eifersüchtig.«

»Ganz richtig, und seine Eifersucht band ihm die Flügel.«

»Das wird fortan eine geflügelte Schlange sein,« brummte der Musketier, mit einem Reste von Haß gegen seinen Widersacher von kurz zuvor.

Doch Colbert näherte sich ihm und bot seinen Augen eine Physiognomie, welche unendlich verschieden von der, die er bei ihm zu sehen gewohnt war; er erschien so gut, so sanft, so leicht zugänglich; seine Augen nahmen den Ausdruck einer so edlen Verständigkeit an, daß d’Artagnan, ein Kenner in Physiognomien, sich bewegt, in seinen Ueberzeugungen beinahe verändert fühlte.

Colbert drückte ihm die Hand.

»Was Euch der König gesagt hat, mein Herr, beweist, wie sehr Seine Majestät die Menschen kennt. Die hartnäckige Opposition, die ich bis auf diesen Tag gegen Mißbräuche, nicht gegen Menschen entwickelt habe, beweist, das, ich daraus bedacht war, meinem König eine große Regierung, meinem Lande eine große Wohlfahrt vorzubereiten. Ich habe viele Ideen, Herr d’Artagnan, Ihr werdet sie in der Sonne des öffentlichen Friedens sich erschließen sehen, und habe ich nicht die Gewißheit und das Glück, mir die Freundschaft der redlichen Leute zu erwerben, so bin ich doch sicher, daß ich ihre Achtung erlangen werde. Für ihre Bewunderung, mein Herr, gäbe ich mein Leben.«

Diese Veränderung, diese plötzliche Erhebung, die stumme Billigung des Königs gaben dem Musketier viel zu denken. Er verbeugte sich sehr höflich vor Colbert, der ihn nicht aus dem Gesichte verlor.

Als sie der König ausgesöhnt sah, entließ er sie; sie gingen miteinander weg.

Sobald sie vor dem Cabinet waren, hielt der neue Minister den Kapitän zurück und sprach:

»Ist es möglich, Herr d’Artagnan, daß Ihr mit einem Auge, wie das Eurige, nicht mit dem ersten Blick, mit der ersten Beschauung erkannt habt, wer ich bin?«

»Herr Colbert,« erwiederte der Musketier, »der Sonnenstrahl, den man im Auge hat, hindert, die glühendsten Brände zu sehen. Der Mann mit der Gewalt strahlt, wie Ihr wißt, und da Ihr so weit seid, warum solltet Ihr fortfahren, denjenigen zu verfolgen, der in Ungnade gefallen und zwar von so hoch herab gefallen ist?«

»Oh! mein Herr, ich werde ihn nie verfolgen. Ich wollte allein verwalten, weil ich ehrgeizig bin, und besonders, weil ich das vollste Vertrauen zu meinem Verdienste habe; weil ich weiß, daß alles Gold dieses Landes unter meinen Blick fallen wird, und weil ich das Gold des Königs gern sehe: weil, wenn ich dreißig Jahre lebe, in dreißig Jahren nicht ein Pfennig in meinen Händen bleiben wird; weil ich mit diesem Gold Speicher, Gebäude, Städte errichten, Häfen graben werde; weil ich eine Marine schaffen und Schisse bemannen werde, die den Namen Frankreich zu den entferntesten Völkern tragen sollen; weil ich Bibliotheken und Akademien gründen werde; weil ich aus Frankreich das erste und reichste Volk machen werde. Das ist der Grund meines Unwillens gegen Herrn Fouquet, der mich zu handeln verhinderte. Und wenn ich groß und stark sein werde, wenn Frankreich groß und stark sein wird, dann werde ich ebenfalls rufen: Gnade!«

»Gnade! habt Ihr gesagt; so verlangen wir vom König seine Freiheit. Der König verfolgt ihn heute nur Euretwegen.«

Colbert erhob noch einmal das Haupt.

