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Der Graf von Bragelonne

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XIX.
Was Raoul errathen hatte

Als Raoul unter den zwei Ausrufungen, die ihm folgten, weggegangen war, befanden sich Athos und d’Artagnan einander gegenüber allein.

Athos nahm sogleich die eifrige Miene wieder an, die er bei der Ankunft von d’Artagnan hatte.

»Nun, mein Freund, was habt Ihr mir zu verkündigen?« fragte er.

»Ich?« erwiederte d’Artagnan.

»Allerdings Ihr. Man sieht Euch nicht so ohne Ursache.«

Athos lächelte.

»Ho! ho!« rief d’Artagnan.

»Ich will es Euch leicht machen, lieber Freund. Nicht wahr, der König ist wüthend?«

»Ich muß Tuch gestehen, daß er nicht zufrieden ist.«

»Und Ihr kommt . . . «

»In seinem Auftrag, ja.«

»Um mich zu verhaften?«

»Ihr habt es getroffen, theurer Freund.«

»Ich erwartete es. Vorwärts!«

»Ho! ho! was Teufels! wie hastig seid Ihr!«

»Ich befürchte, Euch in Verzug zu bringen,« versetzte Athos lächelnd.

»Ich habe Zeit. Seit Ihr nicht begierig, zu erfahren, wie sich die Dinge zwischen dem König und mir ereignet haben?«

»Wenn es Auch gefällig ist, mir das zu erzählen, so werde ich mit Vergnügen hören,« sprach Athos.

Und er wies d’Artagnan einen großen Lehnstuhl, in dem sich dieser bequem ausstreckte.

»Seht Ihr,« sagte d’Artagnan, »ich muß es mir behaglich machen, weil die Erzählung ziemlich interessant ist.«

»Ich höre.«

»Wohl! vor Allem ließ mich der König rufen.«

»Nach meinem Abgang?«

»Ihr stieget die letzten Stufen der Treppe hinab, wie mir die Musketiere gesagt haben. Ich kam. Mein Freund, er war nicht roth, sondern veilchenblau. Ich wußte noch nicht, was vorgefallen war. Nur sah ich aus dem Boden einen in zwei Stücke zerbrochenen Degen.«

»»Kapitän d’Artagnan!«« rief der König, als er mich erblickte.

»«Sire!«« erwiederte ich.

»»So eben geht Herr de la Fère von mir, der ein Unverschämter ist.««

»»Ein Unverschämter!«« rief ich mit einer solchen Betonung, daß der König rasch inne hielt.

»»Kapitän d’Artagnan,«« fuhr dann der König, die Zähne an einander pressend, fort, »»Ihr werdet mich anhören und mir gehorchen!««

»»Das ist meine Pflicht, Sire.««

»»Ich wollte diesem Herrn, für den ich einige gute Erinnerungen bewahre, die Schmach, ihn bei mit verhaften Zu lassen, ersparen.««

»»Ah!, ah!«« sagte ich ruhig·

»»Aber,«« sprach er, »»Ihr werdet einen Wagen nehmen!««

»Ich machte eine Bewegung.

»»Wenn es Euch widerstrebt, ihn selbst zu verhaften, schickt mir meinen Käpitän der Garden.««

»»Sire,«« erwiederte ich, »»es bedarf nicht des Kapitäne der Garden, da ich den Dienst habe.««

»»Ich wollte Euch nicht mißfällig sein, denn Ihr habt mir immer gut gedient, Herr d’Artagnan,«« sprach der König voll Güte.

»»Ihr seid mir nicht mißfällig, Sire,«« antwortete ich. »»Ich habe den Dienst, das ist das Ganze.««

»Aber mir scheint, der Graf ist Euer Freund,«« sagte der König erstaunt.

»»Wäre er mein Vater, Sire, so hätte ich nichtsdestoweniger den Dienst.«

»Der König schaute mich an, er sah, daß mein Gesicht unempfindlich, und schien zufrieden.

»»Ihr werdet also den Herrn Grafen de la Fère verhaften?«« fragte et.

»»Allerdings, Sire, wenn Ihr den Befehl gebt.««

»»Wohl! ich gebe Euch den Befehl.««

»Ich verbeugte mich.

