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Der Graf von Bragelonne

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»Nun, wie? antwortet,« sagte Anna von Oesterreich.

»Was für ein Geräusch ist das?« fragte Philipp, indem er sich nach der Thüre der Geheimtreppe wandte. Und man hörte eine Stimme rufen:

»Hierher! hierher! noch ein paar Stufen, Sire!«

»Die Stimme von Herrn Fouquet,« sagte d’Artagnan, der bei der Königin-Mutter stand.

»Herr d’Herblay dürfte nicht fern sein,« fügte Philipp bei. Doch er sah nun, was er so nahe bei sich zu sehen entfernt nicht erwartete.

Aller Augen waren der Thüre zugewendet, durch welche Herr Fouquet eintreten sollte; aber er war es nicht, der eintrat.

Ein furchtbarer Schrei drang aus allen Ecken des Gemaches hervor, ein schmerzlicher Schrei, ausgestoßen vom König und den Anwesenden.

Es ist den Menschen nicht gegeben, selbst denen nicht, deren Geschick am meisten seltsame Elemente und wunderbare Vorkommnisse enthält, ein Schauspiel zu betrachten, wie das, welches das königliche Gemach in diesem Augenblick bot.

Die halb geschlossenen Läden ließen nur ein Ungewisses, durch große, mit einer dichten Seide gefütterte Sammetvorhänge gedämpftes Licht eindringen.

In diesem weichen Halbschatten hatten sich allmälig die Augen erweitert, und Jeder von den Anwesenden sah die Anderen mehr mit dem Vertrauen, als mit dem Blick. Man gelangt indessen unter solchen Umständen dazu, daß man sich keine von den Einzelheiten der Umgebung entgehen läßt, und der Gegenstand, der sich darbietet, erscheint leuchtend, als ob die Sonnenstrahlen darauf fielen.

Dies geschah Ludwig, als er sich, bleich und die Stirne gefaltet, unter dem Thürvorhange der Geheimtreppe zeigte.

Fouquet ließ hinter ihm sein Gesicht mit dem Gepräge der Strenge und der Traurigkeit sehen.

Die Königin-Mutter, welche Ludwig XIV. erblickte und Philipp bei der Hand hielt, stieß einen Schrei aus, wie sie es, ein Gespenst erschauend, gethan hätte

Monsieur hatte eine Art von Blendung und wandte den Kopf von demjenigen der zwei Könige, den er von Gesicht sah, zu demjenigen, an dessen Seite er stand,

Madame machte einen Schritt vorwärts, sie glaubte in einem Spiegel den Widerschein ihres Schwagers zu sehen.

Die Täuschung war wirklich möglich.

Die zwei Prinzen, Beide entstellt, denn wir verzichten daraus, den furchtbaren Schrecken von Philipp zu schildern, Beide zitternd. Beide krampfhaft die Faust ballend, maßen sich mit dem Blicke und tauchten ihre Augen wie Dolche einander in die Seele. Stumm, keuchend, gebückt, schienen sie bereit, aus einen Feind loszustürzen.

Diese unerhörte Ähnlichkeit des Gesichtes, der Geberde, des Wuchses, Alles bis aus die vom Zufall entschiedene Aehnlichkeit der Kleidung, denn Ludwig hatte im Louvre ein Kleid von veilchenblauem Sammet genommen, diese vollkommene Analogie der zwei Prinzen zertrümmerte vollends das Herz von Anna von Oesterreich.

Dennoch errieth sie die Wahrheit noch nicht. Es gibt Unglücksfälle, die Niemand im Leben annehmen will. Man glaubt lieber an das Uebernatürliche, an das Unmögliche.

Ludwig hatte nicht aus diese Hindernisse gerechnet. Er erwartete, allein eintretend erkannt zu werden. Eine lebende Sonne, duldete er nicht den Verdacht einer Gleichheit mit was es auch sein mochte. Er gab nicht zu, daß jede Fackel nicht in dem Augenblick zur Finsterniß würde, wo er seinen königlichen Strahl glänzen ließe.

