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Der Arzt auf Java

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XI.
Die Versuchung

Madame van der Beek blieb einige Zeit in Gedanken versunken über die Sonderbarkeit dieses Mannes, und um ungestörter von dem merkwürdigen Greise träumen zu können, setzte sie zu Fuß den im Wagen begonnenen Spaziergang fort, indem sie ihren Leuten befahl, auf sie zu warten. Sie ließ ihren Schleier herab. Sie war schon einige hundert Schritte entfernt, als ein Mensch, der ihr seit einiger Zeit folgte, an ihr vorüberging und sie auffallend ansah. Esther war darüber so erschrocken, daß sie einen Schrei ausstieß und umkehrte, indem sie sich dem Orte zuwendete, wo sie ihre Dienerschaft gelassen hatte, ohne sich nur so viel Zeit zu lassen, den Lästigen oder den Unverschämten zu erkennen, der sie so betrachtete. Dieser aber folgte ihrer Bewegung, und ehe die junge Frau ihre Equipage wieder zu erreichen vermochte, begann er einige Worte etwas gemeiner Galanterie an sie zurichten. Madame van der Beek vernahm kaum den Klang dieser Stimme, wobei sie einen Blick auf den warf, der sie angeredet hatte, als ihr Schrecken sich in einen Anfall ausgelassener Lustigkeit verwandelte. Sie hatte den Notar Maes erkannt. Dieser hatte seinerseits, ungeachtet des Schleiers, bemerkt, daß die einsame Spaziergängerin keine Andere sei, als seine hübsche Clientin und war ganz erstaunt stehen geblieben.

»Wie, sind Sie es, lieber Herr Maes?« rief Esther.

»Madame,« stammelte der Notar, welcher; immer verlegener zu werden schien, »ich bitte, entschuldigen Sie mich, aber ich glaubte den Gangs der Madame Maes zu erkennen.«

Esther erröthete unter ihrem Schleier.

»Darf man, ohne unbescheiden zu sein, Sie fragen, was für wichtige Geschäfte es sind, welche Sie veranlassen, zu dieser Stunde Madame Maes an den Ufern des Tjiliwong zu suchen?«

»Geschäfte zu dieser Stunde!« entgegnete Herr Maes; »ei, schöne Frau, was fällt Ihnen ein? Es ist halb sieben Uhr Abends und da heißt es: zum Teufel mit den Geschäften und es lebe die Freude! Ich rechnete auf einen Spaziergang mit Madame Maes; ich hatte verabredet, mich mit ihr an diesem abgelegenen Orte zu treffen und das verursachte mein Mißverständniß, über welches ich mich jetzt glücklich fühle, da es mir gestattet, Ihnen meinen Arm zu bieten und Sie zu Ihrem Wagen zurück zu führen. Nehmen Sie meine Begleitung an?« – Dabei verbeugte sich der galante Notar.

»Ohne Zweifel, Herr Maes,« erwiederte Esther. »Wenn es Ihnen angenehm ist, so biete ich Ihnen selbst meinen Wagen an, um Sie nach Ihrer Wohnung zurück zu bringen.«

Der Notar zögerte. Er wendete sich mehrmals nach dem Kanal, wo man in der Abenddämmerung, die schnell einzubrechen begann, die braunen Körper der schönen Javaneserinnen gewahrte, gehüllt in ihre langen Sacongs, dessen nasses Gewebe die reizendsten Umrisse verrieth, und man hätte glauben können, er betrachte es als ein gewisses Verdienst, seinen Lieblingsspaziergang aufzugeben. Auf der anderen Seite war es für ihn eine Versuchung, sich öffentlich mit einer der reizendsten Europäerinnen der Stadt sehen zu lassen. Er widerstand dieser Versuchung nicht, und als der Neger den Wagentritt herabgelassen hatte und Madame van der Beek in der Ecke saß, kletterte der Notar ihr nach und der Wagen senkte sich unter seiner ungeheueren Last nach einer Seite.

»Verzeihen Sie, Madame,« sagte Maes,als er neben Esther Platz genommen hatte, »aber in meiner Ueberraschung vergaß ich es, mich nach Herrn van der Beek zu erkundigen.«

»Ach,« entgegnete Esther, welcher der Notar alle ihre Schmerzen zurückgerufen hatte.

