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Der Chevalier von Maison-Rouge

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XXXlX.
Der Veilchenstrauß

Der Friede konnte, wie man vorher wußte, nicht lange in dem glücklichen Gebäude wohnen, das Geneviève und Maurice umschloß.

Bei den Stürmen, die den Wind und den. Blitz entfesseln, wird das Nest der Tauben mit dem Baume erschüttert, der es birgt.

Geneviève verfiel von einem Schrecken in den andern; sie fürchtete nicht mehr für Maison-Rouge, sie zitterte für Maurice.

Sie kannte ihren Gatten hinreichend, um zu wissen, daß er, sobald er verschwunden, auch gerettet war; über sein Heil in Sicherheit, zitterte sie für sich selbst,

Sie wagte es nicht, ihre Schmerzen dem unerschrockensten Manne jener Zeit, wo Niemand bange hatte, anzuvertrauen; doch sie traten klar in ihren gerötheten Augen und auf ihren erbleichenden Lippen hervor.

Eines Tages kehrte Maurice stille und ohne daß Geneviève, welche in eine tiefe Träumerei versunken war, ihn kommen hörte, nach Hause zurück. Maurice blieb auf der Schwelle stehen und sah Geneviève unbeweglich, die Augen starr, ihre Arme träge aus dem Schoße liegend, mit nachdenkenden Kopf auf die Brust gesenkt, aus einem Stuhle sitzen.

Er schaute sie einen Augenblick mit tiefer Traurigkeit an; denn Alles, was in dem Herzen der jungen Frau vorging, wurde ihm geoffenbaret, als ob er ihren letzten Gedanken darin hätte lesen können.

Dann machte er einen Schritt gegen sie und sprach:

»Sie lieben Frankreich nicht mehr, Geneviève,,gestehen Sie es mir. Sie fliehen sogar die Luft, die man hier athmet, und nicht ohne Widerstreben nähern Sie sich dm Fenster.«

»Ach!« versetzte Geneviève, »ich weiß wohl, daß ich Ihnen meine Gedanken nicht verbergen kann, Sie haben richtig errathen, Maurice.«

»Es ist doch ein schönes Land,« entgegnete der junge Mann; »das Leben ist heute von Bedeutung und angefüllt; diese brausende Thätigkeit der Tribune, der Clubs, der Verschwörungen macht die Stunden am Herde sehr süß. Man liebt so glühend, wenn man nach Hanse kehrt mit der Furcht, am andern Tage nicht mehr zu lieben, weil man am andern Tage zu leben aufgehört haben wird.«

Geneviève schüttelte den Kopf und erwiderte:

»Ein undankbares Land gegen diejenigen, welche ihm dienen!«

»Wie so?«

»Ja, Sie, der Sie so viel für seine Freiheit getan haben, sind Sie nicht heute halb verdächtig?«

»Aber Sie, theure Geneviève,« sprach Maurice mit einem liebestrunkenen Blicke, »Sie, die geschworene Feindin dieser Freiheit, Sie, die Sie so viel gegen dieselbe getan haben, Sie schlafen friedlich und unverletzbar unter dem Dache des Republikaners; es findet eine Ausgleichung statt, wie Sie sehen.«

»Ja, ja; doch dies wird nicht lange währen, denn was ungerecht ist, hat keinen Bestand.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Ich will damit sagen, daß ich, das heißt eine Aristokratin, die, ich hinterhältig von der Niederlage Ihrer Partei und dem Untergange Ihrer Ideen träume, ich die ich sogar in Ihrem Hause für die Rückkehr der alte Ordnung der Dinge conspirire, ich, die ich, erkannt, Sie zum Tode und zur Schmach verurtheile, wenigstens Ihre Ansichten nach, daß ich, Maurice, nicht hier bleiben werde, als der böse Geist des Hauses. . . nein, ich werde Sie nicht nach dem Schafott fortreißen.«

»Und wohin werden Sie gehen, Geneviève?«

»Wohin ich gehen werde? Eines Tags, wenn Sie sich von hier entfernt haben, gehe ich hin und zeige mich selbst an, ohne zu sagen, woher ich komme.«

»Oh! schon Undank!« rief Maurice in der Tiefe, seines Herzens getroffen.

»Nein,« entgegnete die junge Frau, indem sie mit ihren Armen den Hals von Maurice umschlang, »nein mein Freund, Liebe, und zwar die ergebenste Liebe, schwöre ich Ihnen. Ich wollte nicht, daß mein Bruder gefangen genommen und als ein Rebell getödtet sollte; ich will nicht, daß man meinen Geliebten gefangen nehme und als einen Verräther tödte.«

»Sie werden das thun, Geneviève?« sprach Maurice.