»»Wo ist der Graf, Sire?««

»»Ihr werdet ihn suchen.««

»»Und ihn verhaften, wo er auch sein mag!««

»»Ja. Trachtet indessen danach, daß er sich zu Hause befindet. Sollte er aus seine Güter zurückkehren, so verlaßt Paris und nehmt ihn unter Weges.««

»Ich verbeugte mich, und da ich aus meinem Platze blieb, fragte der König:

»Nun!««

»»Ich warte, Sire.««

»»Worauf?««

»»Auf den unterzeichneten Befehl.««

»Das schien den König zu ärgern.«

»Es war in der That ein neuer Autoritätsstreich zu thun; er sollte den Willkührakt wiederholen, wenn hierbei überhaupt von einer Willkühr die Rede sein kann.

»Er nahm langsam und in übler Laune die Feder und schrieb: »»Befehl für den Herrn Chevalier d’Artagnan, Kapitän Lieutenant meiner Musketiere, den Herrn Grafen de la Fère, wo er ihn finden mag, zu verhaften.«« Dann wandte er sich gegen mich um.

»Ich wartete, ohne eine Miene zu verziehen. Ohne Zweifel glaubte er eine verhöhnende Prahlerei in meiner Ruhe zu sehen, denn er unterzeichnete rasch; übergab mir den Befehl und rief: »»Geht!««

»Ich gehorchte, und hier bin ich.«

Athos drückte seinem Freunde die Hand und sagte:

»Laßt uns gehen.«

»Oh!« entgegnete d’Artagnan. »Ihr habt wohl einige kleine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, ehe Ihr Eure Wohnung nur so verlaßt.«

»Ich? keines Wegs.«

»Wie?«

»Mein Gott! nein. Ihr wißt, d’Artagnan. ich war immer ein einfacher Wanderer auf Erden, bereit, auf den Befehl meines Königs an das Ende der Welt zu gehen, bereit, diese Welt mit der andern auf Befehl meines Königs zu vertauschen. Was braucht ein Mensch, der benachrichtigt ist? einen Mantelsack oder einen Sarg. Ich bin heute wie immer bereit, theurer Freund. Führt mich also weg.«

»Aber Bragelonne?«

»Ich habe ihn in den Grundsätzen, die ich mir selbst gemacht, erzogen, und Ihr seht, daß er als er Euch erblickte, auf der Stelle die Ursache errieth, die Euch hierher führte. Wir haben ihn einen Augenblick von der Fährte abgebracht, doch seid unbesorgt, er ist hinreichend daraus gefaßt, daß ich mir die Ungnade zugezogen, um nicht zu sehr darüber zu erschrecken. Gehen wir.«

»Gehen wir,« sprach d’Artagnan ruhig.

»Mein Freund,« sagte der Graf, »da ich meinen Degen beim König zerbrochen und ihm die Stücke vor die Füße geworfen habe, so überhebt mich dies, glaube ich, der Mühe, ihn Euch zu übergeben.«

»Ihr habt Recht, und was Teufels soll ich überdies mit Eurem Degen machen?«

»Geht man vor Euch oder hinter Euch?« fragte Athos lachend.

»Man geht an meinem Arme,« erwiederte d’Artagnan.

Er nahm den Arm des Grafen de la Fère, um mit ihm die Treppe hinabzugehen.

So kamen sie aus den Ruheplatz.

Grimaud, den sie im Vorzimmer getroffen, schaute diese Scene mit unruhiger Miene an. Er kannte das Leben zu genau, um nicht zu vermuthen, es stecke etwas Verborgenes hierunter.

»Ah! Du bist es, mein lieber Grimaud?« fragte Athos. Wir wollen . . . «

»Eine Spazierfahrt in meinem Wagen machen,« unterbrach d’Artagnan mit einer freundschaftlichen Kopfbewegung.

Grimaud dankte d’Artagnan durch eine Grimasse, die offenbar ein Lächeln zu sein beabsichtigte, und begleitete die zwei Freunde bis an den Kutschenschlag. Athos stieg zuerst ein: d’Artagnan folgte ihm, ohne etwas zum Kutscher gesagt zu haben. Ganz einfach und ohne eine andere Demonstration, erregte diese Abfahrt kein Aussehen in der Nachbarschaft. Als der Wagen die Ouais erreicht hatte, sagte Athos:

»Ihr führt mich nach der Bastille, wie ich sehe?«

»Ich?« versetzte d’Artagnan: »ich führe Euch, wohin Ihr wollt, und nicht anderswohin.«

»Wie so?« sagte der Graf erstaunt.