»Ja, ja,« sagte er, »ich verstehe Sie. Mitten in Ihrem Glücke ist das Ihr nagender Wurm. Die Gesundheit Ihres Gatten läßt Viel zu wünschen übrig. Ach, ich habe das nur zu gut bemerkt. Die Arbeit tödtet den armen jungen Menschen,« fügte Herr Maes hinzu, »und ich begreife wahrlich nicht, wie er bei seinem Reichthum für einige elende tausend Gulden eine Existenz opfert, die so schön und besonders so glücklich sein könnte, weil er sie ganz zu Ihren Füßen hinbrächte.«

»Wie, mein Herr?« entgegnete Esther immer verwunderter über die Entdeckungen, die sie in diesen Theilen des Charakters ihres Notars machte, »sind Sie es, der so zu mir spricht?«

»Ohne Zweifel,« erwiederte Herr Maes mit dem natürlichsten Wesen von der Welt. »Was gibt es dabei zu verwundern? Man ist Notar, aber bleibt doch immer Mensch und ich erkläre Ihnen, daß ich unbedingt die Gewinnsucht verdamme, welche die schönen und guten Gaben vergessen macht, die Gott unter der Aufschrift des Vergnügens hienieden für den Menschen geschaffen hat.«

»Aber ich dachte, mein Herr,« erwiederte Esther, »die Sorge für Ihr Comptoir nähme alle Ihre Augenblicke in Anspruch.«

»Ach, sprechen Sie nicht von meinem Comptoir, theure Dame,« erwiederte Herr Maes mit melancholischen Tone und indem er sich einer Hand zu bemächtigen suchte, welche fortwährend der seinigen entschlüpfte. »Sprechen Sie nicht von meinem Comptoir. Pfui! Es scheint mir, als röche ich selbst jetzt den erstickenden Dunst, der aus den alten Cartons voller Würmer und Prozesse hervorbringt. Nein, meiner Treu, lassen Sie mir ungestört das Glück, in dieser durch die Gärten ringsumher durchwürzten Luft dahin zu rollen, und zwar an der Seite einer der reizendsten Frauen der Colonie.«

»Wahrlich, Herr Maes,« sagte Esther, indem sie lächelte, halb über die Galanterie des Notars, halb über den Wechsel, der mit seiner Moral vorgegangen war – »bei dem letzten Besuche, den ich Ihnen zu machen die Ehre hatte, war ich nicht im Stande, die ganze Ausdehnung Ihrer Artigkeit zu ermessen.«

»Ach Madame!« entgegnete Herr Maes, indem er immer sentimentaler wurde, »haben Sie meine Gefühle für die schönere Hälfte des Menschengeschlechts erkennen können? Die Frauen, Madame, die Frauen! Das ist der einzige Reiz, der einzige Trost unserer Existenz.«

»Das würde Madame Maes entzücken, wenn sie uns hören könnte!« sagte Esther neckend.

»Ach, aus Barmherzigkeit, Madame,« entgegnete der Notar, indem er seiner Physiognomie einen stehenden Ausdruck zu geben suchte, »lassen Sie Madame Maes bei dem Comptoir, ich beschwöre Sie. Finden Sie nicht, daß dieser Abend entzückend ist und daß es gut thut, frei zu leben, jeder Beschäftigung und jeder Sorge entledigt?«

»Aber die Interessen Ihrer Clienten beschäftigen Sie Tag und Nacht, sagten Sie mir!«

»Zum Teufel mit den Clienten, »wenn die Nacht angebrochen ist! Ach mein Gott, die schönen Tropennächte – weshalb hat Gott sie nicht 24 Stunden lang gemacht?«

»Wirklich, Herr Maes,« sagte Esther-, »ich gerathe bei Ihnen von Staunen zu Staunen und ich weiß nicht, wie ich Ihren Ton und Ihre Worte mit dem Ernste Ihres Standes in Einklang bringen soll.«

»Mein Stand, Madame, mein Stand,« rief Herr Maes mit dem Ausdrucke der höchsten Herzensqual. »Glauben Sie denn, daß ich Lust hätte, mager, bleich und gelb zu werden wie Herr van der Beek und deshalb den Frohndienst nicht zu unterbrechen, den mir mein Stand auferlegt? Ach, der Lastträger des Hafens hat seine Stunden der Siesta, während welcher er, an der Küste liegend, auf das Gemurmel der Wogen lauscht, die sich verliebt über den Sand hinwälzen; er sieht die Sonne sich in den blauen Fluthen baden und sie mit Purpur färben; er gibt sich dem höchsten Glücke hin, nichts zu thun, und ich, Herr Maes, königlicher Notar, Eigenthümer einiger Hunderttausend Gulden, ich sollte nicht eine Stunde, nicht einen Augenblick haben, um frei zu athmen, um die schönen und guten Dinge zu genießen, die Gott auf meinen Weg streute, um den Gesang lieblich, den Wein berauschend, die Frauen hübsch zu finden? – Madame, trinken Sie gern Wein? Ei,« fuhr der Notar nach dieser Parenthese fort, »das allzu volle Glas läuft über und es wäre schade darum, besonders wenn es Champagner ist. Noch einmal, es lebe die Freude, Madame van der Beek, und wenn Sie wollen, daß Ihr Mann gesund werden soll, so sagen Sie ihm, daß er meinem Beispiele nachahme.«

