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Der Graf von Bragelonne

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Mit einer Schuld von ungefähr zwei Millionen belastet, was damals ungeheuer, hatte Herr von Beaufort berechnet, er könnte nach Africa nicht ohne eine schöne Summe abreisen, und um diese Summe zu finden, vertheilte er unter seine vergangenen Gläubiger Silbergeschirre, Waffen, Juwelen und Meubles, was herrlicher war, als zu verkaufen, und ihm das Doppelte eintrug.

In der That, wie sollte sich ein Mann, dem man zehn tausend Livres schuldig ist, weigern, ein Geschenk von sechs tausend, erhöht durch das Verdienst, einem Abkömmlinge von Heinrich IV. gehört zu haben, mitzunehmen, und wie sollte er, nachdem er dieses Geschenk mitgenommen, sich weigern, einem so freigebigen Herrn weitere zehn tausend zu leihen?

Dies war also geschehen. Der Prinz hatte kein Haus mehr, was einem Admiral, dessen Wohnung ein Schiff ist, unnütz wird. Er hatte keine überflüssigen Waffen mehr, seitdem er sich mitten unter seine Kanonen stellte, keine Juwelen mehr, die das Meer hätte verschlingen können; doch er hatte drei bis viermal hundert tausend frische Thaler in seinen Kisten.

Und überall im Hause fand eine freudige Bewegung von Leuten statt, welche Seine Hoheit zu plündern glaubten.

Der Prinz besaß im höchsten Grade die Kunst, die beklagenswerthesten Gläubiger glücklich zu machen. Jeder geschäftige Mensch, jede leere Börse gewinne bei ihm Geduld und Einsicht von seiner Lage. Zu den Einen sagte er:

»Ich möchte wohl haben, was Ihr habt; ich würde es Euch geben,«

Und zu den Andern:

»Ich habe nichts, als diese silberne Wasserkanne; sie ist wohl fünf hundert Livres werth, nehmt sie.«

Und eine freundliche Miene ist dergestalt baare Bezahlung, daß der Prinz unabläßig seine Gläubiger zu erneuern fand.

Diesmal ging Alles ohne Ceremonie ab, und man hätte glauben sollen, es fände eine Plünderung statt.

Das orientalische Mährchen von dem armen Araber, der von der Plünderung einen Fleischtopf mitnimmt, in dessen Grunde er einen Sack mit Geld verborgen hat, und den alle Welt frei passiren läßt, ohne ihn zu beneiden, dieses Mährchen wurde beim Prinzen eine Wahrheit . . . Viele Gläubiger machten sich an den Speise- und Tischgeräthekammern des Herzogs bezahlt.

Während die Küchenofficianten die Kleiderkammern und die Sattelkammern plünderten, bemächtigten sich die Sattler und die Schneider der Küchengeräthschaften.

Eifersüchtig daraus bedacht, Zuckerwerk nach Hause zu bringen, das Monseigneur geschenkt hatte, sah man sie freudig unter der Last von Terrinen und Flaschen springen, welche stolz mit dem Wappen des Prinzen gestempelt waren.

Herr von Beaufort verschenkte am Ende seine Pferde und den Hafer von seinen Speichern. Er machte mehr als dreißig Glückliche mit seinen Küchenbatterien, und drei hundert mit seinem Keller.

Dabei gingen alle diese Leute mit der Uberzeugung weg, Herr von Beaufort handle nur so in der Voraussicht eines neuen unter den arabischen Zelten verborgenen Vermögens.

Während man sein Hotel verheerte, wiederholte man sich, er werde vom König nach Gigelli geschickt, um seinen verlorenen Reichthum wiederherzustellen; die Schätze Africas würden zur Hälfte zwischen dem Admiral und dem König von Frankreich getheilt; diese Schätze bestünden in Bergwerken von Diamanten und anderen fabelhaften Steinen. Den Silber- oder Goldbergwerken des Atlas wurde nicht einmal die Ehre einer Erwähnung zu Theil. Außer den Bergwerken, welche auszubeuten, was nach dem Feldzuge geschehen würde, wäre noch Beute, welche die Armee gemacht hätte.

