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Der Chevalier von Maison-Rouge

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XVII.
Die Minirer

Im Augenblick, wo man den Tisch verließ, wurde Dirmer benachrichtigt, sein Notar erwarte ihn in seinem Cabinet; er entschuldigte sich bei Maurice, den er übrigens auf diese Art zu verlassen die Gewohnheit hatte, und begab sich an den Ort, wo ihn der Notar erwartete.

Es handelte sich um den Ankauf eines kleinen Hauses der Rue de la Corderie, dem Garten des Temple gegenüber. Es war mehr ein Platz als ein Haus, was Dirmer kaufte, denn das gegenwärtige Gebäude zerfiel beinahe in Trümmer, doch er hatte die Absicht, es wieder aufbauen zu lassen.

Der Handel hatte auch durchaus keinen Anstand bei dem Eigenthümer gefunden; der Notar hatte ihn an demselben Morgen besucht und war mit ihm für die Summe von neunzehn tausend fünfhundert Livres übereingekommen. Er erschien bei Dirmer, um den Vertrag unterzeichnen zu lassen und das Geld für das Gebäude in Empfang zu nehmen; der Eigentümer sollte im Verlaufe des Tages das Haus völlig räumen, damit die Arbeiter schon am nächsten Morgen zum Werke schreiten könnten.

Sobald der Vertrag unterzeichnet war, begaben sich Dirmer und Morand mit dem Notar nach der Rue de la Corderie, um sogleich die neue Erwerbung in Augenschein zu nehmen, denn man hatte den Kauf mit Vorbehalt der Besichtigung abgeschlossen,

Dieses Haus lag ungefähr da, wo jetzt die Nummer ist, hatte drei Stockwerke und darüber eine Mansarde. Der untere Theil war früher an einen Weinhändler vermiethet gewesen und enthielt vortreffliche Keller.

Der Eigenthümer rühmte hauptsächlich die Keller, das war der bemerkenswerthe Theil des Hauses; Dirmer und Morand schienen einen geringen Werth auf den Keller zu legen, und dennoch stiegen Beide, wie aus Gefälligkeit, in das hinab, was der Eigenthümer seine Souterains nannte.

Gegen die Gewohnheit der Hauseigenthümer hatte dieser nicht gelogen; die Keller waren herrlich, einer derselben erstreckte sich bis unter die Rue de la Corderie und man hörte von diesem Keller aus die Wagen über die Kopfe hinrollen.

Dirmer und Morand schienen diesen Vortheil durchaus nicht hoch anzuschlagen und sprachen sogar davon die Gewölbe auffüllen zu lassen, welche, obgleich vortrefflich für einen Weinhändler, für gute Bürger, die das ganze Haus einzunehmen gedächten, durchaus unnütz wären.

Nach dem Keller besuchte man den ersten, dann den zweiten, dann den dritten Stock: aus dem dritten schau man völlig in die Gärten des Temple; sie waren, wie gewöhnlich von der Nationalgarde besetzt, welche es sich dort bequem machte, seitdem die Königin nicht mehr spazieren ging.

Dirmer und Morand erkannten ihre Freundin, die Witwe Plumeau, welche mit ihrer gewöhnlichen Thätigkeit die Honneurs ihrer Schenke machte; doch ohne Zweifel war ihr Verlangen, ebenfalls von derselbe erkannt zu werden, nicht groß, denn sie hielten sich hinter dem Hauseigenthümer verborgen, der sie auf die Vortheile dieser eben so wechselreichen, als angenehmen Aussicht aufmerksam machte.

Der Käufer verlangte sodann die Mansarden zu sehen.

Der Eigenthümer hatte diese Forderung ohne Zweifel nicht erwartet, denn er trug den Schlüssel nicht bei sich; doch gerührt durch das Bündel von Assignaten, das man ihm gezeigt, ging er rasch hinab, um ihn zu holen.

»Ich hatte mich nicht getäuscht,« sagte Morand, »dieses Haus taugt Vortrefflich für unsere Zwecke.«

»Und was sagen Sie zum Keller?«

»Daß dies eine Unterstützung der Vorsehung ist, die uns zwei Tage Arbeit ersparen wird.«

»Glauben Sie, daß er in der Richtung des Kellers der Schenke geht?«

»Er neigt sich ein wenig nach links, doch gleichviel.«

«Aber wie können Sie Ihre unterirdische Linie mit der Gewißheit verfolgen, daß Sie ausmünden, wo Sie wollen?« versetzte Dirmer.