So alltäglich auch die Worte des Notars waren, machten sie dennoch Eindruck auf die junge Frau. Sie war dahin gekommen, für Ihren Mann den sinnlichen und rohen Ausdruck der Physiognomie des Herrn Maes zu beneiden, denn Alles wohl erwogen, lag in diesem Ausdruck Leben, während dagegen die Traurigkeit und die Niedergeschlagenheit, deren Beute ihr Mann war, an den Tod mahnten. Sie fühlte dies und fürchtete sich davor.

»Ja,« sagte sie, »Sie haben Recht, Herr Maes, und ich sollte Ihnen zürnen, daß Sie mir riethen, meinen Mann auf den Weg zubringen, den er jetzt verfolgt, auf den Weg des Handels, der ihn tödten wird.«

»Ich hätte das gerathen?« fragte Herr Maes mit geschickt gespieltem Erstaunen, und indem er seine großen runden Augen weit aufriß.

»Allerdings, Herr Maes,« erwiederte Esther.»Erinnern Sie sich dessen nicht mehr?«

»Zu welcher Stunde haben Sie denn einen Rath dieser Art von mir verlangt?«

»Im Laufe des Nachmittags, glaube ich, zwischen drei und vier Uhr.«

»Zum Teufel, theure Dame, dann erklärt sich Alles; es war der Notar, den Sie gesehen haben und Sie hätten mit Herrn Maes von derlei Dingen sprechen sollen. Sie mußten ihn aufsuchen, wenn er den Staub des häßlichen Arbeitszimmers abgeschüttelt hatte, wenn die Raupe zum Schmetterling geworden war. Dann hätte er Ihnen gesagt, wie er es diesen Abend thut: seien wir nur ernsthaft in unseren Arbeitsstunden, wenn wir nicht wollen, daß die Langeweile uns in Mumien verwandelt. Aber seien Sie ganz ruhig; das Uebel, das ich hervorgerufen habe, werde ich auch beseitigen.«

»Wie das?«

»Nun, ich werde ihn aufsuchen, den theuren Herrn van der Beek, und ich will zu zwei Stunden längerer Arbeit verurtheilt sein, wenn ich es nicht dahin bringe, ihn so zu zerstreuen, wie mich.«

»Wie Sie!« rief Esther, die die Leichtfertigkeit der Worte des Herrn Maes mißtrauisch gegen ihn zu machen begann.

»Wie mich, gewiß, doch beruhigen Sie sich, schöne Frau; die Raketen des Feuerwerkes meiner Heiterkeit dürfen Sie nicht erschrecken. Wenn ich aus meiner Exprdition komme, gleiche ich einem Verhungerten, der sich zu einem Hochzeitsmahle niedersetzt. Aber honny soit qui mal ypense, schöne Dame, und meine liebsten Zerstreuungen bestehen in dem Geplauder und inder Vereinigung mit einigen vertrauten Freunden, die eben so heiter sind wie ich und denen ich gleich morgen Herrn van der Beek vorstellen will.«

 

»Mein Herr;« entgegnete die junge Frau, indem sie ihre Besorgniß unter einem Lächeln verbarg, »Eusebius hat mich daran gewöhnt, an seine Zärtlichkeit zu glauben und nie würde ich eifersüchtig auf die Zerstreuungen sein, an denen ich nicht Theil nehmen könnte.«

Der Wagen hielt vor dem Hotel und unterbrach den Notar, der seine Hand Esther bot und ihr folgte, als er erfuhr, daß Eusebius nach Hause gekommen sei.«

Die Ausbrüche der Heiterkeit des Herrn Maes verletzten sogleich die finstere Laune des Herrn Eusebius und der Notar sah auf der Stelle ein, daß es ihm schwer sein würde, den Widerwillen zu besiegen, den Herr van der Beek gegen Alles äußerte, was ihn von seiner Wohnung entfernen oder von seinem Geschäfte abhalten konnte. Der würdige Notar bediente sich daher auch einer List, indem er einen Augenblick benutzte, während dessen Esther sich entfernte, um selbst den Thee zu bereiten.

