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Der Arzt auf Java

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II.
Die weiße Rangun

»Trinken Sie, Ti-Kai,« sagte Herr Maes zu seinem Nachbar, dem Chinesen; »ob es Wein ist oder Tsion, das Resultat bleibt stets gut, Herr Thsermai«, hat sich Ihr Herz. bei den Vorwürfen Ihres Innern geöffnet und haben Sie geschworen, die Gesetze Ihres heiligen Propheten nicht mehr zu übertreten? Ich finde, daß Sie heute Abend von einer übermäßigen und gefährlichen Nüchternheit sind. Der Divan, auf welchem Sie und der arme Herr van der Beek sitzen, gleicht einer jener Eisbänke, gekrönt mit Schneemännern, wie man sie in dem Polarmeere sieht. Ich glaube, Gott verdamme mich, daß Sie Dem, den ich Sie aufzuheitern gebeten hatte, so daß er Ihrer lustigen Trunkenheit gleich käme, statt des Vergnügens Ihre Zurückhaltung mitgetheilt haben.«

»Beschäftigen Sie sich nicht mit uns, Herr Maes,« erwiederte Eusebius; »Sie werden sogleich genug zu thun haben, um über Ihre eigenen Handlungen zu wachen.«

»Zum Teufel, das will ich durchaus nicht; ich will sie fliegen lassen, wie verlorene Vögel in einem Sturme; das Unerwartete und das Phantastische macht mein Entzücken aus.«

»Sie haben recht, Weiser Mandarin,« rief Ti-Kai, »nichts ist lustiger, als Wasserfälle, nur möchte ich wissen, weshalb die meines Gartens im Campong nicht Fluthen von Tsion statt ungesunden Wassers herabgießen? Der Tsion wurde uns durch die Götter gegeben, um uns auf Flammenflügeln zu den Himmeln empor zutragen, in denen sie thronen.«

»Ja, bis wir in den Koth niederfallen,« sagte der Notar. »Ei was, es ist aber schon der Mühe werth, das Schlafzimmer der Herren Engel gesehen zu haben, wäre es auch nur auf eine Minute gewesen. Würdige Bildsäule der Weisheit, die den Vorsitz bei unseren Thorheiten führt,« fuhr Herr Maes zu Eusebius gewendet fort, »werden Sie ein Glas dieses Constantiaweines zurückweisen, den ich Ihnen auf die Ewigkeit Ihrer Liebe für die reizende Frau, welche der Gegenstand derselben ist, zu trinken vorschlage?«

»Das beste Mittel, diese Ewigkeit meiner Liebe nicht in Gefahr zu bringen, ist, Ihren Toast zurückzuweisen, Herr Maes, und das muß ich auch in der That thun, wenn auch zu meinem großen Bedauern.«

»Beim Teufel, dieser Mensch ist von Marmor und ich beruhige mich in der That immer mehr und mehr über die Folgen des Testaments. Aber« rief der Notar, »der Wein ist eingegossen und muß ausgetrunken werden. Ti-Kai, Sie sind es, dem ich diese Sorge übertrage.«

Der Chinese weigerte sich dessen; gleich allen seinen Landsleuten verachtete er das Erzeugniß des europäischen Weinstockes und zog seinen Kornbranntwein vor.

»Das hier ist besser!« sagte er, indem er sein mit Tsion gefülltes Glas zeigte.

»Elender, ist eine solche Ketzerei wohl erlaubt? Wisse, daß Deine erbärmlichen Götter nie dergleichen in ihre dicken Bäuche gossen. Sie aber, Herr van der Beek, sind die Veranlassung, daß meine Ohren eine solche Lästerung vernehmen mußten. Aber, beim Teufel, wenn ich Ihr Hirn nicht berausche, so werde ich dennoch ihre Augenberauschen! – Auf, Ihr Ranguns, tanzt, und zwar auf solche Weise, daß Ihr diesen Menschen hier zu Euren Füßen bringt, bittend, weinend, stammelnd, wie das Kind, den nach einem Spielwerk gelüstet.«

Man wird erkennen, daß das Abendessen, welches Herr Maes Eusebius und den beiden Asiaten bot, plötzlich einen Charakter gewonnen hatte, welcher im Einklang mit den Sitten des Ortes stand, an dem man sich befand.

Der Amphitryon war es, der sich anstrengte, ihm diese Färbung zu verleihen.