»Seien Sie unbesorgt, das ist meine Sache.«

»Wenn wir von hier aus das Zeichen geben würden, daß wir wachen?«

»Die Königin würde es von der Plattform aus nicht sehen, denn ich glaube, nur die Mansarden allein sind in der Höhe der Plattform, und daran zweifle ich noch.«

»Gleichviel,« sagte Dirmer, »Toulan oder Mauny können es von irgend einer Oeffnung aus sehen und werden Ihre Majestät benachrichtigen.«

Hiernach machte Dirmer Knoten unten an einen Vorhang von weißem Calicot und ließ den Vorhang durch das offene Fenster gehen, als ob ihn der Wind hinausgetrieben hätte.

Dann, als wären Beide ungeduldig, die Mansarden in Augenschein zu nehmen, gingen sie hinaus, um den Eigenthümer auf der Treppe zu erwarten, nachdem sie zuvor die Thüre des dritten Stockwerkes zugemacht hatten, damit dem würdigen Manne nicht der Gedanke käme, seinen flatternden Vorhang zurückzuziehen.

Die Mansarden erreichten, wie es Morand vorhergesehen, noch nicht einmal die Höhe der Zinnen des Thurmes. Dies war zugleich eine Schwierigkeit und ein Vortheil: eine Schwierigkeit, weil man sich nicht durch Zeichen der Königin mittheilen konnte; ein Vortheil, weil die Unmöglichkeit jeden Verdacht beseitigte. Die hohen Häuser waren natürlich diejenigen, welche man am Schärfsten bewachte.

»Man müßte durch Mauny, Toulan oder die Tochter Tison ein Mittel finden, ihr sagen zu lassen, sie möge, Obacht geben,« sprach Dirmer.

»Ich werde darauf bedacht sein,« antwortete Morand.

Man ging hinab. Der Notar wartete im Wohnzimmer mit dem Vertrage.

»Es ist gut,« sprach Dirmer, »das Haus sagt mir zu; bezahlen Sie dem Bürger die neunzehn tausend fünfhundert Livres und lassen Sie ihn unterzeichnen.«

Der Hauseigenthümer zählte ängstlich die Summe und unterzeichnete.

»Du weißt, Bürger,« sprach Dirmer, »die Hauptbedingung ist, daß mir das Haus noch diesen Abend übergeben wird, damit schon morgen die Arbeiten anfangen können.«

»Ich werde mich darnach richten, Bürger, Du kannst die Schlüssel mitnehmen, diesen Abend um acht Uhr wird es völlig geräumt.«

»Ah! Bürger Notar,« sagte Dirmer, »hast Du uns nicht gesagt, das Haus habe einen Ausgang nach der Rue Porte-Foin?«

»Ja, Bürger,« antwortete der Hauseigenthümer, »doch ich ließ ihn verschließen, denn ich habe nur einen Willfährigen und dieser arme Teufel hatte, genöthigt zwei Thüren zu bewachen, zu viel Mühe. Der Ausgang der indessen auf eine Weise vermauert, daß man ihn abmachen, mit einer Arbeit von kaum zwei Stunden anbringen kann. Wollt Ihr Euch davon überzeugen, Bürger?«

»Ich denke, es ist unnöthig,« erwiderte Dirmer, »ich lege keinen Werth auf diesen Ausgang.«

Und Beide entfernten sich, nachdem sie zum dritten Male den Hauseigenthümer sein Versprechen, die Wohnung bis acht Uhr Abends zu räumen, hatten wiederholen lassen.

Um neun Uhr kamen Beide zurück, in einer gewissen Entfernung gefolgt von fünf bis sechs Männern, auf «eiche bei der in Paris herrschenden Verwirrung Niemand aufmerksam war,

Sie traten zuerst Beide ein; der Verkäufer hatte Wort gehalten, das Haus war völlig leer.

Man schloß die Läden, mit der größten Sorgfalt, schlug dann Feuer und zündete Kerzen an, welche Morand in seiner Tasche mitgebracht hatte.

Hiernach traten die fünf oder sechs Männer hinter einander ein.

Es waren die gewöhnlichen Gäste des Meister Rothgerbers, dieselben Schmuggler, welche eines Abends Maurice hatten tödten wollen und seitdem seine Freunde geworden waren.,

Man schloß die Thüren und stieg in den Keller hinab.

Dieser am Tage so sehr verachtete Keller war am Abend der wichtigste Theil des Hauses geworden.

Man hörte, wie es der Eigenthümer bemerkt hatte, die Wagen über dem Kopfe rollen, was, bewies, daß man sich wirklich unter der Straße befand.

Man verstopfte zuerst alle Oeffnungen, durch welche ein neugieriger Blick dringen konnte.

Dann richtete Morand ein leeres Faß auf und zeichnete auf ein Papier mit Bleistift geometrische Linien.