»So wahr als ein Gott im Himmel ist! Übrigens ist es nicht die Furcht allein, was mich bewegt, ich habe Gewissensbisse.«

Und sie neigte das Haupt, als ob die Reue für sie zu schwer gewesen wäre.

»O Geneviève!« sprach Maurice.

»Sie verstehen wohl, was ich sage, und besonders was ich empfinde, Maurice,« fuhr Geneviève denn diese Gewissensbisse haben Sie auch. Sie wissen, daß ich mich gegeben habe, Maurice, ohne mir zu gehören; daß Sie mich genommen haben, ohne daß ich befugt war, Mich zu geben.«

»Genug!« sagte Maurice, »genug!«

Seine Stirne faltete sich und ein düsterer Entschluß glänzte in seinen Augen.

»Ich werde Ihnen zeigen, Geneviève,« sprach der junge Mann, «daß ich Sie einzig und allein liebe. Ich werde Ihnen den Beweis geben, daß kein Opfer über meiner Liebe steht, Sie hassen Frankreich, nun wohl! es sei, wir verlassen Frankreich.

Geneviève faltete die Hände und schaute ihren Geliebten mit einem Ausdruck enthusiastischer Begeisterung an.

»Sie täuschen mich nicht, Maurice?« stammelte sie.

»Wann habe ich Sie getäuscht?« versetzte Maurice; »etwa an dem Tage, an welchem ich mich entehrte, um Sie zu erwerben?«

Geneviève näherte ihre Lippen den Lippen von Maurice und blieb gleichsam am Halse ihres Geliebten hängen.

»Ja, Du hast Recht, Maurice,« sprach sie, »ich täuschte Dich. Was ich empfinde, ist nicht mehr Reue, es ist vielleicht eine Entartung meiner Seele, doch Du must sie wenigstens verstehen, ich liebe Dich zu sehr, um ein anderes Gefühl zu hegen, als die Furcht, Dich zu verlieren. Gehen wir sehr fern, mein Freund, gehen wir dahin, wo Niemand uns erreichen kann.«

»Oh! Dank, Dank,« sprach Maurice voll Entzücken.

»Doch wie fliehen?« fragte Geneviève, bebend bei diesem furchtbaren Gedanken. »Man entgeht heute nicht leicht dem Dolche der Mörder vom 2. September, oder dem Beile der Henker vom 21. Januar.«

»Geneviève, Gott beschützt uns. Höre: eine gute Handlung, welche ich in Beziehung aus den 2. September, wovon Du eben sprachst, thun wollte, wird heute ihren Lohn bringen. Ich hatte den Wunsch, einen armen Priester zu retten, der mit mir studirte. Ich suchte Danton auf, und auf sein Verlangen unterzeichnete der Wohlfahrtsausschuß einen Paß für diesen Unglücklichen und seine Schwester, Diesen Paß übergab mir Danton doch statt ihn bei mir zu holen, wie ich es ihm empfohlen hatte, schloß sich der unglückliche Priester bei den Carmelitern ein und starb dort.«

»Und dieser Paß?«

»Ich habe ihn immer noch; er ist heute eine Million werth; er ist mehr werth als dies, er ist das Leben, ist das Glück werth.«

»Oh! mein Gott, mein Gott, sei gelobt! rief die junge Frau.

»Mein Vermögen besteht nun, wie Du weißt, in einem Gute, das ein Diener meiner Familie verwaltet ein reiner Patriot, eine redliche Seele, der wir vertraue können. Er wird mir die Einkünfte zukommen lassen, wohin ich es haben will. Wenn wir nach Boulogne reisen, kommen wir bei ihm vorüber.«

»Wo wohnt er denn?«

»Bei Abbéville.«

»Wann brechen wir auf, Maurice?«

»In einer Stunde.«

»Man darf nicht wissen, daß wir abreisen.«

»Niemand wird es erfahren. Ich laufe zu Lorin er hat ein Cabriolet ohne Pferd, ich habe ein Pferd ohne Wagen: wir reisen ab, sobald ich zurückgekommen bin. Du bleibst hier, Geneviève, und triffst alle Vorkehrungen zu unserer Abreise. Wir brauchen wenig Gedäcke, wir kaufen in England, was uns fehlt. Ich gehe Scävola einen Auftrag, der ihn entfernt. Lorin wird ihn diesen Abend unsere Abreise erklären, und diesen Abend sind wir schon fern.«

»Doch wenn man uns aus dem Wege verhaftet?