Herr von Beaufort würde die Hand aus Alles legen, was die reichen Seeräuber der Christenheit seit der Schlacht von Levante gestohlen hatten. Die Zahl der Millionen berechnete man nicht mehr.

Warum sollte er nun die armseligen Geräthschaften seines vergangenen Lebens geschont haben, er, der die seltensten Schätze aufzusuchen im Begriffe war?

Und wechselseitig, warum hätte man das Gut von demjenigen schonen sollen, welcher sich selbst so wenig schonte?

So war die Lage der Dinge. Athos mit seinem forschenden Blick war auf der Stelle darüber im Klaren.

Er fand den Admiral von Frankreich ein wenig betäubt, denn er stand eben von der Tafel auf, von einer Tafel von fünfzig Gedecken, wo man lange auf die Wohlfahrt der Expedition getrunken, wo man beim Nachtisch die Ueberreste den Bedienten und die leeren Platten den Neugierigen überlassen hatte.

Der Prinz hatte sich zugleich in seinem Ruin und in seiner Popularität berauscht. Er hatte seinen alten Wein aus die Gesundheit seines zukünftigen Weins getrunken.

Als er Athos mit Raoul sah, rief er:

»Da bringt man mir meinen Adjutanten. Kommt hierher, Graf, kommt hierher, Vicomte.«

Athos suchte einen Weg durch die Streu von Tafelgeschirr und Tischzeug.

»Ah! ja, steigt darüber weg,« sagte der Herzog.

Und er bot Athos ein volles Glas.

Dieser nahm es an; Raoul befeuchtete kaum seine Lippen.

»Hier ist Euer Auftrag,« sagte der Prinz zu Raoul. »Auf Euch zählend, habe ich ihn zum Voraus ausgefertigt. Ihr reist mir bis Antibes voran.«

»Gut, Monseigneur.«

»Hier ist der Befehl.«

Herr von Beaufort gab Bragelonne den Befehl.

»Kennt Ihr das Meer?« fragte er.

»ja, ich bin mit dem Herrn Prinzen gereist.«

»Gut. Alle die Barken und Lichter werden mich erwarten, um mir ein Geleite zu bilden und meine Vorräthe zu führen. Die Armee muß sich spätestens in vierzehn Tagen einschiffen können.«

»Das soll geschehen, Monseigneur.«

»Gegenwärtiger Befehl gibt Euch das Recht der Durchsuchung und Fahndung aus allen Inseln die Kiste entlang; Ihr werdet dort nach Eurem Belieben die Werbungen und Aushebungen für mich vornehmen.«

»Ja, Herr Herzog.«

»Und da Ihr ein thätiger Mann seid, da Ihr viel arbeiten werdet, so werdet Ihr auch viel Gold ausgeben.«

»Ich hoffe nein, Monseigneur.«

»Doch! doch! Mein Intendant hat Anweisungen von tausend Livres, zahlbar aus die Städte im Süden, ausgefertigt. Man wird Euch hundert davon geben. Geht, lieber Vicomte.«

Athos unterbrach den Prinzen:

»Behaltet Euer Geld, Monseigneur, der Krieg wird bei den Arabern ebenso mit Gold, wie mit Blei geführt.«

»Ich will das Gegentheil versuchen,« erwiederte der Prinz; »und dann kennt Ihr meinen Gedanken über die Expedition, viel Lärm, viel Feuer, und im Nothfall werde ich im Rauche verschwinden.«

Nachdem er so gesprochen, wollte Herr von Beaufort wieder zum Lachen zurückkehren; aber er fand bei Athos und Raoul keinen Anklang, das bemerkte er bald.