Das Schauspiel, welches er sich mit dem Golde des Beduis Argalenka verschafft hatte, erhitzte ihn auf eine wunderbare Weise; um sich abzukühlen, hatte er nichts Besseres zu finden gewußt, als eine Flasche Champagner in einen gewaltigen javanesischen Kelch zu gießen und mit Einem Zuge auszutrinken. Aber das Resultat war durchaus nicht so, wie er es wünschte, denn kaum hatte er das Getränk hineingegossen, als sein Gesicht sich purpurroth färbte und seine Gesprächigkeit in dem Grade zunahm, in welchem das Blut, durch den Wein gepeitscht, durch seine Adern schoß.

Während auf seinen Befehl die Tänzerinnen ihren ersten Pas ausführten, begleitete sie Herr Maes mit den Musikern, indem er ein holländisches bacchantisches Lied sang, zu welchem ohne Zweifel irgend ein Dichter durch den traurigen und schweren Dunst des Bieres begeistert wurde, und dessen klagender und monotoner Rhythmus eben so sehr mit der Physiognomie des Herrn Maes contrastirte, wie mit dem leichten lebhaften Tacte der Instrumente des Orchesters.«

Um den Tact zu schlagen, setzte Herr Maes das lange geflochtene Haar in Bewegung, welches auf dem Rücken des Chinesen herabhing, und das Schwanken, welches er dadurch dem großen Strothut mittheilte, der den Kopf Ti-Kai’s bedeckte, erweckte seine ganze Lustigkeit.

Ti-Kai wackelte bei jedem neuen Stoße hin und her und drohte unter den Tisch zufallen, aber sein Lieblingsgetränk hatte bei ihm so gut gewirkt, daß er nicht zu bemerken schien, was mit ihm vorging. Sein Gesicht hatte den Ausdruck vollständiger Verdummung angenommen.und nur seine Augen bewährten etwas von ihrer Feinheit und ihrer Arglist.

Wie wir aus den Vorwürfen erkennen konnten, welche wir den Notar soeben aussprechen hörten, hatten Eusebius van der Beek und der Javanese Thsermai allein ihre Vernunft bewahrt. Beide enthielten sich fortwährend des Trinkens, obgleich dies keineswegs in den Gewohnheiten des javanesischen Fürsten lag, der sich gleich Allen seines Stammes und seines Ranges den zügellosesten Ausschweifungen hingab. Diesmal aber hatte er, auffallend genug, ungeachtet der Ermahnungen des Notars, das Glas kaum mit den Lippen berührt und sogar mehrmals die Opiumpfeife zurückgewiesen, welche seine Diener ihm boten; nahm er sie aber aus ihren Händen, so geschah es, um sie dem jungen Holländer zureichen, indem er denselben aufforderte, den Versuch zu erneuern, den er zuvor schon über die Vorzüge dieses Narcoticums angestellt hätte.

Eusebius, den die Ankunft des Beduis Argalenka beschäftigte, verspürte keine von den gewöhnlichen Wirkungen des Opiums, aber das Schauspiel, welches er vor Augen hatte und der Anblick der Trunkenheit Harruch’s, erregten seinen Widerwillen; er wies das Anerbieten zurück; zwar artig, jedoch mit solcher Festigkeit, daß sein neuer Bekannter seine Bitten nicht wiederholen konnte.

Ungeachtet dessen, was Herr Maes erwartete, ließen der Tanz der Ranguns, und ihre wollüstigen und herausfordernden Stellungen Eusebius vollkommen gleichgültig. Bei diesem Tanze, wie bei seinen täglichen Arbeiten, richteten sich seine Gedanken beständig auf die phantastische Person, deren Erscheinung seiner Existenz eine andere Richtung gab, und eine Art geheimen Instinctes, so wie die Andeutungen, welche Harruch entschlüpften, sagten ihm, daß er sich in der Gesellschaft von Männern befände, die Basilius gekannt hatten, und die ihm bei dem Kampfe, den er gegen denselben führte, beistehen oder ihm schaden konnten.

Wenn Eusebius fühllos gegen sie Reize der braunen oder weißen Ranguns war, so galt dies keineswegs von Herrn Maes. In dem Augenblick, wo der Tanz seinem Ende nahte, und die meisten Tänzerinnen, durch Anstrengung erschöpft, sich auf den Boden niedersinken ließen, während nur noch zwei oder drei von ihnen ihre Stellungen mit fieberhafter Anstrengung fortsetzten, stand der dicke Notar auf, überschritt die Balustrade, welche die Gäste von den mit ihrer Unterhaltung beschäftigten Tänzerinnen trennte, und schritt vor, indem er seinem Arme eine so anmuthige Wendung gab, wie es ihm bei seiner riesigen Gestalt möglich war, und als wollte er eine der Tänzerinnen auffordern, mit ihm die Pantomime fortzusetzen, die sie in diesem Augenblicke aufführte.