»Haben wir nicht unsern Paß? Wir gehen zu Hubert, das ist der Name des Verwalters, Hubert gehört zur Municipalität von Abbéville; von Abbéville nach Boulogne begleitet er uns und dient uns als Schutzwache; in Boulogne kaufen oder miethen wir eine Barke. Ich kann übrigens in das Comité gehen und mir einen Auftrag nach Abbéville geben lassen. Doch nein, keinen Betrug, nicht wahr, Geneviève? Wir wollen unser Glück gewinnen, indem wir unser Leben einsetzen.«

»Ja, ja, mein Freund, und es wird uns gelingen. Doch wie bist Du diesen Morgen parfümirt, mein Freund!« sagte die junge Frau, indem sie ihr Gesicht an der Brust von Maurice verbarg.

»Es ist wahr; ich kaufte diesen Morgen einen Veilchenstrauß für Dich, als ich am Palais Egalité vorüberkam; doch da ich hier eintrat und Dich so traurig sah, dachte ich nur noch daran, Dich nach der Ursache dieser Traurigkeit zu fragen.«

»Oh! gib ihn mir, ich gebe ihn Dir zurück.«

Geneviève athmete den Geruch des Straußes mit jenem Fanatismus ein, den nervige Organisationen beinahe immer für die Wohlgerüche haben.

Plötzlich befeuchteten sich ihre Augen mit Thränen.

»Was hast Du?« fragte Maurice

»Arme Heloise,« flüsterte Geneviève.

»Ah! ja,« sagte Maurice mit einem Seufzer. »Doch denken wir an uns, theure Freundin, und lassen wir die Todten, von welcher Partei sie auch sein mögen, in dem Grabe schlummern, das ihre Ergebenheit ihnen gegraben hat. Adieu, ich gehe.«

»Komm bald zurück.«

»In weniger als einer halben Stunde bin ich hier.«

»Doch wenn Lorin nicht zu Hause wäre?«

»Was ist daran gelegen! sein Diener kennt mich; kann ich nicht bei ihm Alles nehmen, was mir beliebt, selbst in seiner Abwesenheit, wie er es hier thun würde?«

»Gut, gut.«

»Du, meine Geneviève, halte Alles bereit, und beschränke Dich dabei, wie ich es Dir sagte, auf das streng Nothwendige; unsere Abreise soll nicht das Aussehen eines Wegzuges haben.«

»Sei unbesorgt.«

Der junge Mann machte einen Schritt gegen die Thüre.

»Maurice!« rief Geneviève.

Er wandte sich um und sah die junge Frau ihr Arme nach ihm ausstrecken.

»Aus Wiedersehen!« sprach er, »auf Wiedersehen meine Liebe, und guten Muth! in einer halben Stunde bin ich zurück.«

Geneviève blieb allein, wie wir gesagt, mit der Vorbereitungen zur Abreise beauftragt.

 

Diese Vorbereitungen traf sie mit einer Art von Fieber. So lange sie sich in Paris befand, machte sie sich selbst die Wirkung, als wäre sie doppelt schuldig. Einmal außerhalb Frankreich, einmal im Ausland, meinte sie, ihr Verbrechen, ein Verbrechen, das mehr dem Mißgeschick als ihr selbst zur Last zu legen war, würde sie weniger bedrücken.

Sie ging sogar so weit, daß sie hoffte, in der Einsamkeit würde sie am Ende vergessen, daß es andere Menschen gebe als Maurice.

Sie sollten nach England fliehen, das war verabredet. Sie würden dort ein kleines Haus, eine vereinzelte, vor Aller Augen geschlossene Hütte haben; sie würde den den Namen ändern und aus ihren beiden Namen einen einzigen machen.

Sie würden dort zwei Diener nehmen, die durchaus nichts von ihrer Vergangenheit wüßten. Der Zufall fügte es, daß Maurice und Geneviève Beide Englisch sprachen.

Weder das Eine noch das Andere ließ in Frankreich etwas zurück, was es zu beklagen hatte, wenn nicht jene Mutter, deren Verlust man stets beklagt, und wäre es auch eine Stiefmutter, jene Mutter, die man das Vaterland nennt.

Geneviève sing also an die Gegenstände zu ordnen welche für ihre Reise oder vielmehr für ihre Flucht unerläßlich waren.

Sie fand ein unsägliches Vergnügen darin, unter diesen Gegenständen diejenigen von den andern auszuscheiden, für welche Maurice eine besondere Vorliebe hatte, den Rock, der am Besten seinen Wuchs hervorhob, die Halsbinde, welche am Besten zu seiner Gesichtsfarbe stand, die Bücher, die er am Häufigsten durchblätterte.

Sie hatte schon ihre Wahl getroffen; schon bedeckten in Erwartung der Koffer, die sie aufnehmen sollten, Kleider, Wäsche, Bücher, die Stühle, die Canapés das Klavier.

Plötzlich horte sie den Schlüssel im Schlosse knirschen.

