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Der Geflügelschütze

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»Ich danke Ihnen, Henin,« sagte der junge Mann, indem er sich wieder ankleidete, wie es ihm der gute Steuermann gerathen; »aber ich habe mehrmals Gelübde abgelegt, unter anderen. Das, nicht wieder in ein Kaffeehaus zu gehen.«

»Bei meiner Pfeife! Man soll nicht sagen, daß wir uns an einem solchen Tage so getrennt, und Sie müssen zu mir kommen; Sie sind zu weit von Ihrem Häuschen, um wegen einer warmen Suppe dorthin zu gehen!«

»Ich muß indessen dorthin zurückkehren, Maitre Jacques,« sagte Alain, »denn dies ist eine dunkle Nacht, und ich habe diesen Abend den Strich verfehlt. Zufällig geht der Mond um elf Uhr auf, und ich könnte die verlorne Zeit wieder einholen.«

Nun, wenn es sein muß, obgleich es nicht mein Beruf ist und ich lieber ein Ruder oder das Steuer regiere, als eine Flinte handhabe, will ich Euch helfen, die Enten zu schießen; aber vorher, da Sie ein wackerer junger Mann und ein tüchtiger Schwimmer sind, müssen Sie sich vorher in meinem Haus erfrischen.«

Und gern oder ungern mußte Alain Montplet Jacques Henin folgen. —

Das schreckliche Drama war beendet.

Der größte Theil der Bewohner von Maisy erreichte den Flecken wieder; es blieben in der Bucht von Pleineseve nur die Verwandten der Schiffbrüchigen zurück, welche warteten, bis das Meer die Zertrümmerung der heiligen Therese vollendet habe und die drei Leichen ihrer frommen Fürsorge zurückgebe, und Langot, welcher selber auf dem Felsenufer wachte, um zu sehen, ob die Wogen Nichts an den Strand spielen würden.

Der Mond ging über dem düsteren Schauspiele auf.

Möge der Maler den Pinsel nehmen. Die Feder ist ohnmächtig, die traurige Majestät der Einsamkeit des Sturmes und der Nacht wiederzugeben.

Neuntes Capitel.
Die Familie des Steuermannes

Maitre Henin bewohnte ein kleines weiß abgeputztes Haus, welches mit seinen grünen Fensterladen, einem Dache von rothen Ziegeln und einem kleinen Garten, von einer schönen Hecke von Stechginster umgeben, wie ein Karfunkel unter den schwarzen und schmutzigen Wohnungen seiner Nachbarn glänzte.

Das Innere des Hauses entsprach vermöge seiner Reinlichkeit der Zierlichkeit des Aeußeren.

Es bestand aus zwei Zimmern.

Das Eine diente zugleich als Magazin für die Fischergeräthe, die Sämereien und die Gartenwerkzeuge und als Zimmer für die Kinder; das Andere war zu gleicher Zeit die Küche, der Speisesaal, der Salon der ganzen Familie und das Schlafzimmer Henin’s und seiner Frau.

Ungeachtet dieser vielfachen Bestimmungen war dieses Zimmer sehr zierlich und ordentlich gehalten. Die Ziegel des Fußbodens waren von schönem rothen Glanze. Man hätte sich in den Füllungen der großen Schränke von Nußholz und in ihren Schloßschildern von zierlich gearbeitetem Messing, mit einer Geschicklichkeit geputzt, welche zeigte, daß sie erst an diesem Morgen abgerieben waren, spiegeln können; es wäre unmöglich gewesen, den geringsten Staub an den großen Vorhängen von grünem Wollenzeug zu entdecken, welche das Himmelbett umgaben, noch auf den zahlreichen Korallen und Conchilien, den Erinnerungen an die Seereisen des alten Steuermannes, der sie auf dem Kamine und den Mobilien symmetrisch geordnet hatte.

Als Maitre Jacques, der dem Geflügelschützen als Führer diente, die Klinke der Thür öffnete, ließ sich im Inneren des Hauses ein lautes Geräusch von Holzschuhen hören und eine Schaar von Kindern, – einige blond, andere braun, aber alle frisch und roth wie Octoberäpfel, erschien auf der Schwelle.