Die Rangune oder die blonde Tänzerin, welche Eusebius bemerkt hatte, schien durch die Erscheinung des Europäers beleidigt zu werden, und mit einem Satze von unglaublicher Kraft und Elasticität sprang sie wie mit verletzter Schamhaftigkeit zurück.

Diejenigen ihrer Gefährtinnen, welche die Ermüdung noch nicht zu Boden geworfen hatte, traten auf den Notar zu, indem sie ihre Herausforderung verdoppelten und ihre Augen in feuchtem Glanze funkeln ließen, als böten sie sich zur Stellvertreterin der Entflohenen an. Aber der Notar verschmähte ihr Entgegenkommen und ging auch ferner auf Die zu, welche seinen Huldigungen entflohen war; diese setzte ihre Flucht unter Stellungen fort, welche die Gluth des dicken Holländers zu verdoppeln schienen, der in seinen Erinnerungen an das große Theater im Haag nach den verliebtesten und flehendsten Positionen suchte, die er die französischen Tänzer in den Ballets hatte annehmen sehen. Die Mimik dieses großen dicken Mannes war etwas so wunderbar Komisches und seine europäische Tracht mitten unter den funkelnden und buntfarbigen Kleidungen der braunen Töchter Java’s nahm sich so eigenthümlich aus; der Ausdruck, den er seinem purpurrothen und aufgedunsenen Gesichte zu verleihen strebte, war so lächerlich, daß selbst Eusebius sich nicht enthalten konnte, die Heiterkeit zu theilen, welche den Notar erregte und sich den Bravorufen anzuschließen, mit denen die Zuschauer und die Schauspieler selbst den kleinen Auftritt begleiteten, den Herr Maes improvisirte.

Die Scene fand die natürliche Entwicklung. Herrn Maes gelang es, die blonde Rangune zu erreichen und er drückte ihr zwei schallende Küsse auf die Wangen; dann zog er aus seiner Börse eine Hand voll Gulden und ließ sie als Silberregen auf den Kopf des jungen Mädchens niederströmen, von wo sie auf den Boden umher rollten.

»Zu trinken! zu trinken!« rief er, »zu trinken, nicht nur für mich, der ich ersticke, sondern auch für diese braven Mädchen; das wird ihnen Kraft verleihen, um sogleich wieder anzufangen.«

Man brachte einige Flaschen Wein und Tsion auf die Estrade und Herr Maes machte sich zum Mundschenk der javanesischen Schönheiten.

»Unter all’ diesen Frauen und all« diesen Männern wird Jemand sein, das schwöre ich, der die Getränke nicht berührt, welche Ihr Landsmann jetzt so freigebig austheilen läßt,« sagte Thsermai zu Eusebius van der Beek.

 

»Wer denn?« fragte dieser. »Diese Sclaven scheinen eben so begierig über die Getränke herzufallen, wie ihre Gebieter.«

»Harruch wird sie nicht berühren,« entgegnete Thsermai, indem er mit dem Finger auf den Schlangenbeschwörer deutete, der in einer Ecke des Gemaches hinter den Musikern saß, und neben sich den Korb mit den Schlangen stehen hatte, die ihm zu seinen Kunststücken dienten.

In der That machte Harruch, als Einer der Musiker, der einen Becher hielt, ihm denselben reichte, eine Bewegung des Widerwillens.

»Komm hierher, Harruch,« sagte Thsermai »und jetzt antworte mir,« fuhr er fort, indem er wechselweise auf die Pfeife und ein Glas deutete; »was ist besser, dies oder das?«

»Das Eine macht uns dem Thiere gleich, das Andere erhebt uns zu den Geistern. Welcher vernünftige Mensch könnte wohl noch zögern?« erwiederte der Schlangenbeschwörer, indem er die Pfeife nahm, und mit Entzücken die ersten Dünste des Opiums einsog.