»Ihr begreift bei Gott! wohl, mein lieber Graf, daß ich den Auftrag nur übernommen habe, damit Ihr es nach Eurer Phantasie einrichten könnt. Ihr erwartet nicht, daß ich Euch nur so brutal, ohne alle Ueberlegung einsperren lasse. Hätte ich dies nicht vorhergesehen, so würde ich den Herrn Kapitän der Garden haben machen lassen.«

»Somit . . . « fragte Athos,

»Somit, ich wiederhole es Euch, gehen wir, wohin Ihr wollt.«

»Theurer Freund, daran erkenne ich Euch,« sprach Athos.

»Ei! mir scheint, das ist ganz einfach. Der Kutscher wird Euch an die Barrière du Cours-la-Reine führen; dort findet Ihr ein Pferd, das ich bereit zu halten besohlen habe; mit diesem Pferde macht Ihr drei Posten in einem Zuge, und ich werde bemüht sein, nicht eher zum König zurückzukehren, um ihm zu sagen, daß Ihr abgereist, als in dem Augenblick, wo es unmöglich ist, Euch einzuholen. Während dieser Zeit erreicht ihr das Havre, vom Havre England, wo Ihr das schöne Haus findet, das mir mein Freund Herr Monk geschenkt hat, abgesehen von der Gastfreundschaft, die Euch König Karl unfehlbar bieten wird. Nun! was sagt Ihr zu diesem Plane?«

Athos schüttelte den Kopf und erwiederte lächelnd:

»Führt mich in die Bastille.«

»Schlimmer Kopf! bedenkt doch.«

»Was?«

»Daß Ihr nicht mehr zwanzig Jahre alt seid. Glaubt mir, mein Freund, ich spreche nach meiner innigen Ueberzeugung. Ein Gefängnis! ist tödtlich für Leute von unserem Alter. Nein, nein, ich werde es nicht dulden, daß Ihr im Gefängnisse schmachtet. Es schwindelt mir, wenn ich nur daran denke.«

»Freund,« entgegnete Athos, »Gott hat mich zum Glück so stark von Körper, als von Geist gemacht. Glaubt mir, ich werde stark sein bis zu meinem letzten Seufzer.«

»Das ist keine Stärke, mein Freund, das ist Wahnsinn.«

»Nein, d’Artagnan, es ist hohe Vernunft. Glaubt nicht, daß ich entfernt mit Euch über die Frage streite, ob Ihr Euch zu Grunde richten würdet, wenn Ihr mich rettetet. Ich hätte gethan, was Ihr thut, hätte ich die Flucht zu meiner Verfügung gehabt. Ich würde also von Euch das angenommen haben, was Ihr unzweifelhaft unter ähnlichen Umständen von mir angenommen hättet. Nein, ich kenne Euch zu genau, um diesen Gegenstand nur obenhin zu berühren.«

»Oh! wenn Ihr mich gewähren ließet, wie würde ich den König Euch nachlaufen machen!«

»Er ist der König, theurer Freund.«

»Oh! das ist mir gleich, und obschon er der König ist, würde ich ihm doch geradezu antworten: »»Sire, kerkert Alles ein, verbannt, tödtet Alles in Frankreich und in Europa; befehlt mir, zu verhaften und zu erdolchen, wen Ihr wollt, und wäre es Euer Herr Bruder; rührt aber nie einen von den vier Musketieren an, oder Mordioux!««

»Lieber Freund,« erwiederte Athos ruhig, »ich möchte Euch gern von Einem überzeugen, nämlich davon, daß ich verhaftet zu werden wünsche; es ist mir über Alles an einer Verhaftung gelegen.«

 

D’Artagnan machte eine Bewegung mit den Schultern.

»Was wollt Ihr?« fuhr Athos fort, »es ist so; ließet Ihr mich gehen, so käme ich von selbst zurück und stellte mich als Gefangener. Ich will diesem jungen Mann, den der Glanz seiner Krone schwindelig macht, beweisen, er sei der erste der Menschen nur unter der Bedingung, daß er zugleich der großmüthigste und weiseste derselben. Er bestraft mich, er kerkert mich ein, er martert mich, gut! Er treibt Mißbrauch mit seiner Gewalt, und ich will ihn erfahren lassen, was ein Gewissensbiß ist, bis Gott ihn lehrt, was eine Züchtigung ist.«

»Mein Freund,« sprach d’Artagnan, »ich weiß zu sehr, daß es, wenn Ihr nein gesagt habt, nein ist. Ich dringe nicht länger in Euch. Wollt Ihr in die Bastille gehen?«

»Ich will es.«

»Gehen wir dahin! . . . Nach der Bastille!« rief d’Artagnan dem Kutscher zu.