Das ehrliche Gesicht des Seemannes entrunzelte sich und zeigte ein Lächeln der Genugthuung.

Mit einer Geberde die Ungeduld dieser kleinen Welt beruhigend, nahm er respectvoll den Tabak heraus, der seine Wange aufblähte, befreite sich von dem gelben Safte des Tabaks und wischte sich die Lippen mit der umgekehrten Hand ab; dann nahm er die Kinder eins nach dem andern und küßte die vollen Wangen eines jeden dreimal.

Und als Dies beendet war, sagte er:

»Uff! Das ist ärger als eine Inspection am Bord! Auf, Louison, ein Reisigbündel ans Feuer und stelle die Schüssel auf den Tisch. Mein Magen schwankt aus Mangel an Ballast.«

»Gehören Ihnen alle diese Kinder?« fragte Alain.

»Neun mir – und zwei meinem verstorbenen Bruder, aber Alle sind in die Rolle der Schiffsmannschaft als meine Kinder eingeschrieben.«

»Armer Henin!« sagte der Jäger in einem Tone des Mitleids.

»Arm,« versetzte der Steuermann; »mich dünkt, ich bin nicht zu beklagen, und so wie ich bin, komme ich mir reicher vor, als der König.«

»Wie so?«

»Wenn er aufsteht oder sich niederlegt, hat er immer nur sechs Segen zu empfangen, da er nur sechs Kinder hat, und ich habe elf.«

Und die beiden kleinsten, wovon das Eine ihm und das Andere seinem Bruder gehörte, aus ihren Wiegen nehmend, schaukelte er sie auf einen Knieen.

Alain, der nie im Stande gewesen war, die Familienfreuden zu schätzen, sah in dieser Menge von Kindern nur eine Vermehrung der Mühen und Sorgen für das Haupt der Familie.

Indessen bildete dieses so belebte Innere einen lebhaften Gegensatz zu dem düsteren und verlassenen Anblicke seiner Hütte.

Dieser Gegensatz machte Alain völlig gedankenvoll.

»So fühlen Sie sich also glücklich, Jacques?« fragte er.

»Tausend Wetter! Das will ich meinen, daß ich mich glücklich fühle; ich müßte schwer zu befriedigen sein, wenn ich anders dächte.«

»Man muß schwer arbeiten, Jacques, um alle diese Kinder zu ernähren.«

»Das ist wahr; aber wenn ich mastlos bin, werden sie arbeiten, um mich zu ernähren.«

»Hm!« sagte Alain, der sich mit einer gewissen Reue der Art erinnerte, wie er gegen seinen Vater gehandelt hatte, »wenn die Kinder groß werden, Jacques, verändern die Sorgen ihre Farbe, das ist Alles.«

Jacques lehnte sich auf einem Stuhle zurück und sah Alain zwischen die beiden Augen.

»Ah!« sagte er, »was haben Sie denn vor, auf solche Weise das Glück Anderer anzuspeien? Glauben Sie vielleicht, daß Sie es mir verleidet machen werden? He! Ich habe es geliebt wie Sie, mich frei umherzutreiben und alle Segel aufzuspannen; aber es kommt ein Augenblick, wo man das Bedürfniß fühlt, das Segel einzuziehen und sich auf seinen Anker zu setzen. Ein Wenig früher oder später muß Dies kommen; und dann, wenn man das Glück hat, eine solche Frau zu bekommen, wie diese da, sanft wie Schiffstalg, nachgiebig wie eine Bramstange, und bausbäckige Bälge, die nicht das Näschen verziehen, wenn man ihnen mit dem Barte zu nahe kommt, macht man sich das Bett im Werg und bedauert nicht nur Nichts, sondern man fragt auch, wie man irgend etwas Anderes hat lieben können.«

»Gut!« rief Alain, »wenn alle Frauen Ihrer Louison glichen, könnte Das, was Sie da sagen, einen vernünftigen Sinn haben; aber für Eine, welche angeht, sind Neun da, die nicht der Mühe werth sind, sie ins Meer zu werfen.«