»Ja,« sagte Eusebius, entzückt über diese Gelegenheit, eine nähere Bekanntschaft mit dem Manne anzuknüpfen, den er über den Doctor Basilius zu befragen wünschte, »ja, ich habe.schon Veranlassung gehabt, mich von den Neigungen Harruchs zu überzeugen. Ich wundere mich sogar, daß er schon aus dem Zustande der Betäubung erwacht ist, in welchen ich ihn vor etwa einer Stunde versunken sah. Aber fürchtest Du nicht, Harruch, daß der wiederholte Genuß des Opiums Deiner Gesundheit nachtheilig sei?«

»Das Leben wird nicht nach den Tagen gezählt, aus denen es besteht, sondern nach den Genüssen, die es bietet.«

»Bravo, Harruch!« rief der Notar; »wohl gesprochen, meiner Treu! Es ist mehr gesunder Sinn unter Deinem gelben Leder, das glänzt wie die Krüge unserer Milchmädchen in Amsterdam, als in dem Gehirn vieler Philosophen. Das erste Mal, wenn Du nach Weltevrede kommst, besuche mich in meinem Hause und ich werde Dir dann ein Stück von der besten Opiumpasta überreichen, welche jemals aus den Ebenen von Meswar kam. Aber hüte Dich wohl, vor Sonnenuntergang zu kommen, hörst Du wohl, Schelm?»

»Ja, Saheb, ich werde warten, bis die Nacht so dunkel ist, daß man einen nüchternen Menschen nicht mehr von einem betrunkenen unterscheiden kann, »erwiederte Harruch mit dem Tone der vollkommensten Unbefangenheit.

»Komm auch zu mir,« sagte Eusebius, indem er den Ton der vollkommensten Gleichgültigkeit anzunehmen versuchte, obgleich er sehr begierig war, diese Gelegenheit zu einer Zusammenkunft mit Harruch nicht entschlüpfen zu lassen. – »Verspreche ich Dir auch keinen Opium, so sollst Du deshalb nicht minder mit meiner Freigebigkeit zufrieden sein, das schwöre ich Dir.«

»Sie haben da einen vortrefflichen Gedanke,« sagte der Notar. »Sie werden ihn der Madame van der Beek vorstellen und er wird ihr wahrsagen.«

»Wahrsagen,« rief der Javanese, »denken Sie denn, daß Herr van der Beek oder dessen Frau Gemahlin solchen Kindereien Glauben schenken wird?«

»Kindereien! Bei den Krallen des Teufels, das ist ein neues Wort in dem Munde eines Javanesen, wenn es sich um Zaubereien handelt. Ich hätte nie gedacht, daß ein einziger dieser Affen – ich wollte sagen dieser Herren im Sacong, den Träumen, den Prophezeihungen, den Bezauberungen, den Erfindungen und Mysterien in dem Gebiete der Cabbala nicht den vollkommensten Glauben beimesse.«

»Sie haben Recht,« erwiederte Thsermai mit Bitterkeit, »wir gleichen den Zebra’s in den großen Wäldern, welche weder durch Mühen noch durch Gewalt gezähmt werden können. Vergebens wollte mein Vater mich in Ihren Wissenschaften durch einen Doctor Ihrer Nation unterrichten lassen; es gelang ihm nicht, aus mir einen Menschen zu machen, weil meine Haut nicht weiß ist!«

»Es wird ihm wenigstens gelungen sein, Sie zu einem Lügner zu bilden, Herr Thsermai,«sagte der Notar.

»Ein Lügner! Ich!« rief der Javanese höchst erzürnt und indem er von seinem Sessel in die Höhe fuhr.

»Ja, Sie, denn Sie haben sich soeben gerühmt, nicht an Zaubereien zu glauben und ich erinnere mich, daß ich bei meinem letzten Besuche in Ihrer Residenz in Bentam sah, wie Sie über die Mauern Ihres Palastes Erde aus einem frisch gezogenen Graben warfen, um während Ihrer Abwesenheit das Unglück von Ihrem Hause fern zu halten.«

»Herr Notar Maes,« rief der Javanese, welcher über die Erinnerung, die der Notar in ihm erweckte, noch aufgebrachter zu sein schien, als über die soeben empfangene Beleidigung, »Herr Notar Maes, Sie beschimpfen mich!«

»Bah! Wollen Sie mich nicht etwa zu einem Zweikampfe herausfordern? Ich nehme ihn an, und obgleich meine Bagage ein wenig schwer ist, kämpft ich doch gegen Sie, wer von uns den weißen Wein fassen kann. Wir haben unsere Zeugen. Indeß ist hier Einer,« fügte er hinzu, indem er mit einem Faustschlage den Hut des Ti-Kai«, welcher auf den Tisch gelehnt schlief, flach drückte, »den man lieber unter die Todten zählen sollte.«

»Herr Notar Maes,« sagte Thsermai mit wuthfunkelnden Augen und bleichen, verzerrten Lippen, »ich scherze nur mit meines Gleichen!«

»Ja diesem Falle müssen Sie bei Denen, bleiben, die Sie für Solche erkennen; Sie können nicht in Verlegenheit sein, dergleichen auf der Insel zu finden.«

Bei dieser neuen Beleidigung griff der Javanese an seinen Crid und versuchte den Tisch zu erklettern, um sich auf den Notar zu werfen.