Während er diese Linien zeichnete, traten seine Gefährten, von Dirmer geführt, aus dem Hause, folgten der Rue de la Corderie und blieben an der Ecke der Rue du Beauce vor einem bedeckten Wagen stehen. In diesem Wagen saß ein Mann, der Jedem ein Pionier-Werkzeug gab, dem Einen ein Grabscheit, dem Andern eine Haue, Diesem eine Hebestange, Jenem einen Karst. Jeder verbarg das Werkzeug, das man ihm gegeben hatte, entweder in seinem Oberrock oder unter seinem Mantel. Die Gräber schlugen wieder den Weg nach dem kleinen Haus ein und der Wagen verschwand.

Morand hatte seine Arbeit beendigt.

Er ging gerade auf eine Ecke des Kellers zu und sprach:

»Hier grabt.«

Die Befreiungsarbeiter schritten sogleich zum Werk.

Die Lage der Gefangenen im Temple war immer ernster und besonders immer schmerzlicher geworden. Einen Augenblick hatten die Königin, Madame Elisabeth und Madame Royale wieder einige Hoffnung gefaßt. Von Mitleid für die erhabenen Gefangenen ergriffen, hatten ihnen die Municipale Toulan und Lepitre Theilnahme kundgegeben. Wenig an diese Zeichen von Mitgefühl gewöhnt, waren die armen Frauen Anfangs mißtrauisch gewesen. Doch man mißtraut nicht lange, wenn man hofft. Was konnte übrigens der Königin geschehen, welche von ihrem Sohne durch das Gefängniß, von ihrem Gatten, durch den Tod getrennt war? daß sie wie dieser das Blutgerüste besteigen mußte. Das war ein Schicksal, welches sie seit langer Zeit vor sich erblickte, ein Schicksal, an das sie sich endlich gewöhnt hatte

Als zum ersten Male die Reihe wieder an Toulan und Lepitre kam, bat sie die Königin, sie möchten ihnen wenn sie wirklich an ihrem Schicksale Theil nähmen, die einzelnen Umstände bei dem Tode des Königs erzählen. Dies war eine traurige Prüfung, der man ihr Mitgefühl unterwarf. Lepitre hatte der Hinrichtung beigewohnt, er gehorchte dem Befehl der Königin

Die Königin verlangte die Zeitungen, welche einen Bericht über die Hinrichtung enthielten. Lepitre versprach sie bei der nächsten Wache zu bringen; die Reihe der Wache kehrte von drei zu drei Wochen wieder.

 

Zur Zeit des Königs waren vier Municipale im Temple, nach seinem Tod nur noch drei; einer wachte bei Tag und zwei wachten in der Nacht. Toulan und Lepitre ersannen eine List, um stets bei Nacht mit einander, auf der Wache zu sein.

Ueber die Wachestunden wurden Loose gezogen; man schrieb auf einen Zettel Tag und auf die zwei anderen Nacht. Jeder zog einen Zettel aus einem Hut, der Zufall brachte die Wächter der Nacht zusammen.

Lepitre und Toulan waren jedes Mal mit einander auf der Wache; sie schrieben Tag auf die drei Zettel und boten, den Hut dem Municipal, den sie beseitigen wollten. Dieser streckte die Hand in die improvisierte Urne und zog notwendig einen Zettel heraus, aus dem das Wort Tag stand. Toulan und Lepitre vernichteten die zwei andern und murrten dabei gegen den Zufall, der ihnen beständig die unangenehmere Wache gab, nämlich die der Nacht.

Als die Königin ihrer zwei Wächter sicher war, brachte sie dieselben in Verbindung mit dem Chevalier von Maison-Rouge. Dann wurde ein Entweichungsplan festgestellt. Die Königin und Madame Elisabeth sollten verkleidet als Municipalbeamte mit Karten fliehen, die man ihnen verschaffen würde. Was die zwei Kinder, nämlich Madame Royale und den jungen Dauphin betrifft, so hatte man bemerkt, daß der Mann, der die Laternen im Temple anzündete, stets zwei Kinder von demselben Alter wie die Prinzessin und der Prinz mitbrachte. Es wurde verabredet, daß Turgy, von dem wir noch nicht gesprochen, sich in die Tracht des Anzünders kleiden und Madame Royale und den Dauphin entführen sollte.

Wir wollen nun mit zwei Worten sagen, wer Turgy war.