»Ah! ja,« versetzte Henin, »ich hatte vergessen, daß Sie einen Groll auf die Frauen haben. Aber mein Himmel, was haben sie Ihnen denn zu Leide gethan, diese unglücklichen Frauen? – Ist es, weil die Jousseline nicht mehr mit Ihnen fahren wollte, als sie sah, daß Sie verschlagen wurden? Aber nein, armer Alain, es ist Ihre Schuld. Wenn man Kabeljaufischer ist und zu der großen Sandbank fährt, so muß man sich weder von der Sculptur des Schiffschnabels, noch von der Ausmalung des Spiegels, noch von allen solchen Dummheiten irren lassen: man muß nach der Schiffsverkleidung, nach der Fütterung und nach der Takelage sehen. Wenn man sein Leben damit hinbringen muß, in dem Wasser der Mittelmäßigkeit zu kreuzen, im Namen des Donners, was soll man mit einer Frau, die wie eine Herzogin betakelt ist, wie es die Tochter dieses alten Händlers mit gesalzener Pomade war! Ah! Gott sei Dank, wenn die Diebereien dieses Langot Ihnen keinen anderen Schaden gethan hätten, als Sie zu verhindern, die Lisa zu heirathen, so meine ich, mein Junge, anstatt ihm zu grollen, sollten Sie unserer rettenden heiligen Jungfrau eine hübsche Wachskerze weihen.«

»Auch bedauere ich sie nicht, Maitre Henin,« antwortete der junge Mann mit gezwungenem Lächeln, welches seine Worte Lügen strafte. »Indessen bin ich auf immer von der Idee, mich zu verheirathen, geheilt; und jetzt,« fügte er hinzu, indem er auf seine Entenflinte deutete die in dem Winkel des großen Kamins trocknete, »sehen Sie da meine Frau, und ich lege Ihnen das Gelübde ab, daß ich nie eine andere haben will.«

»Bah! bah!« sagte Henin, »wenn man das erste Mal einen schlechten Grund gefunden, als man die große Reise antreten wollte, so ist Das noch kein Grund, darauf zu verzichten, einen Ankerplatz zu suchen. Aber da ist die Suppe, wir wollen sie essen, und Sie sollen mir später sagen, ob eine Creatur, welche die Linsen und die Windsorbohnen auf diese Weise zu fricasiren versteht, nicht im Stande ist, einen Mann in der Wirthschaft glücklich zu machen.«

Man setzte sich zu Tische.

Henin hatte so großen Hunger, daß er während der ganzen Mahlzeit nicht sprach, als um einen Gast aufzufordern, ebenso oft wie er in die Schüssel zu tauchen, welcher Einladung Alain Montplet, wie wir bemerken müssen, Folge leistete, ohne sich viel bitten zu lassen.

Als die Bohnensuppe und der Speck verschwunden waren, brachte Louison Branntwein, Cider und zwei Gläser, die sie auf den Tisch stellte.

Die Kinder stritten sich darum, wer die Pfeife holen solle, welche der Vater verlangt hatte, und der alte Matrose näherte sich dem Feuer und setzte die Unterredung fort, welche das Abendessen unterbrochen hatte.

»Ah! mein Junge,« sagte er, »Sie sind also entmastet und rasiert wie ein Brückenschiff?«

»Ja, Maitre, ich habe Nichts mehr.«

»Nichts – gar Nichts.«

»Durchaus Nichts.«

»Was den Namen Dessen betrifft, der Sie auf’s Trockne gesetzt hat, den kenne ich und verehre ihn nicht gerade sehr. Es ist der Säbelbein, nicht wahr?«

 

»Ah, ja! er selber.«

»Aber jagen Sie mir einmal – ich muß darüber Auskunft haben wegen einer Sache, die ich Ihnen erzählen will – sagen Sie mir, wer dieser verwünschte Winkeladvocat ist, den Sie beauftragt hatten, Ihre Angelegenheit abzubrassen?«

»Es ist Richard.«

»Ah ja, der Advocat von Isigny. Nun, sind Sie gewiß, daß der Federfuchser Sie nicht an Händen und Füßen gebunden dem Engländer überliefert hat?«