»Ah!« sagte er mit dem höflichen Egoismus seines Alters und seines Rangs, »Ihr seid Leute, die man nicht nach dem Mittagsmahl sehen muß, kalt, steif und trocken, während ich ganz Feuer, ganz Geschmeidigkeit und ganz Wein bin. Nein, der Teufel soll mich holen, ich werde Euch immer nüchtern sehen, Vicomte; und Ihr, Graf, wenn Ihr mir ein solches Gesicht macht, werdet Ihr mich gar nicht mehr sehen.«

Hierbei drückte er Athos die Hand, und dieser antwortete lächelnd:

»Monseigneur, macht nicht diesen Lärm, weil Ihr so viel Geld habt. Ich prophezeihe Euch, daß Ihr, ehe der Monat vergeht, trocken, steif und kalt vor Eurer Kasse sein werdet, und dann, wenn Ihr an Eurer Seite Raoul habt, werdet Ihr erstaunt sein, ihn heiter, feurig und freigebig zu sehen, weil er Euch neue Thaler zu bieten im Stande sein wird.«

»Gott höre Euch!« rief der Herzog entzückt. »Ich behalte Euch bei mir, Graf.«

»Nein, ich reise mit Raoul, die Sendung, mit der Ihr ihn beauftragt habt, ist mühselig, schwierig. Allein hätte er zu große Mühe, sie zu erfüllen. Ihr merkt nicht daraus, daß Ihr ihm ein Commando ersten Rangs übertragen habt.«

»Bah!«

»Und zwar bei der Marine.«

»Es ist wahr. Doch thut man nicht Alles, was man will, wenn man ihm gleicht?«

»Monseigneur, Ihr findet nirgends so viel Eifer und Verstand, so viel wahren Muth, als bei Raoul: doch wenn Ihr Eure Ausschiffung verfehltet, so hättet Ihr das, was Ihr verdient.«

»Nun schilt er mich!«

»Monseigneur, um eine Flotte zu verproviantiren, um eine Flottille zusammen zu bringen, um Euren Marinedienst anzuwerben, würde ein Admiral ein Jahr brauchen. Raoul ist Reiter-Kapitän, und Ihr gebt ihm vierzehn Tage.«

»Ich sage Euch, daß er die Schwierigkeiten überwinden wird.«

»Ich glaube es wohl! Doch ich werde ihn dabei unterstützen.«

»Ich habe auf Euch gerechnet, und ich rechne auch darauf, daß Ihr, einmal in Toulon, ihn nicht allein abreisen lassen werdet.«

»Oh!« machte Athos, den Kopf schüttelnd.

»Geduld! Geduld!«

»Monseigneur, laßt mich Abschied, nehmen.«

»Geht also, und mein Glück stehe Euch bei.«

»Gott besohlen, Monseigneur, und Euer Glück stehe Euch auch bei.«

»Das ist eine gut begonnene Expedition,« sagte Athos zu seinem Sohn. »Keine Lebensmittel! keine Reserven! keine Ladungsflottille! Was wird man so machen!«

»Gut!« versetzte Raoul, »wenn Alle thun werden, was ich thue, so wird es nicht an Lebensmitteln fehlen.«

»Mein Herr,« sprach Athos mit strengem Tone, »seid nicht ungerecht und wahnsinnig in Eurer Selbstsucht oder in Eurem Schmerz, wie es Euch beliebt. Wenn Ihr in diesen Krieg zieht mit der Absicht, dabei zu sterben, so braucht Ihr Niemand und es lohnte sich nicht der Mühe, Euch Herrn von Beaufort empfehlen zu lassen. Sobald Ihr Euch dem commandirenden Prinzen nähert, sobald Ihr die Verantwortlichkeit einer Stelle beim Heere übernehmt, handelt es sich nicht mehr um Euch, sondern um alle die armen Soldaten, die, wie Ihr, ein Herz und einen Leib haben, die das Vaterland beweinen und alle Roth der menschlichen Lage erdulden werden.

»Erfahret, Raoul, daß ein Officier ein eben so nützlicher Diener Gottes ist, als ein Priester, und daß er mehr Menschenfreundlichkeit haben muß, als ein Priester.«

»Mein Herr, ich weiß das, und ich habe es ausgeübt; ich hätte es abermals gethan, doch . . . «

 

»Ihr vergeßt auch, daß Ihr einem auf seinen militärischen Ruhm stolzen Lande angehört; sterbt, wenn Ihr wollt, aber sterbt nicht ohne Ehre und ohne Nutzen für Frankreich. Oh! Raoul, betrübt Euch nicht über meine Worte, ich liebe Euch und möchte gern, daß Ihr vollkommen würdet.«

»Ich liebe Eure Vorwürfe!« erwiederte sanft der junge Mann, »sie heilen mich, sie beweisen mir, daß mich noch Jemand liebt.«