Turgy war ein ehemaliger Diener der Mundküche des Königs, der mit einem Theile des Haushaltes der Tuilerien in den Temple kam, denn der König hatte Anfangs eine ziemlich gut organisierte Tafelbedienung. Im ersten Monat kostete diese Bedienung die Nation dreißig bis vierzig tausend Franken,

Eine solche Verschwendung konnte begreiflicher Weise nicht lange dauern. Die Gemeinde traf eine andere Anordnung. Man entließ Küchenmeister, Köche und Küchenjungen. Ein einziger Küchendiener wurde beibehalten, dieser Küchendiener war Turgy.

Turgy war daher ein ganz natürlicher Vermittler zwischen den Gefangenen und ihren Parteigängern, denn Turgy konnte hinausgehen und folglich Billets wegtragen und Antworten zurückbringen.

Gewöhnlich waren diese Billets als Pfropfe zusammengerollt aus den Mandelmilchflaschen, die man der Königin und Madame Elisabeth zukommen ließ. Es waren mit Citrone geschrieben und die Buchstaben blieben den unsichtbar, bis man sie dem Feuer näherte.

Alles war zur Flucht bereit, als eines Tags Tison seine Pfeife mit einem Propfe von einer dieser Flaschen anzündete. Während das Papier brannte, sah er Chraktere erscheinen. Er löschte das halbverbrannte Papier aus und überbrachte das Bruchstück dem Rath des Temple. Hier näherte man es dem Feuer, doch man konnte nur einige Worte ohne Folge lesen, da die andere Hälfte Papiers in Asche verwandelt war.

Nur erkannte man die Handschrift der Königin. Als man Tison befragte, erzählte er, er habe einige Gefälligkeiten von Seiten von Lepitre und Toulan gegen Gefangenen zu bemerken geglaubt. Die zwei Commisäre, wurden der Municipalität angezeigt und konnten nicht mehr in den Temple zurückkehren.

Es blieb noch Turgy. Doch das Mißtrauen war im höchsten Grade rege gemacht; nie ließ man ihn allein bei den Prinzessinnen, jede Verbindung mit Außen war also unmöglich geworden.

Eines Tags gab jedoch Madame Elisabeth Turgy zum Reinigen ein kleines Messer mit einem goldenen Hefte, dessen sie sich bediente, um ihr Obst zu schneiten. Turgy vermuthete etwas und zog, während er es abwischte, das Heft zurück: es enthielt ein Billet.

Dieses Bittet war ein ganzes Alphabet von Zeichen.

Turgy gab das Messer Madame Elisabeth zurück doch ein anwesender Municipal entriß es ihren Händen und untersuchte das Messer, an dem er ebenfalls die Klinge vom Hefte trennte; glücklicher Weise war das Billet nicht mehr darin. Der Municipal confiscirte nichtsdestoweniger das Messer,

Da ersann der unermüdliche Chevalier von Maison-Rouge den zweiten Versuch, den man mittelst des Hauses, das Dirmer gekauft, ausführen sollte.

Die Gefangenen hatten indessen allmählig alle Hoffnung verloren. Die Königin, welche ungemein über das Geschrei erschrak, das von der Straße bis zu ihr drang, und durch eben dieses Geschrei erfuhr, daß man die Girondisten, die letzte Stütze des Moderantismus, in Anklagezustand zu versetzen beabsichtigte, war an diesem Tage von einer schmerzlichen Traurigkeit. Denn waren die Girondisten todt, so hatte die königliche Familie keinen Vertheidiger mehr im Convent.

Um sieben, Uhr trug man das Abendbrod auf. Die Municipale untersuchten jede Platte wie gewöhnlich, entfalteten eine nach der andern die Servietten, sondierten das Brot, der Eine mit einer Gabel, der Andere mit den Fingern, und ließen die Macronen und die Nüsse erbrechen, Alles aus Furcht, es könnte ein Billet bis zu m Gefangenen gelangen; als diese Vorsichtsmaßregeln genommen waren, luden sie die Königin und die Prinzessin ein, sich zu Tische zu setzen, dies mit den einfachen Worten:

»Witwe Capet, Du kannst speisen.«

Die Königin schüttelte den Kopf, zum Zeichen, daß Sie keinen Hunger habe.

Doch in diesem Augenblick kam Madame Royale auf sie zu, als ob sie ihre Mutter umarmen wollte, und sagte zu ihr:

»Setzen Sie sich zu Tische, Madame, ich glaube, Turgy macht uns ein Zeichen.«

Die Königin bebte und schaute empor. Turgy stand ihr gegenüber, die Serviette auf dem linken Arme und mit der rechten Hand sein Auge berührend.

Sie erhob sich sogleich, ohne eine Schwierigkeit machen, und nahm ihren gewöhnlichen Platz am Tische.

Die zwei Municipale wohnten dem Mahle bei; es war ihnen verboten, die Prinzessinnen einen Augenblick mit Turgy allein zu lassen.