Bei dem Anblick von Philipp war er auch vielleicht mehr erschrocken, als jeder Andere um ihn her, und sein Stillschweigen, seine Unbeweglichkeit waren die Zeit der Sammlung und der Ruhe, welche heftigen Zornausbrüchen vorhergeht.

Aber Fouquet! wer vermöchte seine Erschütterung und sein Erstaunen in Gegenwart dieses lebendigen Ebenbildes seines Herrn zu schildern! Fouquet dachte, Aramis habe Recht, dieser neue König sei ein König, der eben so rein in seiner Race als der andere, und um jede Theilnahme an dem von dem Jesuitengeneral so geschickt ausgeführten Staatsstreiche zurückgewiesen zu haben, müsse man enthusiastischer Thor und unwürdig sein, seine Hände je in ein politisches Werk zu tauchen.

Um, dann war es das Blut von Ludwig XIII., was Fouquet dem Blute von Ludwig XIII. opferte; einem selbstsüchtigen Ehrgeiz opferte er einen edlen Ehrgeiz; dem Rechte, zu erhalten, opferte er das Recht, zu haben.

Die ganze Ausdehnung seines Fehlers ward ihm durch den Anblick des Prätendenten allein enthüllt.

Alles was in dem Geiste von Fouquet vorging, war für die Anwesenden verloren. Er hatte fünf Minuten, um seine Betrachtungen über diesen Punkt des Gewissensfalls zu concentriren; fünf Minuten, das heißt fünf Jahrhunderte, während welcher die zwei Könige und ihre Familie kaum Zeit fanden, von einem so furchtbaren Schlag aufzuathmen.

An die Wand angelehnt, Fouquet gegenüber, die Faust vor seiner Stirne, fragte sich d’Artagnan nach der Ursache eines so seltsamen Wunders. Er hätte nicht aus der Stelle sagen können, warum er zweifelte, aber er wußte sicherlich, daß er Recht gehabt, zu zweifeln, und daß in diesem Zusammentreffen der zwei Ludwig XlV. die ganze Schwierigkeit lag, welche während der letzten Tage das Benehmen von Aramis dem Musketier so verdächtig gemacht hatte.

Indessen waren diese Ideen mit dichten Schleiern umhüllt. Die Schauspieler dieser Scene schienen in den Dünsten eines schwerfälligen Erwachens zu schwimmen.

Ungeduldiger und mehr an das Befehlen gewöhnt, lies Ludwig XIV. plötzlich an einen der Läden und öffnete ihn, die Vorhänge zerreißend. Eine Woge lebhaften Lichtes drang in das Zimmer und machte Philipp bis zum Alcoven zurückweichen.

Diese Bewegung ergriff Ludwig mit Eifer, und er rief, sich an die Königin wendend:

»Meine Mutter, erkennt Ihr Euren Sohn nicht, da Jeder hier seinen König verkannt hat!«

Anna von Oesterreich bebte und hob ihre Arme zum Himmel empor, ohne ein Wort aussprechen zu können.

»Meine Mutter,« sagte Philipp mit ruhiger Stimme, »erkennt Ihr Euren Sohn nicht?«

Und diesmal wich Ludwig seinerseits zurück.

Durch den Gewissensbiß im Kopfe und im Herzen getroffen, verlor Anna von Oesterreich das Gleichgewicht. Da sie Niemand unterstützte, denn Alle waren versteinert, sank sie, einen schwachen Seufzer ausstoßend, in ihren Lehnstuhl.

Ludwig konnte dieses Schauspiel und diese Schmach nicht aushalten. Er sprang auf d’Artagnan zu, der, vom Schwindel erfaßt, an der Thüre, seinem Stützpunkte, hinstreifend wankte.

»Herbei, Musketier!« rief er: »Schaut uns ins Gesicht und seht, welcher von uns bleicher ist.«

Dieser Ruf erweckte d’Artagnan und rührte in seinem Herzen die Fiber des Gehorsams. Er schüttelte seine Stirne, ging, ohne ferner zu zögern, auf Philipp zu, legte ihm die Hand aus seine Schulter und sprach:

»Mein Herr, Ihr seid mein Gefangener.«

Philipp schlug die Augen nicht zum Himmel auf, er rührte sich nicht von der Stelle, wo er, den Blick tief aus seinen Bruder, den König, geheftet, wie an den Boden angeklammert stand. Er warf ihm in einem erhabenen Stillschweigen all sein vergangenes Unglück, alle seine Qualen in der Zukunft vor. Gegen diese Sprache der Seele fühlte der König keine Kraft mehr in sich; er schlug die Augen nieder, zog hastig seinen Bruder und seine Schwägerin fort, und vergaß dabei seine Mutter, welche bewegungslos drei Schritte von dem Sohn ausgestreckt lag, den sie abermals zum Tode verurtheilen ließ.