Harruch, der sich, sobald er im Besitz der Pfeife gelangt war, auf die Rohrmatte, die den Boden bedeckte, an Eusebius Seite gesetzt hatte, und welchen Thsermai mit seiner hastigen Bewegung heftig stieß, rührte sich nicht, um ihn zurückzuhalten; Eusebius war es, der ihn am Arme ergriff und dem es gelang, ihn zu hindern.

»Lassen Sie ihn doch gewähren, van der Beek, lassen Sie ihn, wie er Lust zu haben scheint, seinem funkelnden Stahl Luft schöpfen zulassen. Seien Sie ganz ruhig; er hat keineswegs Luft, zu sehen, ob mein Blut aus meinem Bauche in meine Adern gestiegen ist. – Es sind hier zu viele Zeugen. O, wenn wir allein in einem Walde wären, oder wenn ich seiner Gastfreundschaft vertrauend unter seinem Dache schliefe, dann wäre es etwas Anderes!«

Bei dieser neuen Aeußerung wurde der Javanese leichenblaß und Schaum trat ihm auf die Lippen; er machte eine neue Anstrengung, um sich aus Eusebius Umschlingung zu befreien, als er aber sah, daß ihm dies unmöglich war,rief er: »Hören Sie wohl, Herr Maes, ich werde Sie nicht in einem Walde, auch nicht unter meinem Dache, wenn Sie im Vertrauen auf meine Gastfreundschaft dort schlafen, treffen, sondern an dem Orte, den Sie Königsplatz nennen, am hellen lichten Tage und vor viel mehr Zeugen, als jetzt in dem Gemache hier gegenwärtig sind.«

Der Notar antwortete auf diese Drohung, indem er seinen Gesang aufs Neue anstimmte, plötzlich aber unterbrach er sich und rief:

»Tausend Tonnen Teufel! Dieser Abend war unter abscheuliche Auspicien gestellt. Der junge Narr dort fing damit an, von Madame Maes zu sprechen und die Sache mußte daher mit einem Zank enden. Das Weib bringt mir stets Unglück. – Sehen Sie, jetzt ist unsere Nacht in eben dem Augenblick verdorben, in welchem sie angenehm zu werden begann und unsere Ranguns verbergen sich unter ihre Sacongs, wie eingeschüchterte Gazellen. Zum Henker, Herr Thsermai, stecken Sie Ihre Blechklinge wieder ein; Ihr Crid, der nur Weibern Furcht einflößt, möchte sich entehrt fühlen.«

Der Javanese stand noch immer aufrecht da und bewahrte seine drohende Haltung. In diesem Augenblicke näherte sich dem Prinzen einer seiner Diener, ein Greis, der den braunen Sacong der weisen Javanesen trug, und dazu einen Turban, dessen lange Falten über seinen Turban herabhingen. Sein Gesicht war mit einem dichten weißen Barte bedeckt. Indem dieser Mann sich dem jungen eingebornen Prinzen näherte, flüsterte er ihm in malayischer Sprache einige Worte so leise zu, daß nur Thsermai allein sie verstehen konnte. Dieser antwortete in der gleichen Sprache, schleuderte dann, wie eine doppelte Flamme, einen Blick des Hasses auf die beiden Holländer, gewann mit einer unglaublichen Beweglichkeit seiner Physiognomie wieder vollkommene Ruhe und setzte sich gelassen auf sein Kissen.

»Verrückt, in der That,« sagte er, indem er sich an Eusebius wendete, »ist der, welcher auf die Worte eines von Wein eingenommenen Menschen achtet.«

»Verzeihung, Excellenz,« sagte der Notar lachend. »Sie wollten ohne Zweifel sagen: eines Menschen, der Wein eingenommen hat.«

Der Javanese antwortete nicht.

»Beschäftigen Sie sich mit Ihren Ranguns,«sagte Eusebius, indem er das Wort ergriff und;hoffte, daß der Anblick der Tänzerinnen die beiden, Streitenden zerstreuen und sie einen Zwist vergessen lassen würde, der noch nicht erloschen zu sein schien. »Es scheint mir, als ließen Sie sich für einen Bewunderer der braunen Schönheiten sehr leicht von denselben abwendig machen.«

»Sie haben meiner Treu Recht, van der Beck, und der kleinste Blick der unbedeutendsten dieser Bajaderen ist mehr werth, als Alles, was ich von diesem jungen Wilden erlangen könnte. Auf denn, Ihr schönen jungen Mädchen, gebt uns den Tanz der Djinns zum Besten, um den Abend würdig zu beschließen!«

Während Eusebius mit Herrn Maes sprach und dieser die Ranguns durch Worte und Zeichen anfeuerte, hatte Thsermai sich an Harruch in dem Dialecte gewendet, welchen sein weißbärtiger Diener gebrauchte, um seinen Zorn zu beschwichtigen.