Die Füße der Königin und die von Madame Elisabeth begegneten sich unter dem Tische und drückten sich.

Da die Königin Turgy gegenüber saß, so entging ihr nicht eine Geberde des Dieners. Uebrigens war, seine Geberden so natürlich, daß sie den Municipal, kein Mißtrauen einflößen konnten und auch wirklich kein, einflößten.

Nach dem Abendbrote trug man mit denselben Vorsichtsmaßregeln ab, die man beim Auftragen genommen hatte: die geringsten Brotbrocken wurden aufgehoben m untersucht; dann ging Turgy zuerst hinaus, ihm folgten die Municipale, doch die Tison blieb.,

Diese Frau war ganz wild geworden, seitdem sie von ihrer Tochter getrennt hatte, von deren Schicksal sie durchaus nichts wußte. So oft die Königin Madame Royale umarmte, bekam sie Anfälle von Wuth, welche dem Wahnsinn glichen; die Königin, deren mütterliches Herz den Schmerz der Mutter begriff, hielt oft in dem Augenblick inne, wo sie sich diesen Trost, den einzigen der ihr blieb, den Trost, ihre Tochter an ihr Herz zu drücken, geben wollte.

Tison kam, um seine Frau zu holen, doch diese erklärte, sie würde sich nicht eher entfernen, als bis die Witwe Capet sich niedergelegt hätte.

Madame Elisabeth nahm nun Abschied von der Königin und ging in ihr Zimmer,

Die Königin entkleidete sich und ging zu Bette, ebenso Madame Royale; dann nahm die Frau Tison die Kerze und entfernte sich.

Die Municipale lagen bereits aus ihren Gurtbetten im Corridor.

Der Mond, dieser bleiche Gast der Gefangenen, ließ durch die Oeffnung des Ladens einen schrägen Strahl fallen, der vom Fenster zum Fuße des Bettes der Königin glitt.

Einen Augenblick blieb Alles ruhig und schweigsam im Zimmer

Dann drehte sich sachte eine Thüre auf ihren Angeln: ein Schatten trat in den Lichtstrahl und näherte sich den Häupten des Bettes. Es war Madame Elisabeth.

»Haben Sie gesehen?« sagte sie mit leiser Stimme.

»Ja,« antwortete die Königin.

»Haben Sie verstanden?«

»So gut, daß ich nicht daran glauben kann.«

»Wir wollen die Zeichen wiederholen.«

»Zuerst berührte er sein Auge, um uns zu bezeichnen, daß etwas Neues vorgehe.«

»Dann legte er seine Serviette von seinem linken Arm auf seinen rechten, was besagen will, daß man sich mit unserer Befreiung beschäftige.

»Hierauf drückte er die Hand an seine Stirne, wodurch er bedeutete, die Hilfe, die er uns ankündige, komme aus dem Innern und nicht vom Ausland.«

»Als Sie ihn sodann baten, morgen Ihre Milch nicht zu vergessen, machte er zwei Knoten an sein Taschentuch.«

»Es ist also abermals der Chevalier von Maison-Rouge. Edles Herz!«

»Er ist es,« sprach Madame Elisabeth.

»Schläfst Du, meine Tochter?« fragte die Königin.

»Nein, meine Mutter,« antwortete Madame Royale.

»So bete, Du weißt für wen.«

Madame Elisabeth kehrte geräuschlos in ihr Zimmer zurück, und fünf Minuten lang hörte man die Stimme der jungen Prinzessin, welche in der Stille der Nacht mit Gott sprach.

Es war dies gerade in dem Augenblicke, wo auf die Angabe von Morand die ersten Schläge mit der Haue in dem kleinen Hause der Rue de la Corderie geschahen.

XVIII.
Wolken

Abgesehen von der Berauschung der ersten Blick, hatte sich Maurice unter seiner Erwartung bei der Aufnahme gefunden, die ihm Geneviève bereitet, und er rechne, auf die Einsamkeit, um den Weg wieder zu gewinnen, den er auf der Bahn seiner Zuneigung verloren hatte, oder wenigstens verloren zu haben schien.

Doch Geneviève hatte ihren festen Plan; sie gedachte ihm keine Gelegenheit mehr zu einem Zusammensein unter vier Augen zu geben, um so mehr, als sie sich gerade durch ihre Süßigkeit erinnerte, wie gefährlich solche Zusammenkünfte waren,

Maurice zählte auf den andern Tag; eine Verwandtin ohne Zweifel zum Voraus benachrichtigt, war zum Besuch gekommen und Geneviève hatte sie zurückgehalten, Diesmal ließ sich nichts sagen, denn es konnte kein Fehler auf Seiten von Geneviève sein.