»Und nun laßt uns ausbrechen, Raoul; das Wetter ist so schön, der Himmel ist so rein! dieser Himmel, den wir immer über unsern Häuptern finden werden, den Ihr noch reiner in Gigelli findet werdet, und der Euch dort von mir sprechen wird, wie er mir hier von Sott spricht.«

Nachdem die zwei Edelleute sich hierüber in Einklang gesetzt hatten, unterhielten sie sich von den tollen Manieren des Herzogs, sie waren gemeinschaftlich der Ansicht, Frankreich würde unvollständig im Geiste und in der Ausführung der Expedition bedient werden, und nachdem sie diese Politik durch das Wort Eitelkeit zusammengefaßt, begaben sie sich aus den Marsch, mehr um ihren Willen, als um dem Geschick zu gehorchen.

Das Opfer war vollbracht.

V.
Die Silberplatte

Die Reise war angenehm. Athos und sein Sohn durchzogen ganz Frankreich; sie legten fünfzehn Meilen im Tage zurück, zuweilen auch mehr, je nachdem der Kummer von Raoul eine doppelte Tiefe erreichte.

Sie brauchten vierzehn Tage, um nach Toulon zu kommen, und verloren ganz und gar die Spuren von d’Artagnan in Antibes.

Es ist anzunehmen, daß der Kapitän der Musketiere das Incognito in diesen Gegenden hatte behaupten wollen, denn Athos erlangte aus seinen Erkundigungen die Sicherheit, daß man den Cavalier, den er schilderte, seine Pferde gegen einen wohlverschlossenen Wagen, von Avignon an, hatte vertauschen sehen.

Raoul verzweifelte, daß er d’Artagnan nicht traf. Es fehlte diesem zärtlichen Herzen der Abschied und der Trost dieses stählernen Herzens.

Athos wußte aus Erfahrung, daß d’Artagnan unerforschlich wurde, sobald er sich mit einer ernsten Angelegenheit für seine eigene Rechnung oder im Dienste des Königs beschäftigte.

Er befürchtete sogar, seinen Freund zu beleidigen, oder ihm zu schaden, wenn er zu viel Erkundigungen einzöge. Als aber Raoul seine Abtheilungsarbeit für die Flottille begann und die Barken und Lichter versammelte, um sie nach Toulon zu schicken, sagte dem Grafen einer von den Fischern, sein Schiff sei in Ausbesserung begriffen, seit einer Reise, die er für Rechnung eines Cavaliers gemacht, welcher sich einzuschiffen große Eile gehabt habe.

Im Glauben, dieser Mensch lüge, um frei zu bleiben und mehr Geld mit dem Fischfang zu verdienen, wenn alle seine Gefährten weggegangen wären, forderte Athos denselben aus, ihm nähere Auskunft zu geben.

Der Fischer sagte ihm, vor ungefähr sechs Tagen sei ein Mann gekommen und habe sein Schiff in der Nacht gemiethet, um einen Besuch aus der Insel Saint-Honorat zu machen. Man sei über den Preis einig geworden, aber der Cavalier sei mit einem großen Reisewagen erschienen, die er trotz allerlei Schwierigkeiten, welche diese Operation bot, durchaus habe einschiffen wollen. Der Fischer habe sein Wort zurücknehmen wollen. Er habe gedroht, und seine Drohung habe ihm nur eine große Anzahl von Stockprügeln eingetragen, die ihm der Fremde mit aller Heftigkeit aufgemessen. Fluchend habe der Fischer sich an den Syndicus seiner Collegen in Antibes gewendet, welche unter sich Gerechtigkeit üben und sich beschützen; der Cavalier aber habe ein Papier vorgewiesen, bei dessen Anblick der Syndicus, sich bis aus den Boden verbeugend, dem Fischer Gehorsam eingeschärft und ihn wegen seiner Widerspänstigkeit ausgescholten; dann sei man mit der Ladung abgefahren.