Philipp näherte sich Anna von Oesterreich und sprach zu ihr mit sanfter, aber bewegter Stimme:

»Wäre ich nicht Euer Sohn, so würde ich Euch verfluchen, daß Ihr mich so unglücklich gemacht.«

D’Artagnan fühlte einen Schauer das Mark seiner Knochen durchziehen. Er grüßte ehrfurchtsvoll den Prinzen und sprach halb gebückt zu ihm:

»Entschuldigt mich, Monseigneur, ich bin nur ein Soldat, und meine Schwüre gehören demjenigen, welcher soeben dieses Zimmer verläßt.«

»Ich danke, Herr d’Artagnan. Doch was ist aus Herrn d’Herblay geworden?«

»Herr d’Herblay ist in Sicherheit, Monseigneur,« sprach eine Stimme hinter ihnen, »und Niemand, so lange ich lebe oder frei bin, wird ein Haar von seinem Haupte fallen machen.«

»Herr Fouquet,« sagte der Prinz traurig lächelnd.

»Verzeiht mir, Monseigneur,« sprach Fouquet niederknieend, »derjenige, welcher so eben von hier weggegangen ist, war mein Gast.«

»Das sind brave Freunde und gute Herzen,« murmelte Philipp. »Sie machen, daß ich es bedaure, aus dieser Welt scheiden zu müssen. Geht, Herr d’Artagnan, ich folge Euch.«

In dem Augenblick, wo der Kapitän der Musketiere weggehen wollte, erschien Colbert, übergab d’Artagnan einen Befehl des Königs und entfernte sich wieder.

D’Artagnan las ihn und zerknitterte das Papier voll Wuth.

»Was gibt es?« fragte der Prinz.

»Leset, Monseigneur,« erwiederte der Musketier.

Philipp las folgende in Hast von der Hand von Ludwig XIV. geschriebene Worte:

»Herr d’Artagnan wird den Gefangenen nach der Insel Sainte-Marguerite führen. Er wird ihm das Gesicht mit einem eisernen Visir bedecken, das der Gefangene nur bei Verlust seines Lebens aufheben kann.«

»Ganz richtig,« sprach Philipp mit Resignation, »ich bin bereit.«

»Aramis hatte Recht,« flüsterte Fouquet dem Musketier zu: »dieser ist König so sehr, als der Andere.«

»Mehr!« erwiederte d’Artagnan. »Es fehlten ihm nur ich und Ihr.«

XXV.
Worin Porthos einem Herzogthum nachzulaufen glaubt

Die ihnen von Fouquet bewilligte Zeit benützend, machten Aramis und Porthos der französischen Cavalerie durch ihre Schnelligkeit Ehre.

Porthos begriff nicht, für welche Art von Sendung man ihn eine solche Geschwindigkeit zu entwickeln nöthigte; da er aber Aramis mit aller Hitze spornen sah, so spornte er mit Wuth.

Sie hatten so bald zwölf Meilen zwischen sich und Vaux; dann mußte man die Pferde wechseln und eine Art von Postdienst organisiren. Während eines Relais wagte es Porthos, Aramis bescheiden zu fragen:

 

»St!« erwiederte dieser, »erfahrt nur, daß unser Glück von unserer Schnelligkeit abhängt.«

Porthos jagte vorwärts, als wäre er noch der Musketier ohne Heller und Gepäcke von 1626 gewesen. Das magische Wort Glück bedeutet immer etwas für das menschliche Ohr. Es besagt Genug für diejenigen, welche Nichts haben; es bedeutet Zuviel für diejenigen, welche Genug haben.

»Man wird mich zum Herzog machen,« sagte Portos ganz laut. Er sprach mit sich selbst.