»Harruch,« sagte er, »die Netze sind im Dunkeln ausgespannt; Du brauchst nur das Wild hineinzutreiben, damit es sich darin verwickle.«

Indem der Javanese diese Worte sprach, deutete er Harruch an, daß Eusebius van der Beek der sei, welchen er bezeichnete.

»Der tapfere Jäger bedarf keiner Hilfe,« erwiederte Harruch mit mürrischem Tone; »er allein greift im Bewußtsein seiner Kraft und seiner Unerschrockenheit den schwarzen Panther in den Junglen an.«

»Wir bedürfen Deiner, Harruch. Der Holländer mißtraut Tuan und wird aus dessen Hand nichts nehmen. Sei jetzt mit uns, um auch mit uns zu sein, wenn die Stunde, des Blutbades und der Beute schlägt.«

»Harruch lebt von den Früchten, die für ihn auf den Bäumen des Weges reisen, von dem Wasser, welches über die weißen Kiesel der Bäche hüpft. Die.Feste, bei denen der Mensch, gleich einem Tiger, mit seinen Nägeln zuckendes Fleisch zerreißt und es zwischen seinen Zähnen zermalmt, können nicht sein Antheil sein.«

»Harruch hat sich sehr verändert seit jener Nacht,in welcher in dem Walde von Tjidaval die Rechtgläubigen den Tod der Männer des Nordens geschworen haben, die ihnen die alte Erde raubten.«

»Harruch hat nicht den Eid wiederholt, den er, in der Nacht sprechen hörte, an die Ihr ihn erinnert, Thsermai. Was kümmert es Harruch, wer die Erde besitzt, an der er keinen Antheil hat! Ein Sonnenstrahl, der seine Augen erfreut, und ihn am Morgen in seinem ärmlichen Sacong erwärmt, genügt zu seiner Freude; die Söhne des Islam und die Anhänger Christi haben noch. nicht darauf gedacht, sich Macht über die Strahlen der Sonne anzumaßen.«

»Harruch, Dein Mund spricht nicht die Wahrheit; Du hast einen Grund, den Holländer zu viertheidigen; er hat Dich mit seinem Golde verführt.«

Thsermai wollte fortfahren, aber der Mann mit dem braunen Sacong, der früher schon leise mit ihm sprach, näherte sich dem Guebern, den er seit einigen Augenblicken beobachtete.

Indem Harruch dem Javanesen antwortete, wendete er die Augen nicht von den Ranguns ab und indem der Mann in dem braunen Sacong der Richtung seiner Blicke folgte, erkannte er, welche der Tänzerinnen die Aufmerksamkeit des Schlangenbeschwörers erregte.

Er berührte jetzt mit der Spitze des Fingers seine Schulter. Bei dieser Berührung zuckte Harruch zusammen, als hatte er einen der gewaltigen electrischen Fische, die man in der Südsee findet, in die Hand genommen.

»Hat der Schlangenbeschwörer,« fragte der Mann, indem er sich des Dialects der Malayen bediente, »vermuthet, daß die schöne Tänzerin mit der weißen Haut, welche Malattiblumen in den Haaren trägt, die Schwester des holländischen Kaufmanns ist?«

»Weshalb fragst Du das?«

»Weil Du den als Freund, als Bruder, behandelst, der die Haut von derselben Farbe hat, wie die weiße Rangun.«

»Wer hat Dich gelehrt, in meinem Herzen zu lesen?« fragte Harruch, dessen Augen sich wie die goldfunkelnden Augäpfel seiner Schlangen trübten, wenn er seine Zaubergewalt auf sie ausübte.

»In Deinem Herzen zu lesen ist nur ein Spiel für den, welcher die Geister beherrscht, und über die Elemente gebietet.«

»Bist Du der?«

»Du hast es gesagt.«

»Es bleibt Dir noch übrig, den Beweis zu geben.«

»Nimm diesen Becher,« sagte der Mann in dem braunen Gewande, indem er von dem Tische ein Kristallglas nahm, es mit Wasser füllte und dann einen Tropfen von einer grünen Flüssigkeit aus einem kleinen goldenen Fläschchen, – das er an seinem Gürtel trug, hinein träufelte. »Und jetzt,« fuhr er dann fort, »sieh!«

 

Harruch gehorchte und in dem Wasser, welches alle Farben des Regenbogens annahm, zeigte sich sein eigenthümliches und reizendes Schauspiel.