Und er warf sich in den Wagen zurück und kaute an seinem Schnurrbart mit einer Heftigkeit, welche für Athos einen gefaßten oder in der Geburt begriffenen Entschluß bezeichnete.

Es herrschte ein Stillschweigen in dem Wagen, der fortwährend rollte, jedoch nicht schneller, nicht langsamer. Athos nahm den Musketier bei der Hand und fragte:

»Ihr seid nicht ärgerlich.über mich, d’Artagnan?«

»Ich? ei! bei Gott, nein! Was Ihr aus Heldenmuth thut, hätte ich aus Halsstarrigkeit gethan.«

»Doch nicht wahr, Ihr seid wohl der Ansicht, Gott werde mich rächen, d’Artagnan?«

»Und ich kenne aus Erden Leute, die Gott unterstützen werden.«

XX.
Drei Tischgenossen, die sich wundern, daß sie mit einander zu Nacht speisen

Der Wagen kam vor das erste Thor der Bastille. Eine Schildwache hielt ihn an, doch d’Artagnan hatte nur ein Wort zu sagen, um Einlaß zu erlangen.

Während man dem bedeckten Wege folgte, Her nach dem Hose des Gouvernement führte, rief d’Artagnan, dessen Luchsauge Alles, selbst durch die Wände, sah, plötzlich:

»Ei! was sehe ich?«

»Gut!« sagte Athos ruhig, »was seht Ihr, mein Freund?«

»Schaut doch dorthin.«

»In den Hof?«

.,Ja, geschwinde, beeilt Euch.«

»Nun! ein Wagen.«

»Wohl!«

»Ein armer Gefangener, wie ich, den man bringt.«

»Das wäre zu spaßhaft!«

»Ich verstehe Euch nicht.«

»Schaut eiligst, wer derjenige ist, welcher aus dem Wagen steigt.«

In diesem Augenblick hielt eine zweite Schildwache d’Artagnan an. Die Förmlichkeiten wurden abgethan. Athos konnte aus hundert Schritte den Mann sehen, den ihm sein Freund bezeichnet hatte.

Dieser Mann stieg wirklich gerade vor der Thüre des Gouvernement aus dem Wagen.

»Nun! fragte d’Artagnan, »Ihr seht ihn?«

»Ja, es ist ein Mann in grauem Kleide.«

»Was sagt Ihr dazu?«

»Ich weiß es nicht, es ist, wie ich Euch sage, ein Mann in grauem Kleide, der aus dem Wagen steigt.«

»Athos, ich würde wetten, daß er es ist.«

»Wer, er?«

»Aramis.«

»Aramis, verhaftet? unmöglich!«

»Ich sage nicht, er sei verhaftet, da wir ihn allein in seinem Wagen sehen.«

»Was macht er denn hier?«

»Oh! er kennt Baisemeaux, den Gouverneur,« erwiederte der Musketier mit hinterhältischem Tone. »Meiner Treue! wir kommen zu rechter Zeit.«

»Wozu?«

»Um zu sehen.«

»Dieses Zusammentreffen ist mir unangenehm; Aramis, wenn er mich steht, wird er sich ärgern, einmal, daß er mich sieht, und dann, daß er gesehen wird.«

»Gut geurtheilt.«

»Leider gibt es kein Mittel dagegen: trifft man Einen in der Bastille, so ist es unmöglich, ihn zu vermeiden, wollte man auch zurückweichen.«

»Ich habe meinen Gedanken, Athos; wir müssen Aramis den Aerger von dem Ihr sprecht, ersparen.«

»Wie dies?«

»Wie ich Euch sagen werde, oder, um mich besser zu erklären, laßt mich die Sache aus meine Weise erzählen, ich empfehle Euch nicht, zu lügen, denn das wäre Euch unmöglich.«

»Nun also?«

»Ich werde für zwei lügen; bei der Natur und der Gewohnheit des Gascogners ist dies so leicht!«

Athos lächelte. Der Wagen hielt an, wo der, den wir bezeichnet, angehalten hatte, nämlich vor der Schwelle des Gouvernement.

»Das ist abgemacht,« sagte d’Artagnan leise zu seinem Freunde.