»Das ist möglich,« erwiederte aus seine Weise lächelnd Aramis, dem das Pferd von Porthos voranlief.

Der Kopf von Aramis stand indessen in Flammen; der Thätigkeit des Körpers war es noch nicht gelungen, die des Geistes zu überwältigen. Alles, was er an brausendem Zorn, an Schmerz mit den scharfen Zähnen, an tödtlichen Drohungen gibt, krümmte sich, und biß und brüllte im Kopfe des besiegten Prälaten.

Seine Physiognomie bot die sichtbaren Spuren dieses heftigen Kampfes. Frei, aus der Landstraße sich wenigstens den Eindrücken des Augenblickes zu überlassen, enthielt sich Aramis nicht, bei jedem Seitensprunge des Pferdes, bei jeder Ungleichheit des Weges zu fluchen. Bleich, bald von siedendem Schweiß übergossen, bald trocken und eiskalt, schlug er die Pferde und stachelte ihnen die Selten blutig.

Porthos seufzte darob, er, dessen Hauptfehler nicht die Empfindsamkeit war.

So rannten sie acht volle Stunden und gelangten nach Orleans.

Es war vier Uhr Nachmittags. Aramis, indem er seine Erinnerungen befragte, dachte, nichts beweise die mögliche Verfolgung.

Es wäre ohne Beispiel gewesen, daß man eine Truppe, welche fähig, Porthos und ihn festzunehmen, mit hinreichenden Relais versehen hätte, um vierzig Meilen in acht Stunden zurückzulegen. Die Verfolgung zugegeben, was nicht entschieden war, hatten somit die Flüchtlinge fünf gute Stunden vor den Verfolgern voraus.

Aramis dachte, ausruhen wäre keine Unklugheit, aber weiter reiten wäre ein glücklicherer Entschluß. In der That, zwanzig Meilen mehr mit dieser Geschwindigkeit geliefert, zwanzig Meilen verschlungen, und Niemand, nicht einmal d’Artagnan, könnte die Feinde des Königs einholen.

Aramis machte also Porthos den Kummer, wieder zu Pferde zu steigen. Man ritt bis um sieben Uhr Abends und hatte nur noch eine Post, um Blois zu erreichen.

Hier aber beunruhigte ein teuflischer Unstern Aramis. Es fehlte auf der Post an Pferden.

Der Prälat fragte sich, durch welche höllische Machination es seinen Feinden gelungen sei, ihn der Mittel, weiter zu gehen, zu berauben, ihn, der den Zufall nicht für einen Gott anerkannte, ihn, der für jedes Resultat seine Ursache fand; er wollte lieber glauben, die Weigerung des Postmeisters, zu einer solchen Stunde, in einer solchen Gegend, sei die Folge eines von oben ausgegangenen Befehls, eines Befehles, gegeben, um den Majestätmacher auf seiner Flucht aufzuhalten.

Doch in dem Augenblick, wo er auffahren wollte, entweder um eine Erklärung oder um ein Pferd zu erhalten, kam ihm ein Gedanke. Er erinnerte sich, daß der Gras de la Fère in der Gegend wohnte.

»Ich reise nicht,« sagte er, «ich mache keine ganze Post. Gebt mir zwei Pferde, um einen mir befreundeten Edelmann zu besuchen, der in der Nähe von hier wohnt.«

»Welchen Edelmann?« fragte der Postmeister.

»Den Herrn Grafen de la Fère.«

»Oh!« antwortete dieser Mann, indem er sich ehrfurchtsvoll entblößte, »ein würdiger Herr. Aber wie sehr ich auch ihm gefällig zu sein wünsche, so kann ich Euch doch keine zwei Pferde geben, da alle von meiner Post vom Herrn Herzog von Beaufort genommen sind.«

»Ah!« machte Aramis ärgerlich.

»Indessen,« fuhr der Postmeister fort, »wenn es Euch gefiele, in ein Wägelchen zu steigen, das ich besitze, so würde ich ein altes blindes Pferd anspannen, das nur noch seine Beine hat, aber Euch zu dem Herrn Grafen de la Fère führen könnte.«

»Das ist einen Louis d’or werth,« sagte Aramis.