»Unmöglich, er ist mit Säbelbein tödtlich verfeindet, der ihm zu seiner Zeit Streiche gespielt hat.«

»Hm!« rief Henin grunzend wie ein Eisbär, »glauben Sie denn, daß die Wölfe sich je entzweien, wenn sie Blut riechen? Sehen Sie, eines Tages, als wir im indischen Ocean fuhren, begegnete uns eine Yonke aus Canton, welche mit zwei malaiischen Fahrzeugen im Streite war. Wir segelten gerade auf die Seeräuber zu, sie nahmen die Flucht, wir verfolgten sie, und indem wir sie verfolgten, kamen wir auf einen Felsen. Nun, während wir beschäftigt waren, die Pumpen in Bewegung zu setzen und den Seeräubern das Fell zu gerben, können Sie sich vorstellen, daß die chinesische Yonke ebenfalls über uns herfiel?«

»Aber meinerseits lassen Sie mich fragen, Maitre Jacques, warum Sie alle diese Fragen an mich richten?«

»Glauben Sie, daß es aus bloßer Neugierde geschieht.«

»O nein.«

»Nun, da will ich Ihnen antworten: man flüstert , einander davon zu in Maisy, man spricht davon zur Rechten und zur Linken; man spricht freilich leise, weil Alle vor dem verwünschten Säbelbein Furcht haben, dem Alle mehr oder weniger Etwas schuldig sind. Aber lassen Sie es sich gesagt sein, mein Junge, es ist nur davon die Rede.«

»Und was sagt man denn?«

»Zum Henker, man sagt, daß sie sich wie Diebe auf dem Jahrmarkte verständigt haben, wie Malaie und Chinese, und zwar, um Sie zu berauben. Man sagt, daß Sie – und es muß wohl so sein – nicht alles Geld erhalten, welches sie von Ihnen gefordert haben, daß man nicht alle Förmlichkeiten beobachtet hat, welche nöthig sind, ehe man Jemand außer Besitz setzen und sein Eigenthum verkaufen kann; und ich,« fügte Maitre Henin hinzu, indem er leiser sprach, »ich hege mehr als Verdacht, ich bin gewiß, daß hier Etwas dahinter steckt.«

»Und wie denn Das? lassen Sie sehen.«

»Hören Sie, so wahr, wie wir diesen Augenblick in Begleitung segeln, bin ich gewiß, daß Ihr Rechtsanwalt und Säbelbein nicht so aufgebracht gegen einander sind, wie Sie sagen; ich bin gewiß, daß Langot Richard Geld gibt, und da es nicht die Gewohnheit Säbelbein’s ist, Geld für Nichts zu geben, so stehe ich dafür, daß Kniffe dahinter stecken, wovon Sie die Kosten haben zahlen müssen.«

Erklären Sie sich deutlicher.«

»Nun, Sie hören zu, nicht wahr?«

»Mit allen meinen Ohren.«

Zehntes Capitel.
Der gute Rath

»Ich kam vorgestern Abend von Saint-Lo zurück, wo ich mir meine halbjährige Pension geholt hatte,« fuhr Henin fort, »als ich in der Gegend von Oubeaux zwei Männer erblickte, die auf dem Wege stehen blieben. Es war zehn Uhr Abends. Ich hatte in den Schenken in der Stadt einige Gläser zu viel getrunken, ich hatte Geld bei mir, was die Tapfersten vorsichtig macht; ich wollte also wissen, mit wem ich es zu thun hatte, ehe ich meinen Weg fortsetzte. Gut, ich lasse mich in den Graben hinunter, nahm meine Flagge mit, ziehe meine oberen Segel ein und warte – die beiden Männer kamen auf zehn Schritte an mir vorüber. Da hörte ich, wie der Jüngere zu dem Anderen sagte:

»Was haben Sie denn zu fürchten, da er ruhig bleibt, wie eine Krabbe unter dem Felsen.«

»»Er bleibt ruhig, er bleibt ruhig« murmelte der ältere Mann; »aber es ist gleich, wir werden wohlthun, die Documente zu verbrennen.««

»»Nein, nein,«« antwortete der Erstere, »»wenn ich sie aufbewahre, habe ich Sie in meiner Gewalt.««»

»»Ah ja; aber ich habe Sie auch in meiner Gewalt, wenn ich die meinigen aufbewahre,«« versetzte der Aeltere.