»Gut,« sagte sie, »Scävola kehrt zurück; sollte ihm Maurice nicht begegnet sein?«

Und sie setzte ihr Geschäft fort., Die Thüren des Salon waren offen; sie hörte den Willfährigen im Vorzimmer sich bewegen.

Geneviève hielt gerade eine Musikrolle in der Hand und suchte ein Band um sie zu umwickeln.

»Scävola!« rief sie.

Ein Tritt, der sich näherte, erscholl im anstoßenden Zimmer.

»Scävola!« wiederholte Geneviève, »kommen Sie, ich bitte.«

»Hier bin ich!« sprach eine Stimme.

Bei dem Tone dieser Stimme wandte sich Geneviève ungestüm um und stieß einen furchtbaren Schrei aus.

»Mein Gatte!« rief sie.

»Ich selbst,« sagte Dirmer ruhig.

Geneviève war aus einem Stuhle und erhob die Arme, um in einem Schrank irgend ein Band zu suchen; sie fühlte, daß ihr der Kopf schwindelte, streckte die Arme aus, und ließ sich rückwärts sinken, nur wünschend, sie möchte einen Abgrund unter sich finden, um sich hineinzustürzen.

Dirmer fing sie in seinen Armen aus und trug sie aus das Canapé.

»Nun, was haben Sie denn, meine Liebe, was gibt es denn?« fragte Dirmer, »bringt meine Anwesenheit eine so unangenehme Wirkung aus Sie hervor?«

»Ich sterbe,« stammelte Geneviève, indem sie sich zurückwarf und ihre beiden Hände auf die Augen drückte, um die schreckliche Erscheinung nicht zu sehen.

»Gut,« sagte Dirmer, »hielten Sie mich bereits für todt, meine Liebe, und mache ich den Eindruck eines Gespenstes auf Sie?«

Geneviève schaute mit irren Augen umher, glitt, als sie das Portrait von Maurice erblickte, von dem Canapé herab und fiel aus die Kniee, als wollte sie von diesem ohnmächtigen, unempfindlichen Bilde, das zu lächeln fortfuhr, Beistand verlangen.

Die arme Frau begriff, welche Drohungen Dirmer unter der Ruhe verbarg, die er heuchelte.

»Ja, mein liebes Kind,« fuhr der Rothgerbermeister fort, »ich bin es, »vielleicht glaubten Sie mich sehr fern von Paris; doch nein, ich bin geblieben. Am Tage, nachdem ich das Haus verlassen, kehrte ich dahin zurück erblickte an seinem Platze einen sehr schönen Aschenhaufen. Ich erkundigte mich nach Ihnen, Niemand hatte Sie gesehen. Ich suchte Sie überall und hatte viel Mühe, Sie zu finden. Ich gestehe, ich glaubte nicht, daß Sie hier wären; doch ich hegte Verdacht, da ich, wie Sie sehen hierher kam. Die Hauptsache ist jedoch, daß ich hier bin, und daß Sie hier sind. Wie befindet sich der liebe Maurice? In der That, ich bin fest überzeugt, daß Sie viel gelitten haben. Sie, eine so gute Royalistin, waren genöthigt, unter demselben Dache mit einem so fanatischen Republikaner zu leben.«

»Mein Gott!« murmelte Geneviève, »mein Gott, habe Mitleid mit mir.«

»Aber im Ganzen,« fuhr Dirmer umherschauend fort, »im Ganzen tröstet es mich, meine Liebe, daß Sie hier so gut wohnen und nur wenig unter der Aechtunq gelitten zu haben scheinen. Ich irrte seit dem Brande unseres Hauses und dem Verluste unseres Vermögens ziemlich auf den Zufall umher, wohnte in der Tiefe der Keller, im untersten Raume der Schiffe, und zuweilen auch in den Kloaken, welche in die Seine ausmünden.«

»Mein Herr!« rief Geneviève.

»Sie haben da sehr schönes Obst; ich mußte oft das Dessert entbehren und hatte häufig nicht einmal ein Mittagsbrot.«

»Geneviève verbarg schluchzend ihren Kopf in ihren Händen.

