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Der Chevalier von Maison-Rouge

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»Aber glauben Sie, daß er etwas weiß?« versetzte Morand.«

»Ei! hören,Sie nicht? er spricht von Geheimnissen, die in seinem Herzen begraben bleiben sollen.«

»Diese Geheimnisse sind offenbar diejenigen, welche ihm von mir in Beziehung auf unsere Schmuggelei anvertraut wurden; er kennt keine andere. Doch,« fuhr Morand fort, »hat er keinen Verdacht wegen der Zusammenkunft in Auteuil geschöpft? Sie wissen, daß er Ihre Frau begleitete.«

»Ich selbst hieß Geneviève Maurice als Schutzwache mitnehmen.«

»Hören Sie,« versetzte Morand, »wir werden bald sehen, ob Ihr Argwohn gegründet ist. Die Reihe der Wache im Temple kommt an unser Bataillon am 2. Juni das ist in acht Tagen; Sie sind Kapitän, Dirmer, und ich bin Lieutenant: wenn unser Bataillon, oder sogar unsere Compagnie Gegenbefehl erhält, wie ihn eines Tages das Bataillon der Butte-des-Moulins erhalten hat, welch Santerre durch das der Gravilliers ersetzen ließ, so ist Alles entdeckt und wir haben nur noch Paris zu fliehen, oder kämpfend zu sterben. Doch wenn Alles den gewöhnlichen Lauf der Dinge verfolgt. . .«

»So sind wir aus gleiche Weise verloren,« entgegne Dirmer.

»Warum dies?«

»Bei Gott! lies denn nicht Alles auf die Mitwirkung dieses Municipal hinaus? War er es nicht, der uns, ohne es zu wissen, den Weg bis zur Königin öffnen sollte?

»Das ist wahr,« sprach Morand niedergeschlagen.

»Sie sehen also,« versetzte Dirmer, die Stirne faltend, »wir müssen um jeden Preis mit diesem jung, Mann wieder anknüpfen.«

»Doch wenn er sich weigert, wenn er sich zu gefährden befürchtet?«

»Hören Sie, ich will Geneviève befragen, sie hat er zuletzt verlassen und sie weiß vielleicht etwas.«

»Dirmer, ich sehe sehr ungern, daß Sie mit all diesen Complotten Geneviève vermischen; nicht als ob ich eine Indiskretion von ihrer Seite befürchtete, oh! großer Gott, nein, doch das Spiel, das wir spielen, ist furchtbar,

und ich schäme mich und fühle zugleich Mitleid, daß wir bei unserem Einsatze den Kopf einer Frau gefährden.«

»Der Kopf einer Frau hat ganz dasselbe Gewicht, wie der eines Mannes, da wo die List, die Unschuld oder die Schönheit eben soviel und zuweilen sogar mehr vermögen, als die Kraft, die Macht und der Muth; Geneviève theilt meine Ueberzeugungen und unsere Sympathien, Geneviève wird unser Schicksal theilen.«

»Thun Sie es, lieber Freund,« erwiderte Morand, ich habe gesagt, was ich sagen mußte. Thun Sie es, Geneviève ist in jeder Beziehung würdig der Sendung, die Sie ihr übertragen oder die sie sich vielmehr selbst übertragen hat. Mit den Heiligen macht man die Märtyrer.«

Und er reichte seine weiße, frauenartige Hand Dirmer, der sie zwischen seinen kräftigen Händen drückte.

Dirmer empfahl Morand und seinen Gefährten mehr Wachsamkeit als je und ging zu Geneviève.

Sie saß vor einem Tische, das Auge aus eine Stickerei geheftet und die Stirne gesenkt.

Sie wandte sich bei dem Geräusch der Thüre um und erkannte Dirmer.

»Ah! Sie sind es, mein Freund,« sagte sie.

»Ja,« antwortete Dirmer mit einem heiteren, lächelnden Gesichte: »ich empfange von unserem Freunde Maurice einen Brief, den ich nicht verstehe. Nehmen Sie, lesen Sie, und sagen Sie mir, was Sie davon denken.«

Geneviève nahm den Brief mit einer Hand, deren Zittern sie, trotz ihrer Selbstbeherrschung, nicht verbergen konnte, und las.

Dirmer folgte ihr mit dem Blicke; ihre Augen durchliefen jede Zeile.

»Nun?« fragte er, als sie geendigt hatte.

»Nun! ich denke, daß Herr Maurice Lindey ein ehrlicher Mann ist, und daß man nichts von seiner Seite zu befürchten hat,« antwortete Geneviève.

»Sie glauben, er wisse nicht, wer die Personen sind die Sie in Auteuil besucht haben?«

»Ich bin es fest überzeugt«

»Warum dann der ungestüme Entschluß? Kam er Ihnen gestern kälter oder bewegter vor, als gewöhnlich?

»Nein,« sprach Geneviève, »ich glaube, daß er derselbe war.«

»Bedenken Sie wohl, was Sie sprechen, Geneviève, denn ihre Antwort wird, wie Sie begreifen müssen, einen gewichtigen Einfluß auf unsere Pläne haben.«

»Warten Sie doch,« sagte Genevièven mit einer Aufregung, welche, so sehr sie sich auch anstrengte, ihre Kälte zu bewahren, sichtbar wurde; »warten Sie doch . . .«

»Gut!« versetzte Dinner mit einem leichten Zusammenziehen seiner Gesichtsmuskeln; »gut, sammeln Sie alle Ihre Erinnerungen.«

»Ja,« sprach die junge Frau, »ja, ich erinnere mich er war gestern verdrießlich; Herr Maurice,« fuhr sie mit einem leichten Zögern fort, »Herr Maurice ist ein wenig Tyrann bei seinen Freundschaften und wir haben zuweilen ganze Wochen geschmollt.«

»Es wäre also ein einfaches Schmollen?« fragte Dirmer.

»Das ist wahrscheinlich.«

»Geneviève, Sie begreifen wohl, daß wir in unserer Lage keine Wahrscheinlichkeit brauchen, sondern eine Gewißheit.«

»Nun Wohl, mein Freund, ich bin dessen gewiß.«

»Dieser Brief wäre also nur ein Vorwand, um nicht mehr in das Haus zu kommen?«

»Mein Freund, wie soll ich Ihnen solche Dinge sagen?«

»Sprechen Sie, Geneviève, sprechen Sie, denn jede andere Frau als Sie würde ich nicht darüber fragen«

»Es ist ein Vorwand,« sprach Geneviève, die Augen niederschlagend.

»Ah!« machte Dirmer.

Dann nach einem Augenblick des Stillschweigens zog er seine Hand, mit der er die Schläge seines Herzens zurückgedrängt hatte, aus seiner Westentasche, legte sie auf die Lehne des Stuhles seiner Frau und sprach:

»Thun Sie mir einen Gefallen, liebe Freundin.«

»Und welchen?« fragte Geneviève, indem sie sich erstaunt umwandte.

»Kommen Sie einer Gefahr bis zum Schatten zuvor; Maurice ist vielleicht in unsere Geheimnise tiefer eingedrungen, als wir argwöhnen. Was Sie für einen Vorwand halten, ist vielleicht eine Wirklichkeit. Schreiben 5n ihm ein Wort.«

»Ich?« versetzte Geneviève bebend.

»Ja, Sie; sagen Sie ihm, Sie haben den Brief geöffnet, und Sie wünschen eine Erklärung darüber zu haben; er wird kommen, Sie befragen ihn und werden nun leicht errathen, um was es sich handelt.«

»Oh! nein, nein,« rief Geneviève, »ich kann nicht tun, was Sie fordern, ich werde es nicht thun.«

»Liebe Geneviève, wie können Sie, wenn so mächtige Interessen wie die, welche auf uns beruhen, im Spiele sind, vor elenden Rücksichten der Eitelkeit zurückweichen?«

«Ich habe Ihnen meine Meinung über Maurice gesagt, mein Herr,« antwortete Geneviève; »er ist redlich, er ist ritterlich, doch er ist auch launenhaft, und ich will mich keiner andern Knechtschaft unterziehen, als der von einem Gatten.«

Diese Antwort wurde mit so viel Ruhe und so viel Festigkeit gegeben, daß Dirmer begriff, es wäre wenigstens für diesen Augenblick fruchtlos, wenn er aus seinem Verlangen bestehen würde; er fügte kein Wort mehr bei, schaute Geneviève an, ohne daß es den Anschein hatte, als betrachtete er sie, fuhr mit seiner Hand über seine Schweiß befeuchtete Stirne und ging hinaus.

Morand erwartete ihn voll Unruhe. Dirmer erzählte ihm Wort für Wort, was vorgefallen war.

»Gut,« sprach Morand, »bleiben wir hierbei und denken wir nicht mehr daran. Ehe ich Ihrer Frau einen Schatten von Kummer verursachen, ehe ich die Eitelkeit von Geneviève verletzen würde, leistete ich darauf Verzicht.. .

Dirmer legte ihm die Hand aus die Schulter, schaute ihn fest an und erwiderte:

»Sie sind ein Narr, mein Herr, oder Sie denken nicht ein Wort von dem, was Sie sagen.«

»Wie, Dirmer, Sie glauben?«

»Ich glaube, Chevalier, daß es Ihnen eben so wenig als mir freigestellt ist, Ihre Gefühle dem Impulse Ihres Herzens zu überlassen. Weder Sie, noch ich, noch Geneviève gehören uns, Morand. Wir sind Dinge, berufen, ein Princip zu vertheidigen, und die Principien stützen sich auf die Dinge, welche sie zermalmen.«

Morand bebte und schwieg – ein träumerisches schmerzliches Stillschweigen.

So machten sie einige Gänge durch den Garten ohne ein einziges Wort auszutauschen.

Dann verließ Dirmer Morand.

»Ich habe einige Befehle zu geben,« sagte er mit vollkommen ruhigem Tone, »Ich verlasse Sie, Her Morand.«

Morand reichte Dirmer die Hand, schaute ihm nach als er sich entfernte, und sprach:

»Armer Dirmer, ich befürchte sehr, daß bei Allem, er es ist, der am meisten wagt.«

Dirmer kehrte wirklich in seine Werkstätte zurück ertheilte einige Befehle, las die Zeitungen, ordnete eine Austeilung von Brot und Lohkuchen an die Armen der Section an, begab sich sodann in seine Wohnung und er tauschte seine Arbeitstracht gegen seine Ausgangskleider.

Eine Stunde nachher wurde Maurice, als er ganz und gar in seine Lesungen und Anreden vertieft war, durch die Stimme seines Willfährigen unterbrochen, der sich an sein Ohr neigte und ganz leise zu ihm sagte:

»Bürger Lindey, einer der Ihnen, wenigstens wie er behauptet, sehr wichtige Dinge mitzutheilen hat, erwartet Sie in Ihrem Hause.«

Maurice kehrte nach Hause zurück und war sehr erstaunt, als er in seiner Wohnung Dirmer in den Zeitungen blätternd fand. Auf dem ganzen Rückwege hatte er den Bedienten befragt, dieser aber war, da er den Meister Rothgerber nicht kannte, nicht im Stande gewesen, ihm eine Auskunft zu geben.

Da er Dirmer erblickte, blieb Maurice aus der Thürschwelle stehen und erröthete unwillkührlich.

Dirmer stand aus und reichte ihm lächelnd die Hand.

»Welche Fliege sticht Sie und was haben Sie mir geschrieben?« fragte er den jungen Mann. »In der That, das heißt mich fühlbar schlagen, mein lieber Maurice. >Ich, ein lauer und falscher Patriot, schreiben Sie! Gehen Sie doch, Sie können mir solche Dinge nicht in das Gesicht wiederholen; gestehen Sie vielmehr, daß sie einen schlimmen Streit mit mir suchen.«

»Ich werde Alles gestehen, was Sie wollen, mein lieber Dirmer, denn Ihr Benehmen gegen mich ist stets das eines artigen, zuvorkommenden Mannes gewesen, aber ich habe nichtsdestoweniger einen Entschiuß gefaßt, und dieser Entschluß ist unwiderruflich.«

 

»Wie so?« fragte Dirmer; »Sie gestehen selbst zu, daß Sie uns nichts vorzuwerfen haben, und Sie verlassen uns dennoch?»

»Lieber Dirmer, glauben Sie mir, daß ich, um zu handeln, wie ich handle, um mich eines Freundes zu berauben, wie Sie sind, sehr triftige Gründe haben muß.«

»Ja,« versetzte Dirmer, indem er zu lächeln suchte, »ja, aber in jedem Fall sind diese Gründe nicht diejenigen, welche Sie mir geschrieben haben. Die, welche Sie mir schrieben, sind nur ein Vorwand.«

Maurice dachte einen Augenblick nach und erwiderte sodann:

«Hören Sie, Dinner, wir leben in einer Zeit? wo der Zweifel, in einem Briefe ausgesprochen, Sie beunruhigen muß, das begreife ich wohl; es wäre also nicht die Sache eines Mannes von Ehre, Sie unter dem Gewicht einer solchen Unruhe zu lassen. Ja, Dirmer, die Gründe die ich Ihnen angegeben habe, waren nur ein Vorwand. Dieses Geständniß, das die Stirne des Handelsmannes hätte aufhellen sollen, schien sie im Gegentheil zu verdüstern.

»Nun aber den wahren Beweggrund?« versetzte Dirmer. »Ich kann Ihnen denselben nicht sagen,« erwiderte Maurice, »und dennoch, wenn Sie ihn kennen würde würden Sie ihn auch billigen, dessen bin ich sicher.«

Dirmer drang in ihn.

»Sie wollen also durchaus?« sagte Maurice.

»Ja,« antwortete Dirmer.

»Nun wohl,« sprach Maurice, der eine gewisse Erleichterung darin fühlte, daß er sich der Wahrheit nähern sollte; »hören Sie, wie sich die Sache verhält: Sie haben eine junge und hübsche Frau, und die, obgleich wohlbekannte, Keuschheit dieser jungen und hübschen Frau konnte, es nicht verhindern, daß meine Besuche bei Ihnen schlecht gedeutet wurden.«

Dirmer erbleichte leicht.

»Wirklich!« sagte er; »dann mein lieber Maurice, muß Ihnen der Gatte für das Schlimme danken, das Sie dem Freunde zufügen.«

»Sie begreifen,« sprach Maurice, »ich bin nicht eitel zu wähnen, meine Gegenwart könnte gefährlich für Ihre Ruhe oder für die Ihrer Frau sein, aber sie kann eine Quelle von Verleumdungen werden, und Sie wissen je alberner die Verleumdungen sind, desto leichter sind, sie Glauben.«

»Kind!« versetzte Dirmer die Achseln zuckend.

»Kind, so lange Sie wollen,« entgegnete Maurice, »doch in der Ferne werden wir darum nicht minder Freunde sein, denn wir werden uns Nichts vorzuwerfen haben, während in der Nähe im Gegentheil. . .«

»Nun in der Nähe?«

»Die Dinge am Ende eine schlimme Wendung hätten nehmen können.«

»Denken Sie, Maurice, ich hätte glauben können . . .

»Ei! mein Gott . . .« versetzte der junge Mann.

»Aber warum haben Sie mir das nicht eher geschrieben, als gesagt, Maurice?«

»Sehen Sie, gerade um das, was in diesem Augenblick unter uns vorfällt, zu vermeiden.«

»Sind Sie ärgerlich, Maurice, da ich Sie hinreichend kenne, um hierher gekommen zu sein und Sie um eine Erklärunq gebeten zu haben?«

Oh! ganz im Gegentheil,« rief Maurice, »ich schwöre ihnen, ich bin glücklich, Sie noch einmal gesehen zu haben, ehe ich Sie nicht mehr sehe.«

»Uns nicht mehr sehen, Bürger! wir liebten Sie doch sehr,« versetzte Dirmer, indem er die Hand des jungen Mannes nahm und zwischen den seinigen drückte.

Maurice bebte.

»Morand,« fuhr Dirmer fort, dem dieses Beben nicht entgangen war, der sich aber den Anschein gab, als hätte er es nicht bemerkt, »Morand wiederholte mir noch diesen Morgen: Thun Sie Alles, was Sie können, um den Herrn Maurice zurückzubringen,«

»Ah! mein Herr,« sprach der junge Mann die Stirne faltend, und seine Hand zurückziehend, »ich hätte nicht geglaubt, daß ich so weit in der Freundschaft des Bürger Morand, vorgerückt wäre.«

«Zweifeln Sie daran?« versetzte Dirmer.

»Ich glaube es weder, noch zweifle ich daran; ich habe keinen Beweggrund, mich über diesen Gegenstand zu fragen: wenn ich zu Ihnen ging, Dirmer, ging ich ihretwegen und Ihrer Frau wegen, und nicht dem Bürger Morand zu Liebe.«

»Sie kennen ihn nicht, Maurice,« entgegnete Dirmer; Morand ist eine schöne Seele.«

»Ich will es Ihnen zugestehen,« sprach Maurice bitter lächelnd.

»Kommen wir nun aus den Gegenstand meines Besuches zurück,« fuhr Dirmer fort.

Maurice verbeugte sich wie ein Mensch, der nichts mehr zu sagen hat und wartet.

»Sie behaupten also, es sei ein Gerede entstanden?«

»Ja, Bürger.«

»Sprechen wir offenherzig. Warum schenkten Sie einem leeren Gewäsche müßiger Nachbarn irgend eine Aufmerksamkeit? Haben Sie nicht Ihr Gewissen, Maurice und hat Geneviève nicht ihre Redlichkeit?«

»Ich bin jünger als Sie,« sprach Maurice, der über diese Beharrlichkeit zu staunen anfing, »und ich sehe d Dinge vielleicht mit einem empfindlicheren Auge. Deshalb, erkläre ich Ihnen, daß über den Ruf einer Frau wie Geneviève nicht einmal das leere Gewäsche müßiger Nachbar stattfinden darf. Erlauben Sie mir also, lieber Dirmer daß ich bei meinem ersten Entschlusse beharre.«

»Wohl,« versetzte Dirmer, »und da wir eben im Zuge des Gestehens sind, so gestehen wir noch etwa Anderes.«

»Was?« fragte Maurice erröthend. »Was soll ich gestehen?«

»Daß es weder die Politik, noch das Gerede über Ihre häufigen Besuche bei mir ist, was Sie bewegt, uns zu verlassen.«

»Was ist es denn?«

»Das Gebeimniß, das Sie erforscht haben.«

»Was für ein Geheimnis?« fragte Maurice mit einem Ausdruck naiver Neugierde, der den Rothgerber beruhigte.

»Die Angelegenheit der Schmuggelei, die Sie an dem Abend ergründeten, an welchem wir aus ein so seltsame Weise Bekanntschaft machten. Sie haben mir diesen Betrug nie vergeben, und Sie beschuldigen mich, ich sei ein schlechter Republikaner, weil ich mich englischer Erzeugnisse in meiner Gerberei bediene.«

»Mein lieber Dirmer,« erwiderte Maurice, »ich schwöre Ihnen, wenn ich zu Ihnen kam, hatte ich völlig vergessen, daß ich bei einem Schmuggler war.«

»In Wahrheit?«

»In Wahrheit.«,

»Sie hatten also keinen andern Beweggrund, von meinem Hause wegzubleiben, als den, welchen Sie mir nannten?«

»Bei meiner Ehre.«

»Nun wohl, Maurice, sprach Dirmer, indem er aufstand und dem jungen Mann die Hand drückte, »ich hoffe, Sie werden überlegen und von dem Entschluß zukommen, der uns Allen so viel Schmerz bereitet.«

Maurice verbeugte sich und antwortete nicht, was einer letzten Weigerung gleichkam.

Dirmer entfernte sich, in Verzweiflung darüber, daß er sich die Verbindung mit diesem Manne hatte nicht erhalten können, den ihm gewisse Umstände nicht allein sehr nützlich, sondern auch beinahe unentbehrlich machten.

Es war Zeit. Maurice wurde von tausend entgegengesetzten Wünschen bewegt. Dirmer bat ihn, wiederzukommen; Geneviève könnte ihm verzeihen. Warum sollte er also verzweifeln? Lorin hätte an seiner Stelle sicher eine Menge von Aphorismen aus seinen Lieblingsschriftstellern gezogen. Doch da war der Brief von Geneviève; dieser förmliche Abschied, den er mit sich in die Section genommen, und den er auf seinem Herzen trug, mit dem kleinen Worte, das er am Morgen nach dem dem Tage erhalten, wo er sie aus den Händen der Menschen zerrissen, die sie beleidigten; dann sprach noch mehr als Alles dies die halsstarrige Eifersucht des jungen Mannes gegen den verhaßten Morand, die erste Ursache seines Bruches mit Geneviève.

Maurice blieb also unbeugsam in seinem Entschlusse.

Aber es ist nicht zu leugnen, es trat eine Leere für ihn ein, durch die Entbehrung des Besuches, den er jeden in der Rue Vieille-Saint-Jacques gemacht hatte; und wenn die Stunde kam, wo er nach dem Quartier Saint-Victor zu wandern gewohnt gewesen war, versank er in eine tiefe Schwermuth, und von diesem Augenblick durchlief er alle Phasen der Erwartung und des Beklagen.

Jeden Morgen erwartete er, wenn er erwachte, ein Brief von Dirmer zu finden, und diesmal sagte er sich, er, der dem mündlichen Andringen widerstanden hatte, würde einem Briefe nachgeben; jeden Tag ging er in der Hoffnung aus, Geneviève zu begegnen, und zum Voraus hatte er tausend Grunde gefunden, wenn er ihr begegnen würde, um auf sie zuzugehen und mit ihr sprechen. Jeden Abend kehrte er nach Hause zurück in der Hoffnung, den Boten zu finden, der ihm eines Morgens, ohne daß er es vermuthete, den Schmerz gebracht hatte, welcher seitdem sein beständiger Gefährte geworden war.

Oft auch in seinen Stunden der Verzweiflung brüllte dieser Mann mit der mächtigen Natur bei dem Gedanken, eine solche Qual zu fühlen, ohne sie demjenigen, welcher sie ihn hatte erdulden lassen, zurückzugeben. Die erste Ursache aber von allen seinen Leiden war Morand. Dann entwarf er ein Plan, Morand aufzusuchen und Streit mit ihm anzufangen. Doch der Associé von Dirmer war so schwächlich, harmlos, daß ihn beleidigen oder herausfordern eine Feigheit von Seiten eines Kolossen wie Maurice gewesen wäre.

Lorin hatte wohl zuweilen einige Zerstreuung in den Kummer zu bringen gesucht, den ihm sein Freund hartnäckig verschwieg, ohne ihm das Vorhandensein desselben abzuleugnen. Er hatte Alles gethan, was er in d Praxis und in der Theorie vermochte, um dem Vaterland ein Herz zurückzugeben, das völlig von den Schmerz einer andern Liebe eingenommen war. Aber, obgleich die Verhältnisse ernster Natur waren, obgleich er bei anderer Beschaffenheit des Geistes Maurice ganz und gar in den politischen Strudel fortgerissen hatte, war er doch nicht im Stande gewesen, dem jungen Republikaner die frühere Thätigkeit wieder zu verleihen, die aus ihm einen Helden des 14. Juli und 10. August gemacht hatte. Die zwei Systeme, welche sich seit beinahe zehn Monaten einander gegenüberstanden, aber bis jetzt gewissermaßen nur leichte Angriffe auf einander ausgeführt, nur durch Scharmützel präludirt hatten, schickten sich in der That nunmehr an, sich Leib an Leib zu fassen, und es war offenbar, daß der Kampf, wenn er einmal begonnen, für das eine oder das andere tödtlich werden mußte. Diese beiden Systeme waren, im Schooße der Revolution selbst geboren, das der Mäßigung, vertreten durch die Girondisten, das heißt, durch Brissot, Pétion, Vergniaud, Valazé, Languinais, Barbarour u.s.w., und das des Schreckens oder der Montagne, vertreten durch Danton, Robespierre, Chénier, Fabre, Marat, Collot d'Herbois, Hébert u.s.w.

Nach dem 10. August schien der Einfluß wie nach jedem Treffen auf die gemäßigte Partei überzugehen. Ein Ministerium war aus den Trümmern des alten Ministeriums mit einer neuen Beifügung gebildet worden. Roland, Cervien und Clavières, ehemalige Minister, waren abermals berufen worden; Danton, Monge und Lebrun Arten neu ernannt. Mit Ausnahme von einem einzigen, de mitten unter seinen Collegen das energische Element vertrat, gehörten alle andere Minister der gemäßigten Partei an.

Wenn wir sagen gemäßigt, so begreift man wohl, daß wir beziehungsweise sprechen.

Doch der 10. August hatte sein Echo im Auslande gefunden und die Coalition hatte sich beeilt, nicht Ludwig XVI. persönlich, sondern dem in seinen Grundfesten erschütterten royalistischen Prinzip zu Hilfe zu marschieren. Es erschollen die bedrohlichen Worte von Braunschweig, und wie eine furchtbare Verwirklichung fielen Longwy und Verdun in die Gewalt des Feindes. Dann fand die terroristische Reaction statt. Danton träumte von den Septembertagen und verwirklichte diesen blutigen Traum, der dem Feinde Frankreich als in der Gesammtheit mitschuldig an einem ungeheuren Morde und bereit für gefährdetes Dasein mit der ganzen Energie der Verzweiflung zu kämpfen gezeigt hatte. Der September hat Frankreich gerettet, aber während er es gerettet, zugleich außer das Gesetz gestellt.

Sobald Frankreich gerettet und die Energie unnötig geworden war, gewann die gemäßigte Partei wieder Kräfte. Da wollte sie eine Anklage gegen die Schreckenstage erheben. Das Wort Mörder wurde ausgesprochen. Ein neues Wort wurde sogar dem Vocabularium Nation beigefügt, das Wort: Septembriseur.3

Danton hatte es muthig angenommen. Wie Chlod, hatte er einen Augenblick das Haupt unter der Bluttat gebeugt, doch nur um es höher und drohender wieder zu erheben. Es bot sich eine andere Gelegenheit, den vorübergegangenen Schrecken wieder auszunehmen, dies war der Prozeß des Königs. Die Gewaltthat und die Mäßigung traten noch nicht ganz in einen Kampf der Personen sondern in einen Kampf der Principien. Den Versuch der beziehungsweisen Kräfte machte man an dem königlichen Gefangenen. Die Mäßigung wurde besiegt und der Kopf von Ludwig XVI. fiel auf dem Schaffot.

 

Wie der zehnte August, so verlieh der 21.Januar der Coalition wieder ihre ganze Thatkraft. Es war abermals derselbe Mann, den man ihr entgegensetzte, aber nicht mehr dasselbe Glück. In seinen Fortschritten gehemmt, durch die Unordnung in allen Verwaltungszweigen, welche die Unterstützung an Mannschaft und Geld bis zu ihm zu gelangen verhinderte, erklärt sich. Dumou riez, gegen die Jacobiner, die er dieser Desorganisation beschuldigt, schlägt sich aus die Partei der Girondisten und richtet sie dadurch zu Grunde, daß er sich für ihren Freund erklärt.

Da erhebt sich die Vendée; die Departements drohen; die Unfälle führen Verräthereien herbei und die Verräthereien haben Unfälle zur Folge. Die Jacobiner klagen die Gemäßigten an und wollen sie am 10. März, nämlich an dem Abend, an welchem unsere Erzählung beginnt, schlagen. Doch zu viel Eile von Seiten ihrer Gegner rettet sie, und vielleicht auch jener Regen, der Pétion, diesem tiefen Anatomiker des Pariser Geistes, zu den Worten veranlaßt: »Es regnet, es wird in dieser Nacht nichts geschehen.«

Doch seit dem 11. März war Alles für die Girondisten eine Weissagung ihres Untergangs: Marat in Anklagestand versetzt und freigesprochen; Robespierre und Danton versöhnt, für den Augenblick wenigstens, wie sich ein Tiger und ein Löwe versöhnen, um den Stier niederzuwerfen, den sie verzehren sollen: Henriot, der Septembriseur, zum Generalcommandanten der Nationalgarde ernannt: Alles prophezeit den furchtbaren Tag, der in einem Sturme den letzten Damm fortreißen sollte, den die Revolution dem Schrecken entgegensetzte.

Dies waren die großen Ereignisse, an denen, unter allen andern Umständen, Maurice den thätigen Antheil genommen hätte, den ihm seine mächtige Natur, seine begeisterte Vaterlandsliebe zuwiesen. Doch zum Glück oder zum Unglück für Maurice hatten weder die Ermahnungen von Lorin, noch der schreckliche Aufruhr in den Straßen aus seinem Geiste den einzigen Gedanken, der ihn gefesselt hat, vertreiben können, und als der 31. Mai kam, lag lag furchtbare Stürmer der Bastille und der Tuilerien in seinem Bett, verzehrt von jenem Fieber, das die stärksten tödtet, während es nur eines Blickes bedarf, um es zu zerstreuen, eines Wortes, um es zu heilen.

3Man unterschied zwischen Septembriseur und Septembrist. Septembriseur war einer, der an den im September 1792 verübten Mordthaten Theil genommen. Septembrist einer, der denselben keinen unmittelbaren Antheil genommen, wohl aber sie gebilligt hatte. Der Uebers.