»»Um so besser, Maitre,« «antwortete der Andere spottend; »»wir können gewiß sein, daß Keiner allein auf die Galeeren geht, weder Sie ohne mich, noch ich ohne Sie.««

»Und bei diesen Worten gingen sie zwischen zwei Apfelbäumen durch, welche ein Strahl des Mondes durchdrang, und in den beiden Wanderern erkannte ich meinen Langot und Ihren Richard.«

»Oh! oh!« rief Alain, »sind Sie Dessen völlig gewiß?«

»Ob ich Dessen gewiß bin?« sagte Maitre Jacques; »es ist, als wenn Sie mich fragten, ob ich einen Haifisch von einer Meerbutte unterscheiden könne. Gleichen diesen beiden Banditen Andere? Dieser Richard mit seinen gelben Haaren und seinem schielenden Auge, dieser Säbelbein mit einem nachschleppenden Fuße. Sie waren es freilich, und der Rechtsanwalt hatte einen Sack mit Thalern unter seinem Arme, der verwünscht schwer zu sein schien; so daß, als sie vorüber waren und ich mich wieder auf den Weg machte, ich zu mir selber sagte, daß der Teufel die ihm geleisteten Dienste ein Wenig besser bezahle, als das Gouvernement.«

»O!« rief Alain, »jetzt, da ich durch das Elend gegangen bin und weiß, was es ist, erkläre ich, wenn ich den kleinsten Theil von Dem wiederfände, was ich so thöricht verschleudert habe, so würde ich heute sehr glücklich sein.« —

»Nun, wollen Sie, daß ich Ihnen meine Meinung sage? Mir scheint es nämlich nicht unmöglich, einige kleine Masten wieder auf Ihren Dreimaster zu setzen.«

»Ah! verdammt!« rief der Geflügelschütze, sich in die Lippen beißend, »man muß genau wissen, was zwischen Richard und Langot vorgegangen. Aber wie soll man dahin gelangen?«

»Sie haben Recht, es ist schwierig; denn es sind zwei wunderliche Schurken, und sie müssen so fest an einander geflochten sein, daß der Teufel selber das Band nicht auslösen könnte. Aber sehen Sie, wenn man ein ehrlicher Mann ist, muß man die Vorsehung für sich haben.«

»Die Vorsehung« sagte Alain in ungläubigem Tone, »ah! wenn ich nur auf Die rechnete —«

»Stop!« sagte der alte Seemann, »lassen Sie uns nicht übel von ihr reden.«

»Ah, was!« sagte der junge Mann, »Sie glauben also an die Vorsehung?«

»Ja!«

Alain schüttelte den Kopf.

»Das wundert Sie wohl?« fuhr Maitre Henin fort. »Nun, mein Junge, Sie müssen wissen, wenn man ein Spanntau in den vier Welttheilen aufgerollt hat, immer zwischen Himmel und Wasser und ebenso wenig von der Tiefe des Einen, wie von der Höhe des Andern weiß, so sagt man sich, daß diese Taugenichtse, welche Bücher machen und behaupten, daß der gute Gott sich nicht mehr um uns bekümmert, wie ein Wallfisch um ein Splißhorn, Nichts weiter sind, als eine Schaar von Eseln und Heiden; sehen Sie, wenn man zwei oder drei Mal auf dem Punct gewesen, einen Bootshaken zu verschlucken, und immer im rechten Augenblicke eine Hand da ist, die uns der Todesgefahr entreißt, so ist man sicher und gewiß, daß die Vorsehung auf ihrem Posten ist, das heißt, daß sie nie das Rad des Steuerruders dieses großen Schiffes verläßt, welches man die Welt nennt. Und sehen Sie, da haben Sie einen Beweis —«

»Welchen?«

»Nun, diesen Abend hat Ihnen der gute Gott ein armes Weib in den Weg gestellt, welches Nichts weiter auf der Welt hat, als die Augen, womit sie weint. Sie haben ihr eben einen großen Dienst geleistet und ich bin der Meinung, daß sie Ihnen denselben vergelten wird.«