»Aber dies Alles sagt uns nicht, wie Ihr gescheitert seid.«

»So höret. Ich steuerte gegen Saint-Honorat, wie es mich der Unbekannte geheißen hatte, doch er änderte seine Ansicht und behauptete, ich könne nicht im Süden der Abtei passiren.«

»Warum nicht?«

»Herr, es ist dem viereckigen Thurm der Benediktiner gegenüber, bei der Südspitze, die Bank der Mönche

»Eine Klippe?«

»Wasserpaß und unter dem Wasser, eine gefährliche Passage, die ich aber tausendmal durchschifft habe: der Cavalier verlangte von mir, ich sollte ihn in Sainte-Marguerite absetzen.«

»Nun?«

»Mein Herr,« rief der Fischer mit seinem provencalischen Accent, »man ist Seemann, oder ist es nicht, man kennt sein Fahrwasser, oder man ist nur ein Süßwasserfisch. Ich wollte hartnäckig durchfahren. Der Kavalier packte mich beim Hals und kündigte mir ganz ruhig an, er werde mich erwürgen. Mein Gehilfe bewaffnete sich mit einer Art, und ich that dasselbe, wir hatten die Schande der Nacht zu rächen. Aber der Unbekannte nahm den Degen in die Hand und machte so lebhafte Bewegungen, daß keiner von uns Beiden sich ihm nähern konnte. Ich wollte ihm meine Art an seinen Kopf schleudern, und ich war in meinem Rechte, nicht wahr, mein Herr? denn ein Seemann ist an seinem Bord Herr, wie ein Bürger in seiner Stube. Ich wollte also, um mich zu vertheidigen, den Cavalier entzwei hauen, als plötzlich, Ihr möget mir glauben, mein Herr, wenn Ihr wollt, der Reisewagen sich, ich weiß nicht wie, öffnete und eine Art von Gespenst, einen schwarzen Helm aus dem Kopf, eine schwarze Larve aus dem Gesicht, daraus hervorkam . . . ich sage Euch, ein Ding, das gräßlich anzuschauen war und uns mit der Faust bedrohte.«

»Und das war?«

»Es war der Teufel, Herr, denn ganz freudig rief der Cavalier, als er ihn sah: »»Ah! ich danke Euch, Hoheit.««

»Das ist seltsam!« sagte der Graf, Raoul anschauend.

»Was thatet Ihr?« fragte dieser den Fischer.

»Ihr begreift, Herr, daß zwei arme Leute, wie wir, schon zu wenig gegen zwei Edelleute gewesen wären, aber vollends gegen den Teufel, ach! ja wohl! wir beriethen uns nicht miteinander, mein Kamerad und ich, sondern wir machten nur einen Sprung ins Meer, wir waren sieben- bis achthundert Fuß von der Küste entfernt.«

»Und dann?«

»Dann, Herr, da ein kleiner Südwestwind wehte, ging die Barke immer weiter und lief aus die Dünen von Sainte-Marguerite.«

»Oh! . . . aber die zwei Reisenden?«

»Seid unbesorgt! Das dient gerade zum Beweise, daß der Eine der Teufel war und den Andern beschützte, denn als wir schwimmend das Schiff wieder erreichten, fanden wir, statt diese zwei Geschöpfe zerschellt zu finden, gar nichts mehr, nicht einmal mehr den Wagen.«

»Seltsam! seltsam!« wiederholte der Graf. »Doch was habt Ihr seitdem gethan?«

»Ich habe mich bei dem Gouverneur von Sainte-Marguerite beklagt, doch dieser legte den Finger unter die Nase und kündigte mir an, wenn ich ihm solche alberne Possen zu erzählen suchte, so würde er sie mit der Peitsche bezahlen.

»Der Gouverneur?«

»Ja, Herr, und mein Schiff hat doch Schaden, sehr großen Schaden erlitten, denn das Vordertheil ist auf der Spitze von Sainte-Marguerite geblieben, und der Zimmermann verlangt von mir hundert und zwanzig Livres für die Wiederherstellung.«

,Es ist gut, Ihr sollt vom Dienste frei sein,« sagte Raoul. »Geht.«

»Wir werden uns nach Sainte-Marguerite begeben, wollt Ihr?« sprach Athos zu Bragelonne.