»Mein Herr,« sprach er, »Ihr wißt wohl, daß dem nicht so ist, und daß der König eine persönliche Feindschaft gegen Herrn Fouquet hat; es kommt nicht mir zu, Euch das mitzutheilen.«

»Der König wird müde werden, er wird vergessen.«

»Der König vergißt nie, Herr d’Artagnan . . . Höret, der König ruft und ist im Begriff, einen Befehl zu geben; ich habe keinen Einfluß auf ihn geübt, nicht wahr? Horcht!«

Der König rief in der That seine Geheimschreiber.

»Herr d’Artagnan?« sagte er.

»Hier bin ich, Sire.«

»Gebt Herrn von Saint-Aignan zwanzig von Euren Musketieren zur Bewachung von Herrn Fouquet.«

D’Artagnan und Colbert wechselten einen Blick.

»Und von Angers,« fuhr der König fort, »wird man den Gefangenen nach der Bastille in Paris bringen.«

»Ihr hattet Recht,« sagte der Kapitän zum Minister.

»Saint-Aignan,« sprach der König, »Ihr laßt Jeden, der unter Weges leise mit Herrn Fouquet spricht, über die Klinge springen.«

»Aber ich, Sire?« fragte der Herzog.

»Ihr, mein Herr, sprecht nur in Gegenwart der Musketiere mit ihm.«

Der Herzog verbeugte sich und ging weg, um den Befehl zu vollziehen.

D’Artagnan war im Begriff, ebenfalls wegzugehen; der König hielt ihn zurück.

»Mein Herr,« sagte er, »Ihr werdet auf der Stelle von der Insel und dem Lehn Belle-Isle Besitz ergreifen.«

»Ja, Sire. Ich allein?«

»Ihr nehmt so viel Truppen, als Ihr braucht, um nicht im Nachtheil zu bleiben, sollte sich der Platz halten.«

Ein Gemurmel schmeichlerischer Ungläubigkeit ließ sich in der Gruppe der Höflinge hören.

»Das hat man wohl gesehen,« sprach d’Artagnan.

»Ich habe es in meiner Jugend gesehen, und will es nicht mehr sehen,« sagte der König. »Ihr habt mich verstanden? Geht, mein Herr, und kommt nur mit den Schlüsseln des Platzes hierher zurück.«

Colbert näherte sich d’Artagnan und sagte leise zu ihm:

»Ein Auftrag, der Euch, wenn Ihr ihn gut vollzieht, den Marschallstab erwirbt.«

»Warum sagt Ihr: Wenn Ihr ihn gut vollzieht?«

»Weil es schwierig ist.«

»Ah! in welcher Hinsicht?«

»Ihr habt Freunde in Belle-Isle, Herr d’Artagnan, und es ist kein Leichtes für Leute wie Ihr, auf dem Leibe eines Freundes zu marschiren, um zum Ziele zu gelangen.«

Eine Viertelstunde nachher erhielt d’Artagnan den geschriebenen Befehl, Belle-Isle im Falle des Widerstandes in die Luft zu sprengen, und die hohe und niedere Gerichtsbarkeit über alle Bewohner oder Flüchtlinge, mit der Einschärfung, nicht einen Einzigen entweichen zu lassen.

»Colbert hatte Recht,« dachte d’Artagnan, »mein Marschallstab würde meinen zwei Freunden das Leben kosten. Nur vergißt man, daß meine zwei Freunde nicht dummer sind, als die Vögel, und daß sie nicht auf die Hand des Vogelfängers warten, um ihre Flügel zu entfalten. Diese Hand werde ich ihnen so gut zeigen, daß sie Zeit haben sollen, sie zu sehen. Armer Porthos! armer Aramis! Nein, mein Glück soll Euch nicht eine Feder Eurer Flügel losten!«

 

Nachdem er so geschlossen, versammelte d’Artagnan das königliche Heer, ließ es in Paimboeuf einschiffen und ging, ohne einen Augenblick zu verlieren, unter Segel.