»Nun, Herr van der Beek, sind Sie zufrieden mit den Geschäften? Der Kaffee sinkt im Preise und das muß Sie betreffen.«

»O nein; ich hatte meine Ernte verkauft und es ist mir daher gleichgültig,« sagte Eusebius mit einem Tone, welcher seinen Worten widersprach und verrieth, welche Anstrengungen er machte, um Beide in Einklang zu bringen.

»Das ist schade,« erwiederte der Notar, »wirklich schade, denn ich hätte den Absatz für einen Theil Ihrer Waare gewußt.«

»Ich glaube, es sind in meinem Magazin noch einige Kilogramme,« erwiederte Eusebius lebhaft; »schicken Sie Ihren Käufer zu mir, und wenn wir den Handel schließen, erhalten Sie Ihre Commissionsgebühren.«

»Bah, lieber Herr van der Beek, ich kümmere mich um die Commissionsgebühren, wie ein Pfau sich um eine Rabenfeder kümmert. Zu dieser Stunde des Tages leiste ich Dienste, aber ich verkaufe sie nicht; nur kann ich nicht thun, was Sie wünschen.«

»Und weshalb nicht?«

»Weil mein Mann ein Original ist, das seine Geschäfte weder auf der Börse, noch in den Comptoirs, noch auf dem Quai abmacht, sondern mit dem Glase oder der Pfeife in der Hand.«

»Dann,« sagte Eusebius, »bin ich eben sowenig sein Mann, wie er der meinige. Sprechen wir nicht weiter davon.«

»Bah, bah!« sagte Herr Maes, »einige fünfzigtausend Gulden sind selbst gut vom Boden einer Flasche zu holen und ich rathe Ihnen nicht, lieber Herr van der Beck, diesen Wein einen Anderen genießen zu lassen.«

»Fünfzigtausend Gulden!« wiederholte Eusebius, indem er an die runde Summe dachte. »Glauben Sie, daß er eine Kaffeelieferung übernehmen wird, welche einen solchen Gewinn abwerfen kann?«

»Er wird Alles nehmen, was Sie ihm liefern können.«

»Sehen Sie sich vor; vielleicht verpflichten Sie sich zu stark.«

»Ich stehe für ihn ein.«

Eusebius hatte sich schon halb ergeben.

Es war nicht, wie Herr Maes vermuthete, der Geiz, der ihn so handeln ließ, aber bei seinen Rechnungen und bei dem Stande, den er an eben diesem Morgen abgeschlossen hatte, fiel ihm wieder das eigenthümliche Resultat auf, das er nun schon zum siebenten Male fand, nämlich, daß er ungeachtet aller Anstrengungen, die er gemacht, ungeachtet aller Vortheile oder Nachtheile, nicht dahin gekommen war, dass Capital, welches er bei den Geschäften angelegt hatte, im Geringsten weder zu erhöhen noch zu vermindern. Er erblickte darin einen neuen Beweis der geheimen Einmischung, welche seine Abreise nach Europa verhinderte. Er wollte daher noch einmal versuchen, gegen sie zu kämpfen, um sie zu lähmen.

»Nun wohl,« sagte er, »ich nehme Ihren Vorschlag an; wo können wir Ihren Mann finden?«

Herr Maes dämpfte die Stimme, als fürchte er, gehört zu werden und fragte mit halbem Lächeln: »Kennen Sie Mynheer Cornelius?«

»Nein, wahrlich nicht,« erwiederte Eusebius, »und ich gestehe Ihnen sogar, daß ich diesen Namen zum ersten Male nennen höre.«

»Nun wohl, so werde ich Sie Morgen mit der Person bekannt machen und Sie werden mir dafür sehr dankbar sein,« fuhr der Notar mit geheimnißvollem Wesen fort; »es ist ein herrlicher Aufenthaltsort.«

»Aber der Koffeemann! Bedenken Sie, daß ich es mit dem zu thun habe und nicht mit Herrn Cornelis.«

»Der Kaffeemann wird dort sein.«

»Bedenken Sie, daß ich nur seinetwegen hingehe.«

»Abgemacht. Um halb acht Uhr komme ich, um Sie abzuholen.«

»Am Abend?«

»Ja. Er macht seine Geschäfte nur bei Lichte; das ist auch eine seiner Eigenthüntlichkeiten.«

Esther kehrte zurück; man trank den Thee, plauderte von gleichgültigen Dingen, und indem Eusebius Herrn Maes bis zur Thür begleitete, versprach er, ihn am nächsten Abend zu erwarten.