Die schöne Rangun lag aus ihrem Bett, das ganz mit Blumen bestreut war; Florkleider verbargen kaum ihre gerundeten Formen; auf ein anderes Bild, welches sich Anfangs nur verworren zeigte, indem aber Harruch allmälig sein eigenes erkannte, richtete sie ihre Augen, blau wie der Azur des Himmels, und streckte demselben zugleich ihre gerundeten Arme entgegen.

Er stieß einen unterdrückten Schrei aus und versank in die Betrachtung dieser verführerischen Vision, die sich nach und nach vermischte, und endlich ganz verschwand.

»Ach,« seufzte er, »es war nur ein Traum!« und setzte sein Glas wieder auf den Tisch.

»Ein Traum, der, wenn Du willst, zur Wirklichkeit werden kann.«

»Ihr wollt von mir ein Verbrechen verlangen.«.

»Wesen meiner Art begehen kein Verbrechen; sie benützen die Schwächen der Menschen, das ist Alles.«

»Was verlangt »Ihr von mir?«

»Weiter nichts, als daß Du schweigst und träumst.«

»Und die Rangun wird mich lieben?«

»Die Rangun wird morgen die Deinige sein, und das ist besser als das, was Du forderst.«

»Aber sie ist ein freies Weib; wie könnt Ihr mir sie geben?«

»Was kümmert Dich das, wenn sie nur Dir gehört?«

Der Schlangenbeschwörer warf noch einen Blick auf die Tänzerin, welche in diesem Augenblick in der ersten Reihe Ihrer Gefährtinnen stand. Ihre alabasterweißen Schultern traten bezaubernd aus ihrem Leibchen von schwarzem Sammt, verziert mit Gold, hervor, das ihres schlanke Taille umschloß.

Sie neigte sich auf einem ihrer Füße und bewegte mit dem andern, der halb aus den.Falten ihres blauen, silbergestreiften langen Gewandes hervorkam, im Tacte die goldenen Reifen, mit denen ihre Knöchel umgeben waren.

Harruch fuhr sich mit der Hand über die Augen, als wollte er diese der Versuchung entziehen. Aber unwillkürlich streckte seine andere Hand sich gegen den Mann in dem Sacong aus und ergriff die mit Opium gefüllte Pfeife, die derselbe ihm seit einigen Augenblicken hin hielt. Der Schlangenbeschwörer zog sie lebhaft an seine Lippen, der Diener Thsermai’s aber trat wieder hinter seinen Herrn zurück.

Nichts von dem, was vorgefallen war, hatte Eusebius’ Aufmerksamkeit erregt. Es ging in diesem Augenblicke ein eigenthümlicher Kampf zwischen seinen Sinnen und seinem Wille zwischen der Seele und dem Körper, vor.

Er kannte die. Sitten und die Gewohnheiten der Ranguns; er empfand für dieselben nur Widerwillen und Ekel. Aber selbst gegen seinen Willen fanden seine Augen an dem Schauspiel, welches sie in diesem Augenblick gewährten, ein Interesse, dessen er sich schämte und das er dennoch nicht zu beherrschen vermochte. Er suchte sich zu sammeln; er wollte das Bild Esther’s vor seine Blicke rufen, sich mit dem Gedanken zu seinem häuslichen Herde in Weltevrede wenden, an, welchem sie ihn ohne Zweifel erwartete. Es gelang ihm indeß nur, seine Einbildungskraft zu täuschen, nicht aber, sie zu bezwingen.

Das ehrliche Gemach, das Schlafzimmer Esthers, entschwand seinem Gedächtniß; es schien ihm, als hätte er die Gestalt, die Anordnung desselben vergessen, aber Esther sah er noch immer vor sich. Die blonde Tänzerin, die er bemerkt hatte, nahm allmälig die Gestalt, das Wesen, das Gesicht, der reinen und keuschen Gattin an, der er all’ seine Gedanken widmen wollte. Er glaubte noch immer, Esther zu sehen und es war dennoch die Tänzerin, deren Bewegungen und Stellungen seine Augen folgten.

»Mir scheint, sie finden Gefallen an dieser Unterhaltung, Herr van der Beek?« sagte die Stimme Thsermai’s, welche Eusebius aus der gefährlichen Träumerei erweckte und zu sich selbst zurückrief.

