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Der Chevalier von Maison-Rouge

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LIII.
Das Duell

In jener Zeit war es stets etwas Ernstes, wenn man seine Schulter berührt fühlte.

Dirmer wandte sich um und erkannte Maurice,

»Ah! guten Morgen, Bürger Republikaner,« sagte Dirmer, ohne eine andere Bewegung zu offenbaren, als ein unmerkliches Zittern, das er sogleich bewältigte.

»Guten Morgen, feiger Bürger,« erwiderte Maurice; »nicht wahr, Sie erwarteten mich?«

»Das heißt, ich erwartete Sie nicht mehr, im Gegentheil,« antwortete Dirmer.

»Warum?«

»Weil ich Sie früher erwartete.«

»Ich komme noch zu früh für Dich, Mörder!« fügte Maurice mit einer Stimme, oder vielmehr mit einem furchtbaren Gemurmel bei, denn es war das Tosen des in seinem Herzen angehäuften Sturmes, wie sein Blick der Blitz desselben war.

»Sie schlendern mir Feuer in die Augen, Bürger,« versetzte Dirmer, »man wird uns erkennen und uns folgen.«

»Ja, und Du befürchtest Deine Verhaftung, nicht wahr, Du befürchtest, auf das Schafott geführt zu werden, wohin Du Andere schickst? Man verhafte uns, desto besser, denn mir scheint, es fehlt heute ein Schuldiger der nationalen Gerechtigkeit.«

»Wie ein Name auf der Liste der Leute von Eurer fehlt, nicht wahr? seitdem der Ihrige daraus verschwunden ist.«

»Es ist gut, ich hoffe, wir werden von Allem dem wieder sprechen; doch mittlerweile haben Sie sich gerächt, elend an einer Frau gerächt Warum, da Sie mich irgendwo erwarteten, erwarteten Sie mich nicht bei mir am Tage, wo Sie mir Geneviève stahlen?«

»Ich glaubte, Sie wären der erste Dieb.«

»Stille, keinen Witz, mein Herr, ich habe nie solchen bei Ihnen gekannt; keine Worte, ich weiß, daß Sie stärker im Handeln als im Wort sind, hiervon zeugt der Tag, wo Sie mich ermorden wollten; an diesem Tag sprach Ihre Natur.«

»Und ich habe mir mehr als einmal einen Vorwurf gemacht, daß ich nicht aus sie hörte,« antwortete Dirmer ruhig.

»Nun wohl!« sagte Maurice, auf seinen Säbel klopfend, »ich biete Ihnen eine Genugthuung an.«

»Morgen, wenn Sie wellen, heute nicht.«

»Warum morgen?«

»Oder diesen Abend.«

»Warum nicht aus der Stelle?«

»Weil ich noch bis fünf Uhr zu thun habe.«

«Abermals ein abscheulicher Plan,« sagte Maurice, »abermals ein Hinterhalt.«

»Ah! ah! Herr Maurice, Sie sind in der That sehr wenig dankbar, Wie! sechs Monate lang ließ ich Sie den zärtlichen Liebhaber bei meiner Frau spielen; sechs Monate lang ehrte ich Ihre Rendezvous, ließ ich Ihr Lächeln hingehen. Gestehen Sie, nie ist ein Mensch weniger Tiger gewesen als ich.«

»Du glaubtest nämlich, ich könnte Dir nützlich sein und schontest mich.«

»Allerdings!« antwortete ruhig Dirmer, der sich in demselben Grade beherrschte, in welchem Maurice sich erhitzte. »Allerdings, während Sie Ihre Republik verriethen und sie für einen Blick meiner Frau an mich verkauften; während Ihr Euch entehrtet, Sie durch Ihren Verrath, meine Frau durch ihre ehebrecherische Liebe, war ich der Weise, der Held. Ich wartete und triumphierte«

»Abscheulich!« versetzte Maurice.

»Ja, nicht wahr, Sie würdigen Ihr Benehmen, mein Herr? Es ist abscheulich, es ist schändlich!«

»Sie täuschen sich, mein Herr; das Benehmen, das Sie abscheulich und schändlich nennen, ist das des Mannes, dem die Ehre einer Frau anvertraut worden war, der sie rein und unbefleckt zu erhalten geschworen hatte, und der, statt seinen Schwur zu halten, aus ihrer Schönheit eine schmähliche Lockspeise machte, mit der er das schwache Herz fing. Es war vor Allem Ihre heilige Pflicht, diese Frau zu beschützen, mein Herr, und statt sie zu beschützen, haben Sie dieselbe verkauft.«

»Was ich zu thun hatte, mein Herr, will ich Ihnen sagen,« erwiderte Dirmer; »ich hatte meinen Freund zu retten, der mit mir eine heilige Sache unterstützte. Wie ich meine Habe dieser Sache opferte, so opferte ich auch meine Ehre. Mich selbst vergaß ich gänzlich, stellte ich völlig in den Hintergrund. Ich dachte erst zuletzt an mich. Nun, kein Freund mehr: mein Freund starb erdolcht; nun, keine Königin mehr: meine Königin starb aus dem Schafott; nun, hören Sie wohl, nun denke ich an meine Rache.«

»Sagen Sie an Ihren Mord.«

»Man ermordet eine Ehebrecherin nicht, wenn man sie niederstoßt, man bestraft sie.«

»Dieser Ehebruch, Sie haben ihn ihr auferlegt, er war folglich gesetzlich.«

»Sie meinen?« versetzte Dirmer mit einem finsteren Lächeln. »Fragen Sie ihre Gewissensbisse, ob sie gesetzlich zu handeln glaubt.«

»Derjenige, welcher straft, schlägt am hellen Tag; Du strafst nicht, da Du fliehst, während Du schlägst, da Du Dich verbirgst, während Du ihren Kopf der Guillotine zuwirfst.«

»Ich fliehe! ich verberge mich! wo siehst Du dies, Du armes Gehirn?« fragte Dirmer; »heißt es sich verbergen, ihrer Verurteilung beiwohnen? heißt es fliehen, bis in den Todtensaal gehen, um ihr ein letztes Fahrewohl zuzuwerfen?«

»Du willst sie wiedersehen?« rief Maurice, »Du willst ihr Fahrewohl sagen?«

»Stille doch,« antwortete Dirmer die Achseln zuckend, »Du bist offenbar in der Rache nicht erfahren, Bürger Maurice. Du würdest also an meiner Stelle damit zufrieden sein, daß Du die Ereignisse ihrer Gewalt allein, die Umstände ihrem Zuge allein überließest? Ich wäre also zum Beispiel mit der Ehebrecherin, die den Tod verdient, in dem Augenblick, wo ich sie mit dem Tode bestraft, quitt, oder vielmehr, sie wäre quitt mit mir? Nein, Bürger Maurice, ich habe etwas Besseres gefunden, als das; ich habe ein Mittel gefunden, dieser Frau alles Schlimme zuzufügen, das sie mir zugefügt. Sie liebt Dich, und wird fern von Dir sterben; sie haßt mich, und wird mich wiedersehen. Halt,« fügte er bei, indem er ein Portefeuille aus seiner Tasche zog; »siehst Du dieses Portefeuille? Es enthält eine von dem Greffier des Palastes unterzeichnete Karte. Mit dieser Karte kann ich zu den Verurtheilten dringen; nun wohl! ich werde bis zu Geneviève dringen und sie eine Ehebrecherin nennen: ich werde ihre Haare unter der Hand des Henkers fallen sehen, und während ihre Haare fallen, hört sie meine Stimme wiederholen: Ehebrecherin! Ich werde sie bis zum Henkerskarre begleiten, und wenn sie den Fuß aus das Schafott setzt, ist das letzte Wort, das sie hören wird: Ehebrecherin!«

»Nimm Dich in Acht, sie wird nicht den Muth haben, so viele Schändlichkeiten zu ertragen, sie wird Dich anzeigen.«

»Gut,« sagte Dinner, »sie haßt mich zu sehr hierfür; wenn sie mich hätte anzeigen sollen, so hätte sie es getan, als es ihr Dein Freund ganz leise rieth; da sie mich nicht angezeigt hat, um ihr Leben zu retten, so wird sie mich auch nicht anzeigen, um mit mir zu sterben; denn sie weiß wohl, daß wenn sie mich anzeigte, ich ihre Hinrichtung um einen Tag verzögern würde; sie weiß wohl, daß ich, wenn sie mich anzeigte, mit ihr nicht nur bis unten an die Stufen des Palastes, sondern bis zum Schafott ginge; denn sie weiß wohl, daß ich, statt sie am Fuße des Schämels zu verlassen, mit ihr den Henkerskarren bestiege; denn sie weiß wohl, daß ich ihr den ganzen Weg entlang das Wort: Ehebrecherin! wiederholen würde, welches ich aus dem Schafott unabläßig zu ihr spräche, und daß in dem Augenblick, wo sie in die Ewigkeit fiele, die furchtbare Anklage mit ihr dahin fallen würde.«

Dirmer war gräßlich in Zorn und Haß; seine Hand hatte die Hand von Maurice ergriffen und schüttelte sie mit einer Kraft, die der junge Mann nicht kannte, an welchem eine entgegengesetzte Wirkung vorging. Je mehr sich Dirmer exaltierte, desto mehr beruhigte sich Maurice.

»Höre,« sagte der junge Mann, »bei dieser Rache fehlt Eines.«

»Was?«

»Daß Du, aus dem Tribunale weggehend, zu ihr sagen könntest: »»Ich habe Deinen Geliebten getroffen und ihn getödtet.««

»Im Gegentheil, ich will ihr lieber sagen, Du lebest und werdest den ganzen Rest Deines Lebens durch das Schauspiel ihres Todes leiden.«

»Du wirst mich dennoch tödten,« sprach Maurice, und er schaute umher und fügte bei, als er sah, daß er ungefähr Herr der Stellung war: »oder ich tödte Dich.«

Bleich vor Aufregung, exaltiert durch den Zorn, eines doppelte Kraft durch den Zwang in sich fühlend, den er sich auferlegt hatte, um Dinner seinen furchtbaren Plan bis zum Ende entrollen zu hören, packte Maurice diesen bei der Gurgel und zog ihn an sich, während er rückwärts gegen eine Treppe ging, welche an den Rand des Flusses führte.

Bei der Berührung dieser Hand fühlte Dinner ebenfalls den Haß in seinem Innern wie eine Lava steigen.

»Es ist gut,« sagte er, »Du brauchst mich nicht mit Gewalt fortzuziehen, ich gehe.«

»Komm, Du bist bewaffnet.«

»Ich folge Dir.«

»Nein, schreite voran, doch ich sage Dir zum Voraus, bei dem geringsten Zeichen, bei der geringsten Gebärde spalte ich Dir den Schädel mit einem Säbelhiebe.«

»Oh! Du weißt wohl, daß ich keine Furcht Habe,« versetzte Dirmer mit jenem Lächeln, das die Blässe seiner Lippen so schrecklich machte.

»Furcht vor meinem Säbel, nein,« murmelte Maurice, »doch Furcht, Deine Rache zu verlieren, und dennoch,« fügte er bei, »nun, da wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen, kannst Du ihr Fahrewohl sagen.«

Sie waren in der That an den Rand des Wassers gelangt, und hätte ihnen der Blick auch dahin, wo sie waren, folgen können, so wäre doch Niemand im Stande gewesen, zeitig genug zu ihnen zu gelangen, um das Duell zu verhindern.

Überdies verzehrte ein gleicher Zorn diese beiden Männer.

Während sie sprachen, waren sie die kleine Treppe hinabgestiegen, welche aus die Place du Palais führt, und hatten den beinahe verlassenen Quai erreicht; denn da die Verurtheilungen noch fortdauerten, insofern es kaum zwei Uhr Nachmittags war, so drängte sich die Menge immer noch in dem Gerichtssaale, in den Corridors und in den Höfen, und Dirmer schien ebenso sehr Dürst nach dem Blute von Maurice zu haben, als Maurice Durst nach dem Blute von Dirmer hatte. Sie drangen sodann unter eines der Gewölbe, welche von den Kerkern der Concierqerie nach dem Flusse führen. . . heut zu Tage verpestete Dohlen, die aber, einst blutig, mehr als einmal Leichname fern aus den Oublietten wegtrieben.

 

Maurice stellte sich zwischen das Wasser und Dirmer.

»Ich glaube offenbar, daß ich Dich tödten werde, Maurice,« sagte Dirmer, »Du zitterst zu sehr.«

»Und ich, Dirmer,« versetzte Maurice, indem er den Säbel in die Hand nahm und ihm sorgfältig jeden Rückzug abschnitt, »ich glaube im Gegentheil, daß ich Dich tödten und, nachdem ich Dich getödtet, aus Deinem Portefeuille die Einlaßkarte des Greffier vom Palaste nehmen werde. Oh! Du magst immerhin Deinen Rock zuknöpfen, mein Säbel wird ihn öffnen, dafür stehe ich Dir, und wäre er von Erz wie die Panzer des Alterthums.«

»Dieses Papier wirst Du nehmen?« brüllte Dirmer.

»Ja, ich werde mich dieses Papieres bedienen; ich werde mit diesem Papier zu Geneviève gelangen; ich werde mich zu ihr auf den Henkerskarren setzen; ich werde ihr, so lange sie lebt, in das Ohr flüstern: Ich liebe Dich, und wenn ihr Kopf fällt: Ich liebte Dich!«

Dirmer machte mit der linken Hand eine Bewegung, um das Papier zu ergreifen und es mit dem Portefeuille in den Fluß zu schlendern. Doch schnell wie der Blitz, schneidend wie ein Beil, fuhr der Säbel von Maurice aus diese Hand nieder und trennte sie beinahe gänzlich vom Faustgelenke.

Der Verwundete stieß einen Schrei aus, schüttelte seine verstümmelte Hand und fiel aus.

Dann begann unter diesem einsamen, finsteren Gewölbe ein furchtbarer Kampf; die zwei Männer, welche m einen so engen Raum eingeschlossen waren, daß die Hiebe beinahe nicht von der Linie des Körpers abweichen konnten, glitschten auf den feuchten Platten aus und hielten sich nur mit Mühe an den Wänden der Dohle; die Angriffe vervielfältigten sich in Folge der Ungeduld der Kämpfenden.

Dirmer fühlte sein Blut fließen und begriff, daß seine Kräfte mit seinem Blute entschwinden würden er bedrängte Maurice mit einer solchen Heftigkeit, daß dieser einen Schritt rückwärts zu machen genöthigt war, Während er auswich, glitschte sein linker Fuß und der Säbel seines Feindes verletzte seine Brust. Doch mit einer Bewegung rasch wie der Gedanke hob er, obgleich knieend, die Klinge mit seiner linken Hand in die Höhe und strecke die Spitze Dinner entgegen, der, fortgerissen durch seinen Zorn, fortgerissen durch seine Bewegung aus einem abhängigen Boden, auf seinen Säbel fiel und sich selbst in das Eisen rannte.

Man hörte einen furchtbaren Fluch: dann rollten die zwei Körper bis vor das Gewölbe hinaus.

Ein Einziger erhob sich wieder; dies war Maurice, Maurice mit Blute bedeckt, aber mit dem Blute seines Feindes.

Er zog seinen Säbel an sich, und indes er ihn zurückzog, schien er den Rest des Lebens, das noch mit einem nervigen Zittern die Glieder von Dirmer bewegte, vollends auszusaugen.

Nachdem er sich völlig überzeugt hatte, daß sein Gegner todt war, neigte er sich über den Leichnam, öffnete den Rock des Todten, nahm das Portefeuille und entfernte sich rasch.

Als er einen Blick aus sich warf, sah er, daß er nicht vier Schritte in der Straße machen würde, ohne verhaftet zu werden: er war mit Blut bedeckt.

Er näherte sich dem Rande des Wassers, neigte sich gegen den Fluß hinab und wusch seine Hände und seine Kleider.

Dann stieg er rasch, nachdem er zum letzten Male nach dem Gewölbe zurückgeschaut, wieder die Treppe hinaus.

Ein rother, rauchender Faden kam aus dem Gewölbe hervor und schlängelte sich gegen den Fluß fort.

Beim Palaste angelangt, öffnete er die vom Greffier unterzeichnete Einlaßkarte.

»Ich danke, gerechter Gott!« murmelte er und stieg die Stufen hinauf, welche in den Todtensaal führten.

Es schlug drei Uhr.

LIV.
Der Todtensaal

Man erinnert sich, daß der Greffier des Palastes Dirmer seine Gefangenenregister geöffnet und mit diesem eine Verbindung unterhalten hatte, welche durch die Anwesenheit der Frau Greffière sehr angenehm geworden war.

Dieser Mann wurde, wie man sich wohl denken kann, von furchtbarem Schrecken erfasst, als das Complott von Dirmer an den Tag kam.

Es handelte sich für ihn in der That um nichts Geringeres, als daß er für einen Genossen seines falschen Collegen gehalten und mit Geneviève zum Tode verurtheilt werden konnte.

Fouquier-Tinville rief ihn vor sich.

Man begreift, wie sehr sich der arme Mann anstrengte, um seine Unschuld in den Augen des öffentlichen Anklägers darzutun; es gelang ihm durch die Geständnisse von Geneviève, welche seine Unwissenheit in Beziehung auf die Pläne ihres Gatten bewiesen. Es gelang ihm durch die Flucht von Dirmer; es gelang ihm besonders durch das Interesse von Fouquier-Tinville, der seine Verwaltung rein von jedem Flecken erhalten wollte.

»Bürger,« sagte der Greffier, indem er sich ihm zu Füßen warf, »verzeihe mir, ich habe mich täuschen lassen.«

»Bürger antwortete der öffentliche Ankläger, »ein Beamter der Nation, der sich in Zeiten, wie diese sind, täuschen läßt, verdient guillotiniert zu werden.«

»Aber man kann dumm sein, Bürger,« versetzte der Greffier, der Fouquier-Tinville um das Leben gern Monseigneur genannt hätte.

»Dumm oder nicht dumm,« entgegnete der strenge Ankläger, »Niemand darf sich in seiner Liebe für die Republik einschläfern lassen. Die Gänse des Capitols waren auch dumm, und dennoch erwachten sie, um Rom zu retten.«

Der Greffier hatte auf ein solches Argument nichts zu erwidern; er seufzte und wartete.

»Ich verzeihe Dir,« sagte Fouquier. »Ich werde Dich sogar verteidigen, denn es soll sich nicht einmal ein Verdacht gegen einen meiner Angestellten erheben; doch erinnere Dich, daß Du bei dem geringsten Wort, das mir zu Ohren kommt, bei der geringsten Erinnerung an diese Angelegenheit ein anderes Verfahren zu erwarten hast.«

Es bedarf kaum der Erwähnung, mit welchem Eifer und mit welcher Sorgfalt der Greffier die Zeitungen aussuchte, welche stets eiligst bemüht sind, zu sagen, was sie wissen, und zuweilen auch das, was sie nicht wissen, und müßten sie den Kopf von zehn Menschen fallen machen.

Er suchte Dirmer überall, um ihm Stillschweigen anzuempfehlen, doch Dirmer hatte natürlich seine Wohnung verändert, und er konnte ihn nicht auffinden.

Geneviève wurde auf den Stuhl der Angeklagten geführt, doch sie hatte schon im Verhör erklärt, weder sie, noch ihr Gatte hätten einen Genossen.

Wie dankte er auch der jungen Frau mit den Augen, als sie an ihm vorüberkam, um sich nach dem Tribunal zu begeben.

Doch als sie an ihm vorübergegangen und er einen Augenblick in die Kanzlei zurückgekehrt war, um Akten zu holen, die der Bürger Fouquier-Tinville von ihm forderte, sah er plötzlich Dirmer erscheinen, der mit ruhigem Schritte auf ihn zukam.

Diese Erscheinung versteinerte ihn.

»Oh!« machte er, als ob er ein Gespenst erblickt hätte.

»Erkennst Du mich nicht?« fragte ihn Dirmer. »Doch, Du bist der Bürger Durand oder vielmehr der Bürger Dirmer.«

»So ist es.«

»Doch Du bist todt, Bürger?«

»Noch nicht, wie Du siehst.«

»Ich will sagen, man wird Dich verhaften.«

»Wer soll mich verhaften? Niemand kennt mich.«

»Aber ich kenne Dich und habe nur ein Wort zu sagen, um Dich guillotinieren zu lassen.«

»Und ich habe nur zwei zu sagen, daß man Dich mit mir guillotiniert.«

»Das ist abscheulich, was Du da sprichst.«

»Nein, es ist logisch.«

»Aber was willst Du denn? Laß hören, sprich! beeile Dich, denn je weniger lange wir mit einander reden, desto weniger laufen wir Beide Gefahr.«

»Höre. Meine Frau wird verurtheilt werden, nicht wahr?«

»Ich befürchte es sehr! arme Frau!«

»Nun wohl, ich wünschte sie zum letzten Male zu sehen, um von ihr Abschied zu nehmen.«

»Wo dies?«

»Im Todtensaale.«

»Du wirst es wagen, hineinzugehen?«

»Warum nicht?«

»Oh!« machte der Greffier wie ein Mensch, den schon bei einem solchen Gedanken eine Gänsehaut überläuft.

»Es muß ein Mittel hierzu geben,« fuhr Dirmer fort.

»Um in den Todtensaal zu kommen?« ja, allerdings.«

»Welches?«

»Man muß sich eine Karte verschaffen.«

»Und wo verschafft man sich diese Karten?«

Der Greffier erbleichte furchtbar und stammelte:

»Wo man sich die Karten verschaffe, fragen Sie?«

»Ich frage, wo man sie sich verschaffe,« antwortete Dirmer, »ich denke, das ist klar . . .«

»Man verschafft sie sich . . . hier.«

»Ah, wirklich! wer unterzeichnet sie gewöhnlich?«

»Der Greffier.«

»Aber der Greffier, das bist Du?«

»Allerdings bin ich es,«

»Ah! wie sich das gut trifft,« versetzte Dirmer, während er sich auf einen Stuhl niederließ, »Du wirst mir eine Karte unterzeichnen.«

Der Greffier machte einen Sprung.

»Du verlangst meinen Kopf, Bürger,« sagte er.

»Ei, nein! ich verlange nur ganz einfach eine Karte.«

»Ich werde Dich verhaften lassen, Unglücklicher!« rief der Greffier, seine ganze Energie zusammenraffend.

»Thue es,« erwiderte, Dirmer; »doch in demselben Augenblick zeige ich Dich als meinen Mitschuldigen an, und statt mich allein in den berüchtigten Saal gehen zu lassen, wirst Du mich dahin begleiten.«

Der Greffier erbleichte.

»Ah! Verruchter!« sagte er.

»Dabei gibt es keinen Verruchten,« versetzte Dirmer; »Ich muß mit meiner Frau sprechen und verlange eine Karte von Dir, um zu ihr zu gelangen.«

»Ist es denn so nothwendig, daß Du mit ihr sprichst?«

»Es scheint, da ich meinen Kopf wage, um dies zu erreichen.«

Dieser Grund kam dem Greffier sehr triftig vor. Dirmer sah, das er erschüttert war, und fuhr fort:

»Vorwärts, beruhige Dich, man wird nichts erfahren, was Teufels! es müssen sich öfters Fälle zeigen, wie der, in welchem ich mich befinde.«

»Das kommt selten vor. Die Concurrenz ist nicht groß. Wir wollen sehen, ob wir das nicht auf eine andere Weise ordnen können.«

»Wenn es sich thun läßt, so ist es mir ganz lieb.«

»Es läßt sich außerordentlich leicht thun. Gehe durch die Thüre der Verurtheilten hinein, bei dieser Thüre braucht man keine Karte. Und wenn Du dann Deine Frau gesprochen hast, rufst Du mich und ich lasse Dich wieder heraus.«

»Nicht übel, nur gibt es eine Geschichte, die man sich in der Stadt erzählt.«

»Welche?«

»Die Geschichte eines armen Buckeligen, der die Thüre verwechselte und im Glauben, er trete in die Archive ein, in den Saal kam, von dem wir sprechen. Da er nun durch die Thüre der Verurtheilten eingetreten war, statt durch die große Pforte einzutreten, da er keine Karte hatte, um seine Identität nachzuweisen, so wollte man ihn nicht mehr hinauslassen. Man behauptete gegen ihn, insofern er durch die Thüre der Verurtheilten eingetreten, sei er ein Verurtheilter wie die Anderen. Er mochte immerhin protestieren, schwören, appellieren, Niemand glaubte ihm, Niemand kam ihm zu Hilfe, Niemand ließ ihn hinaus, so daß der Nachrichter, trotz seiner Betheurungen, seiner Einwendungen, seiner Schwüre, seines Geschreis, ihm zuerst die Haare und dann den Hals abschnitt. Ist die Anekdote wahr, Bürger Greffier? Du mußt es besser wissen als irgend Jemand,«

»Ach! ja, sie ist wahr,« sprach der Greffier, am ganzen Leibe zitternd.

»Nun wohl, Du siehst also, daß ich bei solchen Vorgängen ein Narr wäre, wenn ich in ein solches Mördernest ohne eine Karte eintreten würde.«

»Aber ich sage Dir, daß ich da bin!«

»Und wenn man Dich ruft? wenn Du anderswo beschäftigt bist? wenn Du vergissest (Dirmer legte einen unbarmherzigen Nachdruck aus das letzte Wort), wenn Du vergissest, daß ich da bin?«

»Aber da ich Dir verspreche . . .«

»Nein; überdies würde Dich das gefährden; man würde Dich mit mir reden sehen, und dann sagt es mir überhaupt nicht zu. Eine Karte ist mir lieber.«

»Unmöglich.«

»Dann werde ich sprechen, und wir machen mit einander einen Gang nach dem Revolutionsplatze.«

Betäubt, verwirrt, halb todt, unterzeichnete der Greffier eine Einlaßkarte für einen Bürger.

Dirmer warf sich daraus und ging hastig weg, um im Gerichtssaale den Platz einzunehmen, wo wir ihn gesehen.

Das Uebrige weiß man.

Von diesem Augenblick setzte sich der Greffier, um die Beschuldigung irgend einer Connivenz zu vermeiden, neben Fouquier-Tinville und überließ die Direction seiner Kanzlei seinem ersten Commis.

Um drei Uhr zehn Minuten durchschritt Maurice, mit der Karte versehen, eine Hecke von Schließern und Gendarmen und gelangte ohne Hinderniß zu der unseligen Thüre.

Wenn wir sagen unselig, so übertreiben wir, denn es gab zwei Thüren: die große Thüre, durch welche die mit Karten Versehenen aus und eingingen, und die Thüre der Verurtheilten, durch welche die Menschen eintraten, die nur wieder herauskommen sollten, um nach dem Schafott zu marschieren.

 

Die Stube, in welche Maurice gelangte, war in zwei Gelasse getheilt.

In einem von diesen Gelassen saßen die Beamten, deren Geschäft es war, die Namen der Ankommenden ein» zu registrieren; in das andere nur mit ein paar hölzernen Bänken ausgestattete Gelaß brachte man diejenigen, welche man verhaftet, und diejenigen, welche man verurtheilt hatte was ungefähr dasselbe war.

Der Saal war düster und nur durch die Scheiben eines Verschlages, der zwischen diesem und der Kanzlei stand, beleuchtet.

Eine weiß gekleidete, halb ohnmächtige Frau lag in einer Ecke an die Wand angelehnt.

Ein Mann stand mit gekreuzten Armen vor ihr; er schüttelte von Zeit zu Zeit den Kopf und zögerte, mit ihr zu sprechen, aus Furcht, ihr das Gefühl zurückzugeben, das sie verloren zu haben schien.

Um diese Person her sah man verworren die Verurtheilten sich bewegen, welche schluchzten oder patriotische Hymnen fangen.

Andere gingen mit großen Schritten auf und ab, als wollten sie dem Gedanken entfliehen, der sie zermarterte.

Es war wohl das Vorzimmer des Todes und die Ausstattung machte es dieses Namens würdig.

Man sah hier Särge mit Stroh gefüllt sich halb öffnen, als wollten sie die Lebendigen rufen: dies waren Ruhebetten, provisorische Gräber.

Ein großer Schrank erhob sich an der der Glasthüre entgegengesetzten Wand.

Ein Gefangener öffnete ihn aus Neugierde und wich voll Grauen zurück.

Der Schrank enthielt die blutigen Kleider der am Tage zuvor Hingerichteten, und lange Haarflechten hingen da und dort herab; dies waren die Trinkgelder des Henkers, der sie an die Verwandten verkaufte, wenn ihn nicht die Behörde beauftragte, die theuren Reliquien zu verbrennen.

Bebend, außer sich, hatte Maurice kaum die Thüre geöffnet, als er dieses ganze Gemälde mit einem Blick über» schaute.

Er machte drei Schritte im Saal und fiel zu den Füßen von Geneviève nieder.

Die arme Frau stieß einen Schrei aus, den Maurice mit seinen Lippen erstickte.

Lorin schloß weinend seinen Freund in seine Arme, es waren dies die ersten Thränen, die er vergossen.

Seltsamer Weise schauten alle diese hier versammelten Unglücklichen, welche mit einander sterben sollten, kaum das rührende Gemälde an, das ihnen Unglückliche ihres Gleichen boten.

Jeder hatte zu viel mit seinen eigenen Gemüthsbewegungen zu thun, um Antheil an den Gefühlen der Anderen zu nehmen.

Die drei Freunde blieben einen Augenblick in einer stummen, glühenden, beinahe freudigen Umarmung vereinigt.

Lorin machte sich zuerst von der schmerzlichen Gruppe los.

»Du bist auch verurtheilt?« sagte er zu Maurice.«

»Ja,« antwortete dieser.

»Oh, Glück!« flüsterte Geneviève.

Die Freude von Leuten, welche nur noch eine Stunde zu leben haben, kann nicht einmal so lange dauern, als ihr Leben.

Nachdem Maurice Geneviève mit jener glühenden tiefen Liebe, die er für sie im Herzen trug, angeschaut, nachdem er ihr für das zugleich sehnsüchtige und zärtliche Wort, welches ihr entschlüpft, gedankt hatte, wandte er sich gegen Lorin um und sagte, während er zugleich in seine Hand die beiden Hände von Geneviève nahm:

»Nun laß uns mit einander reden.«

»Ah! ja, reden wir,« erwiderte Lorin; »doch wenn uns nur auch Zeit bleibt. Was willst Du mir sagen, sprich?«

»Du bist meinetwegen verhaftet, ihretwegen verurtheilt worden, während Du nichts gegen die Gesetze begangen hast; da Geneviève und ich unsere Schuld bezahlen, so geziemt es sich nicht, daß man Dich zu gleicher, Zeit mit uns bezahlen läßt.«

»Ich begreife Dich nicht.«

»Lorin, Du bist frei.«

»Frei, ich! Du bist verrückt.«

»Nein, ich bin nicht verrückt und wiederhole Dir, daß Du frei bist; hier ist eine Durchlaßkarte. Man wird Dich fragen wer Du seist: Du bist ein Beamter in der Kanzlei der Carmes, Du bist gekommen, um mit dem Bürger Greffier des Palastes zu sprechen; Du hast ihn aus Neugierde um eine Karte gebeten, um die Verurtheilten zu sehen; Du hast sie gesehen, Du bist befriedigt und gehst.«

»Nicht wahr, das ist ein Scherz?«

»Nein, lieber Freund, hier ist die Karte, benütze den Vortheil. Du liebst nicht; Du hast nicht nöthig, zu sterben, um einige Minuten mehr mit der Vielgeliebten Deines Herzens zuzubringen und keine Sekunde von ihrer Ewigkeit zu verlieren,«

»Nun wohl! Maurice,« sagte Lorin, »wenn man von hier weggehen kann, was ich nie geglaubt hätte, das schwöre ich Dir, warum rettest Du nicht zuerst diese Frau? Für Dich werden wir schon Rath schaffen.«

»Unmöglich,« entgegnete, Maurice, dem sich das Herz gräßlich zusammenschnürte, »sieh, auf der Karte steht ein Bürger und nicht eine Bürgerin, und dann würde Geneviève, mich hier zurücklassend, nicht weggehen, sie würde nicht leben wollen im Bewußtsein, daß ich sterben werde.«

»Nun, da sie es nicht will, warum sollte ich es wollen? Glaubst Du etwa, ich habe weniger Muth als eine Frau?«

»Nein, mein Freund, ich weiß im Gegentheil, daß Du der Muthigste der Männer bist; doch nichts in der Welt vermöchte Deine Halsstarrigkeit in einem solchen Falle zu entschuldigen. Vorwärts, Lorin, benütze den Augenblick und gewähre uns die höchste Freude, Dich frei und glücklich zu wissen«

»Glücklich!« rief Lorin, »scherzest Du? Glücklich! ich glücklich ohne Euch? Ei, was Teufels soll ich denn in dieser Welt machen, ohne Euch; was soll ich in Paris machen, aller meiner Gewohnten beraubt, wenn ich Euch nicht mehr sehen, nicht mehr mit meinen Reimsylben langweilen könnte! Ah, bei Gott! nein.«

»Lorin, mein Freund! . . .«

»Gerade weil ich Dein Freund bin, beharre ich aus meinem Willen. Wäre ich Gefangener, wie ich es bin, mit der Aussicht, Euch Beide wiederzufinden, so würde ich die Mauern umstürzen; doch um allein von hier zu entfliehen und durch die Straßen zu wandern, die Stirne gebeugt unter etwas wie einem Gewissensbiß, der mir beständig in das Ohr rufen würde: »»Maurice! Geneviève!«« um in gewisse Quartiere und vor gewissen Häusern vorüber zu gehen, wo ich Eure Personen gesehen und, wo ich nichts mehr sehen würde, als Eure Schatten, um endlich dahin zu gelangen, daß ich das theure Paris, welches ich so sehr liebte. . . verfluchte; ah! meiner Treue, nein, und ich finde, man hat Recht gehabt, die Könige zu ächten, und wäre es nur wegen des König Dagobert.«

»In welcher Beziehung steht der König Dagobert zu dem, was unter uns vorgeht?,

»In welcher Beziehung? Sagte dieser abscheuliche Tyrann nicht zu dem großen Eloi: »»Es gibt keine Gesellschaft, welche so gut wäre, daß man sie nicht verlassen müßte!«« Nun wohl, ich bin ein Republikaner und sage: »»Nichts darf uns bewegen, die gute Gesellschaft zu verlassen, nicht einmal die Guillotine.«« Ich fühle mich wohl hier und bleibe.«

»Armer Freund! armer Freund!« sprach Maurice.

Geneviève sagte nichts, doch sie schaute mit Augen, welche in Thränen gebadet waren,

»Du beklagst den Verlust des Lebens!« versetzte Lorin.

»Ja, ihretwegen.«

»Und ich beklage ihn aus keinem Grund; nicht einmal wegen der Göttin Vernunft, welche, was ich Dir mitzutheilen vergessen, sich sehr großes Unrecht gegen mich hat zu Schulden kommen lassen, wodurch sie der Mühe überhoben ist, sich zu trösten wie die andere Arthemisa, die alte; ich werde also sehr ruhig und sehr heiter gehen, ich werde alle diese Schufte, welche dem Henkerskarren nachlaufen, belustigen; ich werde Sanson einen hübschen Quatrain und dann der Gesellschaft guten Abend sagen.

Das heißt . . . warte doch.«

Lorin unterbrach sich.

»Ah! doch, doch,« sagte er, »ich will weggehen; ich wußte wohl, daß ich Niemand liebte, aber ich vergaß, daß ich Jemand haßte. Deine Uhr, Maurice, Deine Uhr.«

»Halb vier Uhr.«

»Ich habe Zeit, bei Gott! ich habe Zeit.«

«Gewiß,« rief Maurice; »es bleiben neun Angeklagte heute, das wird nicht vor fünf Uhr endigen, wir haben also beinahe zwei Stunden vor uns.«

»Mehr brauche ich nicht; gib mir Deine Karte und leihe mir zwanzig Sous,«

Maurice drückte ihm die Hand. Das Wichtige für ihn war, daß Lorin wegging.

»Ich habe meinen Gedanken,« sagte Lorin.

Maurice zog seine Börse und legte sie seinem Freunde in die Hand.

»Nun die Karte, um der Liebe Gottes willen . . . ich will sagen, um des ewigen Wesens willen.«