XII.
Der Schlangenbeschwörer

Am nächsten Tage, zu der Stunde, zu welcher die Nacht mit der den Tropenländern eigenthümlichen Schnelligkeit vom Himmel herabsank, hielt der Wagen des Herrn Maes an der Thür des Eusebius van der Beek. Nie hatte der heitere Notar sich so ausgelassen lustig gezeigt; die innige Zufriedenheit eines Menschen, der gleich Horaz die Geschäfte auf den nächsten Tag verschoben hat, strahlte von seinem breiten Gesichte; er athmete lärmend die Abendluft ein und stieß sie nicht minder lärmend ans, wie dies die Blasefische zugleich mit dem eingesogenen Wasser thun.

Eusebius, der bereits die Verpflichtung bereute, die er am Abend zuvor eingegangen war, konnte gleichwohl dem Drängen des Notars nicht widerstehen, der die Erfüllung des gegebenen Versprechens verlangte. Er entschloß sich daher, zu Herrn Maes in den offenen Wagen zu steigen, mit dem derselbe ihn abzuholen kam. Man fuhr, wie man in Batavia zu fahren pflegt, das heißt im gestreckten Galopp, denn die Pferde kennen dort keine andere Gangart. Nachdem man ungefähr eine Stunde in westlicher Richtung gefahren war, hielt der Wagen vor einer braunen Masse, die man in der Dunkelheit für einen Haufen von Häusern erkennen konnte. Aus diesen Häusern ertönte der schneidende wilde Lärm einer javanesischen Musik, gemischt mit den dumpfen Klängen des chinesischen Gong und begleitet von so eigenthümlichen Schreien und Klängen, daß dieselben nichts Menschliches hatten. Bald war es das Geheul einer Freude, die an die Raserei grenzte, bald Klagen, Aeußerungen der Verzweiflung, Seufzer, welche an Todesröcheln erinnerten; Geschrei und Klagen, bei denen man glauben konnte, sie ertönten aus den Fenstern eines Irrenhauses oder aus den Luftlöchern eines Kerkers.

Von seinem Sitze in dem Wagen aus bemerkte Eusebius van der Beek über einer kleinen Mauer, an welcher der Wagen hinfuhr, einen röthlichen Schein, der in der Mitte eines großen Dämmerungskreises glänzte. In diesem Scheine zeichneten sich schwarze Schatten ab, die schweigend und ernst vorüber schritten, während Andere, deren Kleider metallischen Klang hatten; und wie Diamanten funkelten, Flammen zu sprühen schienen und sich in Zuckungen wanden, auf welche die Convulsionaire des Mittelalters hätten neidisch sein können.

Eusebius, dessen nervöse Aufregung, wie wir bereits sahen, noch durchaus nicht beschwichtigt war, empfand Furcht. Er faßte krampfhaft den Arm des Notars.

»Wohin führen Sie mich?« fragte er.

»Zum Henker in die Hölle!« erwiederte der Mann des Gesetzes, dessen Gesicht sich unter einem heitern Gelächter in die Breite zog.

»Herr Maes,« sagte Eusebius, den diese.Worte die phantastischen Erscheinungen, die unbekannten, unerhörten und unerklärlichen Töne in seine früheren Schrecken geschleudert hatten, »Herr Maes, machen Sie Ihren schlechten Scherzen ein Ende, oder bei meiner Ehre, ich fasse Sie bei der Gurgel und erwürge Sie.«

Bei diesen Worten machte er ohne allen Uebergang eine so ausdrucksvolle Bewegung, daß der Notar dadurch entsetzt wurde.

»Beim Teufel!« rief er, »der Mensch wäre im Stande, zu thun, was er sagt.«

Und mit einer Muskelkraft, welche Eusebius bewies, daß, wenn er wirklich die Absicht der Erwürgung gehabt hätte, er es mit einem Starken zu thun bekommen haben würde, die Hand van der Beek zurück drückend, sagte er: »Hollah, mein junger Freund, beruhigen Sie sich; die Hölle ist nicht immer so, wie man sie sich denkt, und diese hier, wenn auch anderer Art, als die Börse in Batavia, ist weder besser noch schlechter.«

»Herr Maes,« sagte Eusebius mit Festigkeit, »sagten Sie mir nicht, daß Sie mich zu einer Zusammenkunft führten, bei welcher ich einen chinesischen Kaufmann finden sollte, der meinen Kaffee kaufen würde?«

»Ohne Zweifel.«

»Nun wohl« wo ist ihr Mann? Lassen Sie mich ihn sehen; zeigen Sie ihn mir und lassen Sie uns eilen, ich bitte Sie darum.«

»Gut, gut, gut,« sagte Herr Maes, indem er die Hand vorstreckte wie ein Mensch, der Anstalt zu seiner Vertheidigung trifft. »Lassen Sie sich so viel Zeit, aus dem Wagen zu steigen, mein guter Herr van der Beek, und wer weiß – man findet bei diesem Teufel von Mynheer Cornelis so viel Dinge, daß Sie vielleicht das gute Glück haben, auch zu finden, was Sie suchen.«