Als Maurice wegging, wurde er beauftragt, die Verwandtin, welche in der Rue des Fossés-Saint-Vivtor wohnte, zurückzuführen.

Maurice entfernte sich mit einem verdrießlichen Gesichte, doch Geneviève lächelte ihm zu und Maurice nahm dieses Lächeln für ein Versprechen.

Leider täuschte sich Maurice. Am andern Tag, am 2. Juni, einem furchtbaren Tage, der den Fall der Girondisten sah, gab Maurice seinem Freunde Lorin, welcher ihn durchaus in den Convent mitnehmen wollte, den Abschied und setzte Alles bei Seite, um seine Freundin zu sehen. Die Göttin der Freiheit hatte eine furchtbare Nebenbuhlerin an Geneviève. Maurice traf Geneviève in ihrem kleinen Salon, Geneviève voll Anmuth und Zuvorkommenheit; doch bei ihr war eine junge Kammerfrau n der dreifarbigen Cocarde, welche in einer Fensterecke Sacktücher zeichnete und ihren Platz nicht verließ.

Maurice faltete die Stirne: Geneviève bemerkte, daß der Olympier schlechter Laune war; doch da sie ihre Liebenswürdigkeit nicht so weit trieb, daß sie die junge Willfährige entließ, so wurde Maurice ungeduldig und entfernte sich eine Stunde früher als gewöhnlich.

Alles dies konnte Zufall sein. Maurice faßte Geduld, diesen Abend war überdies die Lage der Dinge so furchtbar, daß, obgleich Maurice seit einiger Zeit, außerhalb der Poilitik lebte, der Lärmen bis zu ihm drang. Es bedurfte nicht weniger als den Fall einer Partei, welche zehn Monate in Frankreich regiert hatte, um ihn einen Augenblick seiner Liebe zu entziehen.

Am andern Tage dasselbe Verfahren von der Seite von Geneviève: Maurice hatte in der Voraussicht dieses Systems einen Plan festgestellt: als Maurice zehn Minuten nach der Ankunst sah, daß die Kammerfrau, nachdem sie ein Dutzend Sacktücher gezeichnet, sechs Dutzend Servietten zerriss, zog er seine Uhr, stand auf, grüßte Geneviève und entfernte sich ohne ein Wort zu sagen.

Mehr noch: als er wegging, drehte er sich nicht ein einziges Mal um.

Geneviève, welche sich erhoben hatte, um ihm mit den Augen durch den Garten zu folgen, blieb einige Secunden ohne Gedanken, bleich, die Nerven angegriffen, und fiel dann ganz bestürzt über die Wirkung ihrer Diplomatie auf ihren Stuhl zurück.

In diesem Augenblick trat Dirmer ein.

»Maurice ist weggegangen?« rief er erstaunt.

»Ja,« stammelte Geneviève.

»Aber er ist kaum erst gekommen?«

»Ungefähr vor einer Viertelstunde.«

»Dann wird er wohl wieder kommen.«

»Ich bezweifle es.«

»Lassen Sie uns, Muguet6« sagte Dirmer.

Die Kammerfrau hatte diesen Blumennamen aus Haß gegen den Namen Marie angenommen, den sie unglücklicher Weise wie die Oesterreicherin führte.

 

Aus die Aufforderung ihres Herrn stand sie aus und ging hinaus.

»Nun, liebe Geneviève,« fragte Dirmer, »ist der Friede mit Maurice geschlossen?«

»Im Gegenteil, mein Freund, ich glaube, wir sind zu dieser Stunde kälter als je.«

»Und wer hat diesmal Unrecht?«

»Maurice ohne allen Zweifel.«

»Lassen Sie hören, machen Sie mich zum Richter.«

»Wie!« versetzte Geneviève erröthend, »Sie erraten nicht?«

»Warum er sich geärgert hat? Nein.«

»Er ist Muguet gehässig geworden, wie es scheint.«

»Bah! wahrhaftig? Dann muß man dieses Mädchen wegschicken. Ich werde mich wegen einer Kammerjungfer nicht eines Freundes wie Maurice berauben.«

»Oh!« sagte Geneviève, »ich glaube nicht, daß er verlangen würde, man sollte sie aus dem Hause verbannen und er dürfte sich wohl damit begnügen. . .«

»Womit?«

»Daß man sie aus meinem Zimmer verbannte.«

»Und Maurice hat Recht,« sprach Dirmer. »Ihnen und nicht Muguet macht Maurice Besuch, es ist also unnöthig, daß Muguet im Zimmer bleibt, wenn Maurice kommt.«

Geneviève schaute ihren Gatten erstaunt an.