»Ja, Herr Graf, denn es ist dort etwas aufzuklären, und dieser Mensch kommt mir vor, als hätte er nicht die Wahrheit gesprochen.«

»Mir auch, Raoul. Die Geschichte mit dem verlarvten Cavalier und dem verschwundenen Wagen sieht gerade so aus, als sollte dadurch die Gewaltthat verborgen werden, die vielleicht dieser grobe Bursche aus offener See an seinem Passagier begangen hat, um ihn für die Heftigkeit zu bestrafen, mit der er sich einzuschiffen verlangt.«

»Ich habe auch diesen Verdacht geschöpft, und der Wagen dürfte eher Werthe, als einen Menschen enthalten haben.«

»Wir werden das sehen, Raoul. Der Cavalier gleicht ganz und gar d’Artagnan, ich erkenne ihn an seinen Manieren. Ach! wir sind nicht mehr die jungen Unbesiegbaren von Einst. Wer weiß, ob nicht der Art dieses schlechten Küstenfahrers das zu thun gelungen ist, was die feinsten Degen Europas, die Kanonenkugeln und die Musketenkugeln seit vierzig Jahren nicht zu thun im Stande gewesen sind.«

An demselben Tage gingen sie an Bord einer Chassemarie. die aus Befehl von Toulon eingetroffen war, nach Sainte-Marguerite ab.

Der Eindruck, den sie beim Landen empfanden, war ein sehr seltsamer. Die Insel war voll von Blumen und Früchten, sie diente in ihrem angebauten Theile dem Gouverneur als Garten. Die Orangenbäume, die Granatbäume, die Feigenbäume bogen sich unter der Last ihrer Früchte von Gold und Azor. Rings um diesen Garten, in seinem unangebauten Theile, liefen in Banden die Rothhühner in den Wachholdersträuchen umher, und bei jedem Schritt, den Raoul und der Graf machten, verließ erschrocken ein Kaninchen den Majoran und das Heidekraut, um in seinen Bau zurückzukehren.

Diese herrliche Insel war in der That unbewohnt. Platt, nur eine Bucht für die Ankunft der Fahrzeuge bietend, und unter den Schutz des Gouverneur gestellt, der mit ihnen theilte, bedienten sich die Schmuggler derselben als einer einstweiligen Niederlage, unter der Bedingung, daß sie das Wildpret nicht tödteten und den Garten nicht verwüsteten. Bei dieser Uebereinkunft begnügte sich der Gouverneur, mit einer Garnison von acht Mann, um seine Festung zu bewachen, in der zwölf Kanonen verschimmelten. Dieser Gouverneur war also ein glücklicher Meier, der Weine, Feigen, Oel und Orangen erntete, und seine Citronen und seine Cedrate in der Sonne seiner Casematten einmachen ließ.

Mit einem tiefen Graben, ihrer einzigen Schutzwehr, umgeben, erhob die Festung, wie drei Köpfe, seine drei durch moosbedeckte Terrassen mit einander verbundenen Thürme.

Athos und Raoul gingen eine Zeit lang an der Umfriedung des Gartens hin, ohne daß sie Jemand fanden, der sie beim Gouverneur eingeführt hätte. Endlich traten sie in den Garten selbst ein. Es war der heißeste Augenblick des Tages.

Dann verbirgt sich Alles unter dem Grase und unter dem Stein. Der Himmel breitet seinen Feuerschleier aus, als wollte er alles Geräusch ersticken, alle Existenzen umhüllen. Die Feldhühner unter dem Ginster, die Mücke unter dem Blatt entschlummern, wie die Welle unter dem Himmel.

Athos erblickte nur aus der Terrasse, zwischen dem zweiten und dritten Thurm, einen Soldaten, der etwas wie einen Speisekorb auf dem Kopfe trug. Dieser Mensch kehrte beinahe augenblicklich wieder ohne Korb zurück und verschwand im Schatten des Schilderhauses.

Athos begriff, daß dieser Mann Jemand zu essen brachte, und daß er, nachdem er seinen Dienst verrichtet, zurückkam, um selbst zu speisen.

Plötzlich hörte er sich rufen, und als er ausschaute, erblickte er im Rahmen des Gitters von einem Fenster etwas Weißes wie eine Hand, die sich bewegte, etwas Blendendes, wie eine Waffe, auf welche die Sonnenstrahlen fielen.