»Mynheer Cornelis!« wiederholte Eusebius wie ein Mensch, der zu begreifen trachtet, was man ihm sagt; »was bedeutet das?«

»Ei, welch’ ein vortrefflicher Scherz!« rief der dicke Notar, dessen ganzem Körper ein Anfall des heftigsten Gelächters eine erschütternde Bewegung verlieh, »Sie sind nun beinahe ein Jahr in Batavia und wissen noch nicht, wer Mynheer Cornelis ist? Diese Unwissenheit macht Ihrer Moralität alle Ehre, junger Mann. Nun, steigen wir aus und machen wir Bekanntschaft mit dem Unbekannten; dann werden Sie mir offen sagen, was Sie von ihm halten. Peters, mache doch die Thür weit auf, lieber Freund; Ihr seht ja wohl, daß ich nicht durch kann.«

Obgleich der Wagen, wie wir erwähnten, offen war, gestattete doch die Thür desselben dem unteren Theile von dem Körper des Herrn Maes kaum den Durchgang. Eusebius aber blieb an seinem Platze sitzen.

»Nun?« fragte der Notar, indem er sich umwandte, als er seine beiden Füße auf festem Grunde fühlte.

»Mein Herr,« erwiederte Eusebius seinem Gefährten, »ich beginne zu bemerken, daß Sie sich über mich lustig machen wollen; erlauben Sie mir daher, Ihnen Lebewohl zu sagen.«

»Mein junger Freund,« sagte der Notar, indem er seine ganze Würde annahm, »ich bitte Sie, betrachten Sie mich. – Habe ich denn das Aussehen eines Possenreißers? Nein. Statt mir zu zürnen, danken Sie mir vielmehr. Ich wollte Sie ganz einfach Ihren finsteren Gedanken entreißen, Ihnen eine Zerstreuung bieten, die Traurigkeit besiegen, welche Ihrer jungen Frau, der ehrenwerthen Madame van der Beek, die ernstesten, und, wie ich hinzufügen darf, die begründetesten Besorgnisse einflößt.«

Eusebius erkannte, daß der Notar geglaubt hatte, ihm einen Dienst zu leisten.

»Ich weiß Ihnen Ihrer Absicht Dank,« sagte er, »aber ich mache Sie darauf aufmerksam, daß sie vergeblich ist.«

»Weshalb?«

»Weil ich keinen Nutzen daraus ziehen will. Ich kehre daher mit Ihrer Erlaubniß nach Weltevrede zurück.«

»Welche Handelsgewandtheit!« rief der Notar mit wirklicher oder verstellter Bewunderung. »Aber wie wollen Sie nach Weltevrede zurückkehren.«

»Nun, zu Fuß!«

»Zu Fuß! Sie?«

»Allerdings, ich.«

»Sie können nicht daran denken! Zu Fuß! Wollen Sie sich in den Augen der ganzen Colonie entehren? Herr Eusebius van der Beek, der Nabob, der Erbe des Millionärs, des würdigen und ehrenwerthen Doctor Basilius, sollte zu Fuß gehen wie ein armer Lascar?«

»Ei, Sie können es wollen, Herr van der Beek, ich würde es nicht dulden!«

»Nun, so lassen Sie mich über Ihren Wagen verfügen und befehlen Sie Ihrem Kutscher, mich nach Hause zu fahren.«

»Das würde mir sehr angenehm sein, mein junger Freund, aber mein Kutscher ist verpflichtet, mich selbst nach Hause zu bringen. Ich werde, wie Sie sich wohl denken können, in dieses Loch nur eintreten, um es sogleich wieder zu verlassen; ich müßte daher mit Ihnen umkehren. Aber Sie werden gewiß nicht diese Grausamkeit begehen, mein theurer Herr van der Beek, nachdem ich heute einen so entsetzlichen Arbeitstag zu überstehen hatte.«

Und während der Notar so sprach, hatte er Eusebius an sich gezogen, aus dem Wagen zu steigen gezwungen und indem er ihn vor sich her trieb, war es ihm gelungen, ihn einige Schritte in den engen und dunklen Gang machen zu lassen, der in das Etablissement führte. Der junge Mann leistete noch immer Widerstand. Aber in diesem Augenblicke erschallten die Töne eines Tambourins zehn Schritte von ihm entfernt; erwendete den Kopf danach um und erblickte indem engen Raume zwischen zwei Häusern eine kleine Gruppe von drei Indiern, welche durch Fackeln beleuchtet waren. Zwei derselben machten Musik; der Eine, indem er eine Art von Tambourin schlug, der Andere, indem er Flöte blies. Der Dritte senkte seine Hand in eine Art von Rohrkorb von Kegelform. Einige Zuschauer hatten sich bereits um die Indier gesammelt und warteten begierig des Schauspiels, welches sie bieten würden, welcher Art es auch sein möchte.