»Nickt als ob es mir an Geld gefehlt hätte,« fuhr Dirmer fort; ich nahm, Gott sei Dank, ungefähr dreißig tausend Franken in Gold mit mir, was heut zu Zage so viel werth ist, als hundert tausend Franken. Doch wie kann ein Kohlenbauer, ein Fischer oder ein Lumpensammler Louis dor aus der Tasche ziehen, um ein Stück Käse oder eine Wurst zu kaufen? Ei! mein Gott! ja, Madame, ich habe nach und nach diese drei Trachten angenommen. Heute bin ich, um mich besser zu verkleiden, als Patriot, als Überspannter, als Marseiller. Ich schwöre und ich fluche. Bei Gott! ein Geächteter geht nicht so leicht in Paris umher, als eine hübsche junge Frau, und ich hatte nicht das Glück, einen glühenden Republikaner zu kennen, der mich vor Aller Augen zu verbergen vermochte.«

»Mein Herr, mein Herr,« rief Geneviève, »haben Sie Mitleid mit mir! Sie sehen wohl, daß ich sterbe.«

»Vor Unruhe, ich begreife das, Sie waren sehr besorgt für mich; doch trösten Sie sich, ich bin nun hier, ich komme zurück und wir werden uns nicht mehr verlassen, Madame.«

»Oh! Sie werden mich tödten!« rief Geneviève.

Dirmer schaute sie mit einem furchtbaren Lächeln an.

»Eine unschuldige Frau tödten! Oh! Madame, was sagen Sie da? Sie müssen durch den Kummer, den Ihnen meine Abwesenheit bereitete, den Verstand verloren haben.«

»Mein Herr,« rief Geneviève, »ich bitte Sie mit gefalteten Händen, mich eher zu tödten, als mied durch so grausamen Spott zu martern. Nein, ich bin nicht unschuldig; ja, ich verdiene den Tod, mein Herr. Tödten Sie mich, mein Herr, tödten Sie mich!«

»Sie gestehen also, daß Sie den Tod verdienen?«

»Ja, ja.«

»Und daß Sie, um, ich weiß nicht, welches Verbrechen, dessen Sie sich beschuldigen, zu sühnen, den Tod erdulden würden, ohne sich zu beklagen?«

»Schlagen Sie, mein Herr, ich werde keinen Schrei ausstoßen, und statt Sie zu verfluchen, werde ich die Hand, die mich schlägt, segnen,«

»Nein, Madame, ich will nicht schlagen, doch Sie werden sterben, das ist wahrscheinlich. Nur wird Ihr Tod, statt schmachvoll zu sein, wie Sie befürchten konnten, glorreich werden, gleich dem schönsten Tode. Danken Sie mir, Madame, ich strafe Sie, indem ich Sie unsterblich mache.«

»Was wollen Sie thun?«

»Sie werden das Ziel verfolgen, nach dem wir strebten, als wir aus unserer Bahn unterbrochen wurden. Für Sie und für mich werden Sie schuldbefleckt fallen; für Alle sterben Sie als Märtyrin.«

»Oh mein Gott! Sie machen mich wahnsinnig, in. dem Sie so zu mir sprechen. Wohin führen Sie mich, wohin schleppen Sie mich?»

«Zum Tode wahrscheinlich.«

»Lassen Sie mich ein Gebet verrichten.«

»Ein Gebet?«

»Ja!«

»An wen?«

»Das geht Sie nichts an! sobald Sie mich tödten, bezahle ich meine Schuld, und wenn ich bezahlt habe, bin ich Ihnen nichts mehr schuldig.«

»Es ist richtig,« sprach Dirmer, »ich erwarte Sie.«

Und er begab sich in das andere Zimmer.

Geneviève kniete vor dem Portrait nieder und preßte mit ihren beiden Händen ihr Herz zusammen, das dem Brechen nahe war.

»Maurice,« sprach sie ganz leise, »verzeihe mir. Ich erwartete nicht, glücklich zu sein, doch ich hoffte, Dich glücklich machen zu können. Maurice, ich raube Dir ein Glück, das Dein Leben bildete; verzeihe mir Deinen Tod, mein Viel geliebter.«

Und sie schnitt eine Locke von ihren langen Haaren ab, wickelte sie um den Veilchenstrauß und legte diesen unter das Portrait, das so unempfindlich auch diese kalte Leinwand war, einen schmerzlichen Ausdruck anzunehmen schien, als es sie scheiden sah.

So kam es wenigstens Geneviève durch ihre Thränen vor.

»Nun, sind Sie bereit, Madame?« fragte Dinner.

»Schon!« murmelte Geneviève.

»Oh! nehmen Sie sich Zeit, Madame,« erwiderte Dirmer; »ich habe keine Eile! Übrigens wird Maurice wahrscheinlich bald zurückkehren, und ich wäre entzückt, ihm für die Gastfreundschaft, die er Ihnen gewährt, danken zu dürfen.«

Geneviève bebte vor Schrecken bei dem Gedanken, ihr Geliebter und ihr Gatte könnten zusammentreffen.

Sie erhob sich wie von einer Feder bewegt und sprach:

»Es ist beendigt, mein Herr, ich bin bereit.«

Dirmer ging voran. Die zitternde Geneviève folgte ihm, die Augen halb geschlossen, den Kopf zurückgeworfen. Sie stiegen in einen Fiacre, der vor der Thüre wartete; der Wagen rollte fort.