Athos willigte durch eine Geberde ein. Sie stiegen die Treppe hinaus. Wundert man sich über die Leichtigkeit, mit der sie in die Bastille hereingekommen waren, so wird man sich erinnern, daß beim ersten Eingang, das heißt bei der schwierigsten Stelle, d’Artagnan gesagt hatte, er bringe einen Staatsgefangenen.

Bei der dritten Thüre im Gegentheil, als er einmal völlig herein war, sagte er nur zu der Schildwache:

»Zu Herrn von Baisemeaux.«

Und Beide gingen vorbei. Bald waren sie im Speisesaal des Gouverneur, wo das erste Gesicht, das d’Artagnan in die Augen fiel, das von Aramis war, der neben Baisemeaux saß und auf die Ankunft eines guten Mahles wartete, dessen Geruch die ganze Wohnung durchdampfte.

Spielte d’Artagnan den Erstaunten, so spielte ihn Aramis nicht; er bebte, als er seine zwei Freunde sah, und die Erschütterung war bei ihm sichtbar.

Athos und d’Artagnan machten indessen ihre Komplimente, und erstaunt, bestürzt, über die Gegenwart dieser drei Gäste, begann Baisemeaux tausend Schwenkungen um sie.

»Ah!« sagte Aramis, »durch welchen Zufall . . . «

»Das fragen wir Euch . . . « erwiederte d’Artagnan.

»Stellen wir uns Alle als Gefangene?« rief Aramis Heiterkeit heuchelnd.

»Ei! ei!« versetzte d’Artagnan, »die Wände riechen allerdings teufelsmäßig nach dem Gefängnis. Herr Baisemeaux, Ihr wißt, daß Ihr mich vor einiger Zeit zum Mittagessen eingeladen habt.«

»Ich?« rief Baisemeaux.

»Ah! man sollte wahrhaftig glauben, Ihr fallet aus den Wolken. Ihr erinnert Euch nicht?«

Baisemeaux erbleichte, erröthete, schaute Aramis an, der ihn anschaute, und stammelte am Ende:

»Gewiß . . . ich bin entzückt . . . aber auf Ehre . . . ich kann mich nicht . . . Ah! mein elendes Gedächtniß!«

»Ei! ich habe Unrecht,« sagte d’Artagnan, wie ein Mensch, der sich ärgert. »Unrecht! worin?«

»Darin, daß ich mich erinnere, wie es scheint.«

Baisemeaux stürzte aus ihn zu und rief:

»Seid nicht ungehalten, lieber Kapitän! ich bin der ärmste Kopf des Königreichs. Führt mich von meinen Tauben und aus meinem Taubenschlag weg, und ich bin nicht so viel werth, als ein Soldat von sechs Wochen.«

»Doch Ihr erinnert Euch nun?« fragte d’Artagnan mit Nachdruck.

»Ja, ja,« erwiederte zögernd der Gouverneur, »ich erinnere mich.«

»Es war beim König, Ihr erzähltet mir, ich weiß nicht was für, Geschichten über Eure Rechnungen mit den Herren Louvières und Tremblay.«

»Ah! ja, ja.«

»Und über die Güte von Herrn d’Herblay für Euch.«

»Ah!« rief Aramis, dem Gouverneur ins Weiße der Augen schauend, »Ihr sagtet, Ihr hättet kein Gedächtnis, Herr von Baisemeaux!«

Dieser unterbrach den Musketier.

»Wie denn! es ist so; Ihr habt Recht. Es ist mir, als wäre ich noch dort. Ich bitte tausend Millionenmal um Verzeihung. Doch merkt Euch wohl, lieber Herr d’Artagnan, zu dieser Stunde wie in anderen, gebeten oder nicht gebeten, seid Ihr der Herr in meinem Hause, Ihr und Herr d’Herblay, Euer Freund,« sagte er sich gegen Aramis wendend, »und dieser Herr,« fügte er, Athos grüßend, bei.

»Ich dachte mir dies Alles, und darum kam ich,« erwiederte d’Artagnan. »Da ich diesen Abend im Palais-Royal nichts zu thun habe, so wollte ich Eure Hausmannskost versuchen, als ich unter Weges den Herrn Grafen traf.«

Athos verbeugte sich.