»Die Jeanne Marie?«

»Ja, die Jeanne Marie. Sie muß seit langer Zeit – wissen, was in der Proviantkammer ihres Onkels vorgeht. Man muß ein Senkblei in dieses Wasser werfen, doch ohne daß es das Ansehen hat.«

»Sie glauben, daß sie es mir sagen wird?«

»Vielleicht! Indessen verhalten Sie sich still und schließen Sie Ihren Schnabel, aber öffnen Sie Ihr Auge.«

»Man sagt, daß Säbelbein die arme Jeanne Marie sehr roh behandelt,« sagte Alain.

»Ah, der Bösewicht! Ich möchte wohl gerade dazu kommen, wenn er sie so behandelt. Ich würde eine Handlungen an den Tag bringen und ihm eine Melodie mit dem Tauende aufspielen, die ihm das Rückgrad gerade richten sollte.«

Hier wollte Henin eine Probe von einem Straftalent geben, worauf er stolz war.

Er machte eine bedeutungsvolle Geberde, und da er bei dieser Geberde die Zähne übermäßig zusammenbiß, so zerbrach das Rohr einer Pfeife und der schönste Kopf im ganzen Departement Calvados wurde in tausend Stücke geschmettert.

Henin stand auf, um eine andere zu nehmen, indem er alle Donner des Himmels herunterfluchte.

Aber als Alain ihn aufstehen sah, erhob er sich ebenfalls und erklärte seinem Wirthe, da die Stunde so weit vorgerückt sei, wolle er sich entfernen.

Der Seemann begleitete ihn ein Stück, und nachdem der junge Jäger seinem Wirthe einen guten Abend gewünscht und ihm die Hand gedrückt hatte, nahm er seinen Weg zum Strande.

Die Fluth war gefallen und man konnte ohne Fahrzeug bis zu den Felsen gelangen.

Der Himmel war dunkel, die Wolken folgten einander in so nahen Zwischenräumen, daß die Augenblicke der Klarheit, die der Mond gewährte, nicht genügend waren, um alle die Wasserflächen, wo sich das Wild gewöhnlich niederläßt, zu besuchen und abzujagen.

Alain richtete sich, so gut er konnte, in einer Vertiefung ein, wo er vor dem Wasser und dem Winde geschützt war, um dort den Tag zu erwarten.

Aber die Morgendämmerung war ihm nicht günstiger, als die Nacht es gewesen war.

Es war ein milder Winter, und das wilde Geflügel kam nicht an den Strand.

Ein einziges Volk wilder Vögel ließ sich in der Nähe des Postens nieder, den er gewählt hatte.

Aber von Hunger gequält, zerstreuten sie sich nach der einen und nach der anderen Seite, um kleine Schalthiere im Sande zu suchen, so daß er es verschmähte, auf eine so ärmliche Beute zu schießen, und er entschloß sich, mit leerer Jagdtasche in seine Hütte zurückzukehren.

Als er sich dem kleinen Gebäude näherte und, um dorthin zu gelangen, den Fußweg einschlug, der auf den Sumpf führt, sah er einen Knaben, der ihn zu erwarten schien, vor einer Wohnung auf einem Steine sitzen.

Es war ein blonder Knabe, der, soweit man nach seinem schmächtigen Aeußeren beurtheilen konnte, elf oder zwölf Jahre sein mußte.

Seine Physiognomie war offen und verständig; seine großen blauen Augen, von langen Wimpern beschattet, zeigten gewöhnlich eine traurige und sinnende Schwermuth. —

Sie belebten sich selten; wenn dies aber geschah, strahlten sie von einem eigenthümlichen Glanze und Ausdruck.

Er trug das Sonntagscostüm der Anwohner des Meeres: eine lange Jacke von grobem Tuch über einem blauen Hemd mit « Kragen und ein Beinkleid von demselben Zeuge wie die Jacke.

Sein langes Haar fiel unter einem Barett mit schottischer Einfassung hervor.

Indessen war Dies alles zierlicher und sorgfältiger, als man es gewöhnlich bei Kindern seines Alters sieht.