Es war beendigt, wie Geneviève gesagt hatte!

XL.
Die Schenke zum Brunnen Noä

Der Mann m der Carmagnole, den wir die Salle des Pas-Perdus durchmessen sahen und sodann währen der Expedition des Baumeisters Giraud, des General Santerre und des Vater Richard ein paar Worte mit dem als Wache vor der Thüre des unterirdisches Ganges zurück gebliebenen Schließer wechseln hörten, der wüthende Patriot mit seiner Bärenmütze und seinem dicken Schnurrbart, der bei Simon behauptete, er habe den Kopf der Prinzessin von Lamballe getragen, fand sich am Tag, nach dem an Gemüthsbewegungen so wechselreichen Abend: gegen sieben Uhr Nachmittags in der Schenke zum Brunnen Noä ein, welche, wie wir wissen, an der Ecke der Rue de la Vieille-Draperie lag.

Er saß hier bei dem Wirthe, oder vielmehr bei der Wirthin im Hintergrunde einer schwarzen, von Tabak und Lichtern durchräucherten Stube und gab sich den Anschein als verzehrte er eine Platte Fische in schwarzer Butter.

Die Stube, wo er sein Abendbrot verzehrte, war beinahe verlassen, nur ein paar Stammgäste des Hauses waren nach den Andern geblieben und genossen das Vorrecht, das ihnen der tägliche Besuch in der Anstalt verlieh. Die meisten Tische standen leer, doch wir müssen zur Ehre der Schenke zum Brunnen Noä sagen, die rothen, oder vielmehr violetten Tischtücher zeugten von dem Durchzug einer befriedigenden Anzahl gesättigter Gäste.

Die drei letzten Gäste verschwanden hinter einander, und gegen drei Viertel auf acht Uhr fand sich der Patriot allein.

Dann schob er mit einem höchst aristokratischen Ekel die gemeine Platte zurück, welche ihm einen Augenblick zuvor einen köstlichen Genuß bereitet zu haben schien, und zog aus seiner Tasche ein Täfelchen spanische Chocolade, die er langsam und mit einem Ausdruck aß, der sehr verschieden von dem war, welchen wir ihn seiner Physiognomie geben sahen.

Von Zeit zu Zeit, während er an seiner spanischen Chocolade und an seinem schwarzen Brote knaupelte, warf er auf die Glasthüre, an welcher ein Vorhang mit weiß und rothen Vierecken hing, Blicke voll ängstlicher Ungeduld; zuweilen horchte er und unterbrach sein frugales Mahl mit einer Zerstreuung, die der Wirthin des Hauses viel zu denken gab; diese saß an ihrem Comptoir in der Nähe der Thüre, auf welche der Patriot seine Augen heftete, so daß sie sich ohne zu viel Eitelkeit für den Gegenstand seiner Unruhe halten konnte.

Endlich ertönte die Klingel der Eingangsthüre auf eine gewisse Weise, welche unseren Mann beben machte; er griff wieder nach seinem Fische, ohne daß die Herrin der Schenke bemerkte, daß er die eine Hälfte davon einem Hunde zuwarf, der ihn hungrig anschaute, und die andere Hälfte einer Katze, die dem Hunde zarte, aber dennoch sehr fühlbare Krallenhiebe versetzte.

Die Thüre mit dem weiß und rothen Vorhang öffnete sich; ein Mann trat ein, der ungefähr wie der Patriot gekleidet war, mit Ausnahme der Pelzmütze, die er durch die rothe Mütze ersetzt hatte.

Ein ungeheurer Bund Schlüssel hing an dem Gürtel dieses Mannes, an welchem auch ein breiter Infanteriesäbel befestigt war.

»Meine Suppe! meinen Schoppen!« rief dieser Mann, der in den gemeinschaftlichen Saal eintrat, ohne seine rothe Mütze zu berühren, und sich nur daraus beschränkte, daß er der Frau vom Hause ein Zeichen mit dem Kopfe machte.

 

Dann ließ er sich mit einem Seufzer der Müdigkeit an dem Tische nieder, welcher zunächst an dem stand, wo unser Patriot speiste.«

Die Herrin der Schenke erhob sich in Folge der Ehrerbietung, die sie für den Neu angekommenen hegte, und bestellte selbst die verlangten Gegenstände.

Die zwei Männer wandten sich den Rücken zu, der eine schaute nach der Straße, der andere nach dem Hintergrund des Zimmers, Nicht ein Wort wurde zwischen den zwei Männern ausgetauscht, so lange die Herrin der Schenke nicht völlig verschwunden war.