Und ehe er sich klar gemacht hatte, was er gesehen, lenkte ein leuchtender Strich, begleitet von einem Zischen in der Lust, seine Aufmerksamkeit von dem Thurme nach der Erde.

Man vernahm ein zweites mattes Geräusch, und

Raoul lies weg und hob eine silberne Platte aus, welche bis aus den ausgetrockneten Sand gerollt, war.

Die Hand, die diese Platte geschleudert hatte, machte dem Grafen und seinem Sohne ein Zeichen und verschwand dann.

Athos und Raoul näherten sich nun einander, betrachteten aufmerksam die vom Staube befleckte Platte, und sie entdeckten aus dem Grunde mit einer Messerspitze geschriebene Charaktere.

»Ich bin,« sagte die Inschrift, »der Bruder des Königs von Frankreich, heute Gefangener, morgen wahnsinnig. Französische Edelleute und Christen, betet zu Gott für die Seele und die Vernunft des Sohnes Eurer Gebieter!«

Die Platte entfiel den Händen von Athos, während Raoul den geheimnißvollen Sinn dieser finsteren Worte zu ergründen suchte.

In demselben Augenblick ertönte ein Schrei oben vom Thurme herab. Rasch wie der Blitz, bückte Raoul den Kopf und nöthigte seinen Vater, sich auch zu bücken. Ein Musketenlauf hatte auf dem Kamme der Mauer geglänzt. Ein weißer Rauch drang wie ein Federbusch bei der Mündung der Muskete hervor, und eine Kugel plattete sich aus einem Steine, sechs Zoll von den beiden Edelleuten, ab. Eine andere Muskete erschien und senkte sich.

»Alle Teufel!« rief Athos, »ermordet man die Leute hier? Kommt herab, Ihr feigen Bursche.«

»Ja, kommt herab!« rief Raoul wüthend, indem er die Faust gegen das Schloß ausstreckte.

Einer von den Angreifenden, derjenige, welcher gerade mit seiner Muskete zu schießen im Begriff war, antwortete auf diese Schreie durch einen Ausruf des Erstaunens, und als sein Gefährte seinen Angriff fortsetzen wollte und die Muskete wieder geladen und gespannt anlegte, so hob der, welcher gerufen hatte, das Gewehr in die Höhe, und der Schuß ging in die Luft.

 

Athos und Raoul, als sie sahen, daß man verschwand, dachten, man würde zu ihnen kommen, und warteten festen Fußes.

Es waren noch nicht fünf Minuten vergangen, als das Rasseln des Schlägels aus der Trommel die acht Soldaten der Garnison zusammenrief und diese am andern Rande des Grabens mit ihren Musketen erschienen.

An der Spitze dieser Leute stand ein Officier, welchen der Vicomte von Bragelonne als denjenigen erkannte, der zuerst geschossen hatte. Dieser Mann befahl den Soldaten, sich fertig zu machen.

»Wir werden erschossen werden,« rief Raoul. »Den Degen wenigstens in die Hand, und springen wir über den Graben! Wir werden wohl jeder einen von diesen Schuften tödten, wenn ihre Musketen leer sind.«

Und schon stürzte Raoul, die Bewegung mit dem Rathe verbindend, gefolgt von Athos, vorwärts, als eine wohlbekannte Stimme hinter ihnen erscholl.

»Athos! Raoul!« rief diese Stimme.

»D’Artagnan!« erwiederten die zwei Edelleute.

»Schultert das Gewehr, Mordioux!« rief der Kapitän den Soldaten zu. »Ich war dessen, was ich sagte, sicher!«

Die Soldaten schulterten ihre Musketen.

»Was geschieht uns denn?« fragte Athos. «Wie! man erschießt uns nur so gerade zu, ohne uns zu warnen!«

»Ich war im Begriff, Euch niederzuschießen erwiederte d’Artagnan, »und wenn Euch der Gouverneur gefehlt hat, ich hätte Euch nicht gefehlt, meine lieben Freunde. Welch ein Glück, daß ich die Gewohnheit habe, lange zu zielen, statt instinctartig zu schießen! Ich glaubte Euch zu erkennen. Ah! meine theuren Freunde, welch ein Glück!« wiederholte d’Artagnan.