 

»Ha!« rief der Notar, »Harruch, der Schlangenbeschwörer!«

Und mit einer kindischen Neugier drängte er sich zu der Gruppe, scheinbar ohne sich weiter um Eusebius zu bekümmern. Dieser folgte dem Notar ohne weitere Schwierigkeit, gerade weil man ihn nicht mehr dazu zwingen wollte. Freilich war die Bewegung ganz maschinenmäßig, und hatte nichts mit der freien Willenskraft des jungen Mannes zu thun, welcher in diesem Augenblicke derselben vollkommen beraubt zu sein schien.

Die beiden Indier, welche den musikalischen Theil des Schauspiels auszuführen hatten, entledigten sich dessen, so gut es gehen wollte. Der Eine schlug wüthend auf sein Tambourin, der Andere blies wie rasend in die Flöte. Bei dieser Musik schien der Rohrkorb sich von selbst zu bewegen. Mit der Spitze eines Stabes warf Harruch hierauf den Deckel des Korbes ab und man sah über die Oeffnung den flachen dreieckigen Kopf einer Cobra Capella sich hin und herbewegen.

Bei dieser Erscheinung stießen die Umstehenden einen Schrei aus und wichen unwillkürlich einen Schritt zurück. Die Schlange blickte mit ihren beiden funkelnden Augen, grün wie zwei Smaragde, rings umher, stieß ein Zischen ans, welches in vollkommenem Einklang zu der wilden Musik stand, die ihre Bewegungen zu regeln schien, und indem sie sich nach dem Ton dieser Musik bewegte, kam sie vollends aus dem Korbe hervor. Sie mochte etwa 3 1/2 Fuß lang sein; ihr Körper war schwarz, mit zwei gelben Linien, der Bauch schmutzig grau, mit gelben Flecken getupft. Ihre erste Bewegung, als sie den Korb ganz verlassen hatte, war, sich umzusehen, nach welcher Seite sie springen wollte. Aber in dem Augenblicke, in welchem sie sich zusammenrollte, um einen Stützpunct zu gewinnen, ließ Harruch selbst ein Pfeifen ertönen, welches die ganze Aufmerksamkeit der Schlange zu erwecken schien. Ihre Augen schossen Blitze, nahmen die Färbung des Opals an, und indem sie sich auf ihrem Schwanze erhob, ohne eine andere Stütze, als die letzten Ringe, erreichte sie eine Höhe von zwei Fuß.

Das Pfeifen Harruch’s wurde hierauf eine Art von Modulation, zu welcher das Tambourin und die Flöte den Baß bildeten.

Bei dem ersten Pfeifen des Schlangenbeschwörers war ein zweiter Kopf, dem ersten ähnlich, aus dem Korbe hervorgekommen und eine zweite Schlange verließ denselben geradeso wie die erste, mit denselben Bewegungen, stellte sich neben diese und schaukelte sich auf ihrem Schwanze. Allmälig wurden die Modulationen, die Harruch ohne Zweifel mit Hilfe eines kleinen, zwischen die Zähne eingeklemmten Instruments hören ließ, immer rascher und rascher.und zugleich nahmen auch die Schlangen lebhaftere Bewegungen an. Die Opalfarbe ihrer Augen verwandelte sich in die des Topases; leises Zischen der Liebe oder Drohung entschlüpfte ihren Kehlen; diese schwollen an und ihre dreifach gespaltenen Zungen schlängelten sich ein bis zwei Zoll aus ihren Rachen hervor.