»Aber, mein Freund . . .« sagte sie.

»Geneviève,« erwiderte Dirmer, »ich glaubte in Ihnen eine Verbündete zu haben, die mir die Aufgaben, welche ich mir gestellt, leichter machen würde, und Ihre Befürchtungen verdoppeln unsere Schwierigkeiten. Vor vier Tagen glaubte ich Alles unter uns abgethan und festgestellt, nun ist Alles wieder auszugleichen. Geneviève, habe ich,Ihnen nicht gesagt, ich vertraue auf Sie, auf Ihre Ehre; habe ich Ihnen nicht gesagt, Maurice müße ein innigerer, ein minder mißtrauischer Freund von uns werden, als je? O mein Gott! die Frauen sind doch ein ewiges Hinderniß bei unsern Plänen.«

»Haben Sie denn nicht ein anderes Mittel? Für uns Alle, wie ich bereits gesagt, wäre es besser, wenn Maurice entfernt würde.«

»Ja, für uns Alle vielleicht, doch für diejenige, welche über uns ist, der wir unser Vermögen, unser Leben, unser Glück sogar zu opfern geschworen haben, muß dieser junge Mann zurückkommen. Wissen Sie, daß man gegen Turgy Verdacht hat, und daß man davon spricht, den Prinzessinnen einen andern Diener zu geben?«

»Es ist gut, ich werde Muguet wegschicken.«

»Ei, mein Gott, Geneviève,« sprach Dirmer, mit einer von jenen Bewegungen der Ungeduld, welche so selten bei ihm vorkamen, »warum sprechen Sie mir hiervon? Warum blasen Sie das Feuer meines Geistes mit dem Ihrigen an, warum schaffen Sie mir Schwierigkeiten in der Schwierigkeit selbst? Geneviève, thun Sie als ehrliche, ergebene Frau, was Sie thun zu müssen glauben, mehr sage ich Ihnen nicht; morgen werde ich ausgegangen sein; morgen ersetze ich Morand bei seinen Ingenieurarbeiten. Ich speise nicht mit Ihnen zu Mittag, doch er wird mit Ihnen speisen; wir haben etwas von Maurice zu erbitten, er wird Ihnen erklären, was das ist. Bedenken Sie wohl, was von ihm zu erbitten ist, denn es handelt sich um eine wichtige Sache; es ist nicht das Ziel, auf das wir losgehen, sondern das Mittel; es ist die letzte Hoffnung dieses so guten, so edlen, so ergebenen Mannes, dieses Beschützers von Ihnen und von mir, für den wir unser Leben hingeben müssen.«

»Und für den ich das meinige auch hingeben würde,« rief Geneviève voll Begeisterung.

»Ich weiß nicht, wie es gekommen ist, Geneviève, doch Sie haben diesen Mann nicht bei Maurice beliebt zu machen gewußt, und es war doch vor Allem von Belang, daß er ihn liebte. In der schlimmen Stimmung des Geistes, in die Sie ihn versetzt haben, wird somit Maurice vielleicht Morand verweigern, was sich dieser von ihm erbittet und was wir um jeden Preis erhalten müssen. Soll ich Ihnen nun sagen, Geneviève, wohin Morand alle ihre Zartheiten und Empfindsamkeiten führen werden

»Oh! mein Herr,« rief Geneviève die Hände falte und erbleichend, »oh! mein Herr, sprechen wir nie hiervon.«

»Nun wohl,« versetzte Dirmer,« indem er seine Lippen auf die Stirne seiner Frau drückte, »seien Sie stark und überlegen Sie.«

Und er verließ das Zimmer.

»Oh, mein Gott! mein Gott!« murmelte Geneviève voll Bangigkeit, »wie viel Gewalt thun sie mir an, damit ich diese Liebe annehme, der meine ganze Seele entgegenfliegt.«

Der andere Tag war wie gesagt eine Decadi.7

Es gab ein Herkommen in der Familie Dirmer, wie bei allen bürgerlichen Familien jener Zeit; dies war ein längeres und feierlicheres Mittagsmahl am Sonntag, als an den andern Tagen. Seit seinem vertraulichen Verkehr mit dem Hause hatte Maurice, einmal für allemal zum Mittagessen eingeladen, nie hierbei gefehlt. An diesem Tag kam Maurice, obgleich man sich erst um zwei Uhr zu Tische zu setzen pflegte, zur Mittagsstunde.

Nach der Art und Weise, wie er weggegangen im verzweifelte Geneviève beinahe, ihn zu sehen.

Es schlug in der That zwölf Uhr, ohne daß man Maurice erblickte, dann halb ein Uhr, dann ein Uhr.