Als sich die Thüre hinter ihr geschlossen hatte und der Mann mit der Pelzmütze bei dem Schimmer eines einzigen Lichtes, das so geschickt am Ende eines Eisendrahtes hing, daß die Beleuchtung zwischen den zwei Gästen theilbar war, als dieser Mann, sagen wir, in dem ihm gegenüber angebrachten Spiegel bemerkt hatte, das Zimmer wäre vollkommen leer, sagte er zu seinem Gefährten, ohne sich umzuwenden:

»Guten Abend.«

»Guten Abend, mein Herr,« erwiderte der Neu angekommene.

»Nun,« fragte der Patriot mit derselben geheuchelten Gleichgültigkeit, »wie weit sind wir?«

»Es ist vorbei.«

»Was ist vorbei?«

»Ich bin mit dem Vater Richard, wie es unter uns abgemacht war, wegen des Dienstes uneinig geworden. Ich schützte mein schwaches Gehör, meine Blendungen vor, und es wurde mir übel mitten in der Schreibstube.«

»Sehr gut, und hernach?«

»Hernach rief der Vater Richard seine Frau, und seine Frau rieb mir die Schläfe mit Essig ein, woraus ich wieder zu mir kam.«

»Gut, und hierauf?«

»Hierauf, wie es unter uns abgemacht w«, sagte ich, der Mangel an Luft bringe bei mir diese Blendungen hervor, insofern ich sanguinisch sei, und der Dienst der Conciergerie, in der sich in diesem Augenblick vierhundert Gefangene finden, tödte mich.«

»Und was sprachen sie hierzu?«

»Die Mutter Richard beklagte mich.«

»Und der Vater Richard?«

»Er wies mir die Thüre.«

»Daß er Dir die Thüre gewiesen hat, ist noch nicht genug.«

»Warten Sie doch; die Mutter Richard, die eine gute Frau ist, warf ihm vor, er habe kein Herz, in Betracht, daß ich ein Familienvater sei.«

»Und was erwiderte er?«

»Er erwiderte, sie habe Recht, doch die erste Bedingung für den Stand eines Schließers bestehe darin, er in dem Gefängniß bleibe, bei welchem er angestellt; die Republik scherze nicht, sie schlage denjenigen die Köpfe ab, welche bei Ausübung ihrer Functionen Blendungen haben.«

»Teufel!« versetzte der Patriot.

»Und er hatte nicht Unrecht, der Vater Richard. Seitdem die Oesterreicherin dort ist, findet eine höllenmäßige Überwachung statt.«

Der Patriot gab seinen Teller dem Hunde zu lecken, der von der Katze gebissen wurde.

»Vollenden Sie,« sprach er, ohne sich umzuwenden. »Endlich fing ich an zu seufzen und zu behaupten, ich fühle mich sehr unwohl; ich verlangte in die Krankenstube gebracht zu werden und versicherte, meine Kinder müßten sterben, wenn man mir meinen Lohn entziehe.«

»Und, der Vater Richard?«

»Der Vater Richard antwortete mir, wenn man Schließer sei, so zeuge man keine Kinder.«

»Doch ich denke, Du hast die Mutter Richard für Dich?«

»Zum Glück! sie machte ihrem Manne eine andere Szene und warf ihm vor, er habe ein schlechtes Herz, und der Vater Richard sagte am Ende: »»Nun wohl, Bürger Gracchus, verständige Dich mit einem von Deinen Freunden, der Dir etwas auf Deinen Lohn gibt; stelle ihn mir als Ersatzmann vor und ich verspreche Dir, daß er angenommen werden soll.«« Hiernach entfernte ich mich, indem ich zu ihm sagte: »»Es ist gut, Vater Richard, ich werde suchen.««

»Und Du hast gefunden, mein Braver!«

In diesem Augenblick kehrte die Wirthin zurück und brachte dem Bürger Gracchus seine Suppe und seinen Schoppen. Das behagte weder Gracchus, noch dm Patrioten, denn sie hatten sich noch einige Mittheilungen zu machen.

»Bürgerin,« sagte der Schließer, »ich habe ein kleines Geschenk vom Vater Richard erhalten, so daß ich mir heute ein Schweinsrippchen mit Gurken und eine Flasche Burgunderwein erlauben werde; schicke wegen des Rippchens Deine Magd zum Garkoch und hole mir die Flasche im Keller.«

Die Wirthin gab sogleich ihre Befehle. Die Magd ging durch die Hausthüre hinaus, jene entfernte sich durch die Kellerthüre,

»Gut,« sagte der Patriot, »Du bist ein verständiger Bursche.«

»So verständig, daß ich mir trotz Ihrer schönen Versprechungen nicht verhehle, um was es sich für uns Beide handelt. Sie vermuten es wohl?«