Harruch verdoppelte seine Modulationen; man hätte glauben können, jedes Zischen des Indiers sei verständlich für die Schlangen und theile ihnen einen Befehl mit, dem sie gehorchten, indem sie ihre Bewegungen vervielfältigten und ihre Zungen gegen einander streckten. Endlich umschlangen sie sich einander mit ihren Endspitzen und bildeten nun Einen Körper mit einem doppelten Kopfe, gleich jenen Schlangen, die Merkur fand und denen er seinen Stab zuwarf; dieser doppelte Kopf war beweglich, rasch, stieß ein doppeltes Gezisch aus und die Augen nahmen zuletzt den Glanz und die Farbe des Rubins an. Endlich, in dem Augenblicke, als die beiden Schlangen zu dem Paroxismus der Wuth oder der Liebe gelangt zu sein schienen, ergriff Harruch mit seinen Händen die beiden Körper, einen mit jeder Hand, zog sie von einander fort und warf sie einzeln zur Erde, wo sie sich sogleich wieder zu einer wüthenden Umschlingung vereinigten. Zwei Mal noch trennte der Indier sie, zwei Mal vereinigten sie sich wieder, bis er endlich zum dritten Male sie auseinander zog und eine in jedem seiner weiten Aermel verbarg, wo sie verschwanden. Durch den seidenen Stoff seines Gewandes sah man die verschlungenen Ringe und die schnellen Bewegungen der beiden Thiere, die sich auf seiner Brust vereinigten und ihre beiden dicht an einander geschmiegten Köpfe hervorstreckten, die Augen flammend und feucht. So konnte man sie durch die Brustöffnung auf der nackten Haut Harruch’s sehen.

Die Umstehenden zollten diesem fürchterlichen Schauspiel wüthenden Beifall. Eusebius allein blieb theilnahmslos und ungläubig.«

»Bah!« sagte er, »dabei ist eben nichts Gefährliches!«

»Wie!« sagte der Notar.

»Nun, ohne Zweifel hat Ihr Schlangenbeschwörer den Thieren die Zähne ausgerissen.«

Obgleich diese wenigen Worte in holländischer Sprache gewechselt wurden, schien der Indier sie doch zu verstehen, denn er ergriff eine bei der beiden Cobra Capella bei dem giftgeschwollenen Halse, wie er ein Pistol bei dem Kolben gefaßt haben würde, zog sie aus seiner Brust hervor und zeigte sie Eusebius, den offenen Rachen ihm zugewendet.

Van der Beek, der die Aufforderung erkannte, die man an ihn gerichtet hatte, bezwang den Widerwillen, den ihm die ekelhaften Thiere einflößten und streckte die Hand aus, um die ihm hingehaltene Schlange zu ergreifen.

Herr Maes zog ihn heftig am Arme zurück.

»Was wollen Sie machen, Teufelsmensch?« rief er.

»Sind Sie verrückt oder Ihrer Millionen überdrüssig? Nicht wahr, Freund Harruch, Deine Schlangen haben alle ihre Zähne? Nicht wahr, sie haben ihr Gift nicht verloren und würden den Unbesonnenem der es wagte, sie zu berühren, auf der Stelle tödten?«

Statt aller Antwort hob Harruch, der die holländische Sprache zwar zu verstehen schien, aber gleich allen Indianern den lebhaftesten Widerwillen dagegen hegte, sie zu sprechen, den Deckel eines zweiten Korbes auf, nahm daraus ein lebendiges Huhn hervor und bot es der Cobra Capella. Diese erhob den Kopf, ließ ihr Zischen ertönen, schoß aus ihren Rubinaugen einen blutigen Blitz und schnell wie ein Pfeil biß sie das arme Hahn unter dem Flügel. Der Indianer ließ sogleich das Huhn los und dieses versuchte zu entfliehen, aber es konnte nur zwei oder drei Schritte gehen, dann taumelte es, seine Füße versagten ihm den Dienst, sein Kopf wendete sich mit dem unverkennbaren Ausdrucke der Todesangst rechts und links, es schlug matt mit den Flügeln, streckte sie aus und fiel regungslos in den Sand; es war todt.

»Sehen Sie wohl?« sagte der Notar triumphirend. »Nun, haben die Schlangen Harruch’s noch ihre Giftzähne? Behaupten Sie noch immer, daß man bei Mynheer Cornelis nicht wunderbare und überraschende Dinge sieht? —« Und mit vollkommen überzeugtem Tone fügte er hinzu: »Ja, Harruch ist ein Zauberer, ein großer Zauberer.«

Dann nahm der Notar aus seiner Börse ein Geldstück und reichte es dem Indianer, allein indem er dabei große Sorgfalt anwendete, es in die Hand zu legen, welche sich ihres entsetzlichen Armbandes entledigt hatte.

Eusebius folgte seinem Beispiele und nach dem Harruch die erste Gabe empfangen hatte, ohne ein Wort des Dankes gegen den Geber zu äußern, antwortete er auf die, welche Eusebius ihm schenkte, durch eine Grimasse, die man für ein Lächeln halten konnte.«

»Ei, ei,« sagte der Notar, »Sie sind bevorrechtigt, Herr Eusebius, und sicher sagt Ihre Physiognomie Harruch zu. Ich habe ihn mit allen möglichen Aufmerksamkeiten überhäuft, aber er scheint sich um meine Person eben so wenig zu kümmern, wie ein Affe um eine Prise Tabak.«