»Der Herr Graf, der eben von Seiner Majestät kam, übergab mir einen Befehl, der schleunigen Vollzug heischt. Ich war in der Nähe von hier und wollte meinen Gang fortsetzen, und wäre es nur, um Euch die Hand zu drücken und Euch diesen Herrn vorzustellen, von dem Ihr so vortheilhaft beim König sprachet, . . . an demselben Abend, wo . . . «

»Sehr gut! sehr gut! nicht wahr, der Herr Graf de la Fère?«

»Ganz richtig.«

»Der Herr Graf ist willkommen.«

»Und er wird mit Euch Beiden speisen, nicht wahr? indeß ich, ein armer Leithund, meinem Dienst nachlaufe. Ihr seid glückliche Sterbliche!« fügte er mit einem Seufzer bei, wie ihn nur Porthos hätte ausstoßen können.

»Ihr geht also weg?« fragten Aramis und Baisemeaux in einem und demselben freudigen Gefühl des Erstaunens.

D’Artagnan faßte diese Nuance auf und antwortete:

»Ich lasse Euch statt meiner einen edlen und guten Gast.«

Und er klopfte sanft Athos aus die Schulter, der auch erstaunte und sich nicht enthalten konnte, ihm dies, ein wenig kundzugeben, eine Nuance, die nur von Aramis allein aufgefaßt wurde, denn Baisemeaux war nicht von der Stärke der drei Freunde.

»Wie! wir verlieren Euch?« sprach der gute Gouverneur.

»Ich bitte Euch um eine oder um anderthalb Stunden. Zum Nachtisch komme ich zurück.«

»Oh! wir werden warten,« sagte Baisemeaux.

»Ihr würdet mir damit keinen Gefallen thun.«

»Ihr kommt zurück?« fragte Athos mit einer Miene des Zweifels.

»Sicherlich,« erwiederte d’Artagnan, indem er ihm vertraulich die Hand drückte; und er fügte leise bei: «Wartet aus mich, Athos, seid heiter, und sprecht um Gotteswillen nicht von den Angelegenheiten.«

Ein neuer Druck der Hand bestärkte Athos in der Verbindlichkeit, verschwiegen und undurchdringlich zu sein.

Baisemeaux geleitete d’Artagnan bis zur Thüre zurück.

Aramis bemächtigte sich unter vielen Liebkosungen der Person von Athos, entschlossen, diesen sprechen zu machen; Athos besaß aber alle Tugenden in ihrem höchsten Grad. Erforderte es die Notwendigkeit, so wäre er der erste Redner der Welt gewesen, .unter andern Umständen wäre er eher gestorben, als daß er eine Sylbe gesprochen hätte.

Diese drei Herren setzten sich also zehn Minuten nach dem Abgang von d’Artagnan an einen guten, breiten, mit dem wesenhaftesten gastronomischen Luxus versehenen Tisch. Die schweren Tafelstücke, die Conserven, die wechselreichsten Weine erschienen nach und nach aus diesem aus des Königs Kosten bestellten Tisch, an dessen Ausgabenrechnung Herr Colbert leicht zwei Drittel zu ersparen gewußt hätte, ohne irgend Jemand in der Bastille abmagern zu lassen.

Baisemeaux war der Einzige, der entschlossen aß und trank. Aramis schlug nichts aus und nippte von Allem; Athos berührte nach der Suppe und den drei Zwischengerichten nichts mehr.

Das Gespräch war das, was es bei drei in Laune und Plänen einander so entgegengesetzte Männern sein mußte.

Aramis fragte sich unabläßig, in Folge von welchen seltsamen Umständen Athos sich bei Baisemeaux fände, während d’Artagnan nicht mehr da wäre, und warum d’Artagnan sich nicht mehr hier befände, indeß Athos geblieben. Athos durchhöhlte die ganze Tiefe des Geistes von Aramis, der von Listen und Intriguen lebte; er schaute seinen Mann wohl an und witterte, daß er mit einem wichtigen Plan beschäftigt war. Dann concentrirte er sich auch in seine eigenen Interessen, und fragte sich, warum d’Artagnan aus der Bastille so sonderbar schnell weggegangen sei und hier einen so schlecht eingeführten und ebenso schlecht eingesperrten Gefangenen zurückgelassen habe.

Doch wir werden nicht bei diesen Personen mit unserer Prüfung verweilen. Wir überlassen sie sich selbst vor den Trümmern von Kapaunen> Feldhühnern und durch das freigebige Messer von Baisemeaux verstümmelten Fischen.

Derjenige, welchen wir verfolgen werden, ist d’Artagnan, der wieder in den Wagen stieg, welcher ihn gebracht hatte, und dem Kutscher zurief:

»Zum König, was die Pferde laufen können!«