Es läßt sich nicht beschreiben, was während dieses Wartens in dem Herzen von Geneviève vorging.

Sie hatte sich Anfangs so einfach als möglich gekleidet, als sie aber sah, daß er zögerte, steckte sie, in jenem Gefühle der dem Herzen der Frau natürlichen Coquetterie, eine Blume an ihre Seite, eine Blume in ihre Haare und wartete abermals, indeß sie ihr Herz immer mehr sich zusammenschnüren fühlte. So erreichte man beinahe den Augenblick, wo man sich zu Tische setzen seilte, und Maurice erschien nicht.

Um zwei Uhr weniger zehn Minuten hörte Geneviève den Tritt des Pferdes von Maurice, den ihr so wohlbekannten Tritt.

.Oh! da ist er,« rief sie; »sein Stolz konnte nicht gegen seine Liebe standhalten. Er liebt mich! er liebt mich!«

Maurice sprang von seinem Pferde und übergab es im Gärtner, befahl ihm aber, ihn zu erwarten, wo er war. Geneviève sah ihn absteigen und bemerkte voll Unruhe, daß der Gärtner das Pferd nicht in den Stall führte.«

Maurice trat ein; er war an diesem Tag von einer glänzenden Schönheit. Der weite schwarze Rock mit großen Umschlägen, die weiße Weste, die gemslederne Hose, welche Beine geformt nach denen von Apollo hervorhob, sein Kragen von weißem Batist und seine schönen, eine breite, glatte Stirne enthüllenden Haare machten aus ihm einen Typus von Zierlichkeit und kräftiger Natur.

Er trat ein; das Herz von Geneviève erweiterte sich und sie empfing ihn strahlend.

»Ah! Sie sind hier,« sprach sie, indem sie ihm die Hand reichte, »nicht wahr, Sie speisen mit uns zu Mittag?«

»Im Gegentheil, Bürgerin,« erwiderte Maurice in kaltem Tone, »ich wollte Sie um Erlaubniß bitten, wegbleiben zu dürfen.«

»Wegbleiben?…«

»Ja, die Geschäfte der Section nehmen mich in Anspruch. Ich befürchtete, Sie könnten auf mich warte und mich der Unhöflichkeit beschuldigen; deshalb bin ich gekommen.«

Geneviève fühlte, wie ihr Herz, das einen Augenblick von einem Wohlbehagen ergriffen gewesen war, sich abermals zusammenpreßte.

»O mein Gott!« sprach sie, »und Dirmer, der nicht hier speist, Dirmer zählte darauf, Sie bei seiner Rückkehr zu finden, und beauftragte mich, Sie zurückzuhalten.

»Ah! dann begreife ich, warum Sie auf mein Bleiben dringen, Madame. Es ist die Folge eines Befehles Ihres Gatten. Und ich errieth das nicht sogleich! In der That, ich werde nie von meinen Albernheiten zurückkommen.«

»Maurice!«

»Doch ich habe mich mehr an Ihre Handlungen, als an Ihre Worte zu halten. Es geziemt sich für mich, einzusehen, daß, wenn Dirmer nicht hier speist, für mich ein Grund mehr vorhanden ist, nicht zu bleiben. Seine Abwesenheit wäre ein Zuwachs von Beengung für Sie.«

»Warum dies?« fragte schüchtern Geneviève.

»Weil Sie es sich seit meiner Rückkehr zur Ausgabe gemacht zu haben scheinen, mich zu vermeiden; weil ich Ihretwegen, nur Ihretwegen allein zurückgekommen bin mein Gott! das wissen Sie wohl, und weil ich seit meine Rückkehr beständig Andere als Sie getroffen habe.«

»Stille!« versetzte Geneviève, »Sie sind abermals ungehalten, mein Freund, und ich thue doch mein Bestes.«

»Nein, Geneviève, Sie können noch etwas Bessere, thun, Sie können mich empfangen wie früher oder mich ganz und gar fortjagen.«

»Hören Sie, Maurice,« erwiderte Geneviève mit zärtlichem Tone, »begreifen Sie meine Lage, errathen Sie meine Bangigkeit und spielen Sie nicht mehr den Thyrannen gegen mich.«

Und die junge Frau näherte sich ihm und schaute ihn voll Traurigkeit an.

Maurice schwieg.

»Aber was wollen Sie denn von mir?« fuhr sie fort.

»Ich will Sie lieben, Geneviève, da ich fühle, daß ich nun nicht mehr ohne diese Liebe leben kann.«

6Maiblümchen
7Decadi, der zehnte Tag einer Decadc im republikanische Kalender, wie der Sonntag gefeiert.