»Sie täuschen sich, Herr Thsermai,« erwiederte Eusebius erröthend. »Meine Augen allein sehen; mein Herz erblickt nichts.«

»Stets derselbe; stets mit Ihrer Frau beschäftigt. Ich möchte sie wohl kennen lernen, um ihr dazu Glück zu wünschen.«

»Wenn Sie sie kennten, würde Ihnen das ganz natürlich erscheinen, worüber Sie sich jetzt wundern.«

»Nun, sagte Thsermai, indem er aufstand, »ich sehe wohl, daß das Codicill des Doktor Basilius nicht zur Ausführung kommen wird.«

»Morgen werde ich glücklicher Weise der Gefahr nicht ausgesetzt sein, von diesem unglücklichen Codicills sprechen zu hören, ohne es zu kennen,« entgegnete Eusebius lächelnd. »Wenn nämlich unser würdiger Herr Maes morgen wieder genug Notar geworden ist, um es mir vorlesen zu können.«

»O, ich zweifle nicht, daß Sie morgen wissen, woran Sie sich zu halten haben. Aber folgen Sie meinem Rathe, Herr van der Beek, und setzen Sie sich nicht zu oft den Verführungskünsten dieser Teufelinnen in den bunten Sacongs aus; das ist gefährlich für Ihre Ruhe und für Ihr Vermögen.«

Mit diesen Worten überschritt der Javanese, wie früher der Notar, die Ballustrade und setzte sich in die Ecke, in welcher der Schlangenbeschwörer seine Körbe hatte stehen lassen, um die Ranguns mehr in der Nähe zu betrachten.

Eben sowohl, um die Tänzerinnen nicht mehr anzuschauen, als um den Augenblick zu benützen, in welchem er mit Harruch allein war, wendete Eusebius sich zu dem Schlangenbeschwörer, um sich mit demselben eine Zusammenkunft zu sichern.

»Hast Du das Versprechen nicht vergessen, welches ich Dir soeben gab?« fragte er ihn.

Harruch antwortete nicht. Seitdem er die ersten Dünste der Pfeife eingesogen hatte, welche der Mann in dem braunen Sacong ihm reichte, und die er ohne Zweifel mit einem viel kräftigeren Narcoticum, als das Opium, gefüllt hatte, war er in einen eigenthümlichen Zustand versunken. Unmerklich schien das Leben sich aus seinem übrigen Körper zurückzuziehen und in dem Gehirn zu concentriren. Seine Finger konnten nur mit Mühe die Pfeife halten, seine Lippen sich nur mit Anstrengung zusammenziehen, um den Rauch der Pfeife einzusaugen; aber seine Augen funkelten in einem eigenthümlichen Glanze und folgten mit dem Ausdrücke des Glückes und der Trunkenheit den wohlriechenden Wolken, die langsam zu der Decke des Zimmers hinaufstiegen, und es schien dabei, als ob seine Einbildungskraft ihnen eine theure Gestalt verlieh.

Er antwortete Eusebius nicht und dieser wiederholte seine Frage. Endlich wendete der Schlangenbeschwörer sich langsam zu ihm um, wie ein Mensch, der sich mit Widerstreben einem verführerischen Schauspiel entriß.

»Was will der europäisches Kaufmann von mir?« fragte er mit kaum verständlicher Stimme.

»Daß Du bei der Trunkenheit, in welche Du, wie ich sehe, wieder versunken bist, mein Versprechen nicht vergessen sollst, Dir ein noch größeres Geschenk zu holen, als das, welches Du von dem Notar empfingst.«

»Wenn der Europäer gibt, so will er dafür empfangen,« entgegnete der Schlangenbeschwörer, der aus seiner Betrachtung der Rauchwolken zurückkehrte und singend sprach, als murmelte er ein Lied. »Die seines Stammes kaufen und verkaufen; sie haben ihr Vaterland verlassen, um in dem Exil Handel zu treiben; sie machen keine nutzlosen Geschenke; wer weiß, was der Europäer von Harruch verlangen wird?«

»Einige Nachrichten über den Doctor Basilius.«

»Der Doctor Basilius ist ein großer Geist; er schwebt durch die Räume, während wir auf der Erde hinkriechen. Er hält den Schlüssel der Herzen in seiner Hand und wird Harruch vergeben, welcher ihm das Herz des europäischen Weibes öffnet, dessen Haare glänzen, wie die milden Strahlen der Sonne und dessen Augen blauer sind, als die blauen Blumen des Mandeja.«