»Nein, mein Herr, es ist nur einen Thaler werth, das ist der Preis, den mir Herr Grimaud, der Intendant des Herrn Grafen, bezahlt, so oft er sich meines Wägelchens bedient, und der Herr Graf soll mir nicht vorwerfen können, ich habe einen von seinen Freunden zu viel bezahlen lassen.«

»Nach Eurem Belieben,« sagte Aramis, »und besonders nach dem des Herrn Grafen de la Fère, welchem mißfällig zu sein ich mich wohl hüten werde. Ihr sollt Euren Thaler bekommen, nur habe ich das Recht, Euch einen Louis d’or für Euren Gedanken zu geben.«

»Allerdings,« erwiederte der Postmeister ganz freudig.

Und er spannte selbst sein altes Pferd an sein knarrendes Wägelchen.

Während dieser Zeit schaute Porthos neugierig. Er bildete sich ein, das Geheimniß entdeckt zu haben; er war vor Freude außer sich, einmal weil ihm der Besuch bei Athos besonders angenehm, und dann weil er der Hoffnung lebte, er würde zugleich ein gutes Abendbrod und ein gutes Bett bekommen.

Als der Postmeister vollends angespannt hatte, schlug er einen von seinen Knechten vor, um die Fremden nach Fère zu führen.

Porthos setzte sich mit Aramis aus den Rücksitz und sagte ihm ins Ohr:

»Ich begreife.«

»Ah! ah!« erwiederte Aramis, »was begreift Ihr denn, mein lieber Freund?«

»Wir gehen zu Athos, um ihm im Namen des Königs einen großen Antrag zu machen,«

»Bah!« rief Aramis.

»Sagt mir nichts,« fügte der gute Porthos bei, indem er fest genug Gleichgewicht zu halten suchte, um die Stöße zu vermeiden; »sagt mir nichts, ich werde errathen.«

»Gut! mein Freund, errathet, errathet!«

Man kam gegen neun Uhr Abends bei einem herrlichen Mondschein zu Athos.

Diese wunderbare Helle erfreute Porthos über allen Ausdruck. Aramis aber fühlte sich in einem beinahe gleichen Grade dadurch belästigt. Er bezeigte hiervon etwas Porthos, der ihm erwiederte:

»Gut! ich errathe abermals! die Sendung ist geheim.«

Das waren seine letzten Worte im Wagen. Der Kutscher unterbrach sie durch die Bemerkung:

»Meine Herren, Ihr seid an Ort und Stelle.«

Porthos und sein Gefährte stiegen vor dem Thore des kleinen Schlosses aus.

Hier finden wir Athos und Bragelonne wieder, welche Beide seit.der Entdeckung der Untreue von la Vallière verschwunden waren.

Gibt es ein Wort voll Wahrheit, so ist es dieses: Die großen Schmerzen enthalten in sich selbst den Keim ihres Trostes.

Die schmerzliche, Raoul beigebrachte Wunde hatte diesen seinem Vater näher gebracht, und Gott weiß, ob sie süß waren, die Tröstungen, welche von dem beredten Mund und dem edlen Herzen von Athos flossen.

Die Wunde hatte sich nicht vernarbt; aber dadurch, daß er viel mit seinem Sohne sprach, daß er ein wenig von seinem Leben in das des jungen Mannes mischte, hatte ihm Athos am Ende begreiflich gemacht, daß dieser Schmerz über die erste Untreue für jedes menschliche Dasein nothwendig sei, und daß Niemand geliebt habe, ohne ihn kennen zu lernen. Raoul horchte oft, er hörte nicht. Nichts ersetzt in dem lebhaft verliebten Herzen die Erinnerung und den Gedanken an den geliebten Gegenstand. Raoul antwortete dann seinem Vater:

»Mein Herr! Alles, was Ihr mir sagt, ist wahr; ich glaube, daß Niemand so viel, wie Ihr, durch das Herz gelitten bat, aber Ihr seid ein Mann, der zu groß durch den Verstand, zu sehr geprüft durch das Unglück, um nicht die Schwäche dem Soldaten zu gestatten, der zum ersten Male leidet. Ich bezahle einen Tribut, den ich nicht zweimal bezahlen werde; erlaubt mir, mich so tief in meinen Schmerz zu versenken, daß ich mich selbst vergesse, daß ich darin bis zu meiner Vernunft ertrinke.«