»Ja, vollkommen.«

»Wir spielen Beide um unsern Hals.«

»Sei unbesorgt um den meinigen.«

»Ich muß es gestehen, mein Herr, es ist auch nicht gerade der Ihrige, der mir am meisten Unruhe bereitet.«

»Es ist der Deinige?«

»Ja.«

»Doch wenn ich ihn zu seinem doppelten Werthe anschlage?«

»Ei! mein Herr, ein Hals ist ein sehr kostbares Ding.«

»Der Deinige nicht.«

»Wie, der meinige nicht?«

»In diesem Augenblick wenigstens.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Ich will damit sagen, daß Dein Hals keinen Heller werth ist, insofern Du, wenn ich zum Beispiel ein Agent des Wohlfahrtsausschusses wäre, morgen guillotiniert würdest.«

Der Schließer wandte sich mit einer so ungestümen Bewegung um, daß der Hund gegen ihn kläffte.

Er war bleich wie der Tod.

»Wende Dich nicht um, erbleiche nicht,« sprach der Patriot, »iß im Gegentheil vollends ruhig Deine Suppe; ich bin kein herauslockender Agent, mein Freund. Verschaffe mir Eintritt in die Conciergerie, setze mich an Deinen Platz, und ich bezahle Dir morgen fünfzig tausend Livres in Gold.«

»Ist es aber auch gewiß wahr?«

»Oh! Du hast eine vortreffliche Caution, Du hast meinen Kopf.«

Der Schließer sann einige Secunden nach.

»Vorwärts!« sagte der Patriot, der ihn in seinem Spiegel sah, »vorwärts! stelle keine schlimme Betrachtungen an; denuncirst Du mich, so gibt Dir die Republik, da Du im Ganzen nur Deine Pflicht getan hast, nicht einen Sou; dienst Du mir, so gebe ich Dir, da Du im Gegentheil Dich gegen Deine Pflicht verfehlt hast, und es in dieser Welt unbillig ist, daß Jemand etwas für nichts thun soll, die fünfzig tausend Livres.«

»Oh! ich verstehe Sie,« entgegnete der Schließer, »ich habe allen Vortheil dabei, daß ich thue, was Sie von mir verlangen, doch ich befürchte die Folgen . . .«

»Die Folgen . . . und was hast Du zu fürchten, sprich? Ich werde Dich nicht anzeigen, im Gegentheil.«

»Ohne Zweifel,«

»Am Tage nach meiner Bestallung machst Du einen Gang nach der Conciergerie, ich gebe Dir fünf und zwanzig Rollen, von denen jede zwei tausend Franken enthält; diese fünf und zwanzig Rollen werden bequem in Deinen zwei Säcken Platz haben. Mit dem Gelde gebe ich Dir eine Karte, mit der Du aus Frankreich Auslaß findest,

Du reisest ab, und wohin Du gehst, bist Du, wenn nicht reich, doch wenigstens unabhängig.

»Nun wohl, es ist abgemacht, mein Herr, mag kommen, was da will. Ich bin ein armer Teufel und mische mich nicht in die Politik; Frankreich ist immer gut marschirt ohne mich, und wird in Ermangelung meiner Person nicht umkommen; begehen Sie eine schlechte Handlung, desto schlimmer für Sie.«

»In jedem Fall glaube ich nichts Schlimmeres zu thun, als man sonst in diesem Augenblick thut.«

»Der Herr wird mir erlauben, daß ich die Politik des Nationalconventes nicht beurtheile.«

»Du bist ein in Beziehung aus Philosophie und Sorglosigkeit bewunderungswürdiger Mann. Nun sprich, stellst Du mich dem Vater Richard vor?«

»Diesen Abend, wenn Sie wollen.«

»Ja gewiß. Wer bin ich?«

»Mein Vetter Mardoche.«

»Mardoche, es sei, der Name gefällt mir. Was für ein Stand?«

»Ein Beutler.«

»Der Beutler ist vom Gerber nur um eine Hand entfernt.«

»Sind Sie Gerber?«

»Ich könnte es sein.«

»Das ist wahr.«

»Um welche Stunde soll die Vorstellung stattfinden?«

»In einer halben Stunde, wenn Sie wollen.«

»Um neun Uhr also.«

»Wann bekomme ich das Geld?«

»Morgen.«

»Sie sind ungeheuer reich?«

»Ich bin wohlhabend.«

»Ein Ci-devant, nicht wahr?«

»Was geht das Dich an?«

»Geld haben und sein Geld dafür weggeben, daß man Gefahr läuft, guillotiniert zu werden, in der That, die Ci-devant müssen sehr dumm sein!«

,Was willst Du? Die Sans-culottes haben so viel Geist, daß für die Andern nichts mehr übrig ist,«

»Stille, hier kommt mein Wein.«