Er hielt ein kleines, in ein Taschentuch eingeknüpftes Packet in der Hand.

Alain kannte ihn nicht.

Der Knabe schien erstaunt, daß der Mann, der ihm vor wenigen Stunden das Leben gerettet, sich bei seinem Anblick gleichgültig zeigte.

Er redete ihn also zuerst an.

»Ich bin es, Monsieur Alain,« sagte er zu ihm, »ich bin es, Jean Marie, der Sohn der Jeanne Marie, den Sie gestern Abend aus dem Wasser gezogen; Sie erkennen mich also nicht wieder?«

»Meiner Treu, mein Junge,« sagte der Jäger, »ich hatte etwas Anderes zu thun, als Dein Signalement aufzunehmen. Nun! ich sehe mit Vergnügen, daß Dein kaltes Bad Dir nicht geschadet hat.«

»Ah! ohne Sie, Monsieur Alain, hätte ich eine schlimme Viertelstunde zubringen müssen! Auch liebe ich Sie so sehr dafür! Die Mutter hat es mir schon so sehr anempfohlen, und sie liebt Sie auch sehr, die Mutter – die ganze Nacht hat sie nur von Ihnen gesprochen und es ist anzunehmend gut, von ihr geliebt zu werden.«

»Gut: aber was führt Dich so früh hierher, mein Junge ?«

»Ah! Das ist eine andere Sache.«

»Sprich, und laß und sehen.«

»Diesen Morgen, Monsieur Montplet, wollte mich der Großonkel wieder aufs Meer schicken. Ich sollte mich noch heute in Conrseule an Bord des jungen Karl einschiffen; Sie kennen gewiß den Schnellsegler beim großen Lonis ?«

»Ja, und was weiter ?«

»Die Mutter, die mir diese Nacht zugesehworen hatte, daß ich nicht wieder den Fuß aus eine Barke setzen solle, wollte mich nicht abreisen lassen. Da wollte der Onkel Jeanne Marie schlagen; ich warf mich vor sie hin und empfing den Schlag. Der Schlag warf mich zu Boden und die Mutter stürzte sich weinend aus mich. Als der Onkel sah, daß es Jeanne Marie zum Weinen bringe, wenn er mich schlage, gelobte er, er wolle mich jeden Tag mit Schlägen überhäufen, bis sie einwillige, mich an Bord zurückkehren zu lassen. Da kam Jeanne Marie in Verzweiflung.«

»Mutter,« sagte ich zu ihr, »packe meine Sachen zusammen; ich will zu Monsieur Alain gehen; ich verdanke ihm die Rettung meines Lebens, und wegen eines Stück Brods wird er mich nicht umkommen lassen.«

 

»O nein, gewiß nicht t« rief der Jäger.

»Und da bin ich! Habe ich wohl gethan, Monsieur Alain?«

»Du hast wohl gethan, kleiner Jean. Mein Haus ist arm und meine Küche ist mager; aber die Hälfte des Hauses und die Hälfte der Küche stehen Dir zu Diensten.«

»O! Monsieur Alain, wie gut Sie sind! O! Die Mutter wird so zufrieden sein, wenn sie weiß, daß ich bei Ihnen untergebracht bin. O Gott! wie wird sie Ihnen danken. wenn sie kommt!«

»Wie! sie wird hierher kommen, die Mutter ?«

»Nun ja, sie hat mir versprochen, sich alle Sonntage wegzuschleichen, um mich zu umarmen; und sie wird gewiß nicht verfehlen, zu kommen. Und dann muß sie Ihnen nicht für gestern Abend danken? Erst, als sie zu Hause war, fiel ihr ein, daß sie es vergessen hatte.«

Alain dachte an Das, was Maitre Henin ihm gesagt, und er konnte nicht umhin, eine Fügung der Vorsehung darin zu sehen, daß dieses Kind unter sein Dach gekommen war.

»Gut,« sagte der Jäger, »es wird noch immer Zeit sein, mir zu danken! – Aber wir wollen damit beginnen, uns zu wärmen; denn der Seewind dieses Morgens hat mein Blut erstarrt. Laß uns eintreten!«

Und sie traten ein.