Und er wischte sich die Stirne ab, denn er war rasch gelaufen, und die Aufregung war bei ihm nicht geheuchelt.

»Wie!« sagte der Graf, »der Herr, der aus uns geschossen hat, ist der Gouverneur der Festung?«

»In Person.«

»Und warum schoß er auf uns? was haben wir ihm gethan?«

»Bei Gott! Ihr habt das aufgenommen, was Euch der Gefangene zugeworfen.«

»Das ist wahr!«

»Die Platte . . . nicht wahr, der Gefangene hatte etwas daraus geschrieben?«

»Ja.«

»Ich vermuthete es. Ah! mein Gott!«

Mit allen Zeichen einer tätlichen Bangigkeit ergriff d’Artagnan die Platte, um zu lesen, was daraus geschrieben war. Als er gelesen hatte, überzog die Blässe sein ganzes Gesicht.

»Oh! mein Gott!« wiederholte er.

»Es ist also wahr?« fragte Athos halblaut, »es ist also wahr?«

»Stille! der Gouverneur kommt.«

»Und was wird er uns thun? Ist das unsere Schuld?«

»Stille! sage ich Euch! Glaubt man, Ihr könnet lesen, denkt man, Ihr habet begriffen . . . ich liebe Euch sehr, theure Freunde, ich würde mich für Euch tödten lassen . . . aber . . . «

»Aber . . . « sagten Athos und Raoul.

»Aber ich würde Euch nicht von einem ewigen Gefängnis retten, wenn ich Euch vom Tode rettete. Stille also!«

Der Gouverneur kam, er war aus einem Brückchen von Brettern über den Graben gegangen.

»Nun!« rief er d’Artagnan zu, »was hält uns auf?«

»Ihr seid Spanier, Ihr versteht nicht ein Wort Französisch,« sagte rasch der Kapitän zu seinen Freunden.

»Nun!« erwiederte er, sich an den Gouverneur wendend, »diese Herren sind zwei spanische Kapitäne, welche ich im vorigen Jahre in Ypres habe kennen lernen. Sie verstehen kein Wort Französisch.«

»Ah!« machte aufmerksam der Gouverneur, und er suchte, die Inschrift der Platte zu lesen.

D’Artagnan nahm sie ihm aus den Händen und vertilgte die Charaktere mit der Spitze seines Degens.

»Wie!« rief der Gouverneur, »was macht Ihr? Ich soll also nicht lesen?«

»Das ist das Staatsgeheimniß,« erwiederte d’Artagnan gerade heraus, »und da Ihr wißt, daß nach dem Befehle des Königs Todesstrafe gegen Jeden darauf gesetzt ist, der es ergründen wird, so will ich gestatten, daß Ihr leset, und Euch sogleich hernach erschießen lassen.«

Während dieser halb ernsten, halb ironischen Rede beobachteten Athos und Raoul ein Stillschweigen voll Kaltblütigkeit.

»Aber es ist nicht möglich, daß diese Herren nicht wenigstens ein paar Worte verstehen.«

»Laßt das doch! selbst wenn sie verständen, was man spricht, würden sie nicht lesen, was man schreibt; sie würden es nicht einmal in spanischer Sprache lesen. Ein edler Spanier, erinnert Euch dessen wohl, darf nie lesen können.«

Der Gouverneur mußte sich mit diesen Erklärungen begnügen; aber er war zäh.

»Ladet diese Herren ein, in das Fort zu kommen,« sagte er.

»Das will ich gern, denn ich war im Begriff, es Euch vorzuschlagen,« erwiederte d’Artagnan.

Der Kapitän hatte in Wahrheit einen ganz andern Gedanken, und er würde gern seine Freunde hundert Meilen entfernt gesehen haben. Aber er war genöthigt, festzuhalten,, und richtete in spanischer Sprache an die beiden Edelleute eine Einladung, welche diese annahmen.

Man wandte sich nach dem Eingang des Fort, und da der Vorfall abgethan war, so kehrten die acht Soldaten zu ihrer, einen Augenblick durch dieses unerhörte Abenteuer gestörten, süßen Muße zurück.