»Raoul! Raoul!«

»Höret, mein Herr, nie werde ich mich an den Gedanken gewöhnen, daß Louise, die keuscheste und unschuldigst? der Frauen, schändlicher Weise einen so redlichen und so innig liebenden Mann, wie ich bin, hat betrügen können; nie werde ich mich entschließen, diese so sanfte und so gute Maske in ein heuchlerisches und leichtfertiges Gesicht sich verwandeln zu sehen. Louise verloren! Louise ehrlos! Ah! mein Herr, das ist viel grausamer für mich, als Raoul verlassen, Raoul unglücklich!«

Athos wandte dann das heroische Mittel an. Er vertheidigte Louise gegen Raoul und rechtfertigte ihre Treulosigkeit durch ihre Liebe.

»Eine Frau, welche dem König nachgegeben hätte, weil er der König ist,« sagte er, »würde den Namen einer Schändlichen verdienen; aber Louise liebt Ludwig. Beide jung, haben sie vergessen, er seinen Rang, sie, ihre Schwüre. Die Liebe spricht Alles frei, Raoul. Die zwei jungen Leute lieben sich mit Offenherzigkeit.«

Und wenn er diesen Dolchstich gegeben hatte, sah Athos seufzend Raoul unter der grausamen Wunde aufspringen und in den dicksten Wald entfliehen oder sich in sein Zimmer flüchten, von wo er nach einer Stunde bleich, zitternd, aber gebändigt zurückkam. Da trat er aus Athos mit einem Lächeln zu und küßte ihm die Hand, wie der Hund, der geschlagen morden, einen guten Herrn liebkost, um seinen Fehler zu sühnen. Raoul verbarg nur seine Schwäche und gestand nur seinen Schmerz,

So vergingen die Tage, welche aus die Scene folgten, in der Athos so heftig an dem unbändigen Stolz des Königs gerüttelt hatte. Nie, wenn er mit seinem Sohne sprach, spielte er aus diese Scene an; nie erzählte er ihm die einzelnen Umstände von diesem kräftigen Ausfall, der vielleicht den jungen Mann, indem er ihm die Erniedrigung seines Nebenbuhlers gezeigt, getröstet hätte. Der beleidigte Liebhaber sollte nach dem Willen von Athos nicht die Achtung vor dem König verlieren.

Und wenn Bragelonne, glühend, wüthend, düster, mit Verachtung von den königlichen Worten sprach und von dem zweideutigen Glauben, den gewisse Narren aus dem vom Thron gefallenen Versprechen schöpfen; wenn, zwei Jahrhunderte mit der Schnelligkeit eines Vogels durcheilend, der über eine Meerenge hinfliegt, um von einer Welt zu einer andern zu gelangen, Raoul dazu kam, die Zeit zu weissagen, wo die Könige kleiner erscheinen würden, als die Menschen, da sprach Athos mit seiner klaren, überzeugenden Stimme:

»Ihr habt Recht, Raoul, Alles, was Ihr sagt, wird geschehen: die Könige werden ihren Zauber verlieren, wie ihre Helle die Sterne verlieren, die ihre Zeit durchgemacht haben. Aber wenn dieser Augenblick kommt, Raoul, werden wir todt sein; und erinnert ich stets wohl dessen, was ich sage: In dieser Welt müssen wir für Alle, Männer, Frauen und Könige, in der Gegenwart leben, wir müssen nur der Zukunft gemäß für Gott leben.«

Hiervon unterhielten sich wie immer Athos und Bragelonne, während sie die lange Lindenallee im Parke durchschritten, als plötzlich das Glöckchen ertönte, das dazu diente, dem Grafen entweder die Stunde des Mahle« oder einen Besuch zu verkündigen. Maschinenmäßig und ohne ein Gewicht daraus zu legen, kehrte er mit seinem Sohne zurück, und Beide fanden sich am Ende der Allee in Gegenwart von